“Nutzwertorientierte Texte” – klingt ganz schön technisch. Ist es auch – aber nur auf den ersten Blick. Dieser Beitrag, selbst ein Vertreter seiner Textart, zeigt kurz und präzise: Was sind nutzwertorientierte Texte, was sind sie nicht? Und wie schreibt man sie hinsichtlich Recherche, Einstieg, Aufbau, Textelemente und Stil?

Best of HR – Berufebilder.de®

Präzise, konkret, verständlich: Nutzwertorientierte Texte

Nutzwertorientierte Texte? Klingt ein bisschen nach technischem Handbuch: “Arbeitsanweisung B für Vorgang 569 im dritten Durchlauf…” – oder so ähnlich.

Oder nach einer ökonomischen Kosten-Nutzen-Rechnung. Und doch sind diese Texte alles andere als trocken und langweilig. Weder für den Leser (wenn doch, ist der Autor schlecht) noch für den Autor. Warum das so ist, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Definition: Nutzwertorientierte Texte – was ist das eigentlich?

Genau genommen sind nutzwertorientierte Texte nichts anderes als präzise Handlungsanleitungen, deren Inhalt der Leser mit möglichst wenig Aufwand erfassen kann.

Die Texte geben Tipps und gute Ratschläge, was der Leser in bestimmten Situationen sagen oder tun soll. Sie kommen meist in Ratgebern und verwandten Publikationen vor – und sind vor allem eines: nützlich!

Achtung: Warum dieser Text so aussieht

Sie wundern sich über die Formatierung und die starke Untergliederung? Dieser Text informiert Sie nicht nur, sondern dient gleichzeitig als Beispiel für einen nutzwertorientierten Text. Deshalb gibt es zahlreiche Zwischenüberschriften, Checklisten, Kästchen und Beispiele. Und kurze Absätze!

Wer so schreiben will, muss sich an die vorgegebene Struktur halten. Wie sagte schon Umberto Eco in seiner “Nachschrift zum ‚Namen der Rose’”: “Um frei erfinden zu können, muss man sich Beschränkungen auferlegen.” Klingt erst mal widersinnig. Und stimmt doch: Innerhalb dieser Struktur hat der Autor viel kreativen Spielraum (dazu unten mehr).

Doch vielen Autoren dürfte es am Anfang gar nicht so leicht fallen, nutzwertorientiert zu schreiben. Das liegt daran, dass die meisten eine ganz andere Schreibe gewohnt sind – je nachdem, ob sie beispielsweise aus dem Journalismus kommen oder aus der Literatur. Erstmal umgewöhnen ist also angesagt. Sowohl was den Stil und Inhalt also auch den Anspruch an den Leser angeht. Auch bei mir war das so.

Fünf Tipps: Das sollten Sie ändern, wenn Sie nutzwertorientiert schreiben möchten

Schritt für Schritt: Wie schreiben Sie nutzwertorientierte Texte?

Der Leser bekommt vom Autor Schritt für Schritt viele Orientierungshilfen, wie er sich in einer bestimmten Situation richtig entscheiden oder verhalten sollte.

Daher sind Ratgeber alles andere als anspruchslos und sogar ziemlich aufwändig zu schreiben – auch wenn Texte und Aufmachung nicht immer so wirken.

Praxis-Tipp: Der Text als Notfallkoffer

Auch ein Leser, der wenig Zeit hat, soll sich schnell einen Überblick verschaffen und zielsicher Hilfestellungen finden. Als Autor stelle ich mir daher vor, mein Beitrag wäre ein Notfallkoffer, aus dem der Leser schnell die wichtigsten Hilfsmittel nimmt.

Schritt 1: An den Leser denken

Nutzwertorientiert schreiben heißt, dass Sie dabei immer an Ihre Leser denken. Und daran, was sie denken könnten. Daher sehe ich beispielsweise Vorträge, Seminare und meinen eigenen Weblog nicht nur als Vermarktungsinstrumente, sondern vor allem als Kommunikationsmittel, mit denen ich an meine Leser herantrete.

Übrigens:

Sprechen Sie die Leser mit “Sie” an, so wie ich Sie in diesem Text, damit sie sich direkt angesprochen fühlen. Das schafft gleich von Anfang an eine gute Verbindung.

Es geht darum, herauszufinden: Wer sind die Leser? Welche Wünsche und Bedürfnisse haben sie? Wie kann ich ihnen mit meinem Text helfen? Genau darauf muss ich eingehen: So ein Leser liest den Text in der Regel nur, wenn er auch einen direkten Nutzen davon hat. Und er liest nur das, was ihm aus der Fülle an Informationen am meisten nutzt.

