Vor kurzem habe ich auf Best of HR – Berufebilder.de® auf die Aktion deutscher Ingenieure gegen ihren eigenen Verband, den VDI, hingewiesen – und darauf, dass die Zahlen über einen zukünftigen Fachkräftemangel, die der VDI seit Jahren propagiert, widerlegbar seien. Das erhärtet sich nun durch eine neue Veröffentlichung des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).

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Zahlen des VDI: Nicht nachvollziehbar und überzogen

Noch vor vor einigen Wochen behauptete Willi Fuchs, Direktor des VDI, im SPIEGEL-ONLINE-Interview, das Durchschnittsalter der Ingenieure betrage 50 bis 51 Jahre; deshalb stehe eine Verrentungswelle und somit großer Ersatzbedarf an. Zudem hatte der Verein Kritik an seinen Zahlen energisch zurückgewiesen.

Nun veröffentlichte Dr. Karl Brenke,  Arbeitsmarkt- und Konjunkturexperte am DIW, der bereits Ende 2010 für Aufsehen gesorgt hatte, neue Zahlen in denen er die Argumente des VDI genauer unter die Lupe nahm – und widerlegte. Die Zahlen des VDI kann Brenke nicht nachvollziehen und hält sie für überzogen.

In aktuellen Wochenbericht des DIW und in einem Artikel auf Spiegel Online erklärt er, dass sich der Alarmisums des VDI zum einen auf die offenen Ingenieurstellen bei der Bundesagentur für Arbeit und andererseits auf die Altersstruktur der Ingenieure bezieht.

Wie kommt der VDI auf seine Zahlen?

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In ihrem gut recherchierten Beitrag auf ZEIT ONLINE erklärt Redakteurin Tina Groll, wie der VDI auf die Fachkräftelücke kommt – eine Berechnung die Brenke für nicht seriös hält:

„Der Verein stützt sich bei seiner Berechnung auf eine Umfrage aus dem Jahr 2009. Demnach wird lediglich jede siebte Ingenieursstelle bei der Bundesagentur gemeldet. Deshalb multipliziert der Verein diese Zahl mit dem Faktor Sieben. Dieser Zahl wird dann die Anzahl der arbeitslos gemeldeten Ingenieure gegenübergestellt – derzeit sind das 18.882 Personen. So kommt der VDI auf die Lücke von 87.000 Fachkräften.“

Durschnittsalter ist jünger als der VDI angibt

Und wie sieht es mit der Altersstruktur aus? Laut Mikrozensus waren 2008 in Deutschland rund 750000 Ingenieure tätig. Ihr Durchschnittsalter lag bei 43,3 Jahren. Weniger als ein Drittel von ihnen war 50 Jahre und älter.

„Obwohl Ingenieure durch ihre lange Ausbildungsdauer vergleichsweise spät in den Arbeitsmarkt eintreten, liegt der Altersdurchschnitt nicht höher als bei anderen akademischen Berufen“, so DIW-Experte Brenke.

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Da es in den letzten Jahren keine radikalen politischen Maßnahmen oder Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt für Ingenieure gegeben habe, geht Brenke davon aus, dass sich die Altersstruktur der Ingenieure allenfalls geringfügig verschoben haben kann. So sagt Brenke:

„Ich halte es nicht für realistisch, dass von 2008 bis heute das Durchschnittsalter um sieben Jahre auf 50 bis 51 Jahre gestiegen ist“,

Dies wird auch durch die aktuelle Beschäftigtenstatistik der Bundesagentur für Arbeit von Juni 2011 gestützt.

Ersatzbedarf von höchstens 20 000 Ingenieuren

Das DIW Berlin geht von einem etwa halb so großen Ersatzbedarf an Ingenieuren für die kommenden Jahre aus.

„Ein jährlicher Bedarf von 40000 Ingenieuren – allein um die Ruheständler zu ersetzen – ist aus den vorliegenden Zahlen nicht realistisch abzuleiten, denn dann müssten alle erwerbstätigen Ingenieure, die heute 50 Jahre und älter sind, innerhalb von 5 ½ Jahren in den Ruhestand wechseln. Wenn man fair rechnet, kommt man auf ungefähr 20000 Personen, die jedes Jahr aus Altersgründen ausscheiden.“

Künftiger Bedarf lässt sich durch Uniabsolventen decken

Aufgrund des Aufschwungs nach der Finanzkrise ist die Zahl der Ingenieure insgesamt gestiegen – bei den Sozialversicherungspflichtigen zwischen 2008 und 2011 um durchschnittlich 1,5 Prozent pro Jahr. So erläutert Brenke:

„Diese Zuwachsrate ist zwar nicht gering, aber auch nicht viel höher als beim Durchschnitt aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Dort lag sie bei 1,1 Prozent. In den letzten Jahren hat es einen regelrechten Run auf ingenieurwissenschaftliche Studienplätze gegeben“, so der DIW-Arbeitsmarktexperte. So haben 2010 rund 50000 Studenten ihr Studium in einem industrienahen Ingenieurstudiengang absolviert. „Allein die Absolventen, die gegenwärtig aus den Unis kommen, können den Gesamtbedarf an Ingenieuren decken.“

Falsche Zahlen als Problem für Berufseinsteiger

Brenke plädiert daher für eine realistischere Betrachtung des Ingenieurbedarfs im laufenden Jahrzehnt.

