Auch wenn soziale Fragen im TV-Duellen vor Wahlen so gut wie nicht vorkommen, sind sind sie nicht minder drängend. Zum Beispiel Arbeitslosigkeit: Für Betroffenen ist eine Kündigung oft weit mehr als nur finanzieller Verlust, vor allem Langzeitarbeitslosigkeit kann sich gravierend auswirken.

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TV-Duell und drängende Soziale Fragen

Im TV-Duell zwischen Angela Merkel und Martin Schulz kamen drängende soziale Fragen nicht vor. Das ist schade, denn das Thema Arbeitslosigkeit ist weiterhin eine große Bedrohung für viele Menschen. Denn ich in Deutschland gibt es nach wie vor rund 4,4 Millionen Empfänger von Hartz IV. Die meisten davon Langzeitarbeitslose. Dass Hartz IV zu beziehen, gelinde gesagt, prekär ist, wissen die meisten.

Auch im Zuge von Digitalisierung und Automatisierung erscheint es wie pure Ironie, dass die CDU mit dem Slogan “Vollbeschäftigung bis 2025” Wahlkampf macht. Dabei darf man aber nicht vergessen: Auch wenn die August-Arbeitslosigkeit saisonal bedingt ein wenig angestiegen ist, ist es derzeit doch eine Tatsache, dass die Arbeitslosigkeit insgesamt auf einem historisch niedrigen Niveau liegt, das es so seit der Wiedervereinigung noch nicht gab.

Die 5 Gefahren von Langzeitarbeitslosigkeit

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Zumindest wenn es nach den reinen Zahlen geht. Wie viele der Nicht-Arbeitslosen in prekären Beschäftigungen tätig sind, die kaum das nötigste zum Leben lassen, zeigt die offizielle Arbeitslosenstatistik leider nicht. Dennoch ist Langzeitarbeitslosigkeit leider mit großen Stigmatisierungen verbunden. 5 Gründe.

1. Die Rente

Wer ALG-1 bezieht, für den ist die Sachlage noch vergleichsweise harmlos, denn sofern er im Jahr vor der Arbeitslosigkeit zumindest kurzfristig in einem Beruf beschäftigt war, der rentenversicherungspflichtig ist, übernimmt die Arbeitsagentur die Fortzahlung der Rentenversicherungsabgaben. Nicht so bei Langzeitarbeitslosen.

Grundsätzlich wird beim Bezug von Hartz IV die Einzahlung ausgesetzt. Das bedeutet, jeder einzelne Monat, den man ALG-2 bezieht, ist ein verlorener, der sich auch Jahrzehnte nach dem Ende der Arbeitslosigkeit noch übel rächen kann, weil die Rentensumme niedriger ist. Doch nicht nur das: Wer vergleichsweise kurz vor dem Rentenalter (und dieser Begriff kann von den Jobcentern breit ausgelegt werden) in Hartz abrutscht, kann und wird zwangsverrentet werden, selbst wenn das erhebliche Abstriche in seiner Rentensumme bedeutet. Lediglich eine Praxis wurde entschärft:

Jeder einzelne Monat, in dem man nicht in die Rentenkasse einzahlt, wirkt sich durch reduzierte Rentenansprüche aus.

Seit vergangenem Jahr wird nicht mehr zwangsverrentet, wenn dadurch die Rente so gering wird, dass der Betroffene Grundsicherung beantragen muss.

2. Die Qualifikation

Man kann genau den richtigen Ausbildungsberuf absolviert haben. Man kann Fortbildungen genossen haben und in seinem Beruf absolut am Puls der Zeit liegen. Doch wenn Umstände hinzukommen, die man selbst nicht kontrollieren kann (etwa Firmeninsolvenz), dann sind auch solche Personenkreise von der Arbeitslosigkeit bedroht. Und mit Tag eins dieses Zustandes beginnt eine erbarmungslose Uhr zu ticken.

Mit jedem Tag, den man nicht arbeitet, rutscht man von der bislang erreichten Hochebene seines Berufswissens wieder ein Stück weit in Richtung Tal. Das Problem daran: Selbst wenn man sich auch als Arbeitsloser in Sachen Berufswissen fit hält, zählt das bei der Jobsuche kaum, weil Personaler nur auf “echtes” Arbeitswissen blicken.

Wie schnell das Wissen veraltet, hängt natürlich von der Branche ab. Ein Elektroniker, der im Smart-Home-Bereich arbeitet, kann schon nach einem Jahr einen beträchtlichen Teil seines Wissens eingebüßt haben, ein Koch indes hat einen flacheren “Abrutschwinkel”. Doch nach einigen Jahren in der Arbeitslosigkeit ist in jedem Beruf die Talsohle erreicht. Der Punkt, an dem die Qualifikation noch unter einem mitten in der Ausbildung steckenden Azubi liegt.

3. Die Armutsfalle

Schon Hartz IV an und für sich wird oft dafür kritisiert, dass es Menschen in die Armut treibt. Nicht nur weil der Regelbedarf schon sehr gering ist. Nein, sondern weil, um überhaupt Hartz IV beantragen zu können, das gesamte Vermögen bis auf einen sehr geringen Restbetrag aufgezehrt werden muss.

360 Euro monatlich bekommt ein ALG-2-Bezieher mit volljährigem Partner. Besonders kritisch wird es, wenn man mit solchen Kleinstsummen Fälligkeiten bezahlen muss; beispielsweise bei Baufinanzierungen. Denn wer bei Vertragsabschluss nicht auf eine Restschuldversicherung achtet, welche ihn beim Eintreten der Arbeitslosigkeit absichert, bei dem ist der Kredit und damit auch das Haus gleich in doppelter Gefahr.

