Wie funktioniert Onboarding? Im Einstellungsverfahren wird vieles besprochen und alles Mögliche geregelt. Doch leider kann auch vieles schief gehen, wenn man die Regeln nicht beachtet.

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Neuer Job: Auch ungeschriebene Regeln beachten

Einen Wechsel von einem Unternehmen in ein anderes vorzunehmen, ist in der Regel mit einem energieaufwendigen Phasenübergang verbunden. Die Ungewissheit über die künftige Entwicklung in Kauf zu nehmen setzt voraus, dass der erwartete Nutzen weit höher aus

Bei dem ehemaligen Arbeitgeber herrschte ein großes Maß an Gestaltungsspielraum. Es wurde nach der Devise gehandelt, den gesunden Menschenverstand zu nutzen, wenn es Dinge zu entscheiden gab, für die keine Vorgaben vorhanden waren. In den ersten Wochen nach dem Firmeneintritt konnte sich das so anfühlen, als würde man ins kalte Wasser geworfen. Lernen beim Tun, ausprobieren und experimentieren war die unausgesprochene Währung, mit der man für das Weiterkommen belohnt wurde. Wechselt dieser Mitarbeiter in ein unkonventionell geführtes Unternehmen kleinerer bis mittlerer Größe, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, keine allzu große Anpassungsleistung erbringen zu müssen, da die Regelsysteme erwartungsgemäß hohe Übereinstimmung haben werden. Ganz anders stellt sich die Ausgangslage dar, wenn der Wechsel in einen Großkonzern erfolgt.

Eine Frage der Erwartungshaltung

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Entscheidet sich dieser Mitarbeiter für einen multinationalen Konzern mit einer Matrixstruktur, braucht es nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, mit welchen Erwartungen er seine neue Position antreten wird. Er ist erfahrener Problemlöser und bringt viel Wissen und Können mit. Das alles möchte er gern einbringen. Unausgesprochen steht die Erwartung im Raum, genau dafür Anerkennung zu bekommen. Die Art und Weise, wie Prozesse gestaltet sind, mag der Neue als umständlich empfinden, sie scheinen oft dennoch nicht diskutabel zu sein. Der Neue setzt sich beispielsweise für den verstärkten internen Einsatz sozialer Medien ein, damit Entscheidungen beschleunigt werden. Schlägt er das vor, ist es nicht unwahrscheinlich, dass er mit strengen Auflagen für die Nutzung von Facetime, Googlezoom, Webex und Ähnlichem konfrontiert wird. Ähnlich widersprüchliche Erfahrungen macht die neue Führungskraft immer wieder, wenn sie das tut, wofür sie nach ihrem Verständnis eingestellt wurde. Sie soll doch mit frischem Außenblick neuen Schwung in die Organisation bringen.

In den ersten Wochen erkundet sie die Prozesse und Strukturen und identifiziert mit hoher Wahrscheinlichkeit Optimierungsbedarf. Das selbst initiierte Hinterfragen, warum etwas auf diese Art und Weise geregelt ist, kann bei Vorgesetzten und Mitarbeiterinnen schon zu Unmut führen. Der neue Mitarbeiter möchte der vermuteten, oft unausgesprochenen Erwartung, als Querdenker das Regelsystem in Frage stellen zu dürfen, nachkommen. Dass er damit an der Identität der Mitarbeiter kratzt, die sich mit dem Unternehmen identifizieren, so wie es über Jahre gewachsen ist, ist ihm häufig nicht bewusst oder er empfindet es nicht als relevant.

Welche Regeln sind im Vertrag festgelegt?

Es gibt einen schriftlichen Vertrag. Je nach Mindset und Prämissen der Unternehmensgründer und je nach Organisationsreifegrad fällt dieser Vertrag eher üppig oder sparsam aus. Der Detaillierungsgrad des Einstellungsvertrages ist aufschlussreich bezogen auf das zu erwartende Regelsystem. Je mehr schriftlich geregelt ist, desto höher scheint das Bedürfnis nach Kontrolle zu sein.

Ausgesprochene und unausgesprochene Regeln des einstellenden Unternehmens In einem Großunternehmen mit langer Tradition ist es wahrscheinlich, dass sich im Laufe der Jahre ein ausgefeiltes Regelwerk herausgebildet hat und es gewachsene Strukturen gibt. Viele Details sind geregelt, etwa über den Reisekostenantrag, die Zeiterfassung, das Bonussystem, Nutzungsmöglichkeiten und -beschränkungen der neuen Medien, Beförderungskriterien, die Auslegung der Datenschutzverordnung usw.

