Nicht erst seit der Mitwirkung an der ARD-Reportage „Das Märchen vom Fachkräftemangel“ ist dieses Thema auf Best of HR – Berufebilder.de® ein Dauerbrenner. Denn der scheinbare Mangel ist oft hausgemacht.

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TV-Sendung zum Fachkräftemangel

Mit dem Thema Fachkräftemangel beschäftige ich mich schon seit vielen Jahren. 2014 war ich z.B. in einer ARD-Reportage zum Thema Fachkräftemangel, die Sie hier anschauen können. In der Sendung ging es darum, ob wir in Deutschland tatsächlich einen flächendeckenden Fachkräftemangel haben.

Das Ergebnis der Recherche zur Sendung war damals, dass die Arbeitmsmarktstatistiken zum Thema zum Teil falsch berechnet werden – wobei es im Beispiel der Sendung vor allem um Fachkräftemangel unter Ingenieuren ging.

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Nun habe ich das Thema im Rahmen der GEWINN-Fachtagung „Frauen in der IT-Branche: Neue Wege im HR-Management“ in Hamburg wieder aufgegriffen.

Das Verbundprojekt GEWINN (steht für Gender. Wissen. Informatik. Netzwerk), an dem u.a. die Hochschule Heilbronn und die Universität Siegen beteiligt sind, hat das Ziel, die Forschung zu Gender und Informatik in der Praxis nutzbar zu machen, um weibliche Young Professionals in der Informatik auf ihrem Weg in Spitzenpositionen zu unterstützen. Es wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.

Gibt es Fachkräftemangel in Deutschland?

Vorausgegangen war der Sendung eine langjährige, sehr heftig geführte Diskussion, die 2011 mit einem Beitrag just zu dem Thema begannt, zu dem wir heute hier zusammengekommen sind: Vor allem Frauen sollen mehr mathematische, ingenieurwissenschaftliche, naturwissenschaftliche, technische Fächer, kurz MINT studieren um den (vorgeblichen) Fachkräftemangel auszugleichen. Woraufhin sich eine junge Diplomingeneurin meldete und sinngemäß schrieb:

„Das ist alles Quatsch, hört auf solche MINT-Inititativen zu propagieren, damit werden nur mehr junge Frauen in Studiengänge gelockt, in denen Sie hinterher keine Jobs finden.“

Die Bias bei der Personalauswahl

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Auch heute gibt immer noch MINT-Initiativen. Ende 2017 veröffentlichte der Digitalverband BITKOM eine Arbeitsmarktuntersuchungund stellte fest, dass wieder 55.000 IT-Stellen unbesetzt blieben. Und ich verdiene mein Geld damit, dass ich Arbeitgeber dazu berate, wie sie MINT-Kräfte von sich überzeugen können. Die meisten Anfragen hierzu habe ich übrigens aus dem IT-Bereich.

Wie es zu diesen Diskrepanzen kommt, dazu möchte ich nachfolgend einige Rechercheergebnisse und Erfahrungen darlegen, bevor wir dann in die Diskussion einsteigen. Denn ich habe durch meine Arbeit als Beraterin festgestellt:

Unternehmen sind selbst schuld!

Zwar suchen Unternehmen händeringend nach Fachkräften, doch nicht selten sind sie auch selbst schuld an ihrer Misere. Denn oft haben Personalbteilungen Blinde Flecken und sehen nicht, was Sie selbst dazu beitragen können, den Fachkräftemangel zu überwinden.

Zum Beispiel in der Ansprache von potenziellen Fachkräften. Ich denke da an einen jungen Entwickler, mit dem ich mich kürzlich auf einem Event unterhielt – und als ich ihm erzählte, was ich mache, schimpfte er kräftig auf die dummen Personaler, die ihn die ganze Zeit bei Xing nervten.

Bewerber-Ansprache als Problem beim Recruiting

Kein Einzelfall. Für die Recruiting Trends Studie befragte das Centre of Human Resources Information Systems (CHRIS) der Universität Bamberg Top-1.000 Unternehmen und die 300 größten Unternehmen aus der IT-Branche aus Deutschland. Die Ergebnisse wurden mit den Resultaten des Nutzungsverhalten und den Einschätzungen von über 2.800 Kandidaten verglichen.

Die Befragung hinsichtlich der Ansprache von Bewerbern zeigt: Die Ansprache potenzieller Bewerber ist oft alles andere als Ideal. Und gerade IT-Fachkräfte sind von Personalern bzw. Headhuntern dann regelrecht genervt weil sie

Als Ergebnis:

Spitzenkräfte werden oft übersehen

Dazu kommt: Oft werden gute Arbeitskräfte schlicht übersehen. Leute wie Mark Zuckerberg, Elon Musk oder Jeff Bezos wären vermutlich nie eingestellt worden, Steve Jobs ist sogar zwischenzeitlich mal aus seinem eigenen Unternehmen geworfen worden, Mark Zuckerberg hat die Universität ohne Abschluss verlassen.

