Viel wurde über Digitalisierung und ihren negativen Einfluss auf die Kommunikation geschimpft, aber wir mussten auch feststellen, wie systemrelevant sie ist. Zeit, über unseren Umgang mit der Technik nachzudenken.

Best of HR – Berufebilder.de®

Asynchrone Kommunikation spart Zeit

Vor allem aufgrund der jüngsten Entwicklungen kommunizieren wir zunehmend asynchron: entweder nicht zeitgleich, oder weil unser Gesprächspartner nicht am gleichen Ort ist wie wir.

Das ist praktisch und spart Zeit – einerseits. Doch diese selektive Wahrnehmung macht unseren Austausch ärmer, sagen Experten. Wir verpassen wichtige Erfahrungen, weil wir keine Begegnung mehr dem Zufall überlassen.

Digitalisierung: Befördert sie die Verrohung der Sitten

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Das Internet verändert unser Kommunikationsverhalten einschneidend und vielleicht nicht immer zu unserem Vorteil. Die Frage, über die dabei gerne gestritten wird, lautet: Ist die Technik schuld an der Problematik – oder sind wir Nutzer es?

Kürzlich habe ich mir auf Best of HR – Berufebilder.de® einen Schlagabtausch über ein Thema geliefert, das in Internetkreisen immer immer wieder gerne diskutiert wird: Nämlich die Frage, ob denn nun das Internet schuld ist an der Verrohung der Kommunikationssitten – oder der User selbst.

Kommunikation: war früher alles besser

Naja, erstmal ging es doch um die grundsätzlichere Frage: Hat sich die Kommunikation denn überhaupt verändert, sind die Sitten also verroht und war früher alles besser – oder nicht?

Zum Beispiel das gerne und ausführlich diskutierte Thema, ob früher wirklich alles besser war: Vielleicht ist das Smartphone tatsächlich nur das Hilfsmittel, das einen davon abhält, in öffentlichen Verkehrsmitteln dröge vor sich hinzustarren und versehentlich indiskret bestimmte Körperteile von Mitmenschen zu fixieren?

Ist die fehlende Selbstdisziplin schuld?

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Dennoch gibt es in dieser Diskussion immer wieder Aspekte, die mich nachdenklich stimmen – gerade weil ich früher genau derselben Meinung war und mittlerweile ein paar Dinge anders sehe.

Ist unsere fehlgeleitete Kommunikation wirklich ein Problem der Technik oder nicht vielmehr ein Mangel an Selbstdisziplin und Respekt gegenüber seiner Umgebung? Denn auch wenn die neue Technik die ständige Verfügbarkeit erst möglich macht, so zwingt sie einen doch nicht dazu, oder?

Lassen wir uns vom Handy in der Tasche versklaven?

Sicherlich ist es nicht die Technik, die uns den respektlosen Umgang mit unseren Mitmenschen aufnötigt, sicherlich sind wir selbst schuld, wenn wir auch im Restaurant ständig aufs Handy starren müssen.

Dementsprechend halte ich Experimente wie “Ein halbes Jahr ohne Internet” für kompletten Schwachsinn. Und doch: Dass wir, jetzt da wir es können, das Handy in der Tasche nicht einfach abschalten, sondern uns auch nach Feierabend von Chefs und eMails versklaven lassen, hat einen anderen Grund:

Selbstdisziplin gefragt: Unser Gehirn kann Dinge nicht liegen lassen

Unser Gehirn ist schlicht nicht dafür gemacht, Dinge einfach liegen zu lassen. Im Gegenteil, es sorgt regelrecht dafür, dass wir ständig alles im Kopf behalten, was wir noch erledigen müssen, was wir uns vorgenommen haben oder worauf wir noch antworten sollten. Und so macht uns zum Beispiel die nicht beantwortete eMail des Chefs ständig nervös und unruhig.

Das als fehlende Selbstdisziplin abzutun, greift zu kurz und geht nicht nur an der Realität menschlicher Verhaltensweisen vorbei, sondern stempelt auch alle, die sich nicht derart selbst disziplinieren können, als Versager ab.

Anpassung an die moderne Kommunikation ist der nächste Evolutionssprung

Sicher können und sollten wir den Umgang mit modernen Kommunikationskanälen erlernen. besonders wenn man sich heute Diskussionen im Internet anschaut, vor allem in Sozialen Medien, in denen jede Gefühlsregung herausgelassen wird – und das kann positiv wie negativ sein – sieht man sehr deutlich, dass dies für viele Menschen noch ein weiter Weg ist.

Ich glaube jedoch mittlerweile, dass dieser Lernschritt langsamer zu erreichen ist, als wir uns das heute vorstellen oder wünschen und dazu nach Bildungsstand und Vorkenntnissen der jeweiligen Person stark variieren wird.  Für mich ist diese Anpassung des Menschen an die moderne Kommunikation daher der nächste Evolutionssprung – und der ist eben nicht von heute auf morgen zu erreichen.

Medi Richness Theory: Welche Kommunikationsform ist mehr wert?

Welche Kommunikationsform ist mehr “wert” – die im Internet oder die zweier Menschen, die sich gegenüber sitzen? Ich bin ganz klar für Letzteres. War das bislang nur ein diffuses Gefühl, kann ich es dank eines Leserkommentars nun auch mit einem wissenschaftlichen Fachausdruck erklären:

Media Richness Theory – zu deutsch “Medienreichhaltigkeitstheorie”. Je komplexer der Sachverhalt, desto mehr Medien sollten genutzt werden, um alle Inhalte zu übertragen. Der zeitliche Unterschied zwischen den beiden Kommunikationsformen sollte dabei so gering wie möglich sein.

Das Problem bei Videokonferenzen: Wichtige Inhalte fehlen

Genau das ist das Problem bei modernen Kommunikationsmedien: Unsere Kommunikationspartner erfassen Inhalte einfach besser, schneller und richtiger, wenn sie direkt vor einem stehen – schon alleine deshalb, weil man anhand von Gestik und Mimik ein unmittelbares Feedback erhält und fehlende Informationen entsprechend nachreichen kann.

Je verzögerter die Kommunikation ist, desto schwieriger wird es daher, Informationen richtig rüberzubringen. Das gilt auch für Videokonferenzen, die oft als Allheilmittel der Long-Distance-Kommunikation gelten.

Kleine Signale entscheiden die Kommunikation

Man bedenke nur mal, wie schwierig es ist, auch bei Videoübertragungen kleinere Signale wie Stirnrunzeln oder Räuspern wahrzunehmen. Es fehlt dann aber ein ganz wichtiger Teil der Kommunikation.

Und vielen Menschen erscheint es unschicklich, dazwischenzureden, um sich Gehör zu verschaffen. Umgekehrt müssen Sprecher auch gezielt deutlich sprechen. Deswegen sind Videokonferenzen meiner Meinung nach nicht mit normalen Konferenzen vergleichbar.

Das Problem mit der Internetsucht

Auch Internetsucht, das krankhafte nicht mehr Aufhören-Können mit dem Klicken, wird immer wieder heftig diskutiert in Deutschland. Mechthild Dyckmans, die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, möchte dieses Verhalten gar als Krankheit klassifizieren lassen. Studie zeigte etwa: 0,7 Prozent aller 25- bis 64-Jährigen in Deutschland kommen nicht mehr von Online-Spielen oder Sozialen Netzwerken los und vernachlässigen darüber ihr soziales Leben.

Die Studienergebnisse sind nicht unumstritten. Kritiker halten Internet-Sucht nur für eine weitere Form der Depression, in der sich bereits bestehende soziale Probleme manifestieren. Doch insgesamt sollte man sich die Frage stellen: Macht Internet einsam?

Zunahme der asynchronen Kommunikation

Der Soziologe Simon Edwin Dittrich hat sich für einen Sammelband der Heinrich Böll-Stiftung zum Thema #public_life – Digitale Intimität, die Privatsphäre und das Netz ausgiebig damit beschäftigt, wie sich das veränderte Kommunikationsverhalten auf den Einzelnen und die Gesellschaft auswirkt.

Nach seiner Beobachtung führen die modernen Technologien vor allem zu einer Zunahme der asynchronen Kommunikation. Damit sind Unterhaltungen gemeint, bei denen die Gesprächspartner entweder nicht zeitgleich oder nicht am selben Ort agieren. Als Beispiel nennt Dittrich das Schreiben von SMS beim Essen. Auf Seite 100 des #public_life-Bandes erzählt er:

“Als ich Kind war, wäre es undenkbar gewesen, vom Abendbrottisch aufzustehen, um ans Telefon zu gehen. Wenn ich heute mit Freunden gemeinsam esse, kommt es öfter vor, dass mehrere von uns in ihr Telefon schauen, eMails checken, SMS schreiben, Twittern oder auf Facebook schreiben. Natürlich hagelt es auch immer wieder Kritik von Menschen, die es als unhöflich empfinden, wenn man ihnen nicht seine volle Aufmerksamkeit widmet. Aber die Vehemenz nimmt ab.”

Verengte Wahrnehmung und Tunnelblick

Für Dittrich ist das nicht nur ein singuläres Phänomen, sondern hat Auswirkungen auf unsere Gesellschaft: Beispielsweise unterhalten sich viele Reisende in Zügen nicht mehr miteinander, sondern via Handy oder Laptop mit anderen, weit entfernten Gesprächspartnern. Statt also mit dem direkten Umfeld zu kommunizieren, spricht man zunehmend nur selektiv mit Menschen, die man sich selbst ausgesucht hat. Das aber macht die Wahrnehmung selektiver und den Austausch ärmer: Viele Informationen, die man in einem Gespräch unter Reisenden zufällig bekommen würde – die Serendipität – bleiben dabei auf der Strecke.

Bildhaft ausgedrückt: Der Tunnelblick auf die mobile Kommunikation kann verhindern, dass sich der eigene Horizont erweitert. Für Dittrich entsteht auf diese Weise ein öffentlicher Zwischenraum, in dem jedoch paradoxerweise vor allem private Handlungen vollzogen werden – beispielsweise wenn sich Leute im Bus via Mobiltelefon streiten und alle den Disput mitbekommen. Genau aus diesen Zwischenräumen ist es hinterher schwierig wieder herauszukommen, wie Dittrich konstatiert, denn sie sind eben nicht wirklich privat:

Imagewechsel im Netz?

“Mit den Spuren, die wir in den öffentlichen Zwischen(t)räumen zurücklassen, wird es aber schwieriger, ein Umfeld komplett zu verändern. Jedenfalls ist es nicht so ‘einfach’ wie aus Klein-Gummersbach nach Hamburg zu ziehen, denn unsere Online-Profile bleiben unverändert.”

Eine Erfahrung, die auch Vivian Pein machte. Sie war Community-Managerin bei Xing und wurde auch als solche im Netz wahrgenommen. Dazu hatte sie mit ihren zahlreichen Aktivitäten im und um das Netz auch selbst beigetragen. Dann aber wechselte sie zum Logistikunternehmen Hermes als Social Media-Managerin. Das Problem: Viele ihrer Online-Kontakte haben den Jobwechsel gar nicht mitbekommen – und sprechen sie immer noch als Xing-Mitarbeiterin an.


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