Es gibt Menschen, mit denen man einfach gut klar kommt – und Persönlichkeiten, die fordernd und anstrengend sind. Und vielleicht gehören Sie ja auch selbst dazu? Wie lässt sich das ändern?

Teamwork & Kommunikation mit schwierigen Persönlichkeiten: Machs Dir einfacher

Immer diese hohen Erwartungen

Als typischer extrovertierter Perfektionist haben Sie vermutlich nicht nur an sich selbst hohe Ansprüche, sondern auch an andere. Möglicherweise sprechen Sie auch öfter direkt aus, was Sie denken: “Wenn Sie effizienter arbeiten würden, wären wir schon längst fertig!”, “Sie haben keine Ahnung, was Sie da reden!” oder “Lassen Sie mich das machen, Sie können das einfach nicht!” Könnten solche Sätze von Ihnen stammen? Und dann wundern Sie sich gelegentlich, dass andere Menschen schlecht auf Sie zu sprechen sind?

In diesen Momenten sind Sie es, der andere kritisiert und Anforderungen stellt! Prinzipiell ist das auch nichts Verwerfliches. Wahrscheinlich sind Sie es, der bei neuen Projekten sofort darauf hinweist, welche Schwachstellen noch ausgemerzt werden müssen, oder die Arbeitsgruppe antreibt und zum Erfolg bringt. Sie meinen es auch meist gut und sagen solche Dinge nicht aus Bosheit oder um andere Leute zu ärgern. Aber es muss Ihnen auch klar sein: Andere Menschen denken anders als Sie und reagieren auf Ihre meist gut gemeinten Absichten nicht immer so, wie Sie sich das vorstellen. Das kann zu einem Problem werden.

Nur ich weiß, was richtig ist?

Das musste auch Vanessa erfahren. Sie soll eine Projektgruppe leiten. Doch als typische Perfektionistin ist es für sie schwierig, sich auf einen Kompromiss innerhalb des Teams einzulassen.

Vanessa ist einfach davon überzeugt, dass ihre Vorgehensweise die einzig richtige ist und sie am besten die etwas diffusen Vorgaben ihres Chefs umsetzen kann: “Ich habe Erfahrung mit den Kunden und weiß, wie diese reagieren werden. Vertrauen Sie mir!” Und obwohl die Mehrheit des Teams ihre Meinung nicht teilt und die Mitarbeiter Kollegen mit guten und sachlichen Argumenten versuchen, sie zu überzeugen, bleibt sie stur bei der Auffassung, dass sie recht hat und redet so lange auf ihre MitarbeiterKollegen ein, bis diese schließlich entnervt ihre Position aufgeben.

Kompromisslos bis in Mark

Gehen Sie in sich: Sind Sie kompromissbereit? Sind Sie bereit, eine Haltung aufzugeben, um (gemeinsam mit anderen) ein Ziel zu erreichen? Und welchen Preis sind Sie bereit zu zahlen, um etwas zu bekommen, das sie wollen?

Nicht immer sind alle Kollegen einer Meinung. Ob es darum geht, wer ein neues Projekt übernimmt, wer wie viel Budget erhält oder wer welche Aufgaben übernimmt – Diskussionen sind im Arbeitsalltag an der Tagesordnung. Als Perfektionist stehen Sie vielleicht in dem Ruf, immer Recht haben zu wollen und machen sich bei vielen Kollegen und Mitarbeitern damit gleichsam unbeliebt. Sie sehen das wahrscheinlich ganz anders: “Ich will doch nur versuchen, meine Meinung durchzusetzen – das machen andere doch auch!” Es gibt jedoch einige rhetorische Kniffe, die Ihnen helfen werden, andere geschickt zu überzeugen, ohne dass diese sich von Ihnen an die Wand geredet fühlen oder beleidigt reagieren, weil sie glauben, angegriffen worden zu sein. Fragetechniken helfen Ihnen, Ihre Meinung zu vertreten, aber gleichzeitig gemeinsam mit der Gruppe konstruktive Lösungen zu finden. Wenn Sie andere bewusst ansprechen und einbeziehen, ziehen Sie dabei Ihre eigene Position auch geschickt aus der Schusslinie.

