Was tun, wenn beim Onboarding die Spannungen trotz guter Vorbereitung steigen? Welche Schritte sind zu ergreifen? Ein Überblick!

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Onboarding-Sekundenkleber verwenden – 10 Andocktechniken für neue Mitarbeiter

Damit ein Onboarding-Prozess ähnlich sicher verläuft, wie der weit überwiegende Anteil störungsfreier Flüge, müssen interaktionelle Qualitätsstandards eingehalten werden. Im Idealfall werden die Qualitätsstandards allen Beteiligten vor dem Onboarding in Erinnerung gerufen, egal wie erfahren sie mit Kontextwechseln sind. Folgende Sicherheitsvorkehrungen für die Onboarding-Reise sollten getroffen werden.

Auch wenn viele Führungskräfte die Beziehungsdynamik intuitiv förderlich beeinflussen, kann es hilfreich sein, sich die bewährten Techniken immer wieder bewusst zu machen. Insbesondere gilt dies, wenn der Druck steigt und mit ihm die Wahrscheinlichkeit, reflexhaft zu reagieren. Zehn Andocktechniken haben sich in Integrationsphasen besonders bewährt:

1. Auf eine Wellenlänge einschwingen

Im Improvisationstheater gibt es eine Aufwärmübung mit verblüffender Wirkung. Es werden Paare gebildet. Sie einigen sich auf ein Gesprächsthema, beispielsweise, ob man nach der Arbeit noch gemeinsam etwas unternimmt. Die Übung erfolgt in zwei Etappen. In der ersten Etappe gibt es die Instruktion, die Vorschläge des Gesprächspartners konsequent abzulehnen. Es ist leicht, sich auszumalen, wie stockend das Gespräch verläuft. Derjenige, der unermüdlich Vorschläge einbringt, strengt sich an. Der Gesprächspartner, der die Vorschläge ablehnt, fühlt sich im Laufe des Gesprächs bedrängt. Es entsteht bei beiden das Gefühl, aneinander vorbei zu reden. Die Wellenlänge scheint nicht zu stimmen.

In der zweiten Runde werden die Gesprächspartner aufgefordert, auf alle Vorschläge einzugehen. Damit ist nicht gemeint, zu allem ja zu sagen. Wenn eine Person beispielsweise vorschlägt, nach der Arbeit noch in einen Biergarten zu gehen, könnte das Darauf-Eingehen so aussehen, dass die andere Person sagt: »Oh ja, gemeinsam den Tag zu reflektieren finde ich eine gute Idee. Heute Abend bin ich leider schon vergeben. Was hältst du davon, wenn wir Morgen gemeinsam Mittag essen gehen?« Wird nach dieser Andockregel kommuniziert, entsteht eine Beziehungsdynamik, die das Gefühl stärkt, eine Wellenlänge zu haben und einander zu verstehen. Gerade wenn in der Onboarding-Phase unterschiedliche Erwartungen aufeinandertreffen, kann diese einfache Andocktechnik die Zusammenarbeit von Anfang an erleichtern. Andocktechnik

2. Meine Welt – deine Welt

In der Schule, Berufsausbildung und an Universitäten haben wir gelernt, klar unsere Meinung zu vertreten. Logisch aufgebaute Argumentationsketten wurden mit guten Noten belohnt. Ein Sowohl-als-auch wurde leicht als schwammig ausgelegt. In der Berufswelt treffen dann die unterschiedlich ausgebildeten Experten aufeinander. Ein Naturwissenschaftler wird anders argumentieren als ein Geisteswissenschaftler. Architekten haben andere Aspekte im Blick, wenn es beispielsweise um die Gestaltung von Arbeitsumgebungen geht, als Psychologen. Schnell entsteht eine Gesprächsatmosphäre, in der unterschiedliche Interaktionspartner versuchen, sich gegenseitig von ihrer Sichtweise zu überzeugen.