In Deutschland sind nach wie vor Titel und Zertifikate hoch im Kurs, denn eines scheint hierzulande noch nicht so ganz angekommen zu sein: Man braucht kein Abschlusszeugnis, um wirklich gut in dem zu sein, was man macht. Das zeigt sich sehr stark bei Entwicklern, denn sie bringen sich viel selbst bei.

Ausbildung bleibt hinter Entwicklung zurück

Die Entwickler-Community Stackoverflow befragt jährlich 100.000 Entwickler weltweit. 87 Prozent der Befragten gaben zuletzt an, dass sie sich selbst eine neue Programmiersprache, ein neues Framework oder ein neues Tool außerhalb ihrer formalen Ausbildung beigebracht haben – z.B. über einen Onlinekurs, wie mehr als 48 Prozent in der Umfrage äußerten.

Das ist auch wichtig, denn Arbeitgeber suchen händeringend die gut ausgebildeten Arbeitskräfte in Spezialbereichen, die noch so neu sind, dass es da gar keine Ausbildung gibt. Doch so schnell wie sich Technologie heutzutage entwickelt, kann diese Veränderungen kein Studienplan repräsentieren.

Alternative Bildungswege gleichwertig wie formale Ausbildung

Mögliche Lösungen: Alternative Bildungswege und Programmiererfahrung sollten gleichwertig zum Studienabschluss oder zur formalen Ausbildung angesehen werden. Andererseits sind Arbeitgeber eben häufig auch nicht bereit, Quereinsteiger einzustellen und in deren Weiterbildung zu investieren.

Denn, so die Begründung, dann werden die fertig ausgebildeten Arbeitskräfte von der Konkurrenz abgeworben und man hat umsonst investiert.

Was wollen Bewerber

Wichtig ist dabei für Unternehmen, sich mehr darauf einzurichten, was Bewerber wollen. Diese Übersicht, auch wieder aus der Monster/CHRISS-Studie zeigt, was sich Bewerber wünschen:

  1. Auf Platz 1 liegen gute Arbeitsbedingungen
  2. Auf Platz 2 Gehalt und Sachleistungen
  3. Auf Platz 3 steht die Firmenkultur

Und 68 Prozent der befragten Bewerber wünschen sich, dass Arbeitgeber mehr tun für Weiterbildung und Karriere.

IT-Fackräfte rekrutieren – Do’s und Don’ts

Ein ehemaliger Kunde von mir investierte ein Jahr in die Einarbeitung neuer Mitarbeiter – und hatte eine Fluktuationsrate von unter einem Prozent. Ihr Geheimrezept war, dass sie auch sonst überdurchschnittlich in die Mitarbeiter investieren, so dass die einfach keinen Grund hatten, sich abwerben zu lassen.

Hingegen ein anderer Kunde, ein mittelständisches Unternehmen im tiefsten Schwarzwald, übrigens Weltmarktführer in seiner Branche: Trotz vergleichsweise hoher Bekanntheit gab es Schwierigkeiten, qualifizierte Leute von dem abgelegenen Standort zu überzeugen.Immer wieder wurden sie auch auf flexible Arbeitszeiten und Homeoffice angesprochen, was das Problem vielleich gelöst hatte.

Work-Life-Balanc und Homeoffice

Doch wollten sie Homeoffice nur sehr widerwillig einführen, z.B. zwei Tage Telearbeitsplätze, sonst bestanden sie auf Präsenzpflicht.

In den USA ist man da weiter: Ein Kooperationspartner von mir, die Bilddatenbank Shutterstock, lässt ihre Entwickler weltweit arbeiten. Um sie dennoch zu vernetzen und eine Büroarbeitsphäre zu schaffen, haben alle Entwickler ein Tablet neben dem Computer stehen.

Wichtig: Arbeitgeber sollten realisieren, wie wichtig eine WorkLifeBalance heutzutage ist. Und dass das digitale Büro unzählige Möglichkeiten zur Vereinfachung der Arbeitsorganisation bietet. Das sollte man immer im Hinterkopf behalten, wenn man auf der Suche nach passenden Kandidaten ist, denn diese Dinge sind nicht nur Entwicklern unheimlich wichtig, sondern auch allen anderen Mitarbeitern.

