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Von Simone Janson (Mehr) • Zuletzt aktualisiert am 31.01.2012 • Zuerst veröffentlicht am 31.01.2012 • Bisher 5182 Leser, 1233 Social-Media-Shares Likes & Reviews (5/5) • Kommentare lesen & schreiben
Manchmal stolpert man zufällig über Themen, bei denen es mir spontan schaudert. Denn ganz nebenbei erfährt man aus einer Pressemitteilung des Vereins Quality employer branding, kurz Queb e.V., wie gängig es offenbar mittlerweile an Hochschulen ist, Lehrveranstaltungen durch Unternehmen sponsoren zu lassen. Das Wort Hochschulmarketing erfährt dabei eine völlig neue Bedeutung.
Hochschulmarketing ist traditionell der Versuch, Studierende von den Qualitäten der eigenen Hochschule zu überzeugen.
Nun bekommt das Wort eine ganz neue Bedeutung: Sponsoren davon zu überzeugen, die Kosten für einzelne Lehrveranstaltungen zu übernehmen.
Eine Praxis, die ich mit gemischten Gefühlen sehe. Zum Beispiel auch, weil bestimmte wirtschaftsnahe Fächer eher in den Genuss einer Förderung kommen, andere aber hintenrunter fallen. Zudem darf sich gute Bildung eben nicht primär an den Erfordernissen des Arbeitsmarktes ausrichten:
Zu sehr ist dieser wirtschaftlichen Schwankungen unterworfen. Gerade auch im Hinblick um die heftigen Diskussionen zum Thema Fachkräftemangel sind solche Verknüpfungen mit Vorsicht zu genießen.
Nur zieht sich andererseits der Staat immer mehr von seinem Bildungsauftrag zurück und so ist es kein Wunder, dass die Hochschulen neue Finanzierungswege suchen – zum Beispiel in der privaten Wirtschaft.
Die wiederum profitiert auch von dieser Kooperation: Sie erreichen ihre Mitarbeiter in spe direkt an der Hochschule. Und auch die Studierenden könnten von den Unternehmenskontakten durch Praktika oder bei der Jobsuche profitieren. Eine Win-Win-Situation also für alle?
Irgendwie nicht. Denn die zahlenden Unternehmen beschweren sich nun – über angeblich mangelnde Transparenz, schlechte Organisation und zu viel Bürokratie. Der Unternehmensverband Queb, dem 44 Firmen wie die Allianz, die BASF oder die Deutsche Bahn angehören, hat nun sogar eine Pressemitteilung dazu herausgegeben.
Darin weist der Verein irreführend-euphemistisch auf die Bepreisung der Hochschulen durch Unternehmen (gemeint ist das Sponsoring!) hin. So heißt es:
„Generell unterstützt Queb eine Bepreisung solcher Veranstaltungen und hält sie in angemessenem Rahmen durchaus für legitim. Allerdings sollte Voraussetzung sein, dass die eingenommenen Mittel dann auch für eigenständige, zweckgebundene Initiativen der Hochschulen bzw. des jeweiligen Fachbereichs transparent verwendet werden. Sollte dies nicht der Fall sein, lehnt Queb eine solche Bepreisung entschieden ab.“
Heißt wohl im Klartext, dass die Unternehmen mehr mitreden möchten bei der thematischen Gestaltung der Lehrveranstaltungen. Und auch der hohe bürokratische Aufwand, die Tatsache, dass vom Lehrstuhl, über das Karrierecenter bis hin zum Facility Management alle mitreden wollen, stößt den Unternehmen übel auf.
Wie widersprüchlich, auf der einen Seite mehr Transparenz zu fordern, gleichzeitig aber auch über demokratische Entscheidungsprozesse zu beklagen! Wohin die Reise gehen soll, wird allerdings klar, wenn man liest, was Susanne Hüsemann, Geschäftsführerin von Queb, zu sagen hat:
„Hinzu kommt, dass viele der Mitgliedsunternehmen von Queb die unzureichende Organisation der Veranstaltungen vor Ort beklagen – bei den Preisen kaum nachvollziehbar. Auffällig dabei ist außerdem noch, dass die Veranstaltungen, wenn diese über studentische Organisationen gebucht werden, häufig wesentlich günstiger sind, als wenn sie bei den Hochschulen direkt organisiert werden.“
Sprich: Den Unternehmen sind die Preise zu hoch. Und da es ja bei studentischen Organisationen ja auch billiger geht, sollen es die Hochschulen doch bitte auch billiger machen. Zumal bei den Studenten der organisatorische Aufwand ja auch geringer ist. Finde nur ich, dass das ein wenig ist, wie Äpfel mit Birnen vergleichen?
Am Ende wird den Hochschulen auch noch ganz offen damit gedroht, ganz auf studentische Organisationen auszuweichen! Bildung, die wichtigste Resource unser wirtschaftlichen Zukunft, ist doch kein Ausverkaufsgut auf einem orientalischen Basar, um das man kostengünstig schachern sollte!
Wenn es Unternehmen ernst wäre mit ihrer Aussage, dass sie Bildung fördern, dann würden sie ein breites Bildungsangebot fördern und nicht nur zwckgebundene Verwendung der Mittel für Projekte, die nur den kurzfristigen Unternehmenszielen dienen.
Transparenz ist sicherlich sinnvoll – aber dann auch bitte Transparenz über die Ziele der Unternehmen und ihren Einfluss auf die Lehrinhalte! Sonst besteht die Gefahr, dass aus Lehrinhalten ganz schnell Leerinhalte werden!
Das ist übrigens ganz ähnlich wie beim Dauerbrenner-Thema Fachkräftemangel. Man sollte z.B. meinen, diverse Studien tragen dazu bei, das Thema Fachkräftemangel in Deutschland differenzierter zu sehen. Das Argument ist aber so zäh wie bequem – und die Wirtschaftspresse bemüht es fröhlich weiter.
Wir erinnern uns: Erst vergangene Woche hatte Spiegel Online vorab die Ergebnisse einer Studie von Arbeitsmarktsforscher Karl Brenke (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) veröffentlicht, nach der wir in Deutschland gar keinen Fachkräftemangel haben. Die dementsprechenden Meldungen, die seit Monaten durch die Presse geistern, sind also falsch oder zumindest nicht ganz korrekt.
Was aber nun irritierend ist: Trotz offenkundiger Zahlenbelege geistert das Märchen vom Fachkräftemangel auch in dieser Woche weiter durch die Presse – und zwar wohlgemerkt durch die seriöse Wirtschaftspresse! Dabei wäre nun wirklich dringend eine differenziertere Diskussion des Themas notwendig!
Das Manager Magazin etwa bedient weiterhin gewohnte Klischees: In einem Artikel über die steuerliche Benachteiligung von hinzuverdienenden Frauen kritisiert Arbeitsmarktforscher Eric Thode von der Bertelsmann Stiftung das geplante Betreuungsgeld, weil dadurch im Hinblick auf die Fachkräfteknappheit für den Arbeitsmarkt wichtiges Potenzial verloren ginge.
Und so wichtig und richtig wie ich den Tenor dieses Artikels auch finde, das Argument mit dem Fachkräftemangel wird auch hier einfach wieder kritiklos benutzt und nicht hinterfragt, um eine These zu stüzen – einfach weil man es halt kennt und weil das so bequem ist.
Die Wirtschaftswoche ist sicherlich nicht das einzige, aber doch eines der Medien, die das Thema Fachkräftemangel immer wieder gerne vertreten. 354 Suchergebnisse spuckt alleine die interne Suche auf wiwo.de zum Thema Fachkräftemangel aus – darunter diesen Text, der Arbeitskräfte als Mangelfaktor befürchtet:
Kein Wunder also, dass sich die diverse Journalisten daran gewöhnt haben, das Thema Fachkräftemangel bei jeder passenden Gelegenheit zu zitieren, wenn es um Employer Branding geht – und als eines der Argumente dafür auch den Fachkräftemangel nennen.
Sicher, es ist gut und richtig, dass Unternehmen sich im War for Talents rüsten und positionieren müssen – aber das Theme Fachkräftemangel darf nicht, zumindest nach der letzte Woche vorgelegten Studie, nicht als Panikargument herhalten, um Unternehmen von der Notwendigkeit des Employer Brandings zu überzeugen.
