Was haben zwei Attentate in Norwegen, bei denen mehr als 90 Menschen ihr Leben verloren, mit der Datenschutzdiskussion im Internet zu tun? Auf den ersten Blick nicht viel. Aber sie bieten Anlass über Sicherheit zu Diskutieren.

Datenschutz absurd – wenn aus Angst Panik wird

Zoff um Google Streetview

Im Herbst 2010 entbrandte in Deutschland eine absurde Diskussion, die weltweit ihresgleichen sucht. Deren Gegenstand: Häuserfassaden. Der Auslöser: Die Einführung des Google-Dienstes Streetview in Deutschland.

Google Street View ist ein Zusatzdienst zum Kartendienst Google Maps und dem Geoprogramm Google Earth. Erstmals vorgestellt wurde der Dienst im Juni 2007. Das besondere an Streetview: Die 360-Grad-Panoramabilder zeigen Häuserfassaden und Straßenverkehr nicht von oben, sondern aus der Straßenperspektive. Aufgenommen werden Sie mit Spezialfahrzeugen, die mit neun Kameras und drei Lasermessgeräten zur dreidimensionalen Vermessung die Straßen abfahren. Bereits ein Großteil der USA ist in Streetview zu finden, seit Sommer 2008 Teile anderer Länder, etwa Frankreich, Japan, Italien, Großbritannien oder Australien. Ab Juli 2008 nahm Google deutsche Straßen in vielen Städten und Landkreisen auf und veröffentlichte, an welchen Orten weitere Aufnahmen geplant seien. Am 10. August 2010 gab Google bekannt, dass Streetview noch im Jahr 2010 für die 20 größten Städte Deutschlands bereitgestellt werden sollte. Gleichzeitig räumte Google eine achtwöchige Widerspruchsfrist ein, in der Hausbesitzer oder Mieter einen Antrag auf Unkenntlichmachung ihre Wohngebäudes stellen konnten. Dabei verplichtete sich Google, das Rohdatenmaterial zu löschen – die verpixelten Häuser sind also unwiderruflich verloren.

Doch Google hatte die Rechnung ohne Verbraucherverbände, Datenschützer, Kommunalverwaltungen den Verband der Hauseigentümer, Politiker und die Medien gemacht. Denn die schürten bald die Angst vor der Datenkrake Google, die nun auch mit ihren Fotoapparaten bis in unsere Wohnzimmer vordringe – was schließlich dazu führte, dass das Unternehmen 244.237 Anträge auf Unkenntlichmachung bearbeiten musste und im April 2011 schließlich bekanntgab, Streetview in Deutschland auszuweiten oder die Bilder zu aktualisieren. Die Panikmacher hatten mit ihrer Hexenjagd auf Google ganze Arbeit geleistet. So wetterte Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU): “Kein Geheimdienst würde so ungeniert auf Bilderjagd gehen. Bereits heute besitzt der Suchmaschinen-Konzern Google genauere Personenprofile als jede Regierung dieser Welt.”Peter Schaar, der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, nannte beim Netzpolitischen Kongress von Bündnis 90/Die Grünen am 13. November 2010 gleich ganz handfeste – und falsche – Konsequenzen, die Google Streetview für Einzelne haben könnte: Ein Personal-Manager der Deutschen Bahn, der eine Stelle besetzen will und nun via Google Streetview im Fenster eines Kandidaten ein Anti-Stuttgart-21-Plakat findet. Und der Netzaktivist Jens Best, für den ein Verbot von Google-Streetview einem Verbot des Fotografierens von öffentlichen Gebäuden und damit einer Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit gleichkommt, wurde von alle Seiten polemisch angefeindet und bedroht. Begründung seiner Gegner: Mit seiner Aktion “Verschollene Häuser”, die in Streetview verpixelten Häuser fotografieren und somit wieder sichtbar machen wollte, respektierte er den Wunsch der Menschen nach Privatsphäre nicht.  Doch in Wahrheit hatte die Aufregung ganz andere Ursachen.

Placebo Datenschutz

Rentner Ludwig Hillesheim Düsseldorf-Niederkassel wurde dank Google Street-View Weltberühmt. Und zwar, weil er sich gegen die Veröffentlichung der Fotos von Häusern und Straßenzügen aussprach, wobei es ihm besonders um seinen Garten ging. Für einen Artikel  in der Rheinischen Post ließ er sich zusammen mit seinen Nachbarn, dem Ehepaar Anne und Erich Jeschkowski und Konrad Richter, vor seinem Haus fotografieren. Seine Adresse stand nicht dabei, allerdings findet sich die im Telefonbuch.