Zu erkennen ist dieses Kommunikationsmuster an der wiederholten Verwendung der Formulierung ja, aber … Folgt man der konstruktivistischen Wirklichkeitsauffassung, nach der es keine Falschnehmung, sondern nur eine Wahrnehmung gibt (zitiert nach einer Aussage von Haja Molter), existieren viele Wirklichkeitsauffassungen gleichberechtigt nebeneinander. Keine ist richtig oder falsch, alle ergeben Sinn aus der Perspektive des jeweiligen Betrachters. Auch hier hat sich eine einfache Andocktechnik bewährt. Immer wenn man bemerkt, dass sich die beiden Wörter ja, aber … häufen, ersetzt man das Wort aber durch und. Auch in diesem Fall ist die Wirkung verblüffend. Unterschiedliche Beschreibungen können durch diese kleine Änderung unkommenImmer tiert nebeneinander stehen bleiben. Der Wunsch, Recht zu haben, nimmt ab. Es steigt die Wahrscheinlichkeit, eine für beide gute und konstruktive Lösung zu finden.

3. Die Kunst der Unterlassung

Die Unterlassung ist eine Königsdisziplin der systemischen Methoden. Mit Unterlassung ist gemeint, nicht reflexhaft zu reagieren, wenn ein Kommunikationsangebot gemacht wird. Diese Technik setzt ein hohes Maß an Selbststeuerungsvermögen voraus. Da zwischen Reiz und Reaktion ein Möglichkeitsraum liegt, hat die Führungskraft die Wahl, wie sie reagiert (Frankl, 1985, S. 52 ff.). Wer eine Pause zwischen Auslöser und Reaktion einlegen will, muss sich selbst wie ein neutraler Beobachter von außen in der Situation wahrnehmen können. Erst diese distanzierte Position macht es möglich, bewusst zu entscheiden. Beispielsweise kann man sich gleich melden, wenn ein Kollege um Hilfe bittet.

Man kann aber auch kurz innehalten, um zu prüfen, was machbar und sinnvoll ist zu dem gegebenen Zeitpunkt und unter diesen Umständen. Es kann durchaus sein, dass man sich wieder entscheidet einzuspringen und aushilft, weil es jetzt passt und stimmig ist. Der entscheidende Punkt ist, dass man die Wahl hat. Die Reaktion wird bewusst getroffen und erfolgt nicht reflexhaft. Sandra Janoff und Marwin Weisbord, die Begründer der »Zukunftskonferenzen«, zeigen in ihrem Buch »Don’t just do something, stand there«, welche Kraft in der Kunst der Unterlassung steckt (Weisbord u. Janoff, 2007, S. 31–48). Gerade in Phasen von Kontextwechseln hilft es, wenn die Beteiligten einen Anker haben, der wertvolle Pausen immer wieder ins Gedächtnis ruft.

Er erinnert die neuen Führungskräfte daran, innezuhalten und immer wieder bewusst Pausen einzulegen. Manche stellen sich vor, innerlich auf den Balkon zu gehen, andere imaginieren den Blick eines Adlers von oben auf die Gesprächssituation. Wieder andere nutzen einen Gegenstand im Raum, wie einen kleinen Globus auf dem Schreibtisch oder ein Kunstwerk an der Wand. Wer die Kunst der Unterlassung beherrscht, hat sein systemisches Handgepäck mit einer wertvollen Technik ausgestattet, die im Integrationsprozess häufig von Nutzen sein wird.

