Ob Unternehmen oder Privatperson: Qualität ist im Gesundheitswesen wichtig. Das findet auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn – und offenbart so das gesamtgesellschaftliche Dilemma zwischen Digitalisierung, Effizienz und Marktregulierung.

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Effizienz im Gesundheitswesen: Sorgt Kapitalismus für mehr Qualität?

Gesundheit ist ein Menschenrecht und sollte am besten gar nicht nach den Gesetzen des freien, kapitalistischen Marktes funktionieren – das zumindest ist die Position von Wirtschaftsethikern wie Prof. Dr. Giovanni Maio, Direktor des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, auf der 15. Nationalen Branchenkonferenz Gesundheitswirtschaft in Rostock.

Bundesminister Jens Spahn machte hingegen in seiner Rede am 15.06.19 in Rostock deutlich, dass das nicht so einfach ist: Er kündigte eine Diskussion über die Qualität im Gesundheitswesen an, vor allem was die Qualitätsmessungen im stationären Bereich in Krankenhäusern angeht, aber auch Verbesserungen im Pflegebereich seien ausgesprochen wichtig.

Das Effizienz-Dilemma: Zwischen Regulierung und Wettbewerb

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Bezüglich Regulierung und Gesetzgebung befindet sich Spahn allerdings in einem Dilemma zwischen Effizienz und notwendiger Regulierung: Einerseits findet er Gesetze und Regulierung wichtig: Zum Beispiel um jedem Menschen überall, auch auf dem Land, Zugang zur medizinischen Versorgung zu gewähren.

“Ohne Bedarfsplanung hätten wir auf dem Land schlicht keine Ärzte, weil alle in den Städten arbeiten wollen”. Effizient sei es zwar auch, alten Leuten Pflegeprodukte für ein halbes Jahr im Voraus vor die Haustür zu stellen, aber das sei ebenso wenig sinnvoll wie die Kombination aus Betreutem Wohnen und Kurzzeitpflege. Hier müsse laut Gesundheitsminister sinnvoll reguliert werden um im Wettbewerb einen Rahmen zu schaffen.

Bundesgesundheitsminister: Überregulierung hemmt Innovation

Denn Überregulierung sei gerade für die im Gesundheitswesen so wichtige Innovationskraft schädlich, nicht nur, weil Wettbewerb hilft, Abläufe effizienter zu gestalten und damit auch Kosten zu sparen. “Wenn wir zu viel regulieren, wandern StartUps mit neuen Ideen in die USA ab”, stellte Spahn fest.

Denn dass man in anderen Ländern gerade im digitalen Bereich viel weiter ist, wurde offenbar auch im Bundesgesundheitsministerium erkannt. Spahn verwies dabei auf aktuelle Entwicklungen großer Digitalunternehmen wie Apple oder Google im Gesundheitsbereich.

Digitalisierung als Randthema in der deutschen Politik

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Dennoch wurde das wichtige und auch für alle anderen Bereiche zukunftsweisende Thema Digitalisierung nur in ein paar Sätzen schnell abgehandelt. Das lässt befürchten, dass eben noch immer nicht erkannt wurde, wie sehr sich digitale Technologie auf alle Bereiche der Gesellschaft, eben auch auf Qualität in Krankenkhäusern und Pflege auswirken wird.

Wie weit sich das gesellschaftlich ändern könnte, zeigt eine These, die ich auf einem Vortrag just zwei Tage später an der Universität Witten-Herdecke hörte: Fachwissen wird im Rahmen der Digitalisierung an Bedeutung verlieren – und mit ihr z.B. die Bedeutung des Arztberufes. Viel eher werden in einer digitalisierten Welt zwischenmenschliche, empathische Fähigkeiten z.B. von Krankenschwestern viel eher gefragt sein. Dadurch könnte sich die Bedeutung der entsprechenden Arbeitskräfte auf dem Arbeitsmarkt komplett umdrehen.

Datenschutz, German Angst und der Blick ins Ausland

Immerhin stellte Spahn mit Blick auf das deutsche Angst-Thema Datenschutz fest: “Wir müssen hier aktiv gestalten, wenn wir am Ende nichts erleiden wollen”. Wenn man nun auf Länder schaut, die gerade in der digitalen Entwicklung schon wesentlich weiter sind, wird einem schnell klar, dass in der Paxis zu diesem aktiven gestalten noch eine Reihe von Schritten notwendig sind.

