Uns wird gesagt, Erfolg im Leben hängt von guten Noten und den richtigen Kontakten ab. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Es kommt vor allem auf Menschenkenntnis und Erfahrung an. Und da kann auch Harvard nicht helfen.

Menschenkenntnis im Business-Alltag: Was Sie in Harvard nicht lernen

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Ein besonders wertvolles Studium?

Als ich noch in Yale Jura studierte, sagte man mir, dieser Studiengang sei, um im Wirtschaftsleben Karriere zu machen, genauso wertvoll wie ein Betriebswirtschaftsstudium. Lange Zeit später, nachdem ich sowohl in Harvard als auch an anderen Wirtschaftsinstituten Vorlesungen gehalten hatte, gelangte ich zu derselben Überzeugung – obwohl beide Fachrichtungen, auf die Realität des Wirtschaftslebens bezogen, eindeutige Grenzen erkennen lassen. Als Sprungbrett ist ein Jura- oder Betriebswirtschaftsstudium zweifellos zu empfehlen. Aber als Ausbildung, als Teil eines kontinuierlichen Lernprozesses, stellt es bestenfalls eine solide Grundlage und schlimmstenfalls eine naive Form der Anmaßung dar. Was wir an unseren Hochschulen lernen, ist die Erkenntnis, dass sie uns eines nicht vermitteln können: das Auf und Ab, die Höhen und Tiefen des Unternehmensalltags.

Die Führungspraxis beinhaltet autodidaktische Lernprozesse, wobei das eigene Erfahrungsreservoir, wenn es so groß ist wie meines, das Lernen ohne Zweifel verkürzen, vereinfachen und »versüßen« kann. Anfang der 60er-Jahre habe ich mit weniger als $ 500 Startkapital meine eigene Firma gegründet und damit einen neuen Industriezweig ins Leben gerufen – die Sportmanagement- und Sportmarketingindustrie. Heute ist daraus die International Management Group (IMG) geworden, ein Mammutunternehmen mit Milliardenerträgen und Zweigstellen in aller Welt. Wahrscheinlich bin ich aber besser bekannt als »der Mann, dem Arnold Palmer seine Millionen verdankt«. In Wirklichkeit verdankt Arnold Palmer seine Millionen Arnold Palmer, obwohl er bestimmt der Ansicht ist, ich sei ihm dabei eine große Hilfe gewesen.

Wie man Erfahrung erwirbt: Lernen durch Beobachtung

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Auch wenn das Management solch berühmter Sportstars wie Jean-Claude Killy, Jackie Stewart, Björn Borg, Herschel Walker, Martina Navratilova, Chris Evert und vieler anderer unserer zahlreichen Klienten sehr wichtig für uns ist, handelt es sich nur um einen Teilbereich unseres Konzerns. Unser Unternehmensbereich Fernsehen produziert Hunderte von Programmstunden in aller Welt und verkauft sie an so verschiedene Interessenten wie Wimbledon, die Fußball-Nationalmannschaft, den Amerikanischen Tennis- und Golfverband, den Internationalen Skiverband, den Hochschulsportverband und den Royal and Ancient Golf Club. Unser Bereich Unternehmensberatung wird von mehr als fünfzig börsennotierten Firmen auf internationaler Ebene in Anspruch genommen. Wir haben die persönliche finanzielle Beratung und Planung für Hunderte von Topmanagern übernommen.

Wir besitzen drei Modezentren und sind oder waren für die verschiedensten Klienten tätig, wie z. B. für die Nobelstiftung, den Vatikan und die Katholische Kirche Englands; außerdem gehören wir zu den Beratern des Organisationskomitees für die Fernsehaufzeichnung der Winterolympiade 1988 in Calgary und der Sommerolympiade 1988 in Seoul, Korea. In meiner mehr als zwanzigjährigen Praxis im Wirtschaftsleben habe ich wohl, ohne vermessen sein zu wollen, jede erdenkliche Situation und Art von Persönlichkeit kennen gelernt. Ich musste mich mit den komplexen Charakteren von Sportgrößen und ihren Angetrauten, Eltern, Freunden, Nachbarn und Fans befassen. Ich hatte mit Staatsmännern und Konzernchefs, internationalen Bankern und Kleinstadt-Anwälten, mit bürokratischen Sportverbänden und autokratischen Firmengründern zu tun. Ich bin mit jeder Phase und jeder Form der Unterhaltungs-, Kommunikations- und Freizeitindustrie konfrontiert worden und habe sicher schon irgendwann einmal mit jedem Land der Welt Geschäfte abgeschlossen.