4. Dynamisches Menschenbild

In der Onboarding-Phase lernt man sich gegenseitig nach und nach immer besser kennen. Beide Seiten bilden sich im Laufe der Probezeit ein Urteil voneinander. Bei hoher Leistungsverdichtung ist es verständlich, dass man versucht, Komplexität nach Möglichkeit zu reduzieren. Auf zwischenmenschlicher Ebene ist kategorisches Denken eine Möglichkeit, die Komplexität zu bewältigen. Das Einordnen von Gesprächspartnern erleichtert es, ihn einzuschätzen. Erfahrungen helfen dabei, eine Person einzuordnen. Verdichtetes Erfahrungswissen kann zu einer guten Menschenkenntnis führen. Diese ist hilfreich, um sich schnell auf jemanden einstellen zu können. Es wird zur Falle, wenn die Einschätzung kategorisch erfolgt und die einmal gewählte Schublade nicht wieder aufgezogen wird. Hilfreich im Onboarding-Prozess ist es, wenn in der Kennenlernphase die Menschenkenntnis mit einem dynamischen Menschenbild einhergeht. Mit einem starren Menschbild würde eine Führungskraft denken oder sagen: »Der Kollege ist entscheidungsschwach.«

Diese Formulierung ist eine Zuschreibung. Der Kollege wird so wahrgenommen, als sei er so. Unausgesprochen wird damit die Botschaft vermittelt, dass diese Art zu sein in Stein gemeißelt ist und er so bleiben wird. Dieses Menschenbild ist starr und gibt dem Kollegen keine Chance für eine positive Entwicklung. Ganz anders stellt sich die Situation dar, wenn die Einschätzung eines Kollegen mit einem dynamischen Menschenbild erfolgt. Die Formulierung würde lauten: »Mein Kollege hat bei der letzten Mitarbeiterbesprechung vermieden, eine Entscheidung zu treffen.« Mit dieser Formulierung wird ein situativ gezeigtes Verhalten beschrieben. In einer anderen Situation könnte sich der Kollege anders verhalten. Das dynamische Menschenbild lässt Raum für eine positive Entwicklung. In einer Integrationsphase sind beide Seiten gut beraten, vorschnelle Zuschreibungen zu vermeiden. Wenn in Rückmeldegesprächen konkrete Verhaltensweisen beschrieben werden, auch wenn sie von dem Feedback-Geber als irritierend oder dysfunktional empfunden werden, bleibt eine positive Entwicklung möglich und alle Beteiligten können an der Integration wachsen.

5. Trennen, was nicht zusammengehört

In entspannten Gesprächssituationen ist es leicht, konstruktiv miteinander umzugehen. Es gibt keine Meinungsverschiedenheiten. Die Einschätzung der Situation scheint ähnlich zu sein. Wirklichkeitsauffassungen und -beschreibungen weichen nur minimal voneinander ab. Wie zwei gute Freunde oder ein eingespieltes Ehepaar scheinen sich die Gesprächspartner auf eine Weltsicht geeinigt zu haben. In dieser Atmosphäre ist es leicht, an die Argumente der Gesprächspartnerin anzuknüpfen. Ideen sprudeln und Lösungsvorschläge ergänzen sich. Ganz anders stellt sich die Situation dar, wenn unterschiedliche Wirklichkeitsauffassungen aufeinandertreffen. Gerade in der Onboarding-Phase, wenn Partner sich erst finden müssen, ist es wahrscheinlich, dass unterschiedliche Erfahrungen und Interessen mitgebracht werden. Wenn die Gesprächspartner nicht aufpassen, kann sich in dieser Konstellation eine ungewünschte Dynamik entwickeln. Was zunächst als sachliche Auseinandersetzung begann, wird immer persönlicher. Emotionen, die mit den Interessen verbunden sind, wirken auf die Art der Kommunikation. Es wird hitziger.

