Jeder kennt diese Typen, die Erfolg ganz leicht aussehen lassen. Doch ist dieses Talent wirklich angeboren oder nicht vielleicht das Ergebnis harter Arbeit?

Potenzial-Entfaltung & Talent-Förderung: Geborene Gewinner?

Der Spitzensportler aus der High School

Micheno Lawrence war Sprinter in meinem Highschool-Team. Als Sohn jamaikanischer Eltern war er klein und mollig, und das Netzhemd, das er wie manche andere jamaikanische Teamkameraden zum Training trug, spannte sich über einen prallen Bauch. Nach der Schule jobbte er bei McDonald’s und man scherzte, dass er sich dort zu oft selbst bediente. Aber das hielt ihn nicht davon ab, beeindruckend schnell zu sein.

Schon in der Highschool habe ich mich gefragt, ob Micheno und die anderen Kinder aus jamaikanischen Familien, die unser Team so erfolgreich machten, möglicherweise ein besonderes Geschwindigkeitsgen von ihrer winzigen Insel mitgebracht hatten.

Als in den 1970er- und 1980er-Jahren ein kleiner Exodus jamaikanische Familien nach Evanston, Illinois, brachte, wurde an der Evanston Township Highschool Leichtathletik zu einem beliebten Sport. (In der Folge gewann unser Team zwischen 1976 und 1999 vierundzwanzig aufeinanderfolgende Turniere.) Wie es sich für Ausnahmesportler gehört, sprach Micheno von sich selbst in der dritten Person. »Micheno hat kein Herz«, pflegte er vor großen Wettkämpfen zu sagen und meinte damit, dass er seine Konkurrenten gnadenlos besiegen würde. Im Jahr 1998, meinem Abschlussjahr, gewann er die Meisterschaft des Bundesstaats Illinois, indem er als Schlussläufer der 4×400-Meter-Staffel vom vierten auf den ersten Platz schoss.

Alles ganz easy? Ein Naturtalent!

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Einen solchen Sportler kennt jeder von uns aus der Schulzeit. Einen, der alles ganz leicht aussehen lässt. Egal ob es ein Quarterback oder Shortstop, eine Hochspringerin oder ein Point Guard war – es handelte sich um ein Naturtalent. Wirklich? Haben Eli und Peyton Manning die Quarterback-Gene ihres Vaters Archie geerbt, oder sind sie zu NFL-Stars geworden, weil sie mit einem Football in der Hand aufwuchsen?

Gewiss hat Joe »Jellybean« Bryant seine Statur an seinen Sohn Kobe weitergegeben, aber woher hat der Sprössling seinen explosiven Antritt? Wie kommt es, dass Paolo Maldini den AC Milan zum Champions-League-Titel führte – vierzig Jahre nachdem sein Vater Cesare dasselbe erreichte? Hat Ken Griffey Sr. seinem Jungen etwa Baseball-Gene vermacht? Oder bestand das wahre Vermächtnis darin, dass der Junior in einem Baseball-Clubhaus aufwuchs? Oder in beidem? Zum ersten Mal in der Sportgeschichte bildete im Jahr 2010 ein Mutter-Tochter-Gespann, bestehend aus Irina und Olga Lenskiy, die Hälfte der israelischen Nationalmannschaft in der 4-mal-100-Meter-Staffel. Hier lag offenbar das Geschwindigkeitsgen in der Familie. Aber gibt es so etwas überhaupt? Gibt es überhaupt »Siegergene«?

Was ist ein Genom?

Im April 2003 verkündete ein internationales Konsortium von Wissenschaftlern den Abschluss des Human Genom Projekts. Nach dreizehn Jahren Arbeit (und 200.000 Jahre nach dem Aufkommen des anatomisch modernen Menschen) hatten die Wissenschaftler das menschliche Genom kartiert. Alle rund 23.000 DNA-Regionen, die Gene enthalten, waren identifiziert worden. Auf einmal wussten die Forscher, wo sie nach den Ursprüngen menschlicher Eigenschaften suchen mussten, von der Haarfarbe über Erbkrankheiten bis hin zur Hand-Auge-Koordination; aber sie wussten noch nicht, wie schwierig es sein würde, die genetischen Anweisungen zu lesen.