Bestes Beispiel dafür ist natürlich Estland, dass mir bei einem Besuch vor einigen Jahren deutlich vor Augen führte, wie altmodisch und ineffizient administrative Abläufe in Deutschland wirklich sind. Und wie viel effizienter man alles gestalten könnte – aber auch, dass das Thema Datenschutz gerade im kritischen Gesundheitsbereich der Knackpunkt sein wird.

Wenn Gesundheitsdaten digital verwaltet werden

Ein durchschnittlicher Este etwa braucht für eine Steuererklärung 15 Minuten. Der Rekord für eine Firmengründung liegt bei 18 Minuten. Mit einer elektronischen Signatur kann man in wenigen Minuten Verträge abschließen. Die Parlamentswahl lässt sich in fünf Minuten mit dem Handy vom Sofa aus erledigen. Und eine Kabinettssitzung dauert nur noch etwa 45 Minuten – weil sich die Minister nicht mehr durch Stapel von Papier wühlen müssen.

Selbstredend können die Esten auch digital ihre gesamten Gesundheitsdaten transparent online einsehen, diese werden nicht umständlich wie in Deutschland auf veralteten Speichermedien weitergeben – und vor allem eben nicht nur unter Ärzten und Krankenkassen. Nur heiraten und sich scheiden lassen kann man  dort noch nicht übers Internet.

Effizienz als Allheilmittel für mehr Qualität?

Tatsächlich ist dies neben der Effizienz das wichtigste Argument für die digitale Administration: Die Transparenz und Zugänglichmachung der eigenen Daten für jeden einzelnen Bürger. Sicherer soll das System auch sein als Papierverwaltung, auch wenn es bereits Hackerangriffe gab, die erfolgreich abgewehrt wurden.

Wenn man nun überlegt, wie viel Zeit und Geld man in Deutschland mit Briefwahl verschwendet oder für die Steuererklärung. Oder für Verträge, kann von dem estnischen System nur begeistert sein – oder?

Digitalisierungshype vs. Digitalisierungsfrust

Die Esten, die ich getroffen habe, waren jedenfalls durchweg von ihrer effizienten, digitalen Administraton begeistert. Diese Effizienz, um sowohl Zeit als auch Geld zu sparen, ist auch der Grund, warum Estlands Verwaltung seit Gründung des Landes voll auf elektronische Datenverarbeitung setzt.

Wenn man ihre Vertreter dann auf die hierzulande ständig diskutierten Probleme wir Datensicherheit und Datenschutz anspricht, geben sie die Frage gerne mal zurück: Ob wir denn nicht auch Google oder Facebook nutzen? Oder sie antworten mit Allgemeinplätzen: Ein vollkommen sicheres System könne es eben nicht geben.

Wie ökonomisch darf Administration sein?

Auch wenn das sicher so stimmt, hat mich diese Masse an gut gemachter Eigen-PR etwas irritiert. Was ich, gewohnt an die deutschen Beamten, fast noch irritierender fand, war das Maß, in dem ökonomisches Denken auch von staatlichen Stellen mit den E-Government-Services einherging.

Da diese auch die digitalisierte Gesundheitsadministration betrifft, sind wir hier schnell wieder bei der oben aufgeworfenen Frage der Medizinethik: Wie ökonomisch sollte Administration, und besonders im Gesundheitsbereich, organisiert sein?

Wenn der Staat Marketing macht

Denn das Ganze ist längst auch ein Marketingthema: So wurde die digitale Signatur bereits erfolgreich in weitere Länder exportiert, u.a. in die Schweiz und Aserbaidschan. Taavi Kotka, Generalsekretär für ICT beim estnischen Wirtschaftsministerium, erklärte in einem Vortrag und später auch in einem Video-Interview ganz offen, dass es erlaubt sein sollte, sich Staatsbürger-Rechte in verschiedenen Ländern zusammenzukaufen.

Einerseits ist es natürlich toll, wenn die Bürger von einem schlankeren Staat profitieren können. Andererseits ist es für mich ein wenig befremdlich, wenn dann öffentlich darüber nachgedacht wird, wie man diese effizienten Strukturen auch in anderen Ländern vermarkten könnte.


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