Die fachliche Ebene wird immer mehr verlassen, je mehr das Bedürfnis der Gesprächspartner laut wird, in ihrer Sichtweise und Argumentation ernst genommen und wertgeschätzt zu werden. Nicht Recht zu bekommen, wenn man meint, im Recht zu sein, stachelt die Gesprächspartner an. Das Ringen um eine gemeinsame Lösung wird zu einem Kampf. Wenn in dieser Situation kein Klebstoff zum Andocken im Handgepäck vorhanden ist, kann das Gespräch eskalieren. Sobald man diese Dynamik bemerkt, sollte man sich disziplinieren und nicht zu schnell bewerten. Die Konfrontation in dem Gespräch entsteht nicht durch unterschiedliche Interessen und Auffassungen. Zielkonflikte sind in Unternehmen Teil des Spiels. Zu einer Störquelle werden sie, wenn mit den Auffassungen Erklärungen verbunden werden, die unmittelbar bewertet werden.

Eine anstehende Umstrukturierung der Aufgaben beispielsweise würde mittels dieses Klebstoffs zunächst neutral beschrieben. In einer nächsten Phase würde jeder Gesprächspartner erklären, was sie für ihn bedeutet. Erst zum Schluss würde eine Bewertung erfolgen, wie gut oder schlecht, hilfreich oder störend, durchdacht oder kränkend man diese Maßnahme empfindet. Ohne Klebstoff werden Phase eins (beschreiben) und Phase zwei (erklären) so schnell durchlaufen, dass das Gespräch durch die Fokussierung auf Bewertungen verhärtet. Abweichende Auffassungen werden von deren Bewertung unzureichend getrennt. Wer zu schnelle Bewertungen vermeidet, sich zunächst Zeit zur neutralen Beschreibung der Situation nimmt, um erst dann die Erklärungen abzugleichen, wird das Gespräch entschleunigen. Person und Sache können so wieder leichter getrennt werden. Die Wahrscheinlichkeit einer konstruktiven Problemlösung steigt.

6. Die drei Ws der konstruktiven Rückmeldung

Im Onboarding-Prozess ist der konstruktive Austausch von Sichtweisen ein kritischer Erfolgsfaktor. Erfolgt er zu wenig, muss die Passung sehr hoch sein, damit die Integration gelingen kann. Im Idealfall sind Rückmeldungen ritualisiert, beispielsweise in Form von regelmäßigen Rücksprachen und Entwicklungsgesprächen. Eine konstruktive dreistufige Rückmeldetechnik wirkt als Klebstoff und sollte möglichst immer sofort zum Einsatz kommen, wenn es Bedarf gibt. Eine Mitarbeiterin legt beispielsweise die Regel, dass alle im Team gleichberechtigt sind, anders aus als ihre Teamkolleginnen. Sie holt Rückmeldung zu Zwischenergebnissen bei unterschiedlichen Gesprächspartnerinnen ein, ganz unabhängig von der Hierarchie, wenn sie es für notwendig hält. Teamkolleginnen, die unter gleichberechtigt verstehen, dass solche Aktionen abgesprochen werden, bevor man mit anderen kommuniziert, werden irritiert sein. Warten sie auf die nächste ritualisierte Austauschrunde, beispielsweise eine Retrospektive15, kann es sein, dass sich Irritationen summieren und das Störgefühl verstärken.

Um diese Eskalation zu vermeiden, sollte dieser Schritt immer bei Bedarf genutzt werden: Die konstruktive Rückmeldung erfolgt in drei Stufen. Die drei Ws bezeichnen die Phasen Wahrnehmung – Wirkung – Wunsch. In dem oben aufgeführten Beispiel könnte die irritierte Teamkollegin nach diesem Dreiklang rückmelden:

  1. Wahrnehmung: »Du hast der Direktorin unsere Teamergebnisse vorgestellt, ohne dich vorher mit uns abzustimmen.«
  2. Wirkung: »Dieses Verhalten irritiert mich, weil ich mich übergangen fühle.«
  3. Wunsch: »Ich wünsche mir, dass du dich in Zukunft vorher mit mir absprichst. Wie siehst du das?«

Auch bei dieser Andocktechnik wird vermieden, die Gesprächspartnerin mit Du-Botschaften in die Ecke zu treiben. Die Technik ermöglicht es, bei sich zu bleiben und eine Lösung herbeizuführen, ohne die Gesprächspartnerin zu beschuldigen. Diese Andocktechnik wirkt am besten, wenn sie eingesetzt wird, sobald Irritationen auftreten.