Umgekehrt wäre ein sofortiger Stopp sämtlicher Personal-Marketing-Aktivitäten nach dem Motto „Wir haben ja genug Leute, da müssen wir uns nicht anstrengen!“ genau so falsch. Was notwendig ist, ist eine differenzierte Betrachtung! Auch Recruiting-Expertin Eva Zils hält das in einem Kommentar auf meiner Facebook-Page für unseriös:
„Der Hype wird oftmals gerne auch von Dienstleistern aus der HR–Branche vorangetrieben. Auch wenn ich selbst zu dieser Branche gehöre, verwende ich den Fachkräftemangel nur ungern als Verkaufsargument. Inzwischen ist das einfach ausgelutscht….“
Aber wer weiß, vielleicht liegt Karl Brenke ja völlig falsch mit seiner These? Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln hat auf Brenkes Aussage jedenfalls prompt reagiert: „Und es gibt ihn doch“ – titelten sie trotzig am 18. November 2010.
Nur um dem Autor der DIW-Studie dann gleich noch eine fehlerhafte Analyse vorzuwerfen – Brenke hatte seinerseits die Methodik des IW kritisiert. Kann sich also jeder die Ergebnisse suchen, die er gerade für seine Argumentation braucht? Es scheint fast so…
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Simone Janson ist Verlegerin, Beraterin und eine der 10 wichtigsten deutschen Bloggerinnen laut Blogger-Relevanz-Index. Sie ist außerdem Leiterin des Instituts Berufebilder Yourweb, mit dem sie Geld für nachhaltige Projekte stiftet. Laut ZEIT gehört ihr als Marke eingetragenes Blog Best of HR – Berufebilder.de® zu den wichtigsten Blogs für Karriere, Berufs- und Arbeitswelt. Mehr zu ihr im Werdegang. Alle Texte von Simone Janson.
Finde es teilweise problematisch wie Unternehmen Einfluss auf die Bildung nehmen können…
Hallo Sandro, danke für Ihren Kommentar, ich stimme Ihnen voll zu.
Viele Grüße
Immer mehr Uni-Veranstaltungen sind gesponsort
Immer mehr Uni-Veranstaltungen sind gesponsort
[…] den Verein Quality employer Branding, kurz Queb und seine Aktivitäten zur Ökonomisierung der Hochschulen hatte ich schon in der Vergangenheit berichtet. Queb e.V. ist ein Unternehmensverband, dem 44 […]
[…] Dass solche großangelegten Projekte einen privaten Sponsor brauchen, der den Absolventen, die zudem für die Arbeit gebraucht werden, auch nach dem Abschluss unter die Arme greifen kann – das ist eine WinWin-Situation für alle beteiligten. Und als solche auch nicht verwerflich. Wobei man den Einfluss, den Unternehmen dann auf die Hochschulen haben bzw. gerne hätten, durchaus kritisch sehen muss. […]
– Sponsoring an der Uni. Eigentlich gut, aber die unabhängigkeit geht verlohren.
– Sponsoring an der Uni. Eigentlich gut, aber die unabhängigkeit geht verlohren.
Ich finde ihren Beitrag sehr gut. Transparenz fordern aber selbst keine bieten, ist leider wieder so typisch.
Das Problem der mühsamen Bürokratie an der Uni kenne ich leider nur zu gut. Wobei meine Universität für Projekte mit Unternehmen schon teilweise einige Hürden verringert (im Gegensatz zu Projekten um die wir Studenten selbst kämpfen), sind diese doch immernoch sehr hoch.
Das Problem ist leider das die heutige Wirtschaft und Politik nur noch sehr kurzfristig denkt und nicht mehr auf lange Sicht. Das Geld muss heute verdient werden, morgen könnte man schon insolvenz anmelden.
Danke, ich freue mich über eine Rückmeldung gerade bei diesem Artikel. Denn da hätte ich mal ein paar Fragen:
Finden die Studenten diese Kooperationen mit Unternehmen eher gut oder eher schlecht? Und macht sich das irgendwie in der Qualität der Lehre und dem Lernstoff bemerkbar?
Das mit dem kurzfristigen Denken sehe ich genau so: Oft steckt, wie Sie richtig beschreiben, eine Angsthaltung dahinter. Und das kommt dann dabei heraus!
Wenn Unternehmen Lehrveranstaltungen an Hochschulen sponsoren: Bildung – aber bitte mit Rabatt!: Manchmal stolpe…
Wenn Unternehmen Lehrveranstaltungen an Hochschulen sponsoren: Bildung – aber bitte mit Rabatt! #Business
#Blogpost Wenn Unternehmen Lehrveranstaltungen an Hochschulen sponsoren: Bildung – aber bitte mit Rabatt!
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