Was ich nicht aus eigener Erfahrung kenne, habe ich durch Beobachtung gelernt. Infolge unserer Geschäftsbeziehungen zu großen Unternehmen in aller Welt war ich in den Büros und Chefetagen zahlloser Firmen zu Gast. Ich hatte die Gelegenheit, sie in »voller Aktion« zu sehen – und konnte erkennen, warum so viele versagen. Ich habe wohl jeden denkbaren Unternehmensstil, jeden kulturellen Background, jedes theoretische und philosophische Fundament kennengelernt – und festgestellt, warum so oft »auf Sand gebaut wird«. Aus diesen Erfahrungen und Beobachtungen habe ich Ratschläge in Bezug auf Verkaufstechniken, Verhandlungen, Start ins Geschäftsleben, wie man eine Firma gründet und leitet, Mitarbeiter und Persönlichkeiten führt, seine Karriere plant oder etwas durchsetzt, abgeleitet. Allerdings muss ich dazu sagen, dass diese kategorische Analyse irreführend ist, weil dieses Buch sich in erster Linie damit befasst, was ich als »gesunden Pragmatismus« bezeichnen möchte – also mit der Fähigkeit, von seinen Instinkten, Einsichten und Erkenntnissen positiven Gebrauch zu machen, sie zu nutzen, um ein bestimmtes Ziel möglichst auf kürzestem Weg zu erreichen, selbst wenn das bedeutet, dass man einige Hürden überwinden oder die »Hintertür« benutzen muss.

Ist Fingerspitzengefühl erlernbar?

Ist Fingerspitzengefühl im Wirtschaftsleben wirklich »erlernbar«? Vielleicht nicht ganz, aber was Sie sich aneignen können, sind die Ergebnisse des praxisorientierten Denkens. Vieles von dem, was ich bei meiner Arbeit sage oder tue, dient dazu, mir anderen gegenüber einen leichten psychologischen Vorteil zu verschaffen oder mich in die Lage zu versetzen, andere zu Höchstleistungen anzuspornen. Das verstehe ich unter gesundem Pragmatismus – nämlich angewandte Menschenkenntnis. Ob es darum geht, ein Geschäft abzuschließen oder um eine Gehaltserhöhung zu bitten, fünftausend Verkäufer zu motivieren oder mit einem Gesprächspartner zu verhandeln, ein neues Unternehmen aufzukaufen oder ein altes grundlegend zu verändern – jede Situation im Geschäftsleben ist im Grunde eine Situation, in der es primär um zwischenmenschliche Beziehungen geht. Und nur die Führungskräfte sind erfolgreich, die ein feines Gespür für Menschen entwickeln und wissen, welchen praktischen Nutzen sie daraus ziehen können.

Fairerweise muss man sagen, dass man in Harvard nicht lernt, was man dort nicht lernen kann: nämlich gute Menschenkenntnis und wie man sie praktisch nutzt, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Genau das lässt sich mit Hilfe dieses Buches lernen: nämlich wie Sie andere besser verstehen und erreichen, dass auch Sie besser verstanden werden, und wie man beide Fähigkeiten in jeder beliebigen Situation im Geschäftsleben einsetzen oder den jeweiligen Gegebenheiten entsprechend anpassen kann. Bestimmte Dispositionen im Geschäftsleben sind, natürlich, situationsbedingt. Aber wann immer es möglich war, d. h., wenn eine eindeutig bewusste Handlung zu einer folgerichtigen mehr oder weniger unbewussten Reaktion führt, habe ich versucht, die Fakten für Sie zu analysieren. Aufgrund meiner eigenen Erfahrungen und Beobachtungen kann ich Ihnen viele spezifische Techniken empfehlen, die sich praktisch anwenden lassen und zu unmittelbaren, greifbaren Ergebnissen führen. Viele Ratschläge sind ein wenig unkonventionell, nicht, um sich prinzipiell von anderen zu unterscheiden, sondern weil ich der Überzeugung bin, dass unsere Abhängigkeit von konventionellem Wissen – von tradierten Ideen und antiquierten Methoden – wohl eines der großen Probleme für unsere Wirtschaft darstellt. Unternehmensführung ist der konstante Prozess, aus der Starre bestehender Systeme auszubrechen, bedingte Reflexe in Frage zu stellen und an der Oberfläche zu kratzen, um den Kern bloßzulegen. Eigentlich ist ja jeder bereit zu arbeiten, aber bestimmte widrige Umstände hindern ihn daran. Es ist heute einfach unmöglich, ein wirklichkeitsnahes Buch zu schreiben, ohne auf dieses Problem und seine mannigfaltigen Variationen einzugehen.

Was taugt eine akademische Ausbildung?

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Unsere Wirtschaft braucht die Innovation. Schon immer bestand das Bedürfnis, sich bis an die Grenzen vorzutasten, sich an Problemen zu messen, aber unsere Wirtschaftshochschulen sind – zwangsläufig – dazu verurteilt, die Vergangenheit zu lehren. Dadurch wird nicht nur das konventionelle Denken verewigt, sondern auch die Innovation gebremst. Irgendjemand hat einmal gesagt, dass wir heute noch im Schein von, allerdings größeren, Kerzen lesen würden, wenn Thomas Edison eine Wirtschaftsfachschule besucht hätte. Meine Absicht war, mit diesem Buch einige Lücken zu schließen – Lücken zwischen der theoretischen Ausbildung und dem gesunden Pragmatismus, der sich aus der täglichen Erfahrung, ein Unternehmen zu leiten und Mitarbeiter zu führen, ableitet. Im Laufe der Jahre haben wir viele graduierte Führungskräfte aus Harvard oder von anderen Universitäten eingestellt. Ich glaube sogar, dass das in der Zeit, als ich noch leichter zu beeindrucken war, zu meinen eigenen bedingten Reflexen gehörte: »Hast du ein Problem, brauchst du einen Betriebswirt!« Auch als unser Unternehmen wuchs und sich auf Gebiete vorwagte, in denen es uns an Zuversicht oder Fachkompetenz mangelte, argumentierte ich noch, dass gerade sie aufgrund ihrer akademischen Ausbildung am besten geeignet seien, unsere ersten Schritte ins »Neuland« zu leiten. Dabei habe ich erkannt, dass ein Hochschulexamen in der Praxis oft ein Hemmschuh sein kann. Viele Betriebswirte, die wir damals einstellten, waren entweder unglaublich naiv oder Opfer ihrer Berufsausbildung. Daraus resultierte eine Art Unfähigkeit, etwas über das reale Leben zu lernen – also Menschen und Situationen richtig einzuschätzen – und die gefährliche Neigung, die falschen Schlussfolgerungen zu ziehen. Gerechterweise muss man aber auch hinzufügen, dass einigen unserer graduierten Betriebswirte die Anpassung an die Realität ganz gut gelungen ist.

Aber, wie ich einmal, zu glauben, dass ein akademischer Titel oder ein hoher Intelligenzquotient zwangsläufig mit gesundem Pragmatismus gekoppelt sein müsse, hat sich leider nur allzu oft als folgenschwerer Trugschluss erwiesen. Vor ein paar Jahren wurde an der Harvard Business School eine Fallstudie zu diesem Problem durchgeführt. Schon bei der Formulierung der Fragen stellte sich heraus, dass die Studenten Schwierigkeiten hatten, die passende »theoretische Schublade«, in die bestimmte Situationen im Geschäftsleben eingeordnet werden sollten, zu finden. Und wer sie gefunden hatte, erwartete, dass die richtige Antwort – wie auf Knopfdruck – von allein herauskommen würde. Offensichtlich passen aber weder Menschen noch Probleme in vorgefertigte »Schablonen«, und versucht man, sie mit Gewalt hineinzupressen, verzerren sich die Perspektiven. Zwei alte Freunde trafen sich nach 25 Jahren zufällig auf der Straße wieder. Der eine, der Klassenprimus gewesen war, arbeitete als Direktionsassistent in einer Bank seines Heimatortes. Der andere, der nie aufgrund seiner Intelligenz brilliert hatte, besaß eine eigene Firma und ein dickes Bankkonto. Als sein Freund, der Bankangestellte, ihn nach dem Geheimnis seines Erfolges fragte, antwortete er: »Ganz einfach. Ich hab’ ein Produkt, das ich für zwei Dollar einkaufe und für fünf Dollar verkaufe. Es ist erstaunlich, was man alles mit den drei Dollar Gewinn machen kann.« Ich habe keine Vorurteile gegen Intellekt, Intelligenz oder, in diesem Fall, akademische Titel, aber sie sind kein Ersatz für gesunden Menschenverstand, Menschenkenntnis und gesunden Pragmatismus. Ich glaube, auch an der Harvard Business School ist man inzwischen zu dieser Einsicht gelangt.

