Gehören Sie auch zu den Menschen, die tagaus, tagein arbeiten und anderen dabei zuschauen, wie sie Karriere machen? Dann sollten Sie vielleicht mehr über Ihre Wirkung auf andere nachdenken.

Gestik Mimik Stimme: Die Macht der richtigen Wirkung

Showtime

Kennen Sie Murphys Gesetz? Es besagt: Alles was schiefgehen kann, geht auch schief! Wenn Sie keine Fehler machen wollen, machen Sie garantiert welche. Wenn Sie Ihren Zeitplan perfekt organisiert haben, kommt garantiert etwas dazwischen. Und wenn Sie es tatsächlich geschafft haben, als Perfektionist mal die Fünf gerade sein zu lassen – dann erwischt Sie garantiert Ihr Chef dabei! In solchen Momenten haben Sie vermutlich das Gefühl, Murphys Gesetz schlägt voll zu.

Lassen Sie sich nicht durch hohe Erwartungen oder andere perfektionistische Kollegen unter Druck setzen. Wenn Sie selbst erkannt haben, dass übertriebener Perfektionismus Sie im Berufsleben nicht weiterbringt, sollten Sie den Weg dieser Erkenntnis weiterhin konsequent verfolgen. Auch wenn es nicht einfach ist: Bleiben Sie cool.

Sich nicht erwischen lassen

Selbst wenn es manchmal so scheint, als gäbe es ein kosmisches Gesetz, das Dinge schieflaufen lässt: In Wahrheit gibt es meist gute Gründe dafür, warum bestimmte Dinge daneben gehen. Wenn Sie beispielsweise um jeden Preis Fehler vermeiden wollen, sind Sie mitunter so gestresst, dass der Fehlerteufel nur eine logische Konsequenz ist. Wenn Ihr Zeitplan ins Wanken gerät, dann liegt das oft daran, dass Sie sich als typischer Perfektionist Ihren Tag zu vollgepackt haben. Und wenn Ihr Chef Sie beim “Schlampigsein” erwischt – dann liegt das daran, dass Sie sich erwischen lassen.

Es reicht im Berufsalltag mit seinen hohen Anforderungen leider nicht, lediglich die hohen Ansprüche an sich selbst herunterzuschrauben. Denn meist sind Chefs erst dann zufrieden, wenn Sie Höchstleistungen erbringen. Oder zumindest, wenn es so aussieht. Greifen Sie daher zu einem Trick: Erwecken Sie den Anschein, Ihre Leistungen seien tadellos und perfekt – auch wenn Sie selbst eigentlich finden, dass es noch einiges zu kritisieren gäbe.

Weniger ist mehr – ehrlich!

Es ist verständlich, dass Sie als eingefleischter Perfektionist mit starkem Hang zur Wahrheitsliebe nicht tricksen mögen. Sie möchten lieber ehrlich sagen, dass Ihnen die Anforderungen zu viel sind und dass Sie weniger arbeiten möchten. Oder Sie wollen weiterhin jeden Tag bis spätabends ackern. Denn nur dann ist Ihr Chef vermutlich zufrieden und Sie haben ein reines Gewissen. Doch schauen Sie sich an, wie es Ihre Kollegen machen: Arbeiten die auch alle so lange? Mit der gleichen Intensität? Oder haben die Kollegen eine andere Methode, den Chef von ihren Leistungen zu überzeugen?

Betrachten wie einmal die beiden Kolleginnen Ariane und Petra im Vergleich: Ariane leidet als introvertierte Perfektionistin mit Hang zur Selbstkritik an den hohen Anforderungen ihres Chefs: “Nie kann man es ihm recht machen, ständig verlangt und fordert er noch mehr Leistung!”, beschwert sie sich und arbeitet daher jeden Abend bis 21 Uhr oder sogar länger. Ganz anders hingegen Ihre Kollegin Petra: Die hat beschlossen, den Anforderungen ihres Chefs nicht mehr bedingungslos nachzukommen.