7. Mit Boarding Experience (BX) switchen

Im Theater können wir die Wirkung dieser Technik miterleben. Schauspieler sind Meister dieser Technik. Sie schlüpfen in eine Rolle und fühlen, denken und agieren aus dieser Rolle heraus. Sie sind Meister des Switchens. Auch in Unternehmen wird eine Variante dieser Technik genutzt, um Kundenerfahrungen so zu nachzuspüren, als würde man in der Haut eines solchen Kunden stecken. Customer Experience (CX) ist eine Methode, Kundenerfahrungen möglichst allumfassend an unterschiedlichen Online– und Offline-Berührungspunkten der gesamten Kundenerfahrungen (Customer Journey) nachzuvollziehen. Produkte werden auf diese Weise vom Kunden her gedacht und entwickelt. Die Technik des intensiven Einfühlens wurde nach ihrem Begründer als StanislawskiMethode benannt. Eine Neueinsteigerin kann diese Technik für den Kontextwechsel adaptieren:

Sie antizipiert Boarding Experience (BX), indem sie sich typische Repräsentanten des neuen Unternehmens vorstellt, mit denen sie vornehmlich arbeiten wird, die sogenannte Unternehmens-Persona. Das Switchen wird vorbereitet, indem die neue Führungskraft alle Informationen sammelt, die sie über die Personengruppe in Erfahrung bringen kann, mit der sie in Zukunft hauptsächlich zusammenarbeiten wird. Auf Basis dieser gesammelten Daten stellt sie sich die Unternehmens-Persona bildlich vor. Das Switchen wird durch die Anregung vieler Sinneskanäle unterstützt. Was hört, schmeckt, sieht und fühlt die Führungskraft, wenn sie sich in die Persona hineinversetzt? Anhand eines typischen Arbeitstages vollzieht sie das Erleben möglichst präzise nach. Sie malt sich aus, wo und wie diese Persona lebt, wie sie aufsteht, sich zurechtmacht und frühstückt.

Sie malt sich aus, wie diese Person zur Arbeit fährt oder ihren Homeoffice-Arbeitsplatz einnimmt, wie sie ihren Tag plant, wie sie spricht, geht, isst, wann sie zufrieden mit ihrer Arbeit ist, was sie beschäftigt und was sie anstrebt. Wenn es der Neueinsteigerin darüber hinaus gelingt, sich eigene Erfahrungen ins Gedächtnis zu rufen, die dem Erleben und den Gefühlen der Persona ähneln, wird die Wirkung dieser Technik vertieft. Lee Strasberg und Stella Adler haben die Stanislawski-Technik zu Method Acting weiterentwickelt. Sie unterscheiden das Wiedererleben einer vergangenen Erfahrung (affective memory), die Erinnerung an eine Situation durch begleitende Sinneseindrücke (sense memory) und die Erinnerung an komplexe Gefühle (emotional memory). Beispielsweise kann es erhellend sein, wenn die Neueinsteigerin sich an den Moment erinnert, als sie diejenige war, die eine neue Mitarbeiterin begrüßt und in ihr Team integriert hat. Wer sich auf diese Technik einlässt, wird von ihrer Wirkung überrascht sein. Das Denken, Fühlen und Handeln ändert sich für die Dauer der Durchführung. Die Neueinsteigerin erhält Zugang zu einer anderen inneren Welt. Sie kann sich auf dieser Basis sehr gut auf die Bedürfnisse und Erwartungen ihrer Hauptansprechpartner in dem Unternehmen einstellen.