Zum einen wegen der Abtragung als auch dem Wert des Hauses. Und die Fälle, in denen das Jobcenter die Raten übernimmt, sind extrem selten und kommen praktisch nur dann vor, wenn der Kredit sowohl fast abbezahlt ist und die Raten im Bereich einer ortsüblichen Miete liegen.

Und selbst wer in einem abbezahlten Eigenheim lebt, wird unter Umständen, nämlich dann, wenn das Jobcenter die Wohnfläche als zu groß ansieht – und das ist bei Alleinstehenden und Paaren ohne Kinder alles, was über 80m² liegt – gezwungen werden, das Haus zu veräußern und von dieser Summe zu leben, bevor überhaupt Hartz ausgezahlt wird.

Wer mangels Geld kaum an Unternehmungen teilhaben kann, verliert meist zwangsläuftig auch sein soziales Umfeld.

4. Das soziale Umfeld

Wer arbeitslos ist, muss jeden Cent mehrfach umdrehen. Und genau darin besteht das große Problem für ein geregeltes Sozialleben. Wer zuvor gut verdiente, konnte am Leben seiner Bekannten teilhaben, konnte Kino, Konzerte und Co. genießen. Wer hingegen langzeitarbeitslos ist, muss immer öfter “nein” sagen. Selbst bei Akademikern ist es dann meist so, dass das soziale Umfeld Stück für Stück erodiert. Freunde wenden sich ab, entweder weil man finanziell nicht mithalten kann, oder weil ein “Hartzer” in ihrer Mitte ihnen schlichtweg selbst Angst macht.

Oftmals, wenngleich nicht immer, brechen darüber auch Familien auseinander. Besonders Kinder leiden, wenn, um ALG-2 zu beziehen, ein Umzug auch ihr Leben total aus der Bahn wirft, sie von ihrem bisherigen Umfeld trennt. Hinzu kommt das Stigma auf dem Pausenhof und zudem die brandgefährliche Akzeptanz. Kinder von Hartz-IV-Beziehern haben ein signifikant erhöhtes Risiko, später selbst zum Bildungs-Prekariat zu gehören und in geringqualifizierten Berufen zu landen. Und generell leben viele Langzeitarbeitslose in einer Art Isolation. Das Schlimme daran: Man gewöhnt sich irgendwann an diesen Zustand.

5. Die Verwahrlosung

Denn der menschliche Geist neigt dazu, sich auch mit den widrigsten Umständen irgendwie zu arrangieren. Das lässt sich in der Geschichte immer wieder beobachten. Selbst Zwangsarbeiter gelangen irgendwann an einen Punkt des Akzeptierens und fügen sich nicht nur in ihr Schicksal, sondern lernen, es sich leidlich bequem darin zu machen. Ganz so katastrophal wird es in der Langzeitarbeitslosigkeit zwar nicht, aber dadurch steigen auch die Chancen, dass man sich, meist schneller, als man es für möglich gehalten hätte, mit seiner Situation abfindet. In diesem Zustand wirken die guten Ratschläge bei Eintreffen der Arbeitslosigkeit wie blanker Hohn:

Irgendwann steht man nicht mehr morgens mit dem Wecker auf, zieht sich gut an, netzwerkt was das Zeug hält, reinigt das Haus, schreibt hochmotiviert Bewerbungen.

Irgendwann bleibt man bis spät in die Nacht auf. Man schläft morgens lange, setzt sich vor den Fernseher, macht belangloses Zeug im Internet. Ja, irgendwann hat man sich auch mit dem stark verringerten finanziellen Spielraum abgefunden. Man hat gelernt, Überflüssiges im Supermarktregal liegen zu lassen. Teure Mode, Elektronik, Trendprodukte sind dann nur noch eine Erinnerung – und eine reichhaltige, abwechslungsreiche Ernährung auch. Denn wenn die Dose Ravioli zu 79 Cent einem den Bauch genauso gut füllt wie ein vollständiges, gesundes Bio-Menü für 10 Euro, siegt irgendwann die Sparsamkeit. Tatsächlich sind viele Hartz-Bezieher übergewichtig – aber nur wegen der erzwungenen schlechten Ernährung.

Nun muss man nichtmal dahingehend argumentieren, dass Übergewichtigkeit die Chancen auf eine Neuanstellung nochmals reduziert, wenngleich das auch eine Tatsache ist. Es reicht, wenn man sich vor Augen hält, dass man sich in dieser Lage in einem solchem Motivationsloch befindet, dass man praktisch keine Energie mehr aufbringen kann, um sich daraus zu erheben. Irgendwann ist der Akku durch die Entbehrungen, Enttäuschungen und vielleicht dutzenden oder hunderten Absagen auf Bewerbungen einfach leergesaugt.

Fazit

Langzeitarbeitslosigkeit ist nicht nur “weniger Geld zur Verfügung haben”. Es ist sehr viel mehr. Es ist eine Abwärtsspirale, die einen binnen kürzester Zeit hinabzieht. Alles, was man vor der Arbeitslosigkeit für selbstverständlich gehalten hat, wird dabei auf den Kopf gestellt. Und mit jedem Tag, den der Zustand länger anhält, werden nicht nur die Auswirkungen gravierender, sondern die Gewöhnung intensiver.

Das eigene Berufswissen zerfließt, die Jobchancen schwinden, die Enttäuschung wächst und die Motivation geht verloren. Und die einzige Möglichkeit, all das zu vermeiden, ist, sobald sich die Bezugszeit von ALG-1 dem Ende entgegenneigt, konsequent jede Form von Stolz hinunter zu schlucken und Arbeit jeglicher Form anzunehmen. Denn egal wie überqualifiziert man sich selbst vielleicht dafür hält: Alles ist besser, als gar nichts zu tun.


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