Rechthaberei in der Diskussion

Stellen Sie sich vor, Sie diskutierten mit anderen zusammen eine Projektidee. JemandEin Kollege stellt eine These auf, die Ihre zuvor gemachte Aussage völlig entkräftet und Ihre Auffassung damit in Frage stellt, z.B. Das klingt ja nett, aber wir haben damit andere Erfahrungen gemacht…” Die typische Verhaltensweise eines Perfektionisten wäre es jetzt, wild dagegen zu argumentieren – schließlich wollen Sie recht behalten, nicht wahr?

Ihr Kollege hat einen Vorschlag gemacht, der Ihnen gar nicht gefällt. Bitten Sie zunächst um konkretere Informationen: “Wie genau?” “Alle?” “Wie viel Prozent?” “Wer war beteiligt?” “Wer war betroffen?” “Wer war verantwortlich?” “Was ist geschehen?” “Würden Sie einmal berichten, wie das konkret war?” Lenken Sie dann mit einer Verständnisfrage rhetorisch geschickt von sich ab und lassen Sie den anderen erklären: “Habe ich Sie richtig verstanden, Sie sagen, dass….”

Bitte etwas weniger direkt!

Eine andere Situation: Sie haben einen Vorschlag zur Aufteilung des Budgets in Ihrer Abteilung gemacht und ausgeführt, warum das Vorteile für alle hätte. Ein Kollege beurteilt die Konsequenzen Ihres Vorschlages aber viel negativer als Sie selbst, etwa so: “Das hört sich ja nett an, aber ich glaube, dass das Budget dadurch verschwendet würde.”

Sie sollten den Kollegen jetzt nicht direkt angreifen, indem Sie etwa sagen: “Sie haben ja nur Angst, weniger zu bekommen!”, sondern herausfinden, ob die neue Aufteilung tatsächlich zu den vermuteten Konsequenzen führen würde oder ob noch andere zu erwarten sind. Fragen Sie Ihren Kollegen zum Beispiel nach seiner Begründung: “Warum ist Ihre Lösung die beste?” “Warum ist Option 1 Option 2 vorzuziehen?””Welche Gründe haben wir, diese Idee abzulehnen?” Stellen Sie diese Frage bewusst an alle, auch an sich selbst. Sie machen damit klar, dass auch Sie mitdenken. Wenn Sie sie nur an andere stellen, kommen diese durch das “Warum?” in einen Rechtfertigungszwang – das erzeugt Widerstand!

Haben wir an alles gedacht?

Bitten Sie alle Kollegen darum zu überlegen, welche möglichen Konsequenzen es noch geben könnte: “Haben wir alle Konsequenzen überdacht?” “Was kann sonst noch dabei herauskommen?” “Gibt es Alternativen?” “Haben wir etwas vergessen?”

Wenn Ihnen die Meinung eines anderen Kollegen nicht passt, können Sie die anderen auch bewusst in eine Sackgasse führen, um damit die Absurdität der Befürchtungen klar zu machen – das ist viel witziger und interessanter als einfach dagegen zu argumentieren. Sie machen damit auch deutlich, dass es besser ist zu handeln, statt untätig zu bleiben – und haben die Lacher auf Ihrer Seite. Fragen Sie doch einfach mal Folgendes:

Drehen Sie das Problem um

“Was müssen wir tun, damit uns das Problem erhalten bleibt?” “Was kann passieren, wenn wir das Problem auch weiterhin nicht lösen?” Oder übersteigern Sie mögliche Konsequenzen und machen Sie damit klar, dass es so schlimm nicht werden kann und dass die Schwarzseher hoffnungslos übertrieben haben: “Was kann denn schlimmstenfalls passieren, wenn wir diese Option wählen?”

Sie diskutieren und wollen einige Kollegen oder Mitarbeiter davon überzeugen, eine bestimmte Aufgabe zu übernehmen. ‘Ihre Vorschläge werden abgelehnt, Eine Kollegin widerspricht Ihnen,indem sie sich auf einen allgemeingültigen Konsens beruft: “Das ist ja nett, aber wir wissen ja alle, dass das viel zu idealistisch gedacht ist: Niemand arbeitet mehr, als er unbedingt muss.” Der Trick dabei ist einfach: Die Mehrheit irrt nicht, etwas das alle wissen, ist quasi unwiderlegbar. Wenn Sie es doch tun, stimmt mit Ihnen etwas nicht – zumindest fühlen Sie sich so und daher haben Sie kaum die Chance, Ihre Meinung zu vertreten. Doch ist die allgemeine Meinung überhaupt richtig? Regen Sie doch einfach zum Nachdenken an:

So entkräften Sie Mehrheitsargumente

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Zurück zu Vanessa, die noch ein weiteres Problem hat. Sie hat nämlich kein Vertrauen in die Fähigkeiten ihrer MitarbeiterKollegen. Sie glaubt, sie könne das Projekt nur dann zum Erfolg führen, wenn sie alles selbst macht, statt die Arbeit im Team aufzuteilen. Am Ende sind jedoch die Kunden alles andere als zufrieden mit Vanessas Ideen, die daraufhin alles nochmals überarbeiten muss. Das Projekt wird schließlich nicht rechtzeitig fertig, denn Vanessa hat sich schlicht übernommen. Doch sie kann ihren Fehler nicht einfach zugeben, sondern versucht, sich mit allerlei Erklärungen und logisch klingenden Argumenten zu rechtfertigen: “Sie haben mich missverstanden… sicherlich war diese Lösung nicht optimal, aber letztendlich hat sie doch zum Ziel geführt.” Eine Rechthaberei, die das Team und auch den Chef ziemlich nerven: “Die meint doch, sie kann und weiß alles besser!”

Wenn Sie auf die Dauer produktiv mit anderen Kollegen zusammenarbeiten wollen, sollten Sie diesen auch Anerkennung und Respekt zollen. Selbst wenn Sie glauben, nur der Chef könne seinen Mitarbeitern Lob aussprechen: Denn Anerkennung ist eines der stärksten Bindeglieder zwischen Menschen. Es wirkt daher auch für die Beziehung von Kollegen untereinander wahre Wunder.

Als Perfektionist mit hohen Ansprüchen auch an andere verscherzen Sie sich daher so manche Sympathie, wenn Sie an Kollegen oder Mitarbeitern immer nur Kritik üben. Dabei müssten Sie gar nicht viel ändern, denn es geht nicht darum, immer und überall Lobeshymnen zu singen. Es hilft schon, wenn Sie die Leistungen von anderen nur ein wenig aufmerksamer wahrnehmen und Ihre Kollegen oder Mitarbeiter nicht miteinander oder mit sich selbst vergleichen. Denn was für den einen selbstverständlich ist, ist für den anderen eine Herausforderung, deren Meisterung echtes Lob verdient. Denn: Lob ist für die Motivation und Beziehungen wie Dünger. Wohldosiert kann es stärken, aber zu freigiebig und an der falschen Stelle ausgeteilt, macht es eine ganze Ernte zunichte. Beachten Sie daher einige Regeln, damit das gut gemeinte Lob nicht zum Fehlschlag wird.

So kommt Ihr Lob auch an

Von Gedankenlesern und Hellsehern

Tatsächlich glaubt Vanessa, sie könne am besten einschätzen, wie Kunden auf ihre Ideen reagieren. Doch obwohl Vanessa über viel Erfahrung verfügt – die Gedanken ihrer Kunden kann sie nicht lesen. Tatsächlich machen aber Perfektionisten häufig genau diesen Fehler. In dem Wunsch, eine Sache im Griff zu haben, versuchen sie zu erraten, was andere denken könnten und können nicht einsehen, dass sie mit ihren Vermutungen nicht immer recht haben. Achten Sie einmal selbst darauf, wie oft Sie versuchen, die Gedanken anderer Menschen zu “lesen”. Sie werden feststellen, dass Sie manchmal aufgrund Ihrer Erfahrung erahnen können, was andere denken, dass Sie aber keinesfalls immerrichtig liegen.

Doch Vanessa begeht bei ihrem Projekt noch einen anderen Fehler: Sie will alles allein machen. Denn auch wenn sie Arbeitsgänge abgeben, fürchten Perfektionisten, sie könnten die Kontrolle verlieren. Häufig macht es ihnen Angst, anderen Menschen zu vertrauen. Selbst wenn sie sich dadurch unnötige Zusatzarbeit aufbürden, die sie kaum schaffen, wie Vanessa, die sogar die Fertigstellung eines Projektes gefährdet: Lieber versuchen sie, alles allein zu machen, statt zu delegieren. Und noch ein anderes Motiv spielt eine Rolle. Viele Perfektionisten wollen zeigen, dass sie unersetzbar sind und dass ihre Arbeit von niemand anderem getan werden kann. Vanessa hat selbst im Urlaub das Handy stets an und ruft von den Malediven aus mindestens einmal am Tag in der Firma an. Denn das Gefühl, dass es ohne sie nicht geht, beruhigt sie.