Gute Argumente

Mit einigen vernünftigen Argumenten konnte sie ihm klar machen, dass ständiges Arbeiten bis spät in die Nacht ihre Leistungsfähigkeit dauerhaft negativ beeinflussen würde und dass es vernünftiger sei, einen geregelten Feierabend einzuhalten. Tatsächlich hat der Chef verstanden, dass Petra ihre Arbeit bei einer vernünftigen Tagesarbeitszeit viel effizienter erledigen kann und zugestimmt. Er war sogar begeistert von Petras selbstverantwortlichem Handeln.

Davon will Petra nun auch Ariane überzeugen: “Du muss nicht immer machen, was der Chef verlangt, Du kannst auch mit ihm sprechen”, sagt sie ihr immer wieder. Doch Ariane traut sich nicht so recht. Stattdessen fragt sie allabendlich genervt, wenn Petra ihre Sachen zusammenpackt: “Wie? Du gehst schon?” Die versteckte Kritik in Arianes Worten trifft Petra, die sich gerade ein wenig von ihrem eigenen Perfektionismus befreit hat, besonders. Jeden Abend fühlt sie sich ertappt und geht mit einem schlechten Gewissen heim, weil sie Ariane alleine im Büro lässt. Doch Petra weiß auch, dass das die einzige Möglichkeit ist, sich nicht kaputt zu machen. “Irgendwann wird auch Ariane das einsehen!”, hofft sie.

Die Macht von Gestik, Mimik und Stimme

Für ein wichtiges Meeting haben Ariane und Petra jede eine kleine Präsentation ausgearbeitet. Ariane bis tief in die Nacht. Sie hat alle Fakten recherchiert und sich alle Argumente sowie die möglichen Gegenargumente Ihrer Kollegen fein säuberlich notiert. Nachdem sie beinahe die ganze Nacht nicht geschlafen hat, ist Ariane mehr als gestresst und in denkbar schlechter Verfassung. Als sie an der Reihe ist, zittert ihre Stimme, sie klingt angestrengt und nervös, zupft sich an den Haaren. Keine besonders ansprechende Vorstellung. Und Ariane fragt sich während des gesamten Vortrags, warum alle anderenihre Kollegen so desinteressiert schauen.

Die Antwort darauf ist einfach. Es liegt an Arianes Auftreten, ihrer Gestik und Mimik – und ihrer Stimme. Denn das Auftreten einer Person ist “verräterisch”. Untersuchungen zeigen: Die Wirkung einer Botschaft hängt tatsächlich nur zu sieben Prozent vom Inhalt des Gesagten ab. 55 Prozent werden durch die Körpersprache bestimmt. Immerhin 38 Prozent unserer Wirkung als Person basieren auf Stimme, Tonfall, Betonung und Artikulation. Das bedeutet natürlich nicht, dass nur Optik und Auftreten stimmen müssen, und wir irgendeinen Unsinn reden können. Denn in einem längeren Gespräch oder einer Präsentation werden wir natürlich auch am Inhalt gemessen. Aber wenn die Körpersprache nicht stimmt, schenken andere dem, was wir sagen, leider sehr viel weniger Glauben.

Ruhiges Atmen hilft

Das Fatale: Gerade perfektionistische Naturen, die sich angestrengt bemühen, das Richtige zu tun, neigen dazu, gestresst, hektisch und verbissen zu sein. Das wird ihnen meist als Unsicherheit ausgelegt. Dieser negative Eindruck wird häufig dadurch verstärkt, dass Perfektionisten dazu neigen, zu viel Kraft und Druck in die Stimme zu legen und sehr schnell reden, wodurch sie hart und schrill klingen. Dadurch wirken sie ebenfalls wenig kompetent.

Ruhiges Atmen entspannt den Körper, hilft überlegter zu handeln und lockert die Stimme. Eine gute Übung dazu: Stellen Sie sich vor, Sie seien ein Fischweib und stehen mit drei bis fünf anderen Marktfrauen auf dem Markt und verkaufen Fisch. Ihrer hat natürlich die beste Qualität. Sie preisen Ihre Ware allerdings nur mit den Worten “Bla, bla, bla” an. Achten Sie darauf, dass Sie nicht mit Lautstärke überzeugen wollen, sondern mit Leichtigkeit! Lassen Sie Ihre Wangen und Lippen locker.