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Dresscode im Digitalrat

Eine Veränderung der Unternehmenskultur betrifft auch andere Bereiche – z.B. das Thema Dresscode. Ein schönes Beispiel zum Thema Dresscode ging kürzlich durch die Presse – man muss sich nur anschauen, wie stark diese Geschichte diskutiert wurde.

Hier sehen Sie ein Bild vom Digitalrat der Bundesregierung. Was auffällt ist der Herr ganz rechts, das ist IT-Unternehmer Illja Maditsch, promovierter Virologe, Informatiker und Gründer des Wissenschaftler-Netzwerks Research-Gate.

Unternehmenskultur und Kleiderordnung

In einer Facebook-Diskussion las ich: Das ist der Einzige in dem Digitalrat, der wirklich was auf dem Kasten hat. Nun stellen Sie sich vor, Herr Maditsch wäre in diesem Aufzug zum Vorstellungsgespräch gekommen – er wäre vermutlich trotzt Fachkräftemangel von dem einen oder anderen gleich aussortiert worden.

In einen Interview wurde er übrigens gefragt, warum er so zum Digitalrat gekommen ist. Die pragmatische Antwort war: Es war an dem Tag heiß und er läuft eben öfter so rum. Ich habe übrigens auch Freunde die Mathematiker sind und die im Büro mal gerne die Schuhe ausziehen. Begründung: Sie können so besser denken.

Große kulturelle Unterschiede zwische ITlern und Personalern

Ich habe kürzlich den früheren Recruiting-Leiter der Deutschen Bahn zu diesem Thema interviewt, der davon erzählt, wie z.B. die Schuhe von Bewerbern oder die kurzen Hosen des Praktikanten für Gesprächsstoff sorgten.

Da treffen kulturell manchmal Welten aufeinander – und die Kleidung ist dann nur die Spitze des Eisbergs.

Diskriminierung im Recruiting

Denn es gibt diesbezüglich auch wesentlich ernstere Aspekte. Überall wird von Diversität in Unternehmen geredet, die Realität sieht leider so aus, dass auch 2018 noch BewerberInnen diskriminiert werden.

Zum Beispiel gibt es ja immer wieder diese Exprimente, in denen sich der selbe Bewerber mit einem genau identischen Lebenslauf bewirbt – nur einmal mit deutschem Namen und einmal mit einem Namen, der auf einen Migrationshintergrund hindeutet.

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Gender Pay Gap auch in der IT

Und die Organisation Terres des Femmes hat hier ein etwas plakatives Experiment gemacht, bei dem es die gleiche Person einmal als Mann und einmal als Frau mit genau dem selben Lebenslauf zum Vorstellungsgespräch schickte – und zeigte, dass das Jahresgehalt je nach Geschlecht deutlich variieren kann.

Das sind alles Aspekt mit denen Arbeitgeber sich zunehmend auseinandersetzen müssen, wenn sie über Fachkräftemangel klagen. Und viele tun es eben nicht.

Wo Bewerber schlecht über Arbeitgeber reden

Die CHRISS-Studie hat Bewerber und Arbeitnehmer nämlich auch gefragt: Was passiert, wenn der Arbeitgeber die Erwartungen nicht erfüllt.

Das wollen aber viele Arbeitgeber noch nicht so richtig wahr haben.

Arbeitgeberbewertungen: Liest die überhaupt jemand?

Bei einem Vortrag, den ich auf der Zukunft Personal in Stuttgart gehalten habe, wurde ich allen Ernstes von einer Personalerin gefragt: „Liest denn jemand solche Arbeitgeberbewertungen tatsächlich“.

So kann man sein Standing als Arbeitgeber natürlich auch vernichten, indem man schlechte Bewertungen schlicht ignoriert.

Arbeitgeber-Bewertungen: Wie wichtig sind sie?

Eine Umfrage, die der eRecruiting-Anbieter softgarden 2016 in Kooperation mit dem Personalmagazin durchgeführt hat, zeigt: Über 50 Prozent der Bewerber finden solche Bewertungen wichtig, bzw. sehr wichtig. Befragt wurden über 3.000 Bewerber, die sich über das eRecruitingsystem von softgarden auf eine neue Position beworben haben.

Es gibt weitere Studien, z.B. auch von der BITKOM, die zeigen: Arbeitgeberbewertungen sind auf dem Vormarsch. Sie werden immer wichtiger. Und hier den Kopf in den Sand zu stecken wäre fatal.

Es sind aber just solche Reaktionen die mir zeigen: Die Blinden Flecken auf Seiten der Arbeitgeber sind eben da. Und darüber müssen wir diskutieren, wenn wir über Fachkräftemangel sprechen. In diesem Sinne freue ich mich auf eine spannende Diskussion.


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