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Mauro Dell’Ambrogio ist Staatssekretär für Bildung, Forschung und Innovation der Schweiz. Im Interview erzählt er von den Ergebnissen des Berufsbildungskongresses in Winterthur und vom Erfolg der dualen Ausbildung in der Schweiz. 

Mauro Dell’Ambrogio, Dr. iur. der Universität Zürich, bekleidete von 1979 bis 1999 nach dem Erwerb des Anwalts- und Notariatspatents öffentliche Funktionen im Kanton Tessin: Richter, Kommandant der Kantonspolizei, Generalsekretär für Bildung und Kultur und Projektleiter für die Schaffung der Università della Svizzera italiana (USI), Generalsekretär der USI. Nach vier Jahren an der Spitze einer Gruppe von Privatkliniken war er ab 2003 Direktor der Fachhochschule der Italienischen Schweiz (SUPSI). Er war Gemeindepräsident von Giubiasco, Abgeordneter im Grossen Rat des Kantons Tessin und Präsident der Tessiner Elektrizitätswerke. Von 2008 bis 2012 war Mauro Dell’Ambrogio Staatssekretär für Bildung und Forschung im Eidgenössischen Departement des Innern. Seit 1. Januar 2013 ist er Staatssekretär für Bildung, Forschung und Innovation.

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Herr Dell‘ Ambrogio, in Winterthur hat im Juni der 3. International Congress on Vocational and Professional Education and Training (VPET) stattgefunden. Warum ist Berufsbildung überhaupt ein Thema, das diskutiert werden muss?

Die Berufsbildung sieht sich diversen Herausforderungen gegenüber. So beispielsweise der Internationalisierung der Bildungs- und Arbeitswelt, dem Fachkräftemangel oder der Akademisierung.

Um diesen zu begegnen ist es wichtig, die Berufsbildung im internationalen Kontext zu stärken. Der IBBK ist eine ideale Plattform, um die Vorzüge der dualen Berufsbildung international bekannt zu machen und Best Practices auszutauschen.

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Welches sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Ergebnisse des Kongresses?

Wie bereits 2014 und 2016 war auch die dritte Ausgabe mit rund 500 Teilnehmenden aus 80 Ländern ausgebucht.

Die hohe Nachfrage zeigt ein weltweites Bedürfnis, sich unter den Stakeholdern aus Bildung, Politik und Wirtschaft zu vernetzen und sich über aktuelle Themen austauschen zu können.

Janina Kugel, Chief Human Resources Officer und Mitglied des Vorstands der Siemens AG, hat in ihrem Vortrag auf die Herausforderungen der Digitalisierung für die Arbeitswelt hingewiesen. Welche Fähigkeiten werden von Mitarbeitern zukünftig erwartet – Stichwort Skills for Employability?

Die Wirtschaft weiß am besten, welche Kompetenzen heute und in Zukunft im Arbeitsmarkt gefragt sind. Deshalb ist im verbundpartnerschaftlichen System der Schweiz die Wirtschaft dafür verantwortlich, die Bildungsinhalte zu definieren.

Die enge Verknüpfung von Theorie und Praxis sorgt dafür, dass in der Berufsbildung jene Kompetenzen vermittelt werden, die auf dem Arbeitsmarkt auch tatsächlich nachgefragt werden.

Welche Rolle muss die Berufsbildung nach den Ergebnissen Ihres Kongresses zukünftig einnehmen?

Damit eine Wirtschaft floriert, braucht wir auf jeder Stufe einen optimalen Mix von Fachkräften auf unterschiedlichen Bildungsniveaus. Bildungspolitik ist für mich dann erfolgreich, wenn es ihr gelingt, jungen Menschen sowohl allgemeinbildende als auch berufsbildende Wege anzubieten und die jeweiligen Stärken beider Bildungsoptionen zur Geltung zu bringen.

Jedes Land braucht meiner Meinung nach qualitativ gute Hochschulen, aber gleichzeitig auch ausgezeichnete Berufsbildungsangebote, die attraktiv sind und gute Perspektiven auch für junge Leute bieten, die eher praktisch begabt sind. Außerdem muss Bildungspolitik die Bildungsangebote auf die sich wandelnden Bedürfnisse der Menschen, der Wirtschaft, des Arbeitsmarktes und des internationalen Umfeldes ausrichten.

Gemäß den Ergebnissen Ihres Kongresses: Ist Berufsbildung eher eine Frage der persönlichen Eigeninitiative eines jeden Arbeitnehmers oder ist das Engagement von Arbeitgebern nach wie vor ein wichtiges Qualitätsmerkmal, gerade in Zeiten in denen Unternehmen verstärkt um gute Fachkräfte buhlen?