8. Rollen situativ modulieren

Je nachdem, in welchem Modus sich eine Führungskraft befindet, fokussiert sie ihre Aufmerksamkeit auf andere Dinge. Als Führungsverantwortlicher wird die Aufmerksamkeit mehr auf Strategien und übergeordneten Zielen liegen, als Expertin auf den fachlichen Zusammenhängen und der Datenlage, als Teamplayer auf der Zusammenarbeit und den Menschen in dem Team. Je nach Modus sind andere Fähigkeiten gefragt. Dementsprechend verhält sich die Führungskraft unterschiedlich. Nach Virginia Satir verfügen wir über Wahlmöglichkeiten, statt einfach nur auf Situationen zu reagieren. »Sobald einer merkt, dass seine ganze Kommunikation erlernt ist, kann er sich daranmachen, sie zu ändern, wenn er es will«. Die neue Führungskraft kann als Expertin agieren, eine moderierende Rolle übernehmen, als Vorgesetzte Weisungen geben, als Kollegin auf Augenhöhe im Team arbeiten.

Gerade in den ersten Wochen der Einarbeitung ist ein bewusster Umgang mit den unterschiedlichen Verhaltensmodi ein Onboarding-Erfolgsfaktor. Die Rollenmodulation ist kein linearer Prozess. Sie erfolgt kontextsensibel. Zu früh die Expertinnenrolle einzunehmen birgt Risiken, wenn sie einseitig eingenommen und übertrieben wird. Es empfiehlt sich, in den ersten sechs Wochen der Einarbeitung erst einmal die Rahmenbedingungen und Gesetzmäßigkeiten des neuen Systems zu erfassen, bevor die eigene Expertise eingebracht und Neuerungen vorangetrieben werden. In vielen Unternehmen wird zur Unterscheidung beruflicher Modi das Teamrollenmodell von Raymond Meredith Belbin genutzt. Er unterscheidet neun Teamrollen: den Neuerer, Wegbereiter, Integrator, Macher, Beobachter, Teamarbeiter, Umsetzer, Perfektionisten und Spezialisten.

Zu Beginn der Einarbeitungszeit empfiehlt es sich, die Rolle des Beobachters, Teamarbeiters und Integrators bewusst einzunehmen, bevor die Neuerer- und Spezialistenrolle immer mehr Gewicht bekommen können. Wer diese Modulationstechnik beherrscht, wählt bewusst je nach Kontext und Onboarding-Phase den passenden Modus aus. Ein IT-Experte entscheidet sich beispielsweise bewusst in den ersten Wochen in der neuen Firma für die Rolle des Koordinators. Er lädt zu Besprechungen ein, heißt alle willkommen und moderiert die Diskussion aus einer neutralen Position heraus. Sobald genügend Vertrauen aufgebaut werden konnte, ist der stärkeren Gewichtung der Experten- und Treiberrolle der Weg gebahnt.

9. Kokreativ Momentum aufbauen

Von vielen neuen Führungskräften wird erwartet, dass sie frischen Wind in das Unternehmen bringen. Im Extrem fall sollen sie gemeinsam mit anderen Erneuerern die Speerspitze eines Transformationsprozesses bilden. Bei Bosch werden vor dem Hintergrund der strategischen Neuausrichtung des Konzerns beispielsweise tausende von Mitarbeitern eingestellt, um den Technikkonzern zu einem IT-Unternehmen weiterzuentwickeln. Wenn es einem Unternehmen gelingt, schnell Momentum in die gewünschte Richtung aufzubauen, kommt ein solcher Transformationsprozess in Fahrt. Woher soll ein einzelner Neueinsteiger die Energie für den Schwung nehmen? Um dies zu erkunden, sollten Unternehmen sich drei Fragen stellen:

  1. Inwieweit ist das Unternehmen bereit, Kundenrückmeldungen nicht nur aufzunehmen und zu reflektieren, sondern ihnen auch zeitnah Taten folgen zu lassen? (Feedback-Kultur)
  2. Wie ausgeprägt ist die Bereitschaft und Fähigkeit der Mitarbeiter, die Kundenperspektive konsequent einzunehmen? (Empathie)
  3. In welchem Maße werden schnelles Prototyping und Kokreation für die Entwicklung von Lösungen genutzt? (Schnelligkeit)

Viel Kraft und Energie kann die neue Führungskraft aus der Kokreation mit anderen Erneuerinnen gewinnen. Damit sind nicht nur die Kollegen gemeint, die auch neu in dem Unternehmen sind. Es sind alle Mitarbeiter gemeint, die Pionierarbeit leisten. Ein Neueinsteiger, der schnell ein Netzwerk von unternehmenserfahrenen und neuen Mitarbeitern knüpft, hat gute Startbedingungen für ein erfolgreiches Onboarding geschaffen. Ob in einer informellen Peergroup oder einer offiziell nominierten Taskforce, der Neueinsteiger kann gemeinsam mit Gleichgesinnten Zukünfte neu erfinden.

10. Deeskalation durch Reset

Diese letzte Andocktechnik ist dann relevant, wenn man den rechten Zeitpunkt verpasst hat, einen Sekundenkleber zu verwenden. In der Regel ohne Absicht wurde die Achillesferse getroffen. Ein Gesprächspartner drückt unbeabsichtigt bei seinem Gegenüber auf einen unsichtbaren Punkt. Eine emotionale Reaktion stellt sich prompt ein. Dieser Reflex erfolgt in der Regel für beide Gesprächspartner überraschend. Häufig läuft dieser Vorgang so schnell ab, dass die Ursache erst im Nachhinein zurückverfolgt und analysiert werden kann. Daran zu arbeiten, eine solche Reaktion abzuschwächen oder zu unterbinden, ist eine lebenslange Lernaufgabe.

Der schnellere Weg ist ein konstruktiver Umgang mit der Achillesferse, die jeder Mensch in seiner persönlichen Ausprägung hat. Je mehr Energie dafür aufgewendet wird, etwas zu verhindern, desto mehr Energie wird gebunden. Es ist daher energiesparend und zielführender, sich eine möglichst frühe Wahrnehmung von reflexhaften Reaktionen anzueignen. Diese Wahrnehmung muss trainiert werden. Für dieses Training eignen sich vor allem Situationen, in denen Gefühle nur mäßig angeregt werden. Je mehr Emotionen im Spiel sind, desto mehr verringern sich die Handlungsoptionen. Im Extremfall können sie archaische Reaktionen hervorrufen. Je nach Persönlichkeitstyp bleiben nur noch die Optionen kämpfen – flüchten – erstarren. Die Gesprächsdynamik eskaliert. Was kann eine Führungskraft tun, wenn es so weit gekommen ist? Der Klebstoff Reset kommt zum Einsatz.

Wie zu Beginn eines hypnotischen Coachings wird das Gehirn in einen Alphazustand versetzt.  Die Technik ist einfach und wirkt in Sekundenschnelle: Die Person, deren Achillesferse getroffen wurde, rollt die Augen bis zum Anschlag nach oben, sobald sie die aufschäumenden Emotionen wahrnimmt. Sie atmet dabei tief ein. Beim langsamen Ausatmen senkt sie bewusst die Augen, die sie schließt, wenn sie unten in der Rollbewegung angekommen ist. Die Resettechnik wird mit drei tiefen Atemzügen abgeschlossen. Mit jedem Atemzug vertieft sie die Entspannung, die unmittelbar eintritt. Wenn es die Situation erlaubt, kann die Führungskraft noch ein Hilfsmittel nutzen, das sie immer dabei hat: den Zeigefinger. Sie hält ihren Zeigefinger im Abstand von ca. 20 cm quer vor die Augen und fixiert ihn während der Augenrollbewegung. Nach Anwendung dieser Resettechnik ist die Wahrscheinlichkeit groß, wieder Zugang zu vielfältigen Verhaltensstrategien zu haben.


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