Den Einstieg vereinfachen Übersichten

Optimal ist gleich zu Anfang eine kurze Übersicht (maximal 5 Zeilen) über den Inhalt des Textes mit guten Argumenten, warum der Text den Leser weiterbringt. Dem Leser wird so die Entscheidung vereinfacht, ob er den Text lesen will oder nicht. Wer erst mal die Hälfte eines Textes lesen muss, um zu wissen, ob es sich lohnt, fängt oft gar nicht erst an.

Beispiel:

Dieser Text bietet Ihnen eine Schritt-für-Schritt-Anleitung zum Erstellen nutzwertorientierter Texte. Sie finden neben vielen praktischen Beispielen auch zahlreiche Ideen und Anregungen zum Verfassen des Textes. Außerdem profitieren Sie von meinen persönlichen Erfahrungen.

Schritt 2: Gründlich recherchieren

Genaue Recherche sind absolut wichtig. Schließlich sind die Wenigsten allwissend. Was wir selbst nicht wissen, müssen andere uns sagen. Und denen müssen wir möglichst genau auf den Zahn fühlen, um konkrete Informationen zu bekommen.

Fakten, Fakten, Fakten:

Sie wecken Interesse und stellen den Bezug zum Tagesgeschehen her. Und sie zeigen: Der Autor kennt sich aus!

Schließlich soll der Text den Leser nicht nur anregen und anleiten, sondern auch informieren. Also lassen wir in den Text immer wieder die Ergebnisse von Studien und Statistiken oder die Meinung anderer Experten einfließen – in Form von Übersichtstabellen, Zitaten, Grafiken, Diagrammen usw.

Beispiel:

Annette Greter will sich selbständig machen. Gleichzeitig überlegt ise, ob nicht doch lieber ihren Job mit einem sicheren Einkommen von 2.300 Euro im Monat behalten soll. Denn da ist zum einen das Risiko einer Insolvenz. Allerdings: Laut Statistischem Bundesamt ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im vergangenen Jahr um 15,1 Prozent gesunken. Und dann der Verdienst: Die IHK hat bestätigt, dass der monatliche Gewinn für Neuunternehmer in ihrer Branche nur bei durchschnittlich 1.500 Euro liegt. Erst nach drei Jahren kann Annette Greter mit deutlich mehr rechnen.

Schritt 3: Der optimale Einstieg

Den Tipp mit der Übersicht gleich zu Beginn des Textes kennen Sie schon. Wenn der Text nicht ohnehin ein Inhaltsverzeichnis hat, können Sie stattdessen die wichtigsten Überschriften des Textes voranstellen. Wichtig: Der Einstieg muss den Leser interessieren und die für das Thema erforderlichen Basisinformationen kurz darstellen.

Aber bitte keinen rätselhaften Einstieg, um Spannung aufzubauen. Was bei anderen Textarten geht, ist hier tabu! Die Leser nutzwertorientierter Texte wollen nicht unterhalten werden, sondern gleich wissen, worum es geht. Besser: Fesseln Sie den Leser mit dem Thema. Stellen Sie etwas Neues oder Bemerkenswertes heraus – und verkaufen Sie sich selbst als Experten, damit der Leser Vertrauen in die Informationen hat, die er von Ihnen bekommt.

Mit Beispielen und Bildern eine Beziehung zum Leser aufbauen

Erfahrungsgemäß packen Sie den Leser am besten, wenn Sie gleich eine Beziehung zu ihm aufbauen – mit einem konkreten Praxisbeispiel als Einstieg, das auch gleich die Problemstellung enthält. Je plastischer die Beschreibung und je näher das Beispiel am Alltag des Lesers, desto besser. Auch bildhafte Sprache wirkt wahre Wunder, weil Sie damit das Vorstellungsvermögen Ihrer Leser anregen (mehr dazu finden Sie im Beitrag “Das grausame Schauspiel mit den Metaphern”). Wenn der Leser seinen eigenen Alltag wiedererkennt, wird er dem Text aufmerksamer folgen.

Beispiel:

Der Umsatz von Ratgebern ist in den vergangenen Jahren um zehn Prozent gestiegen. Rudolf Schmitt will teilhaben an diesem Boom – doch er weiß nicht recht, wie. Auf seinem Schreibtisch türmen sich die Ratgeber, an denen er sich orientieren will. Seit Stunden schon sitzt vor dem Computer und rauft sich die Haare, weil er nicht weiß, worauf es beim Schreiben ankommt und wie er anfangen soll.