Der Mythos der Unersetzbarkeit

Die meisten Perfektionisten laufen Gefahr, sich alle Arbeit selbst aufzubürden, statt diese mit Kollegen zu teilen oder an Mitarbeiter weiterzudelegierenandere abzugeben. Wenn es Ihnen auch so geht, fällt es Ihnen vermutlich auch schwer, anderen Menschen zu vertrauen. Doch wenn Sie die Arbeit aus Zeitgründen nicht selbst übernehmen oder bei einem Arbeitsgang Zeit sparen wollen, führt nun einmal kein Weg daran vorbei, Aufgaben an andere abugebenzu delegieren. Dabei lassen sich Routineaufgaben wie Schreib- oder Ordnungsarbeiten besonders gut abgeben. Spezialaufgaben, mit denen Sie sich selbst nicht so gut auskennen, sollten Sie sogar an andere delegieren. Aufgaben, die Sie als Person fordern, wie etwa Repräsentationsaufgaben oder der Umgang mit Kunden, sollten Sie hingegen immer selbst übernehmen.

Natürlich können Sie das Vertrauen in Ihre Kollegen oder Mitarbeiter nicht von heute auf morgen erlernen. Aber wenn Sie erste kleinere Aufgaben erfolgreich abgegeben haben, werden Sie sehen, dass es Ihnen mit der Zeit immer leichter fällt, die Kontrolle auch einmal abzugeben.

Die Kunst des Delegierens

Doch Delegieren bedeutet nicht, dass Sie einfach die Anweisung geben: “Machen Sie das bis übermorgen!” Selbst wenn Sie das als Chef bestimmen können, sollten Sie das nicht so tun. Wenn Sie hingegen einen gleichgestellten Kollegen darum bitten wollen, Ihnen etwas Arbeit abzunehmen, noch weniger. Besser ist es, Bevor Sie eine Aufgabe abgeben, sollten Sie ein konstruktives Delegationsgespräch mit dem betreffenden Kollegen oder Mitarbeiter zu führen. Möglicherweise resultieren Ihre schlechten Erfahrungen mit der Arbeit von Kollegen ganz einfach aus Missverständnissen.

Fragen Sie sich: Haben Sie sich immer Zeit genommen, die Aufgabe auch genau zu erklären? Vielleicht hat Kollegeein ein anderer nur deshalb etwas nicht zu Ihrer Zufriedenheit gemacht, weil er nicht verstanden hat, wie Sie sich das Ergebnis vorgestellt haben. Verwechseln Sie klare Arbeitsanweisungen aber nicht mit Kontrolle: Ihr Mitarbeiter oder Kollege Kollegesollte zwar wissen, was zu tun ist, aber sprechen Sie ihm dabei nicht die Fähigkeit ab, selbst zu denken. Klären Sie, bevor Sie etwas delegieren, folgende Punkte:.

Tipps für ein Delegationsgespräch

Der Wunsch nach Anerkennung

Natürlich hofft Vanessa, für ihren übermäßigen Einsatz besondere Anerkennung zu bekommen. Denn extrovertierten Perfektionisten ist es besonders wichtig, was andere über sie denken – daher achten sie in der Regel auf ihr Äußeres, einen pedantisch aufgeräumten Schreibtisch und meist auch darauf, was sie sagen.

Menschen wie Vanessa haben sogar regelrecht Angst davor, andere Menschen könnten ihre “Mängel” erkennen und versuchen daher, zu engen Kontakt mit ihren Kollegen zu vermeiden. Lieber nehmen sie es in Kauf, dass diese sie für unzugänglich halten, als auch einmal Schwächen zugeben. Das kann sogar so weit gehen, dass sie Fehler, die sie begangen haben, leugnen und abstreiten. Mehr noch: Wenn sie etwas nicht sofort beherrschen oder hundertprozentig hinbekommen, geben sie manchmal lieber auf, statt ihre Unzulänglichkeit als Teil eines unvermeidlichen Lernprozesses zu akzeptieren. Denn sie fühlen sich durch ihre vermeintliche Unfähigkeit bloßgestellt.