Das Genom muss man sich als ein 23.000 Seiten dickes Rezeptbuch vorstellen, das in jeder menschlichen Zelle steckt und Anweisungen für die Entstehung des Körpers bereithält. Wer diese 23.000 Seiten zu lesen vermag, könnte herausfinden, wie der Körper entsteht. So jedenfalls war das Wunschdenken der Wissenschaftler. Allerdings enthalten einige der 23.000 Seiten Anweisungen für viele verschiedene Körperfunktionen, und wenn eine Seite verschoben, geändert oder herausgerissen wird, können einige der anderen 22.999 Seiten plötzlich neue Anweisungen enthalten.

Talent und Potenzial: Ererbtes und Erlerntes ist eng miteinander verflochten

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In den Jahren nach der Sequenzierung des menschlichen Genoms suchten sich Sportwissenschaftler einzelne Gene heraus, von denen sie vermuteten, dass sie die sportliche Leistung beeinflussen würden, und verglichen unterschiedliche Versionen dieser Gene von Sportlern und Nichtsportlern. Das Problem bei solchen Studien ist, dass einzelne Gene normalerweise so geringe Auswirkungen haben, dass sie in Studien an kleinen Gruppen nicht nachweisbar sind. Selbst bei leicht zu messenden Merkmalen wie der Körpergröße entziehen sich die dazugehörigen Gene meistens der Erkennung. Nicht weil es sie nicht gäbe, sondern weil sie in der Komplexität des Genoms verborgen sind.

Langsam, aber sicher gingen Wissenschaftler von den Studien einzelner Gene über zu neuen und innovativen Methoden zur Analyse der Funktionsweise genetischer Anweisungen. Nimmt man hinzu, was Biologen, Physiologen und Sportwissenschaftler zu den Auswirkungen von biologischer Veranlagung und Trainingseifer auf die Leistungsfähigkeit herausgefunden haben, dann erscheint die große Debatte über ererbte oder erlernte Sportlichkeit in ganz neuem Licht. Das erfordert allerdings, dass wir uns tief ins Gestrüpp solch sensibler Themen wie Geschlecht und Ethnizität wagen. In Wirklichkeit ist es so, dass Ererbtes und Erlerntes in allen Bereichen außergewöhnlicher Leistung so miteinander verflochten sind, dass die Antwort immer lautet: beides. Dies ist jedoch für die Wissenschaft kein zufriedenstellender Schlusspunkt. Wissenschaftler müssen der Frage nachgehen: »Wie wirken Erlerntes und Ererbtes ganz konkret zusammen?« Und »Wie groß ist der jeweilige Anteil?« Um diese Fragen zu beantworten, sind Sportwissenschaftler auf das Gebiet der modernen Genforschung vorgedrungen.

Warum sind gute Sportler so gut?

Vor fast vierzig Jahren, bevor Janet Starkes eine der einflussreichsten Sportforscherinnen der Welt wurde, war sie eine 1,57 Meter große Aufbauspielerin, die eine Saison in der kanadischen Basketball-Nationalmannschaft verbrachte. Ihren bleibenden Einfluss auf den Sport übte sie jedoch außerhalb des Spielfelds aus, nämlich mit ihrer Arbeit als Doktorandin an der Universität von Waterloo. Ihr Forschungsziel war es, herauszufinden, warum gute Sportler, nun ja, gut sind. Tests an der »Hardware« – den angeborenen Körpereigenschaften von Sportlern, beispielsweise der einfachen Reaktionszeit – hatten erstaunlich wenig dazu beigetragen, sportliche Spitzenleistungen zu erklären. Die Reaktionszeiten von Spitzensportlern lagen immer um eine fünftel Sekunde herum, genau wie die Reaktionszeiten von zufällig ausgewählten Testpersonen.

Daher suchte Starkes woanders nach der Antwort. Sie hatte von Untersuchungen an Fluglotsen gehört, bei denen man mithilfe von »Signalerkennungstests« gemessen hatte, wie schnell ein erfahrener Fluglotse visuelle Informationen durchkämmte, um das Vorhandensein oder Fehlen entscheidender Signale festzustellen. Und sie entschied, dass sich eine solche Untersuchung durch Übung erlernter kognitiver Wahrnehmungsfähigkeiten als lohnend erweisen könnte. Also erfand Starkes 1975 im Rahmen ihrer Abschlussarbeit für Waterloo den modernen »Okklusionstest«.