Hillesheim liefert damit ein gutes Beispiel dafür, was das eigentliche Datenschutz-Problem bei Streetview ist: Nicht etwa, dass Streetview den Alltag von Bürgern in Echtzeit überwacht und dabei bis in ihr Wohn- und Schlafzimmer vordringt, wie viele offenbar panisch glaubten. Sondern dass heute noch nicht klar ist, was morgen mit diesen Daten geschehen könnte, wie die Social-Media-Beraterin und Buchautorin Nicole Simon erklärt: “Die Datenschützer haben schon lange zu Recht vor Street View gewarnt, und zwar vor der Art und Weise, wie die Daten genutzt werden. Die meisten Menschen wissen gar nicht, wie tief Firmen Daten kombinieren können, um dann Aussagen zu treffen wie zum Beispiel: ‘Ihre Nachbarn in der gleichen Altersgruppe haben diese Artikel gekauft’.”

Überzogene Diskussionen

Eine Diskussion über Datenschutz bei Google-Diensten war also notwendig, aber in diesem Maße völlig überzogen. Oder, wie der IT-Experte Kristian Köhntopp die Absurdität der Diskussion nochmal Treffend zusammenfasst: “Deutschland ist nun das Land, in dem Google Fassaden verpixelt, aber Facebook Gesichter erkennt.”Ohnehin gab und gibt es ähnliche Dienste wie Google Streetview, ohne dass dieses groß diskutiert wurden: Etwa Sightwalk oder das geplante Bing Streetside ist zudem ein ähnlicher Straßenansichtsdienst geplant. Das legt den Verdacht nahe, dass es sich bei der ganzen Sache vor allem um eines handelte: Eine Placebo-Datenschutz-Aktion, die die Aufmerksamkeit der Bürger vom eigentlichen Kriegsschauplatz, etwa der Diskussion um die Vorratsdatenspeicherung, abhalten sollte. Oder geht es auch um wirtschaftliche Interessen?

Denn auch die Katerstämter der Komunen geben Geodaten heraus. Manchmal kostenlos, sehr oft aber nur gegen Bezahlung. Beispiel Wupperthal: Zu den Produkten, die das Geodatenzentrum zum Verkauf bereit hält, gehören u.a. Liegenschaftskarten kombiniert mit Luftbildern, auf Wunsch mit detaillierten Angaben zu Zäunen, Balkonen und der Geschosszahl von Gebäuden – je nach Größe ab 22 Euro. Aber nicht nur das: Verkauft werden auch Luftbildschrägaufnahmen in Postergröße 50 cm x 60 cm für 38 Euro oder Digital ab 35,70 Euro. Angst, dass einem via Google Streetview jemand ins Fenster schaut, braucht da eigentlich keiner mehr zu haben: Die Pläne und Bilder aus Wupperthal vermitteln mindestens genau so viele Informationen – ganz ohne Widerspruchsrecht. Und das Beste:  Die Bestellungen nimmt das Geodatenzentrum per Post, eMail oder Fax entgegen und verspricht: “Sie können schon ein paar Mausklicks später beim Kunden sein.”

Doch was den Verkauf von Geodaten angeht, ist Wupperthal kein Einzelfall: Der Journalist Wolfgang Noelke hat zu dem Thema umfangreich recherchiert und sprach u.a. mit Ilse Aigner, Franz Reinhard Habbel, den Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes oder Franz Josef Pschierer, dem Informatik-Chef der Bayerischen Staatsregierung. Der erklärte ihm, wie staatliche Stellen die Sache sehen: “…es gibt ganz einfach und banal gesagt, das Thema der Kosten, die für uns als Staat entstehen und insofern sehen wir uns als Staat auch als Dienstleister… Aber dann gibt’s da schon Datenpotenziale, insbesondere wenn Sie die Kombination von Geobasisdaten und entsprechenden Fachdaten nehmen, wo für eine spezifische Bevölkerungsgruppe auch ein spezifischer Nutzen vorhanden ist. Da tendieren wir doch dazu, zur Kostenpflicht oder zur beschränkten Kostenpflicht zu gehen…”. War Google Streetview da vielleicht einfach nur die unliebsame Konkurrenz?

