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Offenlegung & Urheberrechte: Bildmaterial erstellt im Rahmen einer kostenlosen Kooperation mit Shutterstock.
Von Simone Janson (Mehr) • Zuletzt aktualisiert am 18.10.2024 • Zuerst veröffentlicht am 27.01.2015 • Bisher 8916 Leser, 3127 Social-Media-Shares Likes & Reviews (5/5) • Kommentare lesen & schreiben
Innovation ist ein Risiko. Und ein Abenteuer. Immer. Doch in Deutschland wird gerne versucht, dieses Risiko von Anfang zu minimieren. Das kann nicht funktionieren, denn Gründer müssen spinnen!
Wer erfolgreich sein will, muss auch mal etwas Verrücktes wagen. Gründer müssen spinnen! Aber Deutschland ist kein Ort für innovative Spinner.
Jedenfalls nicht, wenn man eine Finanzierung für seine Spinnereien erhalten will. Wie in Deutschland gefördert wird, zeigt das Beispiel Berlin: Zwar ist die Hauptstadt Dreh- und Angelpunkt der kreativen Szene wie kein anderer Ort in Deutschland und sieht sich, wie unlängst in der Zeit zu lesen stand – als Labor einer zukünftigen, wissensbasierten Ökonomie.
Gleichzeitig will sich die Stadt als Wirtschaftsstandort mit Schwerpunkt IT etablieren. Immerhin 13 Prozent trägt die Kreativwirtschaft zur Wirtschaftsleistung der Stadt bei. In der Zeit allerdings kritisierte der Soziologe Ulrich Bröckling schon 2010 die Hauptstadt ganz gewaltig:
„Im Lob der Kreativwirtschaft steckt viel Stadtmarketing, gerade in Berlin. Es soll der Hauptstadt ein gewisses Flair verschaffen.“
Vermutlich ist die weltweit höchste Künstlerdichte der Stadt bislang eher in den günstigen Lebenshaltungskosten, weniger in den Föderprogrammen der Regierung begründet. Denn die macht derzeit eher durch die teuere Imagekampagen (Sei Berlin!) von sich reden als durch innovative Förderprojekte für Garagenfirmen.
Zwar bietet die zuständige Gesellschaft für Wirtschaftsförderung und Standortmarketing, die BerlinPartner GmbH, zahreiche Hilfestellungen von der Standortberatung bis zur Vermittlung von Fachkräften und es gibt auch diverse finanzielle Förderungen durch die Investitionsbank Berlin (IBB). Allerdings macht man bei BerlinPartner keinen Hehl daraus, dass es vor allem darum geht, auswärtige Investoren nach Berlin zu locken und Berliner Unternehmen in Fragen der Außenwirtschaft, bei der Standortsicherung und -erweiterung zu unterstützen.
Für kleine Garagentüftler, die gerade die Entwicklungsphase überstehen müssen, also eher ungeeignet. Auf die Frage, welche Mindestgröße ein Unternehmen denn mitbringen müsste, antwortet BerlinPartner daher auch nur sehr ausweichend – das sei abhängig vom Einzelfall – und verweist auf die Förderdatenbank der IBB. Immerhin bet
Allerdings gibt es auch in Deutschland immerhin die Möglichkeit, sich von anderen inspirieren zu lassen und sich auszutauschen. Zum Beispiel im Internet, genauer gesagt im Web 2.0.
Eine der besten Anlaufstellen dafür: Twitter! Denn Twitter ist ein Durchlauferhitzer, der Themen aufsaugt und verbrennt wie ein LKW Diesel. Der Kurz-Nachrichten-Dienst lässt User nicht nur Messages in SMS-Länge verschicken, sondern zeigt auch an, welche Themen gerade aktuell sind oder welches die am meisten weitergeleiteten Tweets.
Außerdem können User in ihre Tweets mit sogenannten Hashtags thematisch gruppieren. All das und viele weitere Tools ermöglichen einen genauen Überblick darüber, was die Twittergemeinde gerade bewegt – und was somit einen Trend darstellt. Sogar grafische Übersichten über die Trends der vergangenen Monate gibt es bereits.