Um noch einmal Umberto Eco zu bemühen: In seiner “Nachschrift”, beschreibt er, wie er eine Romanwelt Stück für Stück konstruiert: Zunächst ist da die Idee, aus der er eine eigene kleine Welt erschafft, die mit möglichst vielen Details ausstaffiert ist. Wie Fruchtfleisch, das er nach und nach ansetzt. Und diese Welt muss nach bestimmten, vorher festgelegten Regeln funktionieren.

So ein Beispiel ist wie eine kleine Romanszene, nur dass meine Welt der Alltag des Lesers ist und ich die Regeln dafür zunächst recherchieren muss. Wenn die feststehen, lasse ich eine konkrete Situation vor meinem geistigen Auge entstehen. Da ist dann plötzlich Struktur statt Fantasie gefragt. Das macht richtig Spaß.

Schritt 4: Den Text aufbauen

Das Grundgerüst ist die halbe Miete. Welche Aspekte des Themas möchte ich behandeln? Wie und in welcher Reihenfolge bringe ich das recherchierte Material, die Informationen, Beispiele, Tipps und Handlungsanleitungen im Text unter?

Die Textelemente anordnen

Der Text soll untergliedert sein, aber mit System: Wer einfach loslegt mit dem Schreiben, bringt sich in Teufels Küche: Hier ein Kästchen, da eine Checkliste, hier und da ein bisschen Fließtext – und schon ist der Text komplett zergliedert und der Leser verliert den Überblick vor lauter Beispielkästchen, Überschriften, Tipps und Checklisten. Übrigens: Wer wissen will, welche Textelemente es gibt, sollte sich die Übersicht unten ansehen.

Ausgewogenes Verhältnis der Textelemente

Bringen Sie die verschiedenen Textelemente in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander. Alles, was nicht Fließtext ist, sollte als besondere Information aus dem Text herausstechen.

Generell rechne ich pro zwei Absätze Fließtext (manchmal auch mehr, selten weniger) ein Kästchen, eine Checkliste, eine Tabelle – oder irgendein anderes Element, das den Text untergliedert. Nur wenn es gar nicht anders geht, packe ich diese Elemente nebeneinander.

Kapitel und Überschriften gestalten

Wenn kein anderes Gliederungselement vorkommt oder wenn ein neues Thema beginnt, setze ich einen Zwischentitel. Dieser soll dem Leser helfen, möglichst schnell zu erfassen, worum es geht und was zu tun ist. Beim Verfassen des Zwischentitels stelle ich mir einen Leser vor, der wenig Zeit hat und anhand der Zwischentitel erfassen will, was er zu dem Thema wissen oder tun muss.

Ich verzichte daher in der Regel (ist nicht immer möglich) auf Etiketten wie “Wissen – als Voraussetzung für den Erfolg”. Besser sind kurze Botschaften, die dem Leser direkt ins Auge springen und ihm sagen, was der Nutzen ist oder was er tun soll. Beispiel: “47 Prozent der Unternehmen erzielen mehr Umsatz durch das Internet” oder “So bloggen Sie richtig für den Unternehmenserfolg”.

Marginalien Stehen am Seitenrand und können den Leser zusätzlich führen.

Daher gilt: Nicht zu viele Unterkapitel. Drei Hierarchien reichen, maximal vier. Wenn sich bei der Bearbeitung eines Themas herausstellt, dass ein einzelner Aspekt zu ausführlich wird: kein neues Unterkapitel! Ich reiße in diesem Fall den Aspekt nur insoweit an, als es das Thema erfordert, und beginne ein neues Kapitel, auf das ich verweise. Manchmal ist auch ein Exkurs möglich – aber auch damit sollten Sie sparsam umgehen.

Bei einem Buch mit mehreren Kapiteln achte ich darauf, dass in jedem Kapitel die gleichen Textelemente vorkommen. Das schafft für den Leser einen gewissen Wiedererkennungswert und er findet schneller die Informationen, die er sucht.

Der optimale Stil ist kurz, knapp und präzise

Keine umständlichen Überleitungen. Auch wenn Sie sich daran erst gewöhnen müssen. Oft ist das Bedürfnis da, dem Leser zu erklären, warum Sie etwas jetzt so schreiben, oder Sie überfrachten den Text mit weiteren Hintergrundinformationen – schließlich haben Sie lange recherchiert und möchten zeigen, dass Ihr Text auf einem soliden Fundament steht.

Locker klingender Text

Ein nutzwertorientierter Text soll so locker klingen, als hätten Sie ihn gerade aus dem Ärmel geschüttelt.