Ritsch-Ratsch: Der Digitale Radiergummi wird es schon richten

In die Kategorie blanke Panikmache fällt auch die Überschrift, mit der die Süddeutsche am 13. Juli 2011 ihre Leser verschreckte: “Google plant die Super-Datenbank”. Und ZEIT ONLINE titelte mit einem reißerischen “Google will Nutzerprofile direkt verkaufen”, änderte diese Überschrift aber nochmal in “Google rückt dem Nutzer nochmal näher.” Dabei spielten beide Medien geschickt mit den Ängsten, die mit dem neuen Sozialen Netzwerk Google+ aufgetaucht waren: Dass nämlich Google jetzt noch viel besser und umfassender Daten meistbiekend an Werbetreibende Unternehmen verkaufen kann. Doch das worum es in dem Artikel geht, ist viel profaner, wenn auch aus datenschutzrechtlicher Sicht nicht unbedingt unbedenklich: Der Konzern plant eine Börse namens DDP, auf der Verleger und andere Datenvermarkter ihre Kundendaten hinterlegen können. Werbetreibende können sich daraus dann das gewünschte Zielpublikum zusammenstellen.

Genau solche Meldungen sind es aber, die unsausgereiften Datenschutz-Konzepten tosenden Beifall bescheren – wie eben jenem vom sogenannten Digitalen Radiergummi. Der wurde heftig beklatscht, weil er genau das wahrzumachen scheint, was Datenschützer immer wieder fordern: Das Netz muss vergessen lernen. Es geht nicht an, dass unbedachte Jugendsünden noch nach Jahrzenten im Netz gefunden werden können. Allein die Umsetzung, wie man dem Internet denn das Vergessen beibringen könne, wirft Fragen auf.

Professor Michael Backes, Innhaber des Lehrstuhl für IT-Sicherheit und Kryptographie an der Universität des Saarlandes, sowie Stefan Lorenz, einer seiner ehemaligen Studenten, wollen die Lösung des Problems gefunden haben, die Sie auf der Website ihrer als Spinn-Off gegründeten GmbH erläutern: “X-pire! kann Bilder verschlüsseln und sie mit einem Ablaufdatum verknüpfen. Die verschlüsselten Bilder können im Anschluss ins Internet, insbesondere in soziale Netzwerke wie Facebook, wer-kennt-wen und Flickr eingestellt werden. Nach Erreichen des Ablaufdatums ist ein Anzeigen dieser Bilder nicht mehr möglich; die Bilder sind verfallen.”

Exportschlager Made in Germany?

Verbraucherministerin Aigner, die auch schonmal ihr Facebook-Profil löscht, um gegen die Datenschutzverstöße zu protestieren, zeigte sich in einem Interview mit der Süddeutschen von der Idee begeistert – und sieht einen zukünftigen Exportschlager: “Made in Germany sollte weltweit für höchsten Datenschutz im Internet stehen… Wenn es funktioniert, käme das einem Radiergummi doch sehr nahe und ließe sich auch weltweit verkaufen.”

Kristian Köhntopp sich X-Pire! Angesehen – und gravierende Mängel entdeckt. Dabei hat er nicht nur eine Möglichkeit gefunden, die Verschlüsselung zu umgehen, nein, Nutzer  übermitteln dem zur Entschlüsselung notwendigen Keyserver auch noch unfreiwillig Informationen über das eigene Nutzungsverhalten. Sprich: Die ausgesprochen wichtigen Daten, die Informationen enthalten, die für die Online-Reputation ihrer Nutzer praktisch überlebenswichtig sind, lagern auf einem Server, der leicht gehackt werden kann, gleichzeitig aber noch weitere Daten über uns sammelt. Das ist aus Sicht des Datenschutzes mehr als fragwürdig. Dazu kommt nocht, dass die verschlüsselten Bilder im Netz nicht abgerufen werden, wen der X-Pire-Server down ist.  Und auch Heise-Chefredakteur Jürgen Schmidt hält die Idee für technisch kaum umsetzbar: “Technisch gesehen ist X-Pire ein neuer Aufguss einer ziemlich alten Idee, die bereits in den bisherigen Umsetzungen gescheitert ist. Man verschlüsselt die Bilddatei und nur solange der zentrale Server den benötigten Schlüssel bereit stellt, kann man das Bild entschlüsseln. Bislang deutet nichts darauf hin, dass der ‘Erfinder’ Professor Backes die fundamentalen Probleme dieses Konzepts gelöst hätte… Denn hinzu kommt, dass das ganze Geld kosten soll. Nicht dass es böse wäre, im Internet Geld verdienen zu wollen – das will Heise auch. Aber es macht die Inkompetenz der Beteiligten deutlich… Wer zahlt schon Geld dafür, damit er auf Facebook Bilder mit Verfallsdatum posten kann, die dann seine Freunde alle erstmal gar nicht anschauen können?”