Der Okklusionstest

Sie sammelte Tausende von Fotos aus Frauen-Volleyballspielen und fertigte Dias von Bildern an, auf denen sich der Volleyball im Bild befand oder den Bildbereich gerade verlassen hatte. Auf vielen Fotos waren die körperliche Haltung und Dynamik der Spielerinnen nahezu identisch, egal ob der Ball im Bild war oder nicht, da sich seit dem Moment, in dem der Ball das Bild verließ, kaum etwas geändert hatte. Starkes baute dann ein Spektiv vor einer Leinwand mit Diaprojektor auf und ließ Volleyballerinnen die Dias einen Sekundenbruchteil lang betrachten und anschließend raten, ob sich der Ball im aufblitzenden Bild befand oder nicht.

Die Blickdauer war zu kurz, als dass die Betrachterinnen den Ball tatsächlich hätten sehen können. So sollte festgestellt werden, ob die Spielerinnen das gesamte Spielfeld und die Körpersprache der anderen anders wahrnehmen als ein Durchschnittsmensch und ob sie dadurch auf das Vorhandensein des Balles schließen. Die Ergebnisse der ersten Okklusionstests verblüfften Starkes.

Der Unterschied zwischen Profis und Amateuren: Die Wahrnehmung des Spiels

Anders als bei den Untersuchungen der Reaktionszeiten war der Unterschied zwischen Spitzensportlern und Anfängern enorm. Den EliteSpielerinnen genügte ein Sekundenbruchteil, um festzustellen, ob der Ball vorhanden war. Und je besser die Spielerin, desto schneller konnte sie jedem Dia relevante Informationen entnehmen. Einmal testete Starkes Mitglieder der kanadischen Volleyball-Nationalmannschaft, zu der zu dieser Zeit eine der besten Stellerinnen der Welt gehörte. Anhand eines Bildes, das nur eine Sechzehntausendstelsekunde lang vor ihren Augen aufblitzte, konnte die Stellerin ableiten, ob der Volleyball vorhanden war.

»Das ist eine erstaunliche Leistung«, versicherte mir Starkes. »Leute, die nicht Volleyball spielen, erkennen in sechzehn Millisekunden nur einen Lichtblitz.« Die Weltklasse-Stellerin erkannte innerhalb von sechzehn Millisekunden nicht nur das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein des Balls, sondern erspähte mitunter genug visuelle Informationen, um zu wissen, wann und wo das Bild aufgenommen wurde. »Nach jedem Dia bestätigte sie mit ›ja‹ oder ›nein‹, ob da ein Ball war«, berichtet Starkes, »und dann sagte sie manchmal noch: ›Das war das Sherbrooke-Team, nachdem sie ihre neuen Trikots bekommen hatten, also muss das Bild zu dem und dem Zeitpunkt aufgenommen worden sein.‹« Was für die eine Frau ein Lichtblitz war, erzählte der anderen eine ganze Geschichte. Dies war ein deutlicher Hinweis darauf, dass ein wesentlicher Unterschied zwischen erfahrenen und unerfahrenen Sportlerinnen nicht in ihrer schieren Reaktionsfähigkeit bestand, sondern darin, dass sie gelernt hatten, das Spiel wahrzunehmen.

Ist außergewöhnliche Wahrnehmung das Ergebnis genetischer Veranlagung?

Kurz nach ihrer Promotion wurde Starkes in die Fakultät der McMaster University aufgenommen und setzte ihre Okklusionsforschungen an der kanadischen Feldhockey-Nationalmannschaft fort. Zu dieser Zeit bestand die Lehrmeinung im Feldhockey aus der Überzeugung, dass angeborene Reflexe von vorrangiger Bedeutung seien. Umgekehrt war damals die Vorstellung, zur spielerischen Spitzenleistung gehörten erlernte Wahrnehmungsfähigkeiten, in Starkes’ Worten »Ketzerei«. 1979, als Starkes der kanadischen Feldhockey-Nationalmannschaft bei der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele 1980 half, war sie bestürzt darüber, dass sich die Nationaltrainer bei der Aufstellung der Mannschaft auf veraltete Ideen stützten. »Sie glaubten, alle würden das Spielfeld auf die gleiche Weise sehen«, sagt sie. »Sie setzten bei der Auswahl auf einfache Reaktionszeittests und meinten, das sei ein Indikator dafür, wer die besten Torhüterinen oder Stürmerinnen sein würden. Zu meinem Erstaunen war ihnen nicht klar, dass die reine Reaktionszeit möglicherweise gar nichts bedeutet.« Starkes wusste es besser.