Sich nur keine Blöße geben

Vanessa etwa hatte vor einiger Zeit voller Enthusiasmus einen von der Firma finanzierten Französischkurs begonnen. Als eine Kollegin sie jedoch wegen ihrer Aussprache belächelte, brach sie den Kurs voller Frust ab, weil sie sich gedemütigt fühlte – getreu dem Alles-oder-Nichts-Motto: Wenn ich etwas nicht hundertprozentig kann, kann ich es gar nicht. Auf diese Weise nehmen sich Perfektionisten aber die Möglichkeit und die Freude, etwas Neues zu lernen, weil sie sich zu selten von ihrem sicheren Terrain herunterwagen.

Es wundert daher nicht, dass viele Perfektionisten sich in einem ständigen Wettbewerb zu ihren Kollegen sehen. “Na, aber das ist doch im Berufsalltag doch wirklich total normal”, werden Sie einwenden. Natürlich, jeder stellt Vergleiche an. Und Konkurrenz ist sogar wichtig, denn der Wunsch, andere übertrumpfen zu wollen, ist ein starker Antriebsmotor für höchste Leistungen. “Ich will genau so gut Französisch können wie die Kollegen, deswegen werde ich mehr lernen” – dieser Vergleich ist eindeutig motivierend und hilft, das Ziel zu erreichen.

Problematisch wird es aber dann, wenn der Vergleich negativ ausfällt. Wenn Vanessa denkt: “Ich werde es ja eh nie schaffen, so gut zu sein, ich kann den Kurs genauso gut aufgeben”, dann nimmt sie sich selbst den Ansporn zu lernen. Ein Vergleich hat in dieser Weise eher deprimierende Wirkung. Vanessa würde ihre Unfähigkeit jedoch nie zugeben, sondern sie versucht, das aufkommende Minderwertigkeitsgefühl zu überspielen – und zwar auf Kosten der Kollegin, die sie herabsetzend anherrscht: “Warum machen Sie denn überhaupt einen Französischkurs? Um Ihre Besserwisserei zu perfektionieren?” Und die Kollegin denkt “Mensch, was für eine arrogante Ziege!”

Selbstanalyse: Wie stark ist Ihr Konkurrenzdenken ausgeprägt?

Vanessa wäre sicher erschrocken, wenn Sie wüsste, dass ihre Kollegen sie als rechthaberisch, besserwisserisch, pedantisch, unnahbar und arrogant bezeichnen. Denn Vanessa handelt häufig in bester Absicht und ist immer zur Stelle, wenn es gilt, sich für andere einzusetzen.

Gerechtigkeitssinn und moralische Ansprüche

Erst kürzlich hat sie in einem Meeting Partei ergriffen für eine Kollegin, die von den anderen für einen Redebeitrag recht unsachlich kritisiert wurde. Doch leider ist sie dabei ein wenig über das Ziel hinausgeschossen: “Ich finde es höchst unmoralisch, wenn Sie alle auf die Kollegin losgehen, so etwas macht man einfach nicht”, wies sie die anderen streng zurecht. Tatsächlich ist vielen Perfektionisten Sitte, Anstand und Moral sehr wichtig, denn es gibt ihnen ein Gefühl von Sicherheit, den festen Regeln der gesellschaftlichen Konvention zu folgen, die ihnen stets aufzeigen, wie sich verhalten müssen. Meist können diese Perfektionisten dann nicht verstehen, dass andere Menschen sich nicht ebenso verhalten; dass nicht jeder die eigenen Moralvorstellungen teilt, kann das eigene Weltbild dieser Menschen ganz schön ins Wanken bringen.

Als Chef gehört es zu Ihren Aufgaben, Mitarbeiter auf Fehler aufmerksam zu machen. Und selbst wenn Sie nicht der Chef sind, kommt es sicherlich immer wieder vor, dass Sie an der Arbeit eines Kollegen etwas auszusetzen haben. Doch als Perfektionist müssen Sie immer darauf achten, wie Sie die Kritik äußern – am besten nämlichKritik ist schön und gut – aber seien Sie konstruktiv: Bieten Sie Ihrem Mitarbeiter oder Kollegen nach Ihrem Feedback beispielsweise immer eine Chance zur Stellungnahme: “Erklären Sie mir bitte, wie Sie sich gestern gesehen haben. Können Sie meiner Einschätzung folgen?” oder “Sie haben sicher anhand der genannten Beispiele verstanden, was genau ich meine. Wie erklären Sie sich Ihre häufigen Fehler in letzter Zeit?”