Eigentlich nur folgerichtig, dass man die Idee des Unternehmertums aus Web in die sogenannte Reale Welt hinaushob: Auf einem Meeting wurde im April 2009 die Idee des Twittwoch geboren, dessen Ziel es ist, Unternehmen, deren Mitarbeiter und Selbständige an Social Media heranzuführen, voneinander zu lernen und sich untereinander auf Augenhöhe auszutauschen.
Einmal im Monat, immer Mittwochs, treffen sich daher gleichgesinnte zu Vorträgen und Diskussionen über Geschäftsideen rund um Internet. Im Vordergrund stehen daher das Teilen von Wissen und Erfahrung – daher müssen alle Unterlagen, wie z.B. Präsentationen oder Videos, prinzipiell öffentlich gemacht werden.
Initiator Stefan Wolpers leitet von Berlin aus den Twittwoch als eingetragenen Verein gemeinsam mit dem Online-Konzeptionierer und Programmierer Thomas Pfeiffer, finanziert wird das ganze durch Sponsorengelder. Eine Idee, die immer mehr Anhänger im ganzen Bundesgebiet findet: Neben Berlin und München, wo Wolpers und Pfeiffer aktiv sind, gibt es mittlerweile auch Twittwochs in Stuttgart, Hannover, Frankfurt, ins Ruhrgebiet, Sachsen, Köln und – ganz neu hinzugekommen – Düsseldorf.
Daneben gibt es zahlreiche Blogs, die sich mit kreativen Ideen, Startups und Innovationsmanagement befassen – und die Lesern auch viel Raum lassen, sich per Kommentarfunktion auszutauschen.
Etwa Gründerszene, das vor allem Fachinformationen an Gründer, Unternehmer und Startups richtet, dabei aber auch neue Ideen vorstellt. Oder die Deutschen Startups, herausgegeben mit der DS Media GmbH, mit täglichen Informationen aus der heimischen Internet-Gründerszene, die zudem mit zahlreichen Interviews, Porträts einzelner Startups und Gründer sowie Marktübersichten zahlreiche Anregungen für innovative Ideen liefern.
Der Knackpunkt einer Idee ist immer die Finanzierung: Eine gute Idee ist da das Startupbootcamp, ein in Kopenhagen ansässiges Gründerprogramm.
Die Idee ist Startups innerhalb von drei Monaten zu helfen von der Idee zum Produkt zu gelangen. Die Gewinner des Wettbewerbs erhalten für drei Monate ein Büro in Kopenhagen, etwas Geld, um den Lebensunterhalt des Gründerteams zu finanzieren und werden über die drei Monate von einem Pool von bald 100 erfahrenen Unternehmern und Mentoren begleitet.
Am letzten Tag, dem sogenannten Investor Day, haben die Startups dann die Möglichkeit Ihr Unternehmen mehr als 100 europäischen Geldgebern vorzustellen um Venture Capital zu erhalten.
Für die Finanzierung des Programms und die bis zu € 12.000 pro Team bekommt Startupbootcamp zwischen 5-10% des neuen Unternehmens. Bewerben können sich jährlich Teams aus der ganzen Welt, auch aus Deutschland.
Das Startupbootcamp greift dabei übrigens auf amerikanische Vorbilder zurück: Bei Bei TechStars bewerben sich beispielsweise jedes Jahr mehr als 600 Teams, von denen 8 von 10 am „Investor Day“ mit durchschnittlich $500.000 das dreimonatige Programm verlassen.
In Frankreich wurde 2004 für junge Unternehmer der Status des Jeune Entreprise Innovante (JEI) euingeführt. Um ihn zu erhalten, dürfen Unternehmen nicht mehr als 250 Mitarbeiter beschäftigen, nicht älter als acht Jahre sein und müssen mindestens 15 Prozent ihres Etats für die Forschung ausgeben.