Doch mal abgesehen von der Technik birgt die Idee schlicht noch einige Probleme der praktischen Machbarkeit: Dass ich meine Daten mit einem Verfallsdatum versehen kann, ist schön und gut. Was ist aber mit Fotos, die andere von mir hochladen und die vielleicht ein viel größeres Problem darstellen – Stichwort Cybermobbing? Und: Woher soll ich heute schon wissen, welche Daten ich wann nicht mehr im Netz finden möchte. Oder anders gesagt: Wenn eine 13jährige bereits in diesem Alter wüsste, dass ihr bestimmte Fotos, die sie bei Facebook postet, zum Nachteil werden, wenn sie mit 43 zur Managerin des Jahres gekührt wird – dann würde sie das Posting dieser Fotos vermutlich gleich sein lassen. Der digitale Radiergummi ist bei der Weitsicht, die es braucht, um ihn richtig einzusetzen, schlicht überflüssig. Und eigentlich sollte er ja das Gegenteil erreichen: Uns helfen, die Dummheiten unserer Jugend, über die wir eben vorher nicht nachgedacht haben, zu nutzen! Kein Wunder, dass wir von der Idee, die im Januar 2011 durch die Gazetten geisterte nichts mehr gehört haben – außer als Running Gag bei Twitter. Wo auch sonst.

Mit zweierlei Maß: Locationgate und co.

Das Paradoxe an solchen Datenschutzdiskussionen ist, dass mit zweierlei Maß gemessen wird: Einzelne Dienste wie Facebook oder Google werden komplett verteufelt. In vielen anderen Fällen haben die Nutzer jedoch keinerlei Bedenken, noch viel intimere Daten an Unternehmen zu geben. Plakativ gesprochen: Social Media ist Teufelszeug. Aber Online-Shops, Online-Banking, Mobile Services kann ich ja völlig unbedarft und frohen Mutes nutzen, da passiert ja nichts! Ein folgenschwerer Irrtum.

Es war ein Datendiebstahl ungeheuren Ausmaßes. Die Opfer: Mehr als 75 Millionen Nutzer des Playstation Network (PSN) und des Video- und Musikservices Qriocity, die beide zum japanischen Elektronikrisen Sony gehörten. Die Hacker verschaften sich im April 2011 Zugang zu Namen, Adressen, eMail-Adressen, Geburtsdaten, Passwörtern, Logins und Listen von Käufen. Doch der Verlust der privaten Daten war nicht das einzige Problem, wie Sony erklärte: “Obwohl es derzeit keine Anzeichen dafür gibt, dass auf Kreditkarteninformationen widerrechtlich zugegriffen wurde, können wir diese Möglichkeit nicht gänzlich außer Betracht lassen”.

Auch Cloud-Computing ist ein Service, der sich wachsender Beliebtheit erfreut. Die praktische Möglichkeit, von überallher in der Welt, von verschiedenen Rechnern aus auf seine Daten zugreifen zu können und diese gegebenenfalls mit anderen Teilen zu können, lässt viele User die Nachteile schnell vergessen. Dem Cloud-Computing gehört die Zukunft. Und mehr: Seit 15. Juni ist das Google Chromebook auf dem Markt, das statt mit Windows mit dem Betriebssystem Google Chrome OS läuft. Doch darauf kann man keine Software installieren, denn jede Anwendung muss als Web-App über den Browser Chrome aufgerufen werden. Doch abgesehen davon, dass das Gerät offline nicht zu gebrauchen ist, bedeutet das: Auch alle wichtigen Daten müssen zwingen in der Cloud gelagert werden. Dass Cloud-Computing keinesfalls die sichere Alternative ist, die uns Hersteller gerne glauben machen wollen, zeigte kürzlich der beliebte Datensynchronisationsdienst Dropbox. 2 GB stellt Dropbox dafür kostenlos zur Verfügung, rund 25 Millionen Nutzer weltweit profitieren davon. Dropbox hatte stets erklärt, dass die Daten gut verschlüsselt sind und Dropbox-Mitarbeiter nicht sehen können, was die Nutzer speichern. Im Mai 2011 kam dann heraus, dass das gelogen war. Im Juni waren für einge Stunden alle Accounts offen zugänglich. Später bestätigte der Anbieter schwerwiegende Sicherheitsfehler.