Nur der Beste gewinnt?

Vanessa musste erstaunt feststellen, dass sich niemand ihrer Meinung anschloss. Selbst die in Schutz genommene Kollegin machte plötzlich einen Rückzieher: “Ach, ich glaube, ich hätte meine Position noch etwas überdenken können…” nuschelte sie verlegen. Und da niemand Vanessa leiden kann, wurde sie nun selbst zur Zielscheibe und ihre Argumentation wurde von den Kollegen regelrecht zerpflückt. Seit diesem Tag nennen die Kollegen sie heimlich “Moralapostel” und “Madmoiselle Das-macht-man-doch-nicht”.

Suchen Sie gemeinsam nach einer Lösung: “Gibt es einen Grund dafür, dass Sie gestern so viele Fehler gemacht haben? Vielleicht können wir diesen ja gemeinsam aus dem Weg schaffen?” Oder: “Wie kann ich Sie dabei unterstützen, den Überblick zu bekommen und sich nicht mehr zu verzetteln?” Seien Sie aber nicht enttäuscht, wenn Ihr Kollege ihr Angebot nicht annimmt – andere Kollegen sind auch Perfektionisten und wollen allein ihre Ehre retten, wenn sie einen Fehler gemacht haben.

Vorsicht, die Nörgeltante kommt

Vanessa gilt als Nörgeltante vom Dienst: An allem hat sie etwas auszusetzen, ganz gleich ob es nun das Essen, eine Präsentation oder das Arbeitstempo ihrer Kollegen ist – denn auch Geduld gehört nicht gerade zu ihren Tugenden: “Mein Gott, Sie sind immer so lahm, Sie sollten aufpassen, dass Sie Ihren Job nicht verlieren”, herrscht sie ihre Mitarbeiterin an. Die fühlt sich durch die drastischen Worte stark unter Druck gesetzt und überschlägt sich daraufhin, ihr die wichtigen Unterlagen herauszusuchen. Oft wünschen sich die anderenKollegen, Vanessa würde ihre Meinung etwas freundlicher und diplomatischer äußern. Und selbst wenn Vanessa einmal ein Lob ausspricht, was selten genug vorkommt, ist damit immer auch gleich ein Verbesserungsvorschlag verknüpft: “Das ging ja schnell, danke, aber das nächste Mal machen Sie es am besten sofort!”

Kritisieren Sie nicht nur die Schwächen, sondern heben Sie auch die Stärken des anderen heraus: Betonen Sie auch, was ein Mitarbeiter oder Kollege gut gemacht hat und worauf er zukünftig aufbauen kann: “Sie können sehr spontan und flexibel reagieren. Manchmal läuft Ihnen das jedoch aus dem Ruder. Daran könnten Sie noch arbeiten, indem Sie…” Auf diese Weise wirken Sie konstruktiv.

Wenn der Schuss nach hinten losgeht

Dabei meinen es Perfektionisten wie Vanessa auch in solchen Fällen nur gut: Sie sind stolz darauf, besonders scharfsichtig zu sein und Dinge zu sehen, von denen sie glauben, die anderen würden sie übersehen. Dieser Charakterzug gibt ihnen das Gefühl, mit kommenden Schwierigkeiten besser fertig zu werden. Daher konzentrieren sie sich manchmal geradezu auf das Negative. Sie halten es für ihre Pflicht, andere rechtzeitig auf mögliche Kritikpunkte aufmerksam zu machen und sie so vor möglichem Schaden zu bewahren. Gleichzeitig haben viele Perfektionisten aber nicht nur wenig Verständnis für die eigenen menschlichen Schwächen. Inkompetenz und Dummheit oder das, was sie dafür halten, sind für sie auch bei anderen nur schwer erträglich und dagegen wollen sie, mit einem gewissen Sendungsbewusstsein, etwas tun.

Vermeiden Sie Appelle wie: “Sie müssen endlich einmal…”, “Sie sollten…”, “Sie dürfen nicht mehr…”, denn damit erzeugen Sie nur Abwehr. Besser: Sagen Sie detailliert und sachlich, was Sie sich wünschen: “Ich wünsche mir, dass wir die Präsentationen vorher gemeinsam durchsprechen” oder “Ich bitte Sie ab sofort um mehr Sorgfalt bei der Ausarbeitung. Wenn Sie etwas nicht wissen, fragen Sie lieber nach.”