Und sie dürfen nicht in Mehrheitsbesitz eines anderen Unternehmen sein. Schon im ersten Jahr erfüllten fast 1800 Unternehmer diese Bedingungen. Dafür wurden sie als JEI von den Sozialabgaben für wissenschaftliches Personal befreit, mussten drei Jahre lang keinen Gewinn auf ihre Steuern zahlen und sind von der jährlichen, umsatzsteuerabhängigen Pauschale befreit, die Unternehmen in Deutschland entrichten müssen.
Für Sieben Jahre entfällt außerdem die Grund- und Gewerbesteuer. Auch andere Länder wie Belgien, die Niederlande oder Spanien, Estland oder die skandinavischen Länder kennen ähnliche Regelungen oder planen deren Einführung. Die Europäische Kommission hat zudem 2007 den Status einer Young Innovative Company (YIC).
In Deutschland sind solche eher ungezwungenen Förderungen eher Mangelware. Die Zahl der aktiven Business-Angels, private Geldgeber, die ihren Schützlingen auch mit Rat und Tat zur Seite stehen, wird auf 2700 bis 3400 Personen geschätzt, das sind zwischen 33 und 41 pro eine Million Einwohner.
Zum Vergleich: In den USA sind es fast 260.000, als 850 bereitwillig Investoren auf eine Million Einwohner. Und während in Deutschland nur etwa 500 Millionen Euro an Risikokapital vergeben werden, sind es allein im Silicon Valley, das über die Wirtschaftsleistung Dänemarks verfügt, neun Milliarden.
Aber auch bei den staatlichen Förderungen sieht es eher mau aus: Zwar gibt es ungezählte Förderprogramme, von denen viele aber oft erst greifen, wenn schon erste Erfolge auf dem Tisch liegen. Oder aber Investitionskredite sind, die zwar Anschaffungen oder Personalkosten, nicht aber einfach die Lebenshaltungskosten von Gründern in der Startphase decken sollen.
Außerdem ist trotz einschlägiger Förderdatenbanken das Angebot so unübersichtlich, das Kleinstgründer im bürokratischen Dschungel kaum durchblicken, welche Förderung für sie in Frage kommt.
Denn alltäglichen Förderwahnsinn lässt der Journalisten Matthias Spielkamp erahnen: Der hat seine Plattform irights.info dem Thema Urheberrecht in der digitalen Welt gewidmet. Von 2004 bis 2006 wurde er 18 Monate lang vom Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft gefördert.
Trotz Grimme-Online Arward und zahlreicher Projektanträge gab es jedoch erst 2008 wieder eine neue Förderung durch das Bundesforschungsministerium und die Kulturstiftung des Bundes. Spielkamp resümiert: Es ist unmöglich, eine Anschlussförderung zu bekommen, egal wie erfolgreich das Projekt ist. Und: Der Aufwand, für kleinere Projekte Anträge zu stellen, ist zu groß!
Für Deutschland gilt das Motto: Statt Innovation – Aus Alt macht Neu! Denn Deutschland ist zwar Spitzenreiter bei Patenten – besonders innovativ ist das aber nicht. Doch selbst wenn die Anmeldungszahlen für Patente seit 1990 kontinuierlich nach oben kletterte und Deutschland nach Informationen des europäischen Parlaments sogar Spitzenreiter ist, hängt das nicht zwingend auch mit einem Plus an Innovation zusammen:
Denn viele Patente seien, so erklärt der Journalist Lars Reppesgard in seinem Buch „Wild Economy“ kein Garant für wirklich neue Ideen, im Gegenteil:
Weil die Zahl der Patentanmeldungen die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung bei Weitem übersteigt, folgert Reppesgard, dass es sich häufig nur um alte Ideen in neuem Gewand handelt:
Denn es lohne sich für Großkonzerne viel mehr, das, was man ohnehin verkauft, schrittweise etwas besser zu machen, als neue, revolutionäre Produkte zu entwickeln, bei denen die Verkaufsstrategie unklar ist und die, schlimmer noch, eingespielte Märkte durcheinander bringen.