Ganz wichtig ist ein klares Commitment von Staat und Wirtschaft. Fehlt das Engagement der Betriebe, so fehlen Ausbildungsplätze oder zumindest kann die Berufsbildung keine nachhaltige Wirkung erzielen, weil ihr die Praxisnähe fehlt.

Auf der anderen Seite muss der Staat die Attraktivität der Berufsbildung hochhalten. Nur so gelingt es, leistungsstarke Jugendliche weiterhin für die Berufsbildung zu motivieren und damit den steigenden Fachkräftebedarf der Wirtschaft sicherzustellen.

Bei dem Kongress wurden auch zahlreiche internationale Beispiele vorgestellt, etwa Schottland, Finnland, Dänemark, Singapur oder Indien. Welchen Herausforderungen muss sich die Berufsbildung künftig stellen?

Angesichts der Tatsache, dass sich Gesellschaft, Wirtschaft und Arbeitswelt immer rascher verändern, kommt der lebenslangen Weiterqualifizierung eine hohe Bedeutung zu. Globalisierung, Wissensgesellschaft und technologischer Fortschritt haben den Bedarf an Bildung enorm verstärkt; der Einzelne sieht sich heute ständig mit neuen und häufig auch höheren Qualifikationsanforderungen konfrontiert.

Unsere Aufgabe ist es, dieser Entwicklung Rechnung zu tragen, indem wir konsequent weiterführende Bildungsangebote bereitstellen und damit Berufs- und Tätigkeitswechsel im Verlauf des Berufslebens ohne Umwege ermöglichen.

Wo sehen Sie Gemeinsamkeiten und wo die Unterschiede zum Berufsbildungsstandort Schweiz und speziell Winterthur?

Jedes Bildungssystem hat Stärken, Schwächen und bestimmt auch Elemente, die verbessert werden können. Es ist aber nicht an mir, diese zu beurteilen. Fakt ist jedoch, dass Berufsbildungsländer heute dank niedriger Jugendarbeitslosigkeit und hoher Wettbewerbsfähigkeit besser dastehen, als Länder mit vorwiegend vollschulischen und akademischen Bildungsangeboten.

So weisen beispielsweise Österreich, Deutschland oder die Schweiz zur Zeit Jugendarbeitslosenquoten von unter 10 Prozent auf. Gleichzeitig leiden Italien, Spanien und Portugal unter Quoten von 40 Prozent und mehr. Diese Zahlen legen nahe, dass die Ausrichtung auf die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes eine Stärke der dualen Berufsbildung ist. Sie ermöglicht es, flexibel auf wirtschaftlichen, technologischen und gesellschaftlichen Veränderungen zu reagieren, denen die heutige Arbeitswelt unterliegt.

Welche Besonderheiten machen den Berufsbildungsstandort Schweiz am Beispiel Winterthur aus?

Die Schweizer Berufsbildung ist eng verknüpft mit den Bedürfnissen der Arbeitswelt. Ausgebildet wird dort, wo in der Wirtschaft eine Nachfrage besteht! Es sind deshalb die Betriebe und die sie vertretenden Verbände und Organisationen, die die Bildungsinhalte bestimmen. Bund und Kantone sorgen für gute Rahmenbedingungen. Markenzeichen unserer Berufsbildung ist auch die Vielfalt attraktiver Berufe sowie die Karrieremöglichkeiten auf der Tertiärstufe (höhere Berufsbildung).

Mehr als zwei Drittel aller jungen Leute entscheiden sich für eine Berufslehre. Der Berufsbildungsweg und der allgemeinbildende Weg sind in der Schweiz gleichwertig, aber andersartig. Dieser Mix und die stark ausgebaute Durchlässigkeit des gesamten Schweizer Bildungssystems bringen der Gesellschaft und der Wirtschaft einen konkreten Nutzen: qualifizierte Fach- und Führungskräfte, eine niedrige (Jugend)-Arbeitslosigkeit und soziale Stabilität.

Beispiele aus Indien oder Indonesien haben bei Ihrem Kongress aufgezeigt, wie Wissenstransfer von der Schweiz nach Indonesien funktionieren kann. In welchen Bereichen kann die Schweiz und speziell Winterthur hier positiv auf andere Länder einwirken?

Die Schweiz hat nicht den Anspruch, ihr erfolgreiches duales Modell weltweit zu exportieren. Unser System ist historisch gewachsen und wurde unter ganz bestimmten Bedingungen so stark. Man kann es nicht einfach kopieren.

Wir wählen deshalb ganz gezielt Länder aus, von denen wir den Eindruck haben, dass die Berufsbildung eine Chance haben könnte, und von denen wir auch einen Rücklauf in Sachen Imagesteigerung erwarten können. Interessante Partner sind dabei jene, die ein aktives Interesse an einer engeren Zusammenarbeit mit uns haben.


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