„Der Berufseinstieg kann für junge Ingenieure zunehmend schwierig werden, wenn es eine Absolventenschwemme gibt.“

Der Verein Deutscher Ingenieure machte nun in einer Pressemitteilung erneut klar, dass in Deutschland in naher Zukunft weiter mit einem starken Fachkräftemangel zu rechnen sei. Beleg: Die Zahl der offenen Stellen im November 2010, die übrigens denen Karl Brenkes eklatant widersprechen.

Was sag der VDI?

Ein wenig wirkt das für mich wie: „Was kümmert mich die Statistik vom letzten Monat. Wir kriegen ihn schon den Fachkräftemangel – jetzt aber wirklich!“ Im Einzelnen liest sich das dann so:

Auch im November 2010 verschärfte sich der Ingenieurmangel weiter. Laut VDI-/IW-Ingenieurmonitor fehlten ca. 47.000 Ingenieure. Der Anstieg um knapp acht Prozent im Vergleich zum Vormonat resultierte zum einen aus dem Anstieg der offenen Stellen auf 70.000. Gleichzeitig sanken die Ingenieur-Arbeitslosenzahlen im November erneut leicht um zwei Prozent auf 23.600. 15.800 und damit die meisten offenen Stellen gab es erneut in Baden-Württemberg, gefolgt von 13.600 Vakanzen in Nordrhein-Westfalen und knapp 10.000 in Bayern. Mit 24.500 Stellen war die größte Anzahl offener Stellen wieder bei den Maschinen- und Fahrzeugbauingenieuren ausgeschrieben, bei den Elektroingenieuren waren es 15.700, bei den Bauingenieuren 12.300. Für die Berufsgruppe der Elektroingenieure bedeutet dies einen Anstieg um knapp 5 Prozent im Vergleich zum Oktober 2010, im Vergleich zum Vorjahresmonat sogar um 41,4 Prozent.

Woher kommen die Zahlen?

Quelle für die Zahlen in dieser Meldung sind übrigens die Berechnungen des Instituts für Deutsche Wirtschaft. Bei Karl Brenke sehen die Zahlen ganz anders aus – Beispielsweise die vom VDI angesprochenen Maschinen- und Fahrzeugbauingenieure:

Hier konnte Brenke im Oktober 2010 nur 3.366 offene Stellen ausmachen. Und 2008, vor der Wirtschaftskrise waren es auch nur 5.018 (siehe Seite 7 in der Studie).

Kann man das so berechnen?

Wie diese starke Diskrepanz zu Stande kommt, erklärt Arbeitsmarkexperte Brenke auch gleich selbst – nämlich auf Seite 4 seiner Studie (die man hier als PDF findet) – nämlich zum einen aus einem Berechnungsfehler und zum anderen deshalb, weil längst nicht alle gemeldeten freien Stellen auch tatsächlich frei sind:

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat versucht, aus einer Kombination aus Unternehmensumfragen und Daten der Bundesagentur für Arbeit das Angebot und die Nachfrage etwa bei Ingenieuren zu erfassen. So wird dabei auf der Basis einer relativ kleinen Stichprobe er-hoben, wie viele Unternehmen ihre offenen Stellen für Ingenieure der Bundesagentur für Arbeit melden. Auf dieser Grundlage wird ein Faktor ermittelt, mit dem die bei der Arbeitsverwaltung gemeldete Zahl der offenen Stellen hochgerechnet wird, um auf die gesamte Nachfrage nach Ingenieuren zu schließen. Zuletzt wurde der Faktor sieben verwendet – die Zahl der offenen Ingenieurstellen bei der Bundesagentur wurde also mit sieben multipliziert.

Was ist das Problem?

Karl Brenke erklärt dann aber auch, warum das Verfahren problematisch ist:

Es ist aber nicht zulässig, die offenen Stellen mit einem ermittelten Multiplikator einfach hochzurechnen. Denn in gesamtwirtschaftlicher Hinsicht sind nur solche offene Stellen zur Messung eines Fachkräftebedarfs relevant, die entstehen, wenn ein Betrieb sein Personal aufstocken will, oder weil Mitarbeiter aus der Erwerbstätigkeit hierzulande ausscheiden und ersetzt werden sollen. Oft sind Stellenausschreibungen aber nur auf Betriebswechsel zurückzuführen. Ein Beispiel: Ein noch im Betrieb tätiger Arbeitnehmer hat eine berufliche Veränderung angekündigt und so eine Stellenausschreibung ausgelöst. Dieser Mitarbeiter bewirbt sich nun auf eine Stellenanzeige bei einem anderen Arbeitgeber, die deshalb geschaltet wurde, weil in dessen Betrieb ein Beschäftigter sich beruflich verändern will. Es sind auf diese Weise mehrere offene Stellen entstanden, aber kein zusätzlicher Arbeitsplatz und nicht einmal eine Vakanz aufgrund des Ausscheidens eines Mitarbeiters aus dem Erwerbsleben.

Fazit: Kritische Diskussion ist notwendig

Ich würde mir wünschen, dass sich VDI und IW, wenn sie schon anderer Meinung sind, sich mit Brenkes Studie kritisch auseinandersetzen und dessen Thesen diskutieren. Die Studie des DIW totzuschweigen und einfach so weiterzumachen wie bisher, wirkt wenig transparent und glaubwürdig. Eine offene Diskussion wäre für das Thema förderlichter!

Oder glaubt man, dass dieser kurze Beitrag mit ein paar locker hingeworfenen Beispielen eine ganze Studie entkräften kann? Ich finde das ja etwas mager und wenig aussagekräftig. Beim Institut für Deutsche Wirtschaft und dem VDI ist man offenbar anderer Meinung.


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