Deutsche Unternehmen sind laut Reppesgard Weltmeister in Wirkungsgradoptimierung und patentieren seit Jahren jede noch so kleinste Detailneuerung, die Geräte nur ein wenig effektiver oder umweltfreundlicher macht. Und das nur sicherheitshalber, um bei Bedarf Verhandlungspositionen zu stärken.
Was dabei herauskommt, sind Perfektionismus und Stillstand statt Risikofreude und Lust an Veränderung. Und eine gewisse Ironie, bei der einem das Lachen im Halse stecken bleibt: Viele solcher Schutz-Patente liegen dann ungenutzt herum, blockieren aber Weiterentwicklungen.
Schrittweise Verbesserungen lohnen sich mehr als große Innovationen. Allerdings: Sie könnten später einmal an Gründer mit Kapital, aber ohne Ideen verkauft werden.
Bei revolutionären, desruptiven Entwicklungen, bei denen die Erfinder etwas grundlegend neu und anders machen, liegt die wahre Innovationskraft. Und da hatten Mark Zuckerberg sowie Segej Brin und Larry Page einfach die Nase vorn.
Das war schon früher so: Auch Alfred Nobel, James Watt, Alessandro Volta oder Werner von Siemens gehören in diese Reihe von Menschen, die mit ihren Ideen Geschichte geschrieben haben und die heute noch jedes Kind kennt.
Und auch im 21. Jahrhundert kommen gut, bahnbrechende Neuentwicklungen eher von findigen Außenseitern als von etablierten Unternehmen. Etwa jene Idee, die unseren Straßenverkehr maßgeblich revolutionieren könnte:
Die des elektrogetriebenen Zweirads. Denn war bislang das Auto liebstes Fortbewegungsmittel und Statussymbol zugleich, könnte sich das in Zeiten von erhöhtem Verkehrsaufkommen, Klimawandel und Brennstoffmangel rapide ändern.
Der Österreicher Stefan Gulas hat ausgerechnet Berlin eine Art Zwitter zwischen Fahrrad und Motorrad entwickelt: Sein sogenanntes eRockit wird angetrieben durch Pedaltritte, die ein Elektro-Motor um das Fünfzigfache verstärkt – und so mehr als 50 Stundenkilometer schnell fährt. Der Fahrer soll sich, so Gulas, bewegen, gleichzeitig aber die Kraft des Motors spüren. Schnelle, umweltfreundliche Fortbewegung und sportliche Aktivität in einem.
Die Erfindunge des Gefährts war dabei kein Zufall: Gulas hatte sich zuvor in verschiedenen Branchen ausprobiert, etwa mit einem Internet-Jobportal, bis er 2004 auf das Fahrrad kam, 2005 mit Freunden den ersten Prototypen entwickelte. Seitdem arbeitete er an der Perfektionierung seines sogenannten Human-Hybrid-Motorrads, zum Teil mit Freaks aus der linken Hausbesetzerszene, zum Teil mit Spezialisten aus der Elektro-, Metall- und Fahrzeugbranche.
Einen ähnlichen Grundgedanken, nämlich von der Autobahn in die Fußgängerzone fahren zu können, hatte im bayrischen Regensburg Manuel Ostner, Inhaber der Radmanufaktur PG-Bikes.
Deutlich mehr als das eRockit mit seinen Motorradreifen erinnert Ostners „Blacktrail“ allerdings an ein Fahrrad: Es ist aus Carbon und wiegt gerade mal 20 Kilogramm, schaff es aber dank einem 120-Watt starken Elektro-Motor zu einer Geschwindigkeit von 100 Stundenkilometern. Per Tastendruck lässt es sich aber auch in ein normales Fahrrad verwandeln.