Regeln schaffen Sicherheit beim Onboarding

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Diese Regelungen geben Orientierung und schaffen Sicherheit im Umgang miteinander. Sie reduzieren die Komplexität, indem Verhaltensoptionen eingeschränkt und damit berechenbarer werden. Ein ausgefeiltes Regelwerk ist die Antwort des Unternehmens auf die Herausforderung, Mitarbeitern Orientierung in einem Umfeld mit wechselnden Anforderungen zu geben.

Beispiel konventionelle Unternehmen Der Umgang mit Daten ist ein anschauliches Beispiel. Sind Daten erst einmal veröffentlicht, können sie nicht mehr zurückgeholt werden. Welche Daten einem besonderen Schutz unterliegen, ist oft Ermessenssache. Genau festzulegen, welche Informationen nach außen kommuniziert werden, ist oberste Führungsaufgabe.

Die Grenzen sozialer Systeme

Grenzen in sozialen Systemen, wie beispielsweise Zugangs- oder Nutzungsbeschränkungen, sind das, was Filter für ein Objektiv sind. Filter können entsprechend den Lichtverhältnissen fein eingestellt werden. Sie dosieren den Lichteinfall auf die Linse. Diese Regulierungsfunktion findet sich in sozialen Systemen in den Systemgrenzen. Diese sind durchlässig in dem Sinne, dass sie filtern, welche und wie viele Informationen durchgelassen werden und welche nicht.

Das Prinzip Geben und Nehmen bezeichnen Matthias Varga von Kibéd und Insa Sparrer als ein systemisches Metaprinzip. Es “sichert eine Elastizität der Bindungskräfte des Systems auf jeder Systemebene. Dadurch fördert es die Stabilität und Adaptionsfähigkeit des Systems. (Ein zu geringer Austausch würde Systeme erstarren lassen […], ein zu starker würde zur Diffusion des Systems führen.)”

Welche Informationen werden wann zugänglich gemacht?

Zu entscheiden, welche Informationen zu welchem Zeitpunkt wem zugänglich gemacht werden, ist anspruchsvoll und erfordert viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl. Es liegt im Interesse des Unternehmens, eine klare Linie und Leitlinien für Entscheidungen vorzugeben, Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden oder den Wettbewerbsvorteil gegenüber Mitbewerbern nicht unnötig zu verkleinern. Auf der einen Seite sind Kooperationen über die Unternehmensgrenzen hinweg unerlässlich, um das innovative Potenzial des Unternehmens aufrechtzuerhalten.

Es braucht Austausch mit dem Umfeld, um den Anschluss nicht zu verpassen und Impulse für die Weiterentwicklung des Unternehmens sicherzustellen. Je höher die Anzahl der beteiligten Netzwerkpartner außerhalb des Unternehmens und je höher die Vernetzungsdichte ist, desto wahrscheinlicher ist es, innovative Lösungen zu finden. Zugleich werden die Forschungs- und Entwicklungsbereiche von der Außenwelt abgeschottet. Zugangsbeschränkungen in der realen und in der digitalen Welt regeln die Geheimhaltung von schützenswertem Wissen.

StartUps vs. konventionelle Unternehmen

Einschränkende Regeln für die Nutzung von Videokonferenzen, Twitter, Whatsapp, Facebook usw. mögen altmodisch wirken, vor dem Hintergrund der beschriebenen Risiken sind sie nachvollziehbar und sinnvoll. Die Stärke vieler großer Unternehmen liegt in stabilem Erfolg und oft jahrzehntelanger Tradition, auf die Mitglieder dieser Organisation häufig stolz sind. Diese Tradition wird als identitätsstiftender Wert empfunden. Ihn zu schützen, ist Ausdruck von Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber. Wird diese Stärke übertrieben, kommt es zu Überregulierung, die Arbeitsverrichtungen verlangsamen und im Extremfall das Unternehmen erstarren lässt.