Menschenkenntnis: Wie Macht Menschen verändert

Lassen Sie mich zu Beginn zwei Geschichten erzählen: Die eine handelt von einem – damals noch – Präsidentschaftskandidaten, die andere von einem bekannten Golfprofi. Obwohl zwischen beiden Begebenheiten fast zehn Jahre liegen, gehören sie in meinen Augen zusammen. 1963 traf ich anlässlich der Internationalen Golf-Weltmeisterschaft in Paris zweimal mit Richard Nixon zusammen – das erste Mal im Golfclub, als er an unseren Tisch kam und Gary Player begrüßte, und das zweite Mal ein paar Tage später, im Tour d’Argent, als er sich kurz mit Arnold Palmer und Jack Nicklaus, mit denen ich gerade zu Abend aß, unterhielt. Nixons Bemerkungen waren ganz sicher launig, aber mir ist in besonderer Erinnerung geblieben, dass er beide Male dieselben Worte, dieselben fünf oder sechs Sätze verwendete, als ob er nicht mit Menschen, sondern mit Marionetten redete oder ein bestimmtes Repertoire an Standardsätzen für die verschiedenen Kategorien von Personen, die er eventuell kennenlernen oder treffen würde, bereithielt – einige Floskeln für einen Sportstar, ein paar andere für einen Wirtschaftskapitän und ein weiteres »Set« für einen Vertreter der Kirche. In der zweiten Geschichte geht es um einen außergewöhnlichen Golfspieler, Doug Sanders. Dass wir Doug unter Vertrag genommen hatten, hielten viele anfangs für einen Fehler. Er hatte tatsächlich ein wenig von einem Hasardeur, hetzte von Termin zu Termin, war mehr als einmal in ernsthaften Schwierigkeiten und stets bereit, »aufs Ganze zu gehen«. Manche waren der Ansicht, er sei zu widersprüchlich, und wollten wissen, warum wir ihm trauten. Um ehrlich zu sein – ich traute Doug Sanders mehr als so manchem, der mir diese Frage stellte. Aber nun zu der eigentlichen Geschichte.

Doug nahm einmal an einem Golfturnier in Kanada teil. Er hatte alle dafür notwendigen Vorbereitungen selbst getroffen. Ich wusste nichts davon und hätte es wohl auch kaum je erfahren, denn sein Handgeld wurde bar ausgezahlt. Aber etwa eine Woche nach dem Turnier bekamen wir einen Umschlag zugeschickt, der weder Brief noch Notiz enthielt – nur unsere Prozente, in bar. Ich erinnere mich heute noch so gut an diese beiden Begebenheiten, weil sie einen fundamentalen Aspekt der Menschenkenntnis zeigen: Was jemand in einer völlig unwichtigen Situation sagt oder tut, spricht manchmal »Bände« und enthüllt oft erst sein wahres Ich. Meine Zufallsbekanntschaft mit Nixon war durch ein gewisses Maß an Unaufrichtigkeit und Scheinheiligkeit geprägt, an das ich mich zehn Jahre später, als er zum Rücktritt gezwungen wurde, nur allzu gut erinnern sollte. Nixons Fall ist vielleicht ebenso auf seine Unaufrichtigkeit zurückzuführen wie auf die Watergate-Affäre. Unehrliche Menschen sind den meisten ein Gräuel; wir misstrauen ihnen instinktiv und sind erst recht nicht davon begeistert, dass sie über das Schicksal unseres Landes entscheiden. Im Fall Doug Sanders war das Handgeld für die Teilnahme am Golfturnier kaum der Rede wert. Aber bis zum heutigen Tage kann ich mir vorstellen, wie Doug in sein Hotelzimmer ging, ein Bündel Geldscheine aus der Tasche zog, unseren Anteil abzählte, ihn in einen Briefumschlag steckte und an uns adressierte. Das war so typisch, dass ihm gar nichts anderes eingefallen wäre. Sicher wäre es so manchem von uns lieber, wenn der künftige amerikanische Präsident sich »charakterfest« und der »zwielichtige« Golfspieler »charakterlos« gezeigt hätte, aber die Fakten sprechen eindeutig dagegen. Was hat das aber mit dem Geschäftsleben zu tun, werden Sie vielleicht fragen? Sehr viel!

Wie man sich ein Bild von jemandem macht

In unserem Metier ist es nicht schwer, sich ein bestimmtes Persönlichkeitsbild oder ein der jeweiligen Situation entsprechendes Image zuzulegen. Manche Menschen verhalten sich im Umgang mit Untergebenen völlig anders als Vorgesetzten oder Außenstehenden gegenüber. Aber das ursprüngliche Ich, die wahre Natur eines Menschen, ist kein Chamäleon, das sich der jeweiligen Umgebung anpasst. In einer fortdauernden Beziehung werden Sie früher oder später, bewusst oder unbewusst, den wahren Charakter Ihres Geschäftspartners entdecken. Sie wollen zumindest hören, was er wirklich zu sagen hat, und nicht, was er Ihnen einreden will; Sie möchten in der Lage sein, seine Handlungsweisen bzw. seine beruflichen Aktivitäten in einen umfassenderen Bezug zu seinem Charakter zu setzen. Ob ich verkaufe oder kaufe, ob ich engagiert werde (im Rahmen meiner Beratertätigkeit) oder selbst Mitarbeiter einstelle, ob ich einen Vertrag aushandele oder auf die Wünsche eines Klienten eingehe – ich will wissen, wer der andere ist. Ich will sein wahres Ich kennenlernen. In jeder Situation im Geschäftsleben geht es im Grunde primär um zwischenmenschliche Beziehungen, und je mehr und je schneller ich etwas über die Person, mit der ich zu tun habe, in Erfahrung bringe, desto mehr kann ich bewirken. Eine Meinung ist keine Antwort Viele Leute fällen ein Urteil über andere, ohne sie persönlich zu kennen, allein aufgrund dessen, was sie über ihr Unternehmen gehört haben oder wissen. Sie verwerfen oder ignorieren sogar ihre eigenen Wahrnehmungen, sofern sie nicht mit ihrer vorgefassten Meinung übereinstimmen.

Beim IMG werden wir oft mit Vorurteilen, die unser Unternehmen betreffen, konfrontiert. Unsere Arbeitsweise ist ziemlich transparent, und eine Reihe von Artikeln oder Fernsehsendungen die sich mit dem Firmenprofil oder meiner Person befasst haben, glaubten, besondere Betonung auf unsere Machtposition im Sportbereich legen und uns als harte, ja sogar rücksichtslose Verhandlungspartner charakterisieren zu müssen. In neun von zehn Fällen ist dieses Image für uns von Vorteil. Man erwartet geradezu von uns, dass wir »hoch pokern«, und diese Erwartungshaltung macht es uns leichter, den Verhandlungspartner »in den Griff zu bekommen«. Und wenn er dann noch feststellen muss, dass wir eigentlich ganz zugängliche und vernünftige Leute sind, haben wir schon gewonnen. Aber es gibt auch den »Zehnten«, der sich so verbissen an seine vorgefasste Meinung klammert, dass er die eigentliche geschäftliche Situation oder den Mitarbeiter unseres Unternehmens, mit dem er verhandelt, völlig falsch einschätzt. Er hat sich vorgenommen, genauso hart zu sein wie wir oder sich gegen unsere Zähigkeit zu wappnen, was dazu führt, dass er ein freundliches »Nett, Sie kennenzulernen« bereits als versteckte Drohung empfindet. Offensichtlich ist er aufgrund seiner Vorurteile nicht mehr zu wirklich aufschlussreichen Einsichten fähig. Menschenkenntnis zu entwickeln erfordert, alle Sinne der Realität zu öffnen und die dabei gewonnenen Erkenntnisse in greifbare Ansatzpunkte umzuwandeln, die sich zu Ihrem eigenen Vorteil nutzen lassen. Dave DeBusschere, ein ehemaliger Basketball-Star, war, bevor er als Generalmanager zu den New York Knicks ging, einige Jahre Vizepräsident unseres Unternehmensbereiches Fernsehen. Dave musste einige frustrierende Verhandlungen mit dem Leiter eines Versicherungskonzerns in Connecticut führen, den er als Sponsor für eine unserer Fernsehshows gewinnen wollte. Der Mann schien ernsthaft interessiert zu sein, war aber so überwältigt, mit DeBusschere zu verhandeln, dass er mit dieser Tatsache oder seinem eigenen Misstrauen nicht fertig wurde. Wenn die Gelegenheit wirklich so großartig war – so meinte er –, warum hatte man dann nicht einen »ganz gewöhnlichen« Angestellten dazu abgestellt, sie ihm schmackhaft zu machen?

Erkenntnisse richtig nutzen

Dave Marr, ehemaliger Champion der Professional Golfers’ Association PGA, und ich sprachen einmal über einige der Golfgrößen, die wir kannten; dabei stellte Dave meiner Meinung nach eine der wichtigsten Grundregeln für Golfwetten auf: »Wette niemals mit jemandem, den du am ersten Abschlag triffst, der tief gebräunt ist, einen Golfschläger mit eisernem Kopfstack hat und verstohlene Blicke um sich wirft.« Zu wirklich wichtigen Erkenntnissen über den wahren Charakter eines Menschen gelangt man oft nur mit Hilfe der Beobachtungsgabe. In den meisten geschäftlichen Situationen gibt es mehr zu sehen als das, was »ins Auge« fällt – nämlich eine breite Skala dynamischer Persönlichkeitsmerkmale, die hinter der Oberfläche wirksam sind. Es gibt fast immer eine Gelegenheit, die Ihnen gestattet, einen Blick hinter die Fassade zu werfen. Manchmal sind es die Dinge, die jemand unbewusst sagt oder tut, oder auch die Art, wie jemand, z. B. bei einer bestimmten Frage, Ihrem Blick ausweicht. Aber es gibt auch Verhaltensweisen, die weder einfach noch unbewusst sind, z. B. wie jemand einen bestimmten Gedanken formuliert. Fest steht jedoch, dass es Schlüsselelemente, die zu tief greifenden Erkenntnissen führen, in Hülle und Fülle gibt, verfügbar für jeden, der einen Blick dafür entwickelt. Aber eine erstaunlich große Anzahl von Führungskräften scheint blind dafür zu sein. Sie sind unfähig zu erkennen, was wirklich um sie herum vorgeht. Entweder sind sie zu sehr damit beschäftigt, sich selbst reden zu hören, sodass sie dem anderen zu wenig Aufmerksamkeit schenken, oder sie konzentrieren sich ausschließlich auf ihre eigenen beruflichen Aktivitäten und bemerken nicht, was andere tun. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es im Geschäftsleben irgendjemanden gibt, der ohne ein Minimum an Menschenkenntnis Erfolg hat. In unserer Wirtschaft geht es vielleicht mehr als in anderen Bereichen darum, jeden wenn auch noch so kleinen Vorteil zu

erkennen und zu wahren. Und sämtliche Aspekte dieses Prozesses lassen sich auf den Umgang mit Menschen zurückführen: Es gilt, sie zu führen, ihnen etwas zu verkaufen, mit ihnen zu arbeiten und sie im Grunde dahin zu bringen, das zu tun, was Sie wollen. Ohne ausreichende Menschenkenntnis fehlt Ihnen ganz einfach der dafür notwendige Scharfblick. Erkenntnisse ermöglichen eine Perspektive, die über die Gegenwart hinausführt. Stellen Sie sich vor, Sie wären in der Lage, eine exakte Prognose für die wirtschaftliche Entwicklung in den nächsten zehn Jahren zu stellen. Aufgrund dieses Informationsvorsprungs wären Sie nicht nur wesentlich klüger, sondern auch bedeutend erfolgreicher und wohlhabender. Gute Menschenkenntnis trägt zweifellos dazu bei, die Zukunft klarer zu sehen. Das wahre Ich eines Menschen, sein eigentlicher Charakter, kann sich nicht, wie ein Chamäleon, den verschiedenen Situationen anpassen. Es ist völlig konsistent. Je besser man daher jemanden kennt, desto eher durchdringt man seine Fassade, desto genauer kann man vorhersehen, wie er oder sie in einer bestimmten Situation handelt oder reagiert. Dieses Wissen kann von unschätzbarem Wert für Sie sein. Der Modus operandi, der dabei zum Tragen kommt, gleicht dem der »Profis« – der Spiritisten und Wahrsager, die schon seit Jahrhunderten mit dem gleichen »Trick« die Zukunft vorhersagen. Wahrsager versuchen, ihre Klienten einzuschätzen, indem sie sie genau beobachten – wie sie sich verhalten, wie sie aussehen, welche Kleidung sie tragen – und ihnen unverfängliche Fragen stellen. Anhand dieser Informationen können sie »einen Blick in die Zukunft werfen«, der in Wirklichkeit genau das bringt, was der Klient hören möchte – basierend auf den Erkenntnissen, die sie inzwischen gewonnen haben. Ein guter Wahrsager findet manchmal die verblüffendsten Dinge heraus, die er aus winzigen Informationsbruchstücken zusammengesetzt hat. Einige Angehörige dieser »Zunft« würden zweifellos hervorragende Manager abgeben. Andererseits kenne ich viele Führungskräfte, die als Wahrsager keine Chance hätten.


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