Nicht nur die Optik, auch die Marketing–Strategie ist ganz anders als beim E-Rockit, dasunter dem Slogan „0% Emission, 100% Emotion“ als hippes Sportgerät Made in Berlin für 25.000 Euro verkauft wird. Das bayrische Pendant kostet mit 60.000 Euro nicht nur mehr als Doppelt so viel, sondern zielt gerade deshalb auf eine gut betuchte Kundschaft ab – und zwar weltweit. Sogar bis zum US-Talker Jay Leno hat es der Regensburger damit gebracht.
Eine Idee, zwei unterschiedliche Erfolgsgeschichten: Elektro-Räder und Mobilität, das ist aber nur einer von vielen Bereichen, in denen in Deutschland neue innovative Ideen entstehen – und entstehen müssen, will dieses Land langfristig wirtschaftlich am Ball bleiben.
Doch welche Bedingungen müssen eigentlich erfüllt sein, damit solche verrückten Ideen nicht nur entwickelt, sondern auch umgesetzt werden? Natürlich müssen die Entwickler von ihrer eigenen Idee überzeugt sein und müssen den Willen mitbringen, sich auch durchzusetzen.. Aber sie brauchen Förderung, auch finanzieller Art. Und sie brauchen Inspiration.
Viele gute Ideen wurden im Netz geboren. Vielleicht übt das Internet genau deshalb so ungeheure Anziehungskraft auf kreative Spinner aus. Und doch werden seine Möglichkeiten gar nicht ausgeschöpft.
Dass das Internet gerade auf kreative Spinner im positiven Sinne eine solche Anziehung hat, mag daran liegen, dass viele der dort genutzten Plattformen selbst als verrückte Ideen entstanden sind: Der Suchmaschinenenrise Google etwa, weil Harvard-Student Sergej Brin für ein Statikprojekt das gesamte Internet herunterladen wollte.
Oder Facebook, weil Zuckerberg eigentlich Mädchen kennenlernen wollte. Aber auch der offene, persönliche Umgang im Internet ist ein entscheidender Erfolgsfaktor: Denn der rege, kreative Austausch kann helfen, Ideen den letzten Schliff zu geben. Eine fortlaufende Betaphase sozusagen, in der die Community an der Entwicklung des Projektes mitarbeitet.
Aber auch abseits von Twitter und Blogs bietet das Internet zahlreiche Inspirations- und Austauschmöglichkeiten für verrückte Geschäftsideen: Etwa Soziale Netzwerke wie Xing oder Facebook, Bewertungsportale, Foren, Wikipedia und natürlich Blogs. Wer verschiedene Kanäle z.B. mit einen RSS-Reader regelmäßig verfolgt, wird schnell feststellen, dass bestimmte Fragestellungen immer wieder auftauchen und sich so ein Trend abzeichnet.
Zahlreiche Seiten eigenen sich ganz hervorragend dazu, per Kommentarfunktion eine Trenddiskussion selbst anzustoßen und kleinere Markt-Umfrage durchzuführen und so im Austausch mit anderen eigene Ideen weiterzuentwickeln. Bei Google gibt es verschieden Keyword-Tools, mit denen man wie bei einem Trend-Monitor herausfinden kann, nach welchen Suchbegriffen am häufigsten gesucht wird.
Zudem es gibt zahlreiche Konferenzen, Meetings, Tagungen die sich mit Internet, Web 2.0, OpenSource usw. befassen – und irgendwie auch immer mit der Frage, wie man darin Geld verdienen kann: BarCamps zum Beispiel, eine Art offene Tagung, deren Ablauf und Inhalte von den Teilnehmern im Tagungsverlauf selber entwickelt werden.
Mittlerweile gibt es sogar sehr spezialisierte BarCamps wie das BibCamp, das sich mit dem Einsatz von Web 2.0 in Bibliotheken befasste oder WordCamps, bei denen es um die Weblog-Software WordPress geht.