Passive Weitergabe von Daten?

Selbst wer aktiv keine Daten weitergibt, macht das passiv vielleicht doch: Nämlich dann, wenn er ein Smartphone besitzt, das ortsbezogene Daten erhebt. Im April 2011 erklärten die IT-Experten Alasdair Allan und Pete Warden auf einer Fachkonferenz, dass mobile Apple-Geräte ab Betriebsversion iOS 4 die Ortungsdaten ihrer Nutzer abspeichern und sie dann in einer versteckten Datei auf dem Computer ablegen. Das betraf sowohl iPhones wie auch iPads, die allerdings nicht den tatsächlichen Standort eines Nutzers, sondern Ortsdaten von Mobilfunkzellen und Wlan-Netzen aus seiner jeweiligen Umgebung. Apple reagierte umgehen: Die dauerhafte Speicherung dieser Daten sei ein Software-Fehler, der mit einem Update schnell behoben werden konnte: Zukünftig werden Daten nur noch für sieben Tage und verschlüsselt gespeichert. Allerdings werden die Ortsdaten auch weiterhin anonym und verschlüsselter Form auch an Apple übermittelt. Das ist auch bei anderen mobilen Betriebssystemen wie Googles Android oder Microsofts Windows Phone 7 üblich. Wer dass nicht möchte, hat immerhin eine Wahl: die WLAN-Ortserkennung und GPS an seinem Smartphone abschalten.

Dass unser Daten auch auf den Servern großer Unternehmen nicht vor Hackerangriffen sicher sind, und dass Mobilfunkanbieter unsere ortsbezogenen Daten speichern – das alles klingt nicht sehr vertrauenerweckend. Und abseits von jeder Panik sollten wir dringend Fragen: Welche unserer Daten sind denn nun für andere Menschen überhaupt interssant? Und was können die damit anfangen? Tatsache ist jedenfalls: Der Staat ist in Sachen Datenschutz gar nicht so unschuldig wie er tut.

Der Staat liest mit: Rasterfahndung via Twitter

Der Medienpädagoge und Social-Media-Analyst Thomas Pfeiffer hat bei Twit­ter ana­ly­siert, wer sich mit wem ver­netzt – und welche Aussagen sich daraus über die entsprechende Person treffen ließen. Dazu untersuchte  er 492 deutschsprachige Accounts, die eine eindeutige Parteienpräferenz in ihrem Profil angegeben haben. Von diesen Accounts überprüfte er, wem sie folgen und von wem sie zurückverfolgt werden. Es ergab sich also für jeden untersuchten Account ein typisches Refollower-Profil, wer mit welchen Parteigängern die größten Schnittmenge aufweist. Und Pfeiffer stellte fest: Nicht nur Linke ver­lin­ken vor allem andere Linke. Auch Grüne ver­lin­ken vor allem Grüne und CDU-Anhänger andere CDU-Anhänger usw. 97% der untersuchten Parteiaccounts hatten die meisten Re-Follower innerhalb ihrer eigenen Partei. Zwi­schen den ver­schie­de­nen Grup­pen gibt es nur ganz wenige Ver­bin­dun­gen. Nun ist eben das genau das das schon behandelte Phänomen der Echokammern, in denen man nur gleichgesinnte um sich sammelt.

Aber Pfeiffer stellte noch mehr überraschendes fest: Durch die Wahl der Online-Freunde trifft man auch Aus­sa­gen über sich selbst. Denn die Re-Follower mussten gar keine Parteienpräferenz im öffentlichen Profil angegeben worden sein muss, um als möglicher Sympathisant für eine bestimmte politische Richtung erkannt zu werden. Aus der blo­ßen Struk­tur und Zahl der Ver­bin­dun­gen las­sen sich Rück­schlüsse zie­hen, wer tat­säch­lich mit wem befreun­det ist. Das wie­derum erlaubt eine ziem­lich zuver­läs­sige Ein­schät­zung der poli­ti­schen Ein­stel­lun­gen. Pfeiffer zieht daraus den Schluß: “Als zoon politiconmag man in seinem Online-Profil (“Online-Reputation”) einen weiteren Ausdruck politischer Meinungsäußerung verstehen. Aber dessen sollte man sich bewusst sein. Wer seine politischen Überzeugungen nicht in die Öffentlichkeit tragen möchte (warum auch immer), sollte sich gut überlegen, wo er oder sie das bereits bewusst oder unbewusst getan hat.”