Ganz anders stellt sich die Lage häufig in jüngeren Unternehmen dar, die sich durch hohe Flexibilität und Schnelligkeit in den Entscheidungen auszeichnen. Unter dem Sammelbegriff New Work werden Unternehmen gefasst, deren Arbeitsweise sich dadurch auszeichnet, nur das Elementarste zu regeln und den Mitarbeitern möglichst viel Gestaltungsspielraum zu geben.

Wie entstehen die OnBoarding-Regeln?

Die Ausgestaltung eines Regelwerks erfolgt gemeinsam und iterativ. Überflüssige Regeln oder solche, die dysfunktional geworden sind, werden durch regelmäßige Reflexionsschleifen identifiziert. Im Rahmen von beispielsweise Retrospektiven9 werden Vorschläge gemacht, überflüssige und dysfunktionale Regeln zu tilgen oder durch funktionale Regeln zu ersetzen. Durch die konsequente Ausrichtung an den Kundenbedürfnissen wird versucht, das Auswuchern des internen Regelsystems in Schach zu halten.

Diese Unternehmen sind in der Regel risikobereiter als traditionelle. Sie haben niedrigere Zugangsschwellen und einen höheren Vernetzungsgrad mit der Außenwelt. Wenige Regeln und Vorgaben erhöhen die Verhaltensoptionen. Mehr Kreativität ist möglich, und mit ihr steigt die Komplexität. Diese Dynamik bewusst in Kauf zu nehmen setzt voraus, Mitarbeiterverhalten nicht vorhersagen und kontrollieren zu wollen. Unternehmen mit einem iterativ mitwachsenden Regelwerk vertrauen auf die Kraft der Selbstorganisation. Die Komplexität ist hoch und kann mit traditionellen Führungsstrukturen nicht gemanagt werden.

Das eigene Wissen teilen

In den letzten Jahren ist es gängige Praxis, dass Topmanager traditioneller Großunternehmen zu einer Entdeckungsreise in das Silicon Valley pilgern. Inwieweit Erkenntnisse nach den Reisen adaptiert werden können und Einfluss auf die eigene Kultur haben werden, steht auf einem anderen Blatt.

Das eigene Wissen mit anderen zu teilen, kann zu einer Unternehmensdevise werden. Viele unkonventionelle Unternehmen fassen ihre Organisation als soziales lebendes System auf. Diese Vorstellung hat spürbare und sichtbare Auswirkungen auf den Umgang mit Information. Aufgrund erwartbarer positiver Wechselwirkungen und der Erhöhung des Bekanntheitsgrades des Unternehmens wird hohe Durchlässigkeit der Filter gelebt und durch die Unternehmensleitung gefördert. Immer häufiger öffnen unkonventionelle Unternehmen ihre Türen und laden Interessierte ein, gemeinsam mit ihren Mitarbeitern zu lernen.

Das Düsseldorfer Unternehmen Sipgate lädt beispielsweise regelmäßig in die eigenen Räumlichkeiten ein, um interessierte Nicht-Mitglieder der Organisation gemeinsam mit ihren Mitarbeitern fortzubilden. Auch Meetups anderer Initiatoren können abends in den Räumlichkeiten von sipgate durchgeführt werden:

»Irgendwann fiel uns auf, dass wir hauptsächlich im eigenen Saft schmoren. Leider lernt man dann nicht so viel. Der Pool an Wissen und neuen Ideen war begrenzt. […] Wir beschlossen, das zu ändern, und veranstalten seit 2014 die Abendveranstaltung Lean DUS. Jeden Monat laden wir namhafte Sprecher […] ein. Wir buchen jeweils einen Inhouse-Workshop […] und einen öffentlichen Vortrag abends, eben im Rahmen der Lean DUS«. 

Die Lernmöglichkeiten sind durch diese von Internen und Externen gemeinsam besuchte Austauschplattform enorm. Auch die Arbeitsprozesse und Besonderheiten der Unternehmenskultur werden durch regelmäßige Führungen transparent gemacht. Was früher als Industriespionage galt, kann zu einem neuen Verständnis von Koevolution werden, wie in diesem Beispiel anschaulich wird. Möchte eine Firma von einem unkonventionellen Unternehmen wie sipgate lernen, ist es nicht ungewöhnlich, dass diese Firma in die Räumlichkeiten von sipgate eingeladen wird, um mit- und voneinander zu lernen. Auch international suchen Firmen den Austausch untereinander.


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