Den Druck abbauen

Das haben Sie wahrscheinlich selbst schon erlebt: In manchen Situationen haben Sie sich besonders bemüht, einen Sachverhalt inhaltlich perfekt zu präsentieren. Weil Sie dabei aber angespannt wirkten, konnten Sie andere Menschen nicht für Ihre Argumente gewinnen. Automatisch glaubten die Zuhörer nämlich, dass Sie von dem, was Sie vortragen selbst nicht so recht überzeugt sind, selbst wenn Ihre Argumente noch so gut waren. Bestimmt fallen Ihnen aber auch Situationen ein, in denen Sie vielleicht keine so perfekte Argumentationskette im Kopf hatten und dennoch andere Menschen schnell für sich gewinnen konnten. Was war der Grund? Vermutlich waren Sie in diesen Momenten heiter und gelöst.

Ariane macht außerdem noch einen weiteren Fehler. Im letzten Jahr hat sie extra einen Rhetorikkurs absolviert und versucht nun unbewusst, die dort erlernten Gesten und Sprechweisen zu kopieren. Dadurch wirkt sie unecht und wenig überzeugend. Entscheidend dafür, wie ein Mensch auf andere wirkt, ist nämlich, dass er beim Sprechen in seiner individuellen Indifferenzlage bleibt. Das ist der Grundton der Stimme, der entsteht, wenn Ihre Stimmbänder ganz entspannt vibrieren und den Sie mit Ihrer Stimme daher ganz besonders leicht erzeugen können. Wenn Sie sich mit Ihrer Stimmlage nahe um diesen Ton herumbewegen, haben Sie eine bessere Resonanz und klingen ausdrucksvoller. Daher werden Sie von Ihren Zuhörern als überzeugend und selbstbewusst wahrgenommen. Wenn Sie sich jedoch weiter von diesem Eigenton wegbewegen, riskieren Sie Ihre positive Wirkung, weil Sie sofort angespannt und verkrampft klingen.

Lachen Sie sich locker

Lachen Sie drauflos und reduzieren Sie dann das Tempo in dem Sie gezielt “ha, ha, ha” oder “ho, ho, ho” oder “hi, hi, hi ” lautieren. Bemerken Sie dabei die kleine Kontraktion im Zwerchfell? Diese Bewegung nutzen Sie beim Sprechen unbewusst. Lernen Sie sie bewusst einzusetzen, indem Sie die Lautstärke Ihres Hohoho, verändern. Lassen Sie dabei jeweils den größten Atemmuskel “hüpfen” und bauen Sie die Kraft von unten auf.

Achten Sie darauf, wie es klingt, wenn das Lachen nicht echt ist. Produzieren Sie es zur Abgrenzung nur mit dem Kehlkopf, indem Sie es richtig herausdrücken und dem Bauch wenig Bewegungsspielraum geben. Bemerken Sie die Anspannung und Anstrengung? Die ist nicht nur in Ihrem Bauch fühlbar, sondern auch hörbar. Sie wissen gleich: Dieses Lachen ist nicht echt! Lassen Sie wieder mehr Bewegung zu und unterstützen Sie die Lautstärke und Dynamik Ihrer Stimme.

Verbal zurückschlagen

Die Nervosität macht sich auch auf andere Weise bemerkbar. So recht kann sich Ariane nicht an ihre mühsam ausgearbeitete Präsentation erinnern, es ist, als wären die richtigen Worte wie weggeblasen. Daher verschanzt sie sich hinter dem Laptop und will die Zuhörer durch die trickreiche Computeranimation begeistern, stottert sich aber nur durch die Präsentation. Bereits nach wenigen Minuten bringt ein Kollege sie mit seinem Einwurf völlig aus dem Tritt: “Das ist doch nicht wirklich Ihre Meinung?”, fragt der Kollege scharf. Ariane ist auf sachliche Argumente, aber nicht auf einen derartigen Angriff vorbereitet. “D…d…o..o..ch”, stottert sie leise und versucht sich verzweifelt an ihre Argumentation zu erinnern. Statt schlagfertig zu antworten, rechtfertigt sie sich nun und macht dabei keinen guten Eindruck.

Eine schlagfertige Reaktion ist zum Beispiel, den Kritiker, der Sie mit einer solch stichelnden Bemerkung angreift, lächerlich zu machen. Übersteigern Sie dazu seine Stichelei ins Uferlose: “Das ist doch nicht wirklich Ihre Meinung?” – “Doch, darauf würde ich sogar einen Eid ablegen”. Oder: “Sie haben den Kunden aber schlecht beraten!” – “Ja genau, er benutzt jetzt die Waschmaschine als Whirlpool.” Das Vorgehen dabei ist simpel. Wählen Sie ein Bild, möglichst absurd und weit weg von der Realität. Aber genau dieses Bild beschreiben Sie dann, als sei es wahr, etwa in der Weise: “Klar, ich habe jeden Tag auf den Malediven in der Hängematte gelegen!” Das funktioniert auch bei persönlichen Angriffen, wenn jemand sich beispielsweise über Ihre Kleidung äußert: “Ihre Krawatte ist ja so krumm gebunden!” Dann antworten Sie einfach: “Stimmt, ich wollte mich gerade aufhängen.”

Wirkung ist alles!

Nach dem Meeting kommt der Chef zu Ariane: “Ein sehr interessantes Thema, aber schade, dass Sie so angespannt waren und unsicher wirkten. Das hätte sonst ein ganz netter Vortrag werden können.” Insgeheim aber ärgert er sich über seine uncharmante und verbissene Mitarbeiterin. Ariane ist von der Reaktion des Chefs ebenfalls enttäuscht. Zählt es denn nicht, dass Sie zumindest eine inhaltlich perfekte Präsentation der Sachverhalte mit präzise recherchierten Fakten abgeliefert hat?

Bei Petra läuft alles ganz anders. Sie hatte bei Weitem keine so ausgefeilte Präsentation vorbereitet, ja noch nicht einmal Zeit gehabt, alle Fakten zu sammeln. Aber sie weiß, dass ohnehin nicht vorhersehbar ist, was während des Meetings passieren würde und verlässt sich auf ihr Improvisationstalent. Sie stellt im Meeting die wichtigsten Punkte ihrer Argumentation vor und sagt dann: “Gerade weil diese Strategie so wichtig ist, habe ich die Kernfragen offen gelassen. Ich möchte diese nun mit Ihnen zusammen erarbeiten! Vielleicht möchte unser Chef auch noch etwas ergänzen.” Ergebnis: Die Kollegen sind nun selbst mit Nachdenken beschäftigt und haben keine Zeit mehr, nachzuhaken. Außerdem bezieht Petra den Chef geschickt mit ein, was diesem besonders schmeichelt. Daher lobt er sie nach dem Meeting ganz ausdrücklich: “Das fand ich toll, wie Sie die anderen zum Mitdenken motiviert haben, denn normalerweise schalten bei solchen Redebeiträgen alle ab.”

Perfekt reagieren

80 statt 200 Prozent

Die Beispiele zeigen ganz deutlich: Auch wenn Chefs und Kollegen 200 Prozent von Ihnen erwarten, reicht es oft, wenn Sie nur 80 Prozent Leistung geben. Ja, manchmal ist es sogar regelrecht schädlich, perfektionistisch zu sein. Das musste auch Ariane erfahren. Sie hat sich – ganz detailverliebte Perfektionistin – zu lange in den Fakten “verirrt”, dabei aber das Wesentliche, das gute Gelingen ihrer gesamten Präsentation, aus den Augen verloren. Außerdem hat sie mit dem selbst verursachten Stress ihre eigene Leistungsfähigkeit stark beeinträchtigt.