Kritik macht unbeliebt

Für die Mitmenschen ist es jedoch auf Dauer nur schwer erträglich, ständig kritisiert zu werden. Sie fühlen sich dann, als würde man ihnen einen Spiegel vorhalten, in dem sie stets nur mit ihrer eigenen Unfähigkeit, ihren Schwächen und ihre Ängste konfrontiert werden. Auch der ständige Hang zu Pessimismus wirkt auf andere Menschen einfach deprimierend. Es ist also nicht erstaunlich, dass die Kollegen auf Vanessas gut gemeinte Verbesserungsvorschläge irgendwann sehr gereizt reagieren. Um ihrer Kritikwut zu entgehen, erzählen sie ihr einfach viele Vorgänge im Unternehmen nicht mehr und tuscheln hinter vorgehaltener Hand: “Die wird noch sehen, was sie davon hat, ständig alles besser zu wissen!”

Verharren Sie bei Kritik nicht zu lange bei der Schilderung der Probleme und stochern Sie nicht zu lange im “Warum?” herum: Die Frage “Warum haben Sie das so gemacht? Warum sind Sie so schlecht vorbereitet?” wirkt anklagend. Sie aber wollen Ihren Mitarbeiter oder Kollegen nicht angreifen, sondern gemeinsam ein Problem lösen – also fragen Sie konstruktiv: “Wer kann Ihnen die notwendigen Tipps geben, damit Sie mit den Präsentationsmedien besser zurechtkommen?” oder “Ich möchte mit Ihnen fair zusammenarbeiten. Dazu muss ich aber wissen, was gestern los war.”

Machen Sie es sich einfacher

Machen Sie es sich nicht so schwer wie Vanessa: Als Perfektionist könnten Sie sich den Umgang mit anderen Menschen wesentlich einfacher gestalten. Dazu müssen Sie sich nicht völlig verbiegen, sondern Ihre bisheriger Position nur ein wenig überdenken: Versuchen Sie, Dinge positiver zu sehen – dann werden Sie auch selbst etwas zufriedener. Geben Sie Schwächen und Fehler ruhig einmal zu und lernen Sie daraus. Zeigen Sie anderen Ihr Vertrauen, in denen Sie Arbeit und andere Dinge mit ihnen teilen. Und gewöhnen Sie sich an, bedingungslos zu loben und Kritik diplomatischer zu äußern. Damit erreichen Sie bei anderen Menschen oft mehr als mit allen gut gemeinten Komplimenten.

Es ist verständlich, dass Sie als eingefleischter Perfektionist wahrscheinlich mit einem besonders kritischen Blick auf Ihre Umwelt schauen. Doch es kommt immer darauf an, wieSie andere kritisieren: Wenn Sie sachlich bleiben, wird Ihr Kollegeder andere die Kritik vermutlich besser aufnehmen, als wenn Sie ihn persönlich angreifen. Wenn Sie einen Kollegenjemanden kritisieren wollen: Reden Sie mit derm betreffenden PersonKollegen unbedingt unter vier Augen, um ihn nicht vor anderen bloßzustellen. Signalisiert die Körpersprache des anderenIhres Kollegen Anspannung, Abwehr oder Abstand – typisch sind etwa ein erstarrter Gesichtsausdruck, der Überraschung signalisiert, verschränkt er die Arme über der Brust oder weicht einen Schritt zurück? Dann entspannen Sie die Atmosphäre mit passenden Gesten. Bei ängstlichen MenschenKollegen lächeln Sie, in hartnäckigen Fällen schauen Sie bewusst ernst. Vermeiden Sie jedoch, böse zu schauen oder ebenfalls eine Abwehrhaltung einzunehmen.