Also weg mit dem überflüssigen Ballast. Leser verstehen meist nur, was sie verstehen wollen, da helfen auch weitschweifige Erklärungen nichts. Und was die Hintergrundinformationen angeht: Eine kurze Erwähnung, notfalls mit Quellenverweis, genügt – so als wollten Sie sagen: “Ich könnte mehr schreiben, aber ich lass es jetzt mal.” Alles andere gehört in wissenschaftliche Abhandlungen oder ähnliche Texte.

Das Kernstück eines Textes: konkrete Handlungsanleitungen. Der Leser soll möglichst genau erfahren, was er tun kann, um ein Problem zu lösen. Das ist immer schwierig, weil Sie ja für viele unterschiedliche Leser schreiben. Bringen Sie keine negativen Beispiele bzw. Lösungen. Und wenn, dann nur, um sofort zu zeigen, was Ihre Leser besser machen können. Negative Formulierungen (“Tun Sie nicht…”) schrecken ab, dagegen nehmen Ihre Leser positive Formulierungen besser auf.

Beispiel:

Nicht abstrakt und vor allem nicht negativ! Nicht: “Wenn Sie nicht selbstbewusst sind, dann klappt es nicht mit der Jobsuche”. Sondern schreiben Sie ganz genau: “So bauen Sie Ihr Selbstbewusstsein für die Jobsuche auf: Probieren Sie verschiedene Jobs aus, erfahren Sie, was Ihnen liegt und was nicht, bewerben Sie sich, wo Sie können, tauschen Sie sich mit Leuten aus, denen es ähnlich geht.”

Natürlich kann keiner Ihrer Leser alle Ihre Tipps eins zu eins in die Praxis übertragen. Es geht auch nicht darum, dem Leser den einzig gültigen Lösungsweg aufzuzwingen. Allerdings ist es mein Ziel, dass der Leser anhand meiner Tipps und anschaulichen Beispiele erkennt, worum es in einer Situation geht, und dann speziell für sich seine eigenen Lösungswege entwickelt.

Schritt 5: Ende

Doppelt genäht hält besser: Am Ende eines Beitrags sollten Sie in Form einer kurzen Zusammenfassung, Übersicht oder Checkliste für den eiligen Leser das Wichtigste zusammenfassen. Als Beispiel dient einfachheitshalber die folgende Übersicht, in der ich die wichtigsten Elemente eines nutzwertorientierten Textes nochmal aufgelistet habe.

Übersicht: Die wichtigsten Elemente eines nutzwertorientierten Textes

Element:Der Leser kann…
Beispiel: (Veranschaulichung eines konkreten Falls)… abstrakte Äußerungen verstehen und nachempfinden und sich auf diese Weise Sachverhalte besser vorstellen.
Checkliste: (Prüfliste)… alles nochmals komplett durchprüfen und abhaken, damit er sicher nichts vergisst.
Diagramm/Übersicht: (Veranschaulichung einer abstrakten Aussage)… auf einen Blick sehen, worum es geht, weil er alle Fakten im Überblick hat.
Fazit: (Nachspann und Zusammenfassung)… den Kern des Textes auf einen Blick erfassen und somit nochmals die Quintessenz des Textes aufnehmen.
Formblatt: (Formular)… es ausfüllen und braucht nicht selbst zu formulieren.
Liste: (Aufzählung)… alle relevanten Punkte nochmals überblicken.
Merkblatt: (Datenblatt)… alles Wesentliche überblicken, so dass er alles beisammen hat.
Modell: (Matrix)… die Struktur verstehen, so dass er sich seine eigenen Gedanken dazu machen und die Struktur spezifisch anwenden kann.
Muster: (Bausteine)… Informationen auswählen und direkt aus dem Text übernehmen.
Praxis-Tipp: (Tipp – mit konkretem Erfahrungshintergrund)… den Tipp beherzigen oder nicht; da es schon mal jemand gemacht hat, könnte es klappen.
Ratschlag: (Tipp, Empfehlung)… den Vorteil erkennen und dem Rat folgen, wenn er will.
Rezept/: Handlungsanleitung: (konkrete, positive Schritt-für-Schritt-Anleitung)… Schritt für Schritt die Anleitung befolgen und, wenn er danach vorgeht, so zu einer Lösung kommen.
Test: (Analyse der Situation)… die Situation analysieren und einschätzen, damit er weiß, wo er steht.
Vergleich: (Gegenüberstellung verschiedener Aspekte)… die Vor- und Nachteile einer Situation besser einschätzen, um sich leichter entscheiden zu können.