Grübelei, die Unfähigkeit mit Kritik umzugehen, Unentschlossenheit, Rigidität, hausgemachter Stress, zu hohe Ansprüche an andere – welches sind Ihre perfektionistischen Schwächen? Machen Sie sich eine Liste mit den negativen Konsequenzen Ihrer perfektionistischen Haltung – etwa: “Wenn ich zu perfektionistisch bin, neige ich zur Rigidität und verscherze mir bei Kollegen wichtige Sympathien. Denn wer mag schon Nörgler, Besserwisser und Moralapostel?” Hängen Sie die Liste da auf, wo Sie sie immer sehen – denn sie erinnert Sie daran, dass Perfektionismus nicht in jeder Situation unbedingt erstrebenswert ist. Diese Liste holt Sie auf den Boden der Tatsachen zurück, wenn Sie es einmal wieder übertreiben mit Ihrem Streben nach Perfektion.

Ein bisschen Show muss sein

Meist kommt es eben nicht (nur) darauf an, dass Sie eine sehr gute Leistung bringen, sondern auch, wie Sie diese anderen verkaufen. Ihr Talent als Entertainer ist also gefragt. Natürlich will der Chef auch gute Leistungen sehen. Doch vor allem will er wissen, dass alles reibungslos läuft. Das “entertaint” ihn, das hält ihn bei Laune. Vor allem darauf kommt es an.

Wie aber geht das? Nehmen wir ein einfaches Beispiel: Ihr Schreibtisch ist das reinste Chaos und ein wichtiger Kunde hat sich zum Besuch angekündigt? Reservieren Sie für solche Fälle eine freie Schreibtischschublade, in die Sie alles mit einem Rutsch packen können. Eine offensivere Taktik, zu der allerdings sehr viel Selbstbewusstsein gehört, besteht darin, aus der Not eine Tugend zu machen: Verteilen Sie ein paar Stifte auf dem Tisch, legen Sie einen Aktenordner dazu und entwerfen Sie auf einem großen Blatt schnell ein MindMap mit ein paar Kritzeleien. Vertiefen Sie sich dann völlig in die Arbeit, legen Sie die Stirn in Falten und geben Sie vor, völlig in Ihr kreatives Chaos vertieft zu sein. So wirken Sie zumindest sehr arbeitsam.

Einfache Techniken des Selbstmarketings

Die gleiche Masche funktioniert auch bei komplexeren Zusammenhängen. Stellen Sie sich vor, Sie stehen kurz vor Abgabe eines wichtigen Projekts. Plötzlich merken Sie, dass Sie einen wichtigen Punkt übersehen haben? Ein typischer Perfektionist würde nun alles noch einmal machen – und damit vermutlich den Unwillen des Chefs riskieren. Die bessere Taktik: Stellen Sie flugs ein paar Schlagworte zu diesem Punkt in den Raum und erläutern Sie dann, warum dieser Punkt absolut unwichtig ist.

Sie merken schon: Unperfekte Dinge als perfekt darzustellen, erfordert ein gewisses Maß an Selbstbewusstsein und auch etwas Übung. Aber wenn Sie es ausprobieren, werden Sie überrascht feststellen, dass es nur darauf ankommt, den richtigen Ton zu treffen und eine Sache richtig zu verkaufen. Sie werden sehen, dass Sie sich mit einigen Dingen viel leichter tun können, als Sie bislang geglaubt haben. Und Sie werden sich am Ende fragen: Warum bin ich nicht schon früher darauf gekommen?

Warum Perfektionisten beim Chef schlecht ankommen

Auch Ariane geht das so: Eine Woche nach der Präsentation geht es in einem Mitarbeitergespräch um die Neubesetzung einer Abteilungsleiterstelle. Ariane rechnet sich aufgrund ihrer, wie sie glaubt, überdurchschnittlichen Leistungen gute Chancen auf die Stelle aus. Schließlich kann sie gut und effizient organisieren. Sie ist durch ihre hohen Erwartungen zu Höchstleistungen fähig und erwartet die auch von anderen. Zudem ist sie verantwortungsbewusst und lässt, wenn sie sich einmal etwas vorgenommen hat, nicht mehr locker, sondern verfolgt ihr Ziel, bis sie es erreicht hat. Alles Eigenschaften, die sie, so findet Ariane, hervorragend für die Abteilungsleiterstelle qualifizieren. Darüber hinaus ist sie ihrer Meinung nach die Einzige, die in dem Laden auch einmal den Mut hat zu sagen, was Sache ist: “Ich bin die Einzige, die den Mund aufmacht und den Finger auf den Wunden Punkt legt”, erzählt sie stolz zu Hause. Bei diesem mutigen und couragierten Einsatz muss ihr die Beförderung doch eigentlich sicher sein, so meint sie.

Ihr Chef sieht das anders und hat gleich eine ganze Latte von Punkten, die ihn daran hindern, Ariane zur Abteilungsleiterin zu machen. Sicherlich, das weiß er, ist sie eine gute Arbeitskraft. Aber eine, die man mit Samthandschuhen anfassen muss. Was ihn vor allem stört, ist Arianes Hang, ständig andere Menschen zu kritisieren. Letzte Woche hat sie ihm sogar ziemlich unverblümt vorgeworfen: “Chef, Sie geben die Berichte immer erst so spät rein. Machen Sie das mal etwas früher.” Unverschämtheit, ihm das in diesem Ton zu sagen. Wahrscheinlich würde Ariane als Abteilungsleiterin genau so direkt kritisieren – so etwas kann Mitarbeiter genauso demotivieren wie Arianes ständiger Pessimismus. Warum muss sie nur immer alles so negativ sehen und aus jedem kleinen Problem gleich eine Katastrophe machen? Das geht ja jetzt schon, wo sie noch gar keine Führungskraft ist, vielen Kollegen gehörig auf den Wecker.

Bitte nicht beleidigt sein

Gleichzeitig darf man ihr aber nicht sagen, wenn etwas falsch läuft, sie schnappt sofort ein und ist absolut nicht in der Lage, zu ihren Fehlern zu stehen. Dadurch nimmt sie sich auch die Chance, sich weiterzuentwickeln. Arianes Verhalten diesbezüglich hat ihn schon das eine oder andere Mal hilflos gemacht. Man kann ihr nur behutsam und Schritt für Schritt zeigen, wenn sie etwas nicht richtig gemacht hat. Das ist auf Dauer sehr anstrengend. Und da ist noch dieser unsympathische Zug, dass sie immer recht behalten will. Außerdem arbeitet sie häufig ineffizient, weil sie sich in Projekten auf unwichtige Details konzentriert, statt das große Ziel im Auge zu behalten.

Wenn sie mit Kollegen am selben Projekt arbeitet, hält sie die andere mit weitschweifigen Erklärungen von ihren Aufgaben ab und glaubt zudem, sie könne alles besser. Und zu guter Letzt ist Ariane absolut nicht in der Lage, eine vernünftige Entscheidung zu fällen. Denn offenbar hat sie zu große Angst, Fehler zu machen und kann sich daher nur selten zu einer Entscheidung durchringen. Welche Abteilungsleiterin aber würde Ariane abgeben, wenn sie nicht in der Lage ist zu entscheiden. Kurz, für den Chef ist es eine ausgemachte Sache: Ariane bleibt besser in ihrer jetzigen Position. Als Abteilungsleiterin ist sie eine glatte Fehlbesetzung.

Das können Sie besser!

Ariane ist irritiert, dass am Ende nicht sie, sondern Petra die Abteilungsleiterstelle bekommt. Ausgerechnet Petra, die doch viel weniger arbeitet als sie, dabei aber immer eine Riesenshow abzieht. Ariane ärgert sich. Wie hat die das nur geschafft?

Wenn Sie ein eingefleischter Perfektionist sind, kennen Sie vielleicht die unschöne Situation, dass Kollegen, von denen Sie das überhaupt nicht geglaubt hätten, um Längen an Ihnen vorbeiziehen. Sie können sich keinen Reim darauf machen? Die Antwort ist ganz einfach: Erfolg hängt oft nicht von Leistung, sondern auch davon ab, ob der Chef einen Mitarbeiter sympathisch findet oder nicht. Das klingt zwar auf den ersten Blick ungerecht – doch warum eigentlich? Statt sich über diese typisch menschliche Verhaltensweise zu ärgern, sollten Sie diese lieber auch zu Ihren Gunsten nutzen.

Mit Sympathie punkten

So wie Petra. Sie hat es verstanden, sich die Sympathie ihres Chefs zu sichern. Ihre Taktik dabei ist ganz einfach: Sie weiß, was der Chef wünscht. Dafür muss Sie nicht einmal hellsehen können – einfaches Zuhören reicht. Denn der Chef lässt gern mal Bemerkungen fallen wie “Das sollte dringend abgestellt werden…”, “Darum sollte sich mal jemand kümmern…” oder “Könnten wir da nicht auch mal…”. Petra tut, kann und kümmert sich! Wo Ariane sich als typische Perfektionistin jedes Mal dachte: “Das ist doch völlig unnötig und wenn er es will, dann wird er es doch wohl selbst können”, war Petra schon aufgesprungen, um Ihrem Chef lästige Probleme abzunehmen oder Herzenswünsche zu erfüllen. Da ist zum Beispiel das Protokoll des wöchentlichen Meetings, das zu schreiben Petra mit Begeisterung übernommen hat. Jede Woche tippt sie nun ihr Gekritzel ab und verschickte es dann sauber per eMail – wohlwissend, dass keiner das Protokoll auch nur ansehen wird.

Ebenso unnötig sind die Excel-Tabellen, mit denen sich Petra seit einem halben Jahr herumplagt, auch wenn diese niemand wirklich braucht. Aber warum tut sie das? Der Chef hat durchblicken lassen, dass ihm die Meeting-Protokolle und Excel-Tabellen außerordentlich wichtig sind. Dass Petra sich überhaupt mit solchen, in ihren Augen unwichtigen und oberflächlichen, Aufgaben befasst, verschlägt Arianeglatt die Sprache: Sie kümmert sich lieber um die Arbeiten, die für wirklich wichtig hält: Sie rechnet zum fünften mal die Kalkulation durch, damit auch ja kein Fehler enthalten ist. Oder Sie versucht, Einsparpotenziale zu finden, damit den Kunden noch günstigere Angebote unterbreitet werden sollen. Pech nur, dass ihre akribische Fehlersuche gar nicht bemerkt wird. Und dass Sie trotz intensiver Anstrengungen keine weiteren Einsparpotenziale findeten Arbeiten.

Verschiedene Typen, verschiedene Verhaltensweisen

Es gibt verschieden Typen von Menschen unter Chefs und Kollegen. Einige reagieren vor allem auf emotionale Argumente, andere eher auf Zahlen. Einige sind cholerisch veranlagt, andere eher Jammerlappen. Jeder hat seinen eigenen Sprachstil und seine Art zu kommunizieren. Finden Sie heraus, wie Ihr Chef funktioniert. Nur dann können Sie die richtigen Knöpfe bei ihm drücken.

In den letzten Monaten hat der Chef angedeutet, dass er sich von seinen Mitarbeitern mehr Einsatz wünscht. Ariane will daraufhin ihrem Chef zeigen, wie ernst sie seine Anregung nimmt. Es gelingt ihr mit erheblicher Anstrengung, die Effizienz und den Gewinn ihres Verantwortungsbereiches zu steigern. Petra hat die Äußerung des Chefs ganz anders verstanden. Sie meldet sich in Meetings jetzt viel öfter zu Wort und ist die Erste, die sich für wichtige Kundenpräsentationen bewirbt. Wie aber wird der Chef reagieren? Während Ariane glaubt, der Chef werde ihren Einsatz schon zu würdigen wissen, überlässt Petra das nicht dem Zufall, denn der Chef soll ihre Leistung auf jeden Fall bemerken. Daher spricht sie ihn ganz gezielt darauf an: “Erinnern Sie sich noch, dass Sie letzten Monat mehr Einsatz von ihren Mitarbeitern gefordert haben? Ich habe nun mehrere erfolgreiche Verkaufspräsentationen hinter mich gebracht. Was halten Sie davon?”

Die Macht des Zuhörens

Sie wissen, wer am Ende mit seiner Taktik die Nase vorn hat. Das ist nicht Ariane mit ihrer fleißigen Leistungsbereitschaft bis zur Selbstaufopferung – es ist Petra, die vor allem weiß, wie man seine Leistungen präsentiert. Der Chef ist, wie wir gesehen haben, tatsächlich von Petras Einsatz deutlich mehr angetan als von Arianes Bemühungen. Es geht nämlich nicht nur darum, Spitzenleistungen zu vollbringen, sondern man muss auch darüber reden und seine Leistungen entsprechend darstellen. Sie müssen sich klar machen, dass der “Nasenfaktor”, also die Sympathie, die ein Chef für Sie empfindet, manchmal mehr zählt als die beste Top-Leistung. Auch wenn Ihnen das, der Sie ein ausgemachter als Perfektionist sind, vielleicht nicht so recht passen will – Sie tun sich leichter, wenn Sie diese Tatsache gelegentlich, und bald immer öfter!, beherzigen.

Hören Sie zu, was der Chef sich wünscht. Immer wenn Sie Ihrem Chef Wünsche erfüllen oder Probleme abnehmen, sammeln Sie Sympathiepunkte. Darauf kommt es im Job nun einmal an!

Wollen Sie wirklich perfekt sein?

Ob Schwarz-Weiß-Denken, Grübelei, Angst vor Fehlern und Kritik, Unentschlossenheit, Rigidität, Aufschieberitis, Kontrollsucht – Sie kennen vermutlich die verschiedenen Facetten des Perfektionismus. Sie wissen, welche Ausprägungen er gerade im Berufsalltag hat und welche Probleme er dort bereiten kann.

Auch wenn es verständlich ist, dass Sie gerade im Job, wo Sie stets perfekt funktionieren sollen, danach streben, alles 110-prozentig zu machen. Auch wenn Spitzenleistungen Sie manchmal weiterbringen können. Die vielen Beispiele haben deutlich gemacht, dass übertriebener Perfektionismus sehr schnell zum Bumerang werden kann, der dazu führt, dass Sie sich im Hamsterrad drehen, statt die Karriereleiter hinaufzuklettern.

Einen Gang runterschalten lohnt sich

Achten Sie einfach mal ein wenig darauf, wie oft Sie perfektionistische Verhaltensweisen an den Tag legen. Rufen Sie sich wieder in Erinnerung, welche Nachteile übertriebener Perfektionismus haben kann. Machen Sie sich dann klar, dass dieser hausgemachte Druck und Stress gar nicht nötig ist.

Lohnt es sich nicht doch, manchmal einfach etwas weniger perfektionistisch zu sein? Natürlich fällt es Ihnen nicht ganz leicht, von den hohen Erwartungen an sich und andere abzurücken – denn die hohen Ansprüche gelten ja eigentlich als etwas Positives. Vielleicht fragen Sie sich, ob es wirklich gut ist, manche Detailaufgaben weniger gründlich zu machen oder wirklich weniger hart zu arbeiten. Doch denken Sie daran, wie oft Sie sich mit Ihrem Perfektionismus selbst unter Druck setzen, wie schwierig es ist, Fehler zu vermeiden und wie oft Sie durch Ihre hohen Ansprüche und Ihren Wunsch, alles kontrollieren zu wollen, schon bei anderen angeeckt sind. Das sollte Sie motivieren, in kleinen Schritten diese Verhaltensweisen zu ändern. Ich würde mich freuen, wenn meine Arbeit dazu einen Beitrag geleistet hätte!