Bei ihren Okklusionstests an Feldhockeyspielerinnen stellte sie genau das fest, was sie bei Volleyballerinnen herausgefunden hatte, und noch viel mehr. Elite-Feldhockeyspielerinnen konnten nicht nur mit weniger als einem Augenblick erkennen, ob sich ein Ball im Bild befand, sondern auch nach einem flüchtigen Blick das ganze Spielfeld genau rekonstruieren. Dies bestätigte sich bei Basketball und Football. Es war, als hätte auf wundersame Weise jede Spitzensportlerin ein fotografisches Gedächtnis, wenn es um ihren Sport ging. Die nächste Frage ist also, wie wichtig solche Wahrnehmungsfähigkeiten für Spitzensportler sind und ob sie das Ergebnis genetischer Veranlagung darstellen.

Was machen Großmeister beim Schach anders?

Eine Antwort darauf ließe sich nirgendwo besser finden als bei einer Art von Wettkampf, bei der die Spielzüge langsam und wohlbedacht sind und nicht von Muskeln oder Sehnen abhängen. In den frühen 1940er-Jahren begann der niederländische Schachmeister und Psychologe Adriaan de Groot damit, dem Kern des Schachkönnens auf den Grund zu gehen. De Groot untersuchte Schachspieler unterschiedlicher Spielstärken, um herauszufinden, was einen Großmeister vom durchschnittlichen Profispieler und einen Profi vom Vereinsspieler abhob.

Nach damaligem Wissensstand dachten hoch qualifizierte Schachspieler weiter voraus als weniger qualifizierte Spieler. Dies trifft auch tatsächlich zu, wenn man erfahrene Spieler mit blutigen Anfängern vergleicht. Als de Groot jedoch Großmeister ebenso wie starke Spieler ihre Entscheidungsfindung in einer ungewohnten Spielsituation erläutern ließ, stellte er fest, dass Spieler trotz unterschiedlicher Spielstärke über gleich viele Schachfiguren nachdachten und im Wesentlichen die gleiche Anzahl möglicher Züge erwogen. Warum, fragte er sich, machten Großmeister dann die besseren Züge?

Herausragende Merkfähigkeit dank Erfahrung

De Groot stellte eine Gruppe von vier Schachspielern als Vertreter unterschiedlicher Spielstärken zusammen: ein Groß- und Weltmeister; ein Meister; ein Stadtchampion; und ein durchschnittlicher Vereinsspieler. Dann beauftragte de Groot einen weiteren Schachmeister damit, verschiedene Schachpositionen aus obskuren Spielen auszuwählen, und damit unternahm er dann etwas ganz Ähnliches wie Starkes dreißig Jahre später bei ihren Sportlerinnen:  Er ließ die Schachbretter für einige Sekunden vor den Spielern aufblitzen und bat diese dann, die Spielsituation auf einem leeren Brett zu rekonstruieren.

Es stellten sich Unterschiede zwischen den Fähigkeiten heraus, insbesondere zwischen den beiden Meistern und den beiden Nichtmeistern, die »so groß und eindeutig waren, dass sich weitere Nachweise im Grunde erübrigten«, wie de Groot schrieb. In vier Versuchen rekonstruierte der Großmeister das komplette Brett, nachdem er es drei Sekunden lang betrachtet hatte. Der Meister vollbrachte das gleiche Kunststück zweimal. Keiner der schwächeren Spieler war in der Lage, auch nur ein Brett vollkommen korrekt zu reproduzieren. In sämtlichen Tests platzierten der Großmeister und der Meister mehr als 90 Prozent der Figuren korrekt, während der Stadtmeister rund 70 Prozent und der Vereinsspieler nur etwa 50 Prozent schafften.

In fünf Sekunden durchschaute der Großmeister die Spielsituation besser als der Clubspieler in fünfzehn Minuten. Diese Tests legten dar, »dass Erfahrung die Grundlage für die überragenden Leistungen von Schachmeistern ist«, so de Groot. Aber es sollte noch drei Jahrzehnte dauern, bis jemand nachwies, dass es sich bei de Groots Beobachtungen tatsächlich um erworbene Fähigkeiten handelte und nicht um das Produkt einer angeborenen übermenschlichen Merkfähigkeit.