Von der Atmosphäre her ähnlich offen, aber dennoch eine Veranstaltung mit vollem Programm hat sich die re:publica zur bekanntesten Konferenz um das Web 2.0, speziell Bloggen, soziale Medien und die Digitale Gesellschaft gemausert. Sie wird seit 2007 jährlich in Berlin veranstaltet. An drei Tagen werden in Vorträgen und Workshops verschiedenste Themenfelder behandelt, von Medien und Kultur über Politik und Technik bis zu Entertainment. Alle Vorträge werden als Videostream live ins Netz übertragen.
Ja, neuerdings veranstalten sogar Journalisten ihre eigenen Konferenzen, bei denen sie, aus der misslichen Lage der Medien eine Tugend machend, alternative Geschäftsideen für Freie Journalisten im Internet diskutierten.
Trotz dieser überwältigenden Masse an Möglichkeiten funktioniert Ideenfindung bei vielen Gründern noch ganz traditonell, sicherheitorientiert – und insgesamt leider viel zu wenig innovativ.
Längst nicht überall in Deutschland wird Offenheit so groß geschrieben wie in sozialen Netzwerken. Viele Gründer haben leider Angst davor, jemand könnte ihnen die noch unfertige Idee stehlen. Vielleicht nicht völlig unbegründet, aber die Vorteile von anderen wertvolle Anregungen oder kritisches Feedback zu bekommen, überwiegen das Risiko des Ideenklaus doch bei weitem.
Der Austausch beschränkt sich daher oft darauf, einfach mal zu schauen, was die Konkurrenz so treibt. Etwa auf deren Website. Oder im Laden. Oder in den Pressemitteilungen – alles Informationen, die leicht öffentlich zugänglich sind.
Das Problem dabei ist: Gute Ideen, die am Markt dann auch erfolgreich sind, entstehen nicht, indem man Geschäftskonzepte von anderen einfach kopiert. Und auch nicht, indem man den Erfolg zu berechnen versucht. Aber das ist leider eher die Regel in Deutschland als die Ausnahme, eine wirklich traurige Tatsache.
Existenzgründung in Deutschland ist daher nach wie vor ein umstrittenes Thema. Facebook-Investor Peter Thiel sagte kürzlich sogar: Die Deutschen haben Angst vor dem Erfolg. Zumindest sind wir dabei, international den Anschluss zu verlieren.
Mathias Keswani, Gründer und CEO von Nerdindustries. berichtete in der WundV über seinen Besuch der Technikmesse CES in Las Vegas. Er zeigte sich beeindruckt von den dort gezeigten Innovationen – und stellte fest, dass deutsche Unternehmen dabei eher unterrepräsentiert sind. So schreibt er:
Deutschland macht hier keine gute Figur. Abseits der großen Automobilhersteller sind wir mit Innovationen nur spärlich vertreten… Deutsche Unternehmen sind immer noch von Hierarchien und Sicherheitsdenken geprägt. Experimente haben gegenüber der Risikovermeidung das Nachsehen.
Tatsächlich verhält es sich in Deutschland häufig so: Nicht wenige tragen vielleicht sogar schon gute Geschäftsideen mit sich herum, die sie aber mit so einer Haltung gleich wieder im Keim ersticken.
Wer sich dennoch wagt, mal darüber reden, muss sich nicht selten wie ein Sonderling vorkommen: Mit Kommentaren wie „So ein Schwachsinn!“ oder „Das schaffst Du nie!“ wird jeder Funken Enthusiasmus schnell plattgebügelt.
Dabei entstanden viele erfolgreiche Firmen aus irgendwelchen verrückten Ideen, die am Anfang keiner ernst nahm – nehmen wir nur die bekannteste Garagengründung der Welt, Google, oder auch Facebook, das Anfangs als eine Art Dating-Plattform entwickelt wurde. Echte Spinner sind selten, aber notwendig, denn nur sie kommen auf wirklich innovative Ideen.
Alexander Käppler ist einer von ihnen: Der dreiundzwanzigjährige tourt mit einer schwimmenden Imbissbude durch die Gewässer Berlins, verkauft Getränke und Würstchen an die Badegäste an den Ufern und beglückt seine Kunden mit kleinen Comedy-Einlagen.
Die Idee kam ihm, als er eines Tages an der Havel „vor Durst fast vertrocknete!“ und sich wünschte, das jemand mit Getränken vorbeikam. Die Idee war geboren, Das passende Floß kaufte er günstig, das Kapital dazu kam aus bisherigen Jobs und der Familie. Und auch die Bürokratie überzugte er schließlich, ihm die erforderlichen Genehmigungen zu erteilen:
„Offenbar war man so überrascht und wahrscheinlich auch so genervt von mir, weil ich sehr deutlich klar macht, wie wichtig mir diese Idee ist, dass man sich mit mir an einen Tisch setzte gemeinsam überlegte, wie mein Traum zu realisieren ist,“ sagt Käppler heute rückblickend.
Sicherlich, Käpplers auch stark von der Saison abhängige Idee ist keinesfalls repräsentativ. Die wenigsten möchten ihre Existenz auf so unsicherem Grund aufbauen. Und dennoch zeigt das Beispiel sehr gut, was für Gründer essentiell ist: Man muss voll und ganz hinter der eigenen Idee stehen, um Geldgeber, Geschäftspartner und Kunden zu überzeugen.
Und man muss den Markt kennen. Denn was nützt die beste Idee, wen die Kunden dann doch nicht kaufen oder die Konkurrenz einfach zu groß ist? Alexander Käppler kannte als potenzieller Kunde seinen Markt selbst sehr gut: Er wusste wo der Mangel war. Viele gute Ideen entstehen genau so: Jemand erkennt, wo Not am Mann ist – und geht das Problem an. Doch Leider ist das hierzlande allzu selten der Fall.
Bestes Beispiel ist ein Buch mit dem schönen Titel Titel „Abenteuer Innovation“, bei dem das Abenteuer leider vergleichsweise kurz kommt. Statt Existenzgründern Lust auf Kreativität und das Entwickeln eigener Ideen zu machen, geht es den Autoren vor allem um eines: Sicherheit vor allerlei Ungemach.
Risikomanagement nennen Manfred Cassens und Wolfram Meyer die Strategie, das Scheitern eines Unternehmens möglichst von vornerein durch perfekte Planung ausschließen zu wollen. Und obwohl der Leser auch zahlreiche nützliche Tipps zur Finanzierung und Vermarktung einer Idee erhält, zieht sich die Risiko-Vermeidungsstrategie wie ein roter Faden durch das gesamte Buch.
So etwa im Kapitel über den Schutz des geistigen Eigentums durch Markenschutz, Urheberrechte und Vertraulichkeitserklärungen. Die aber bieten, so müssen die Autoren am Ende zugeben, allenfalls eine Schein-Sicherheit: Denn in einer juristischen Auseinandersetzung zählt oft genug, wer den längeren finanziellen Atem hat und nicht, wer im Recht ist.
Ein Buch also, das seinen Titel selbst konterkarrikiert: Statt echte Innovation zu fördern und Lust auf das Abenteuer dabei zu machen, lernt der Leser, wie er um gute Ideen einen Stacheldraht zieht, der einerseits nur scheinbaren Schutz bietet, andererseits aber den Austausch und die Freiheit einschränken, die für Weiterentwicklung einer guten Idee dringend notwendig sind.
Das bedient konsequent die hierzulande vorherrschende Gründermentalität: Deutschland ist eben das Land der Perfektionisten und der Risikovermeider; dass Erfolg und Innovation auch von so unvorhersehbaren Faktoren wie Zufall und Glück abhängen, ist vielen schon zu abenteuerlich. Folgerichtig ist in „Abenteuer Innovation“ ist ein ganzes Kapitel mit „Erfolgsgeschichten sind kein Zufall“ überschrieben – ein sicherlich den Verkaufszahlen geschuldeter, doch gefährlicher Trugschluss, der suggeriert, Misserfolge von Ideen ließen sich mit akribischer Planung vermeiden.
Seit 2007 etwa müssen Kapitalgesellschaften wie GmbHs ihren Jahresabschluss im zentralen Unternehmensregister veröffentlichen. Da können potenzielle Gründer, abschätzen, wie gut das Unternehmen gerade dasteht und die Branche dastehen und wie rentabel letztlich ähnlichen Ideen sind.
Oder man holt Brancheninformationen bei Berufsverbänden oder Industrie- und Handelskammern ein, sucht im Internet nach Zahlen zur Wirtschaftsentwicklung und Marktstudien – oder gibt diese selbst in Auftrag. Fallen die Zahlen dann schlecht aus, lässt man es mit dem Gründen oder der Investition, zumindest in dieser Branche. Fallen die Zahlen gut aus, werden gute Ideen nicht selten einfach kopiert – Patent hin oder her. Innovation? Fehlanzeige!
Auch Zukunftsforscher sind längst auf diesen Zug aufgesprungen und bieten für gutes Geld allerlei Statistiken, die die langfristige wirtschaftliche Entwicklung der nächsten Jahrzehnte vorher sehen sollen. Auf der Grundlage heutiger Entwicklungen beschreiben sie gesellschaftliche Veränderungsprozesse und versuchen daraus zu analysieren, wie sich die Wirtschaft in den nächsten zehn Jahren weiterentwickeln wird. Daneben gibt es auch Aussagen zu den langfristigen großen Trends, sogenannten Megatrends, die in den nächsten 40-50 Jahren wichtig werden.
Dass es dann mit Sicherheit so sein wird, das können sie ebenso wenig garantieren wie eine Wahrsagerin beim Blick in die Glaskugel. Wofür man sie wirklich bewundern muss, ist die Fähigkeit, aus dem deutschen Sicherheitsbedürfnis Kapital zu schlagen.
Statistiken, Zahlen, scheinbare Fakten und – in ihrer absurdesten Ausprägung – Zukunftsforschung gaukeln Gründern eine nur scheinbare Sicherheit vor, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt. Die Geschichte ist voll von Erfindungen, die ihre Zeitgenossen zunächst völlig absurd fanden, die es aber zu Weltruhm brachten. Und noch voller von scheinbar todsicheren Geschäftsideen, die dennoch scheiterten und längst in Vergessenheit geraten sind.
Doch ganz egal, welche Methode man anwendet, um den Markt im Vorfeld abzutasten: Am Ende ist Existenzgründung immer ein Risiko – und oft eine Schnapsidee. Niemand kann einem die Entscheidung dafür oder dagegen abnehmen. Man muss aber vor allem selbst von der Idee überzeugt sein, um auch andere zu begeistern.
Und auch wenn mancher Gründer vermutlich liebend gerne eine Glaskugel schauen würde, die ihm den Erfolg oder Misserfolg seiner Geschäftsidee prophezeit: Keine auch noch so ausgeklügelte Studie kann einem sagen, ob die eigene Geschäftsidee wirklich gut genug ist, um sich am Markt durchzusetzen. Umfragen können täuschen, Diskussionspartner ihre Meinung ändern und Trends sind – zumal im Internet – kurzlebig. Man muss es am Ende leider doch einfach ausprobieren. Und flexibel bleiben, um die Idee bei Bedarf noch Nachzujustieren. Das ist das Abenteuer Existenzgründung.
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Simone Janson ist Verlegerin, Beraterin und eine der 10 wichtigsten deutschen Bloggerinnen laut Blogger-Relevanz-Index. Sie ist außerdem Leiterin des Instituts Berufebilder Yourweb, mit dem sie Geld für nachhaltige Projekte stiftet. Laut ZEIT gehört ihr als Marke eingetragenes Blog Best of HR – Berufebilder.de® zu den wichtigsten Blogs für Karriere, Berufs- und Arbeitswelt. Mehr zu ihr im Werdegang. Alle Texte von Simone Janson.
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Danke für die Anregungen. Ich trage mich schon lange mit dem Gedanken, mal an einem Barcamp teilzunehmen.
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Lukas
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