Wenn Geheimdienste mitlesen

Denn Polizei, Staat und Geheimdienste hören und lesen im Internet und bei der mobilen Kommunikation kräftig mit. Und das offenbar nicht nur in Ländern mit totalitären Regimen, sondern auch in demokratischen Staaten wie Deutschland oder den USA. So müssen Cloud-Computing-Dienste wie Google oder auch Microsoft US-Strafverfolgungsbehörden Zugriff auf die von Kunden gespeicherte Daten gewähren. Das betrifft auch in der EU ansässige Firmen und Daten, die sich in europäischen Rechenzentren befinden. In Dresden hat die Polizei bei Anti-Nazi-Protesten am 13. und 19. Februar 2011 von Telekommunikationsunternehmen im Rahmen sogenannter Funkzellenauswertungen über eine Million Kommunikationsdaten von rund 330.000 Anwohnern, Demonstranten, Politikern, Anwälten und Journalisten erhalten, die während der beiden Großdemonstrationen in Dresdens Innenstadt telefoniert haben. Im Juli musste das sächische Innenministerium zugeben, dass von 40.732 Personen auch Namen, Adressen und Telefonnummern bekannt seien – zuvor war immer kommuniziert worden, dass es sich lediglich um 460 Fälle handelte.

Aber auch in Sozialen Netzwerken sind staatlichen Stellen aktiv. So hat das Bundesinneministerium im Juli 2011 auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion DIE LINKE selbst zugegeben, dass das Bundeskriminalamt (BKA), die Bundespolizei (BPOL) und der Zollfahndungsdienst bei der Kriminalitätsbekämpfung fallbezogen u. a. offen zugängliche Informationen aus sozialen Netzwerken nutzen. Zum Einsatz kommen dabei auch verdeckte Ermittler, die sich unter falscher Identität in die Netze einschleichen. In den 24 Monaten zuvor waren in sechs Fällen BKA-Beamte als virtuelle verdeckte Ermittler unterwegs. Und glaubt man dem Journalisten Sascha Adamek, was er ab S. 173 seines Panikmachers “Die Facebook-Falle” schreibt, so hat sich die CIA über ihr Unternehmen In-Q-Tel in die Softwarefirma Visible Technologies eingekauft, die auf die Auswertung von Social-Media-Seiten spezialisiert ist. Der Geheimdienst wolle nun Kontakte und Meinungsäußerungen von Millionen Menschen auf Facebook erfassen.

Hilfe Vorratsdatenspeicherung

Vordergründig dienen all diese Maßnahmen, ähnlich wie die in Deutschland heftig diskutierte Vorratsdatenspeicherung, die Sperrung von Internetseiten und ähnliche Ideen der Kriminalitäts- und Terrorismusbekämpfung. Und deswegen wird die Angst davor auch gerne geschürt. Kritiker fürchten jedoch dass, wenn erst einmal entsprechende Gesetze erlassen und wir uns daran gewöhnt haben, dass solche Überwachungsmaßnahmen “normal” sind, auch nur ein leiser Verdacht, das Kennen der falschen Facebook-Freunde etwas, genügt, um sich verdächtig zu machen. Dass durch solche Maßnahmen der Überwachung auch unbescholtener Bürger Tür und Tor geöffnet wird. Und dass wir uns auf diese Weise Schritt für Schritt von der Demokratie weg bewegen. Genau das darf nicht passieren!

Für den innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Hans-Peter Uhl waren die Vorfälle jedoch der Anlass, einmal mehr die (Wieder-)Einführung der Vorratsdatenspeicherung zu fordern. Der Passauer neuen Presse sagte er am 25. Juli 2011: “Nur wenn die Ermittler die Kommunikation bei der Planung von Anschlägen verfolgen können, können sie solche Taten vereiteln und Menschen schützen.” Das Bundesverfassungsgericht hatte die alte Regelung zur Vorratsdatenspeicherung im März 2010 gekippt. Nach ihr wurden Daten von Telefon- und Internetverbindungen sechs Monate lang zur Kriminalitätsbekämpfung gespeichert. Gerade das Beispiel Norwegen zeigt aber, dass solche Maßnahmen zur Prävention von Attentate gar nichts bringen und dass mit dem Internet gezielt Angst genutzt wird, um politische Ziele durchzusetzen: Denn in Norwegen hatte man die Vorratsdatenspeicherung im April 2011 gerade erst eingeführt.