Direkt, freundlich, offen

Sprechen Sie unangenehme Dinge sofort, direkt, freundlich und offen an. Kommen Sie sofort zum Punkt, vermeiden Sie Small Talk, das wirkt ausweichend, als hätten Sie etwas zu verbergen. Äußern Sie Ihre Kritik auf keinen Fall versteckt. Denn dann besteht die Gefahr, dass der andereIhr Kollege die Kritik nicht versteht oder sich sogar ärgert:

Vermeiden Sie verallgemeinernde Vorwürfe wie z.B. “Sie machen immer solche dummen Fehler.” Der andere fühlt sich dadurch als Person angegriffen und reagiert mit Abwehr. Besser: Schildern Sie zunächst den Sachverhalt, der Ihnen Anlass zur Kritik gegeben hat, so ausführlich und bildhaft wie möglich. Benennen Sie alles beim Namen: den Tag, die Uhrzeit, die Menge, das Thema, die Fehler, die Häufigkeit, die Verzögerung usw. “Lassen Sie mich ausführen, was ich genau meine: Erstens waren Fehler in den Folien, die auch für mich peinlich waren. Die Marktanteile stimmten nicht, und die Auflistung der Wettbewerber enthielt zwei Unternehmen, die lange vom Markt sind. Zweitens haben Sie sich so verzettelt, dass Sie die Übersicht verloren und gar kein Ende gefunden haben. Ich ziehe daraus den Schluss, dass Sie die Präsentation nicht ordentlich vorbereitet haben.”

Der Bumerangeffekt

Vanessas rigide Haltung bricht ihr schließlich das Genick. Ihre negative Haltung kommt schlagt auf sie zurück wie ein Bumerang: In einem Meeting kritisiert ihr Chef die Ergebnisse der Projektgruppe. Vanessa verteidigte gereizt ihre Arbeit: “Wir haben unser Bestes gegeben, doch Ihre Vorgaben waren einfach zu ungenau und wir hatten zu wenig Zeit. Außerdem waren Sie doch ständig auf dem Golfplatz und für Rückfragen nicht zu erreichen, was hätte wir machen können?”, sagt sie geradeheraus und sieht sich Beifall heischend um. Denn mit ihrer Meinung hinterm Berg zu halten, ist Perfektionisten fremd. Häufig sind sie geradezu stolz auf diese Charakterstärke, es erscheint ihnen geradezu wie eine moralische Verpflichtung, immer die Wahrheit zu sagen und Lügen halten sie, egal in welcher Situation, für verwerflich.

Nicht alle Menschen kommen aber mit so viel unverblümter Ehrlichkeit klar und vor allem Chefs mögen es nicht, von perfektionistischen Mitarbeitern Fehler unter die Nase gerieben zu bekommen: “Meinen Sie etwa, ich mache meine Arbeit nicht anständig?”, fragt ihr Chef schockiert. Doch bevor Vanessa antworten kann, fällt ihr ein Kollege, der sich auch schon oft über den Chef aufgeregt hat, ins Wort: “Aber das stimmt doch gar nicht. Das Projekt ist vielmehr gescheitert, weil die Kollegin hier”, er deutet auf Vanessa, “keine Kompromisse eingehen wollte und alles an sich gerissen hat!” Alle nicken beipflichtend. Vanessa ist sprachlos, dass ihr Team ihr nicht den Rücken stärkt. Ihr Chef ist erfreut, dass er nun von seinen eigenen Schwächen ablenken kann: “Na, da sollten Sie sich mal an die eigene Nase packen, statt andere zu kritisieren “, sagt er spitz. Zwei Wochen später wird Vanessa in eine andere Abteilung versetzt – eine die bald wegrationalisiert werden soll, wie die Kollegen schadenfreudig meinen. Vanessas Perfektionismus hat sie schließlich den Job gekostet.

Sorgen Sie für eine bessere Arbeitsatmosphäre

Wenn Sie den Umgang mit Ihren Mitmenschen verbessern, sorgt das nicht nur für eine bessere Arbeitsatmosphäre, Sie stärken mit einigen einfachen Mitteln auch Ihre Position im Unternehmen. Denn ein guter Kontakt zu den Kollegen und ein stabiles Netzwerk sind heutzutage wichtig, um dauerhaft Erfolg im Unternehmen zu haben.

Damit es Ihnen nicht so geht wie Vanessa, sollten Sie eine Selbstanalyse vornehmen: Haben Sie realistische Erwartungen an andere oder sind Ihre Erwartungen zu hoch? Kritisieren Sie andere häufig oder loben Sie auch mal? Wie kritisieren Sie – bleiben Sie sachlich oder werden Sie persönlich, verallgemeinernd oder zu fordernd? Wie reagieren Ihre Kollegen oder Mitarbeiter auf Ihr Lob und Ihre Kritik? Setzen sie Ihre Anregungen um oder reagieren sie abwehrend? Dann sollten Sie die Taktik ändern.