Spitzensportler verarbeiten Informationen anders

In einer 1973 veröffentlichten wegweisenden Studie wiederholten die Psychologen William G. Chase und Herbert A. Simon – ein späterer Nobelpreisträger – das Experiment von de Groot und fügten eine Besonderheit hinzu: Sie testeten das Erinnerungsvermögen der Spieler an Schachbretter mit zufällig angeordneten Stellungen, wie sie in einem Spiel niemals vorkommen würden. Als die Spieler fünf Sekunden Zeit hatten, um die zufälligen Figurenkonstellationen zu studieren, und sie dann rekonstruieren sollten, verschwand der Vorsprung der Meister. Plötzlich entsprach ihr Erinnerungsvermögen dem von durchschnittlichen Spielern.

Um ihre Beobachtungen zu erklären, postulierten Chase und Simon eine Theorie des »Stückelns« (chunking), die für das Verständnis von Spielen wie Schach, aber auch von anderen Sportarten wichtig wurde, und die die Erkenntnisse aus Janet Starkes’ Forschungsarbeit an Feldhockey- und Volleyballspielerinnen erklären half. Schachmeister und Spitzensportler stückeln die Informationen auf dem Spielbrett oder Spielfeld. Mit anderen Worten: Anstatt sich mit einer großen Detailfülle auseinanderzusetzen, gruppieren Fortgeschrittene die Informationen unbewusst in wenige aussagekräftige Stückelungen, wobei sie von bereits bekannten Mustern ausgehen. Während sich der durchschnittliche Vereinsspieler in de Groots Studie an die Anordnung von zwanzig einzelnen Schachfiguren zu erinnern versuchte, musste sich der Großmeister nur ein paar Gruppierungen von jeweils mehreren Figuren merken, da die Beziehungen zwischen den Figuren für ihn eine große Bedeutung hatten.1 Großmeister sprechen fließend Schach und verfügen über eine mentale Datenbank mit Millionen von Figurenkonstellationen, aufgeteilt in mindestens 300.000 sinnhafte Stückelungen, die wiederum zu mentalen templates, großen Arrangements von Figuren (oder Spielern im Fall von Feldsportarten) gruppiert sind, innerhalb derer manche Elemente bewegt werden können, ohne dass das gesamte Arrangement unkenntlich wird. Wo Anfänger von neuen, chaotischen Informationen überfordert werden, erkennen Meister vertraute Ordnungen und Strukturen mit leicht auffindbaren Informationen, die die anstehende Entscheidung erleichtern.

Die Macht des Trainings: Wenn aus Denken Vorausschauen wir

Was anfangs durch langsames, bewusstes, deduktives Denken erreicht wird, wird nun durch schnelle, unbewusste Signalverarbeitung erreicht«, so Chase und Simon. »Es ist keine Übertreibung, wenn ein Schachmeister behauptet, er ›sehe‹ den richtigen Zug.« Forschungen, bei denen man die Augenbewegungen erfahrener Performer aufzeichnete – seien es Schachspieler, Pianisten, Chirurgen oder Sportler –, haben ergeben, dass Experten mit zunehmender Erfahrung visuelle Informationen umso schneller sichten und die Spreu vom Weizen trennen können. Experten lenken ihre Aufmerksamkeit schnell von irrelevantem Input weg und richten sie auf die Daten, anhand derer sie am besten entscheiden können, was als Nächstes zu tun ist.

Während sich Anfänger mit einzelnen Figuren oder Spielern befassen, konzentrieren sich Experten mehr auf die Zwischenräume zwischen Figuren oder Spielern, die für die Verbindung der einzelnen Teile im Ganzen wesentlich sind. Vor allem im Sport ist es wichtig, dass Ordnungen wahrgenommen werden, denn aus der Anordnung der Spieler oder aus subtilen Änderungen der Körperbewegungen eines Gegners können erfahrene Athleten entscheidende Informationen gewinnen, um unbewusst Vorhersagen darüber zu treffen, was als Nächstes passieren wird. Ende der 1970er-Jahre war Bruce Abernethy Student an der University of Queensland. Als begeisterter Cricketspieler begann er, die Okklusionsmethoden von Janet Starkes zu erweitern. Abernethy nahm mit einer Super-8-Kamera Filme von Cricket-Bowlern auf. Das Filmmaterial führte er dann Battern vor, schnitt es aber vor dem Wurf ab und ließ sie vorhersagen, wohin der Ball fliegen würde. Es überrascht kaum, dass erfahrene Spieler die Flugbahn des Balls besser vorhersagen konnten als unerfahrene Spieler.


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