Von der (Internet)Öffentlichkeit eher unbeachtet fand  in Berlin der Kongress „Öffentlichkeit und Demokratie“ statt. Die geringe Werbewirkung sorgte denn auch für entsprechend wenig Andrang. Dabei gab es einige Highlights.

oeffentlichkeit-demokratie

Altbackener Eindruck, guter Inhalt

Zugegeben, das Programm mit immerhin 130 Referenten wirkte eher ein wenig altbacken, der Internetauftritt eher spartanisch und langweilig – jedenfalls im Vergleich zu hippen Web 2.0-Konferenzen wie der re:publica.

Auch die Ankündigungestexte zu den gut 70 Veranstaltungen machten wenig Lust auf mehr: M.E. waren sie für heutige Lesegewohnheiten eher zu sperrig und zu umständlich. Aber vielleicht gehörte ich auch einfach nicht zur Zielgruppe?

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Denn Leser erwarten heute, dass sie der unmittelbare Nutzen Veranstaltung direkt anspringt – etwa: „Wie verdiene ich Geld mit meinem Blog?“. Die Klischees bedienen andere Konferenzen mit großem Erfolg, um dann oft nur Altbekanntes wieder aufzuwärmen oder mit schönen Bildern und Pseudinformationen um sich zu werfen.

Löblich natürlich, dass eine Veranstaltung, der es um Medienanalyse als Gesellschaft und im Endeffekt um die Formation von öffentlickeitskritischen Aktionsbündnissen geht, sich nicht der marktschreierischen Methoden kommerzieller Verkaufsveranstaltungen bedienen will.

Warum muss unkommerziell langweilig sein?

Zumal die Veranstaltung von einem Bündnis von DJV über Humanistische Union, Hans Böckler Stiftung, Lobby Control bis zur Rosa Luxemburg Stiftung getragen wird und die Idee auf einer Sommerakademie von Attac entstand.

Schade allerdings, dass man dabei derart über das Ziel hinausschoss, dass es am Ende zum Großteil die ewig gleichen Gewerkschaftler und 68-er waren, die sich für das an sich gute Programm interessieren.

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Robin Meyer Lucht hatte im Vorfeld bereits auf carta analysiert, warum die linken Organisatoren das Internet eher mit Vorbehalten betrachten denn als Chance nutzen:

Heute hingegen scheint die Linke in Bezug auf mediale Entwicklungen eher zwischen Larmoyanz, Kritik und Aufbruch zu verharren: Man könnte als progressiv denkender Mensch durchaus zu dem Schluss kommen, dass sich im Netz teilweise Multitude-Ansätze zu manifestieren beginnen. Doch zugleich sind dieVorbehalte auf der linken Seite des politischen Spektrums gegenüber der vermachteten und kommerzialisierten Öffentlichkeit groß.

Fehlorganisation mach unkommunikativ

Ein weiteres Manko war für mich die Gesamtorganisation. Denn leider fanden die Veranstaltungen teils in der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) und teils im Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) statt, das ca. eine Viertel Stunde fußläufig entfernt war. Nicht weit, sollte man meinen, aber doch zu weit, um mal kurz von einer Veranstaltung zur anderen zu switschen.

Und auch ein Sammelpunkt fehlte so, weil viele Teilnehmer dann doch lieber im WBZ blieben, wo ein Großteil der Veranstaltungen stattfand. Dass das Catering nur aus Keksen und merkwürdigen schwammigen Brötchen bestand, tat ein Übriges, so dass der eine oder andere, wie z.B. meine Kollegin Ulrike Langer, es vorzog woanders zu essen. Der Netzwerkeffekt, wegen dem man sonst auch zu solchen Veranstaltungen geht, fehlte daher leider weitestgehend.

Wer die Wahl hat, hat die Qual

Lediglich die Programmvielfalt war ein Lichtblick – aber gleichzeitig ein weiteres Problem. Denn der eigentlich auf drei Tage angesetzte Kongress unterteilte sich in eine Auftaktveranstaltung am Freitag Abend, den Samstag zur Analyse und Kritik – während am Sonntag bis 13 Uhr Ideen und Projekte ausgearbeitet werden sollten. Möglich, dass dieser Terminplan den Berufstätigen geschuldet war. Nett auch die Idee, jedem Tag ein Motto zu geben.

Das Problem war allerdings, dass sich sämtlich Vorträge am Samstag kumulierten – und zwar in den Morgen- und Nachmittagsstunden. Oder wie brachte es Jens Best so schön auf den Punkt: „Es ist so viel parallel.“ Und so kam es, dass ich von 130 Veranstaltungen überhaupt nur 4 wahrnehmen konnte – schade, von den restlichen 126 wären sicher auch ein paar interessant gewesen!

Die Verlegerseite

In seinem Vortrag „Meinungsbildungsprozesse aus Sicht des Verlegers“ gab sich Konstantin Neven Dumont, der bei M. DuMont Schauberg Strategie und Kommunikation verantwortet, als Verteidiger des investigativen Journalismus. Seine These: Man muss die Fakten nicht nur investigativ recherchieren, sondern die Ergebnisse auch verbreiten.

Dafür müssen sich Medien untereinander besser vernetzen und zusammenschließen. Was klang wie eine nette Idee, halte ich in Wirklichkeit für die perfide Verteidigung der Medienkonzentration in der Mediengruppe M. DuMont Schauberg.

Philosoph oder Wolf im Schafspelz?

Daneben wurde Dumont, der damit kokettierte, sich erstaunlicherweise eher als Philosoph denn als Unternehmer zu sehen, nicht müde, das von Verlegern Leistungsschutzrecht als garant journalistischer Qualitätsarbeit zu verharmlosen. Auf die Problematik, dass Leser zunehmend von Print- in Onlinepublikationen abwandern, wusste er auch keine Lösung, zeigte sich jedoch als verfechter bezahlter Inhalte.

Für seine fehlendes unternehmerisches Durchgreifen z.B. bei handwerklichen Fehlern wurde er denn auch dem Publikum rüde kritisiert, passenderweise von einem fachfremden KfZ-Unternehmer. Leider wurde der Aspekt in der Diskussion nicht weiter aufgegriffen („Medienunternehmen sind ja doch etwas anderes“) obwohl es meiner Ansicht mal ganz gut täte, echte unternehmerische Maßstäbe auch an Medienunternehmen anzulegen.

Harrsche Worte zur Mittagspause

Wie zur Bestätigung kritisierte der freie Journalist Tom Schimmeck, immer gut für harsche Worte, in der Mittagspause die angebliche Sonderstellung von Medienunternehmen: Meinungsmache sei nämlich längst ein Massengeschäft, in dem die öffentliche Wahrnehmung immer mehr auf den Blickwinkel einzelner Popakteuere verengt werde.

Die Medienvielfalt sei längst ein Abbild der gesellschaftlichen Wirklichkeit – jede gesellschaftliche Gruppe hat ihr spezielles Medium, während ein Großteil der Medienmacher aus der Mittelschicht kommt – nicht zuletzt deshalb hätten es Themen wie Mindestlohn so schwer in Deutschland.

Politik als Seifenoper

Durch den Drang zu immer mehr Selbstinszenierung werde auch Politik immer mehr zur Seifenoper, zur hohlen Nummer – und der öffnet Populismus die Tür.
„Was haben wir seit Hugenberg, der maßgeblich am Aufstieg Hitlers beteidigt war, dazu gelernt?“ fragte Schimeck provozierend. Nur wenn Verleger neben unternehmerischem Sachverstand auch ein Sendungsbewusstsein mitbrächten, könne Demokratie einigermaßen funktionieren.

Dafür aber müsste die Gesellschaft die Medieninhaber stärker in die Pflicht nehmen. Zum Abschluss plädierte Schimeck für ein neues journalistisches Selbstverständnis – „zu viele angehende Journalisten werden gebrochen durch lebenslange Praktika und den Markt.“

Rundumabrechnung mit Traditionsmedien

Ähnlich revolutionär ging es nach der Mittagspause weiter: Der Publizist Walter van Rossum sprach über den Konformismus als journalistische Weltanschauung am Beispiel der Tagesschau. Was zunächst etwas geschwätzig und langweilig begann, entwickelte sich nach und nach zu einer Rundumabrechnung mit den Traditionsmedien.

Denn obwohl van Rossum ganz offenbar mit dem Social Web nicht viel am Hut hat (zumindest hat er davon nichts erzählt), war sein Hauptkritikpunkg an der Tagesschau doch überraschend Web-2.0-ig: „Man kann als Journalist nicht nur wiedergeben, sondern muss auch mal Stellung beziehen. Die Tagesschau hingegen hat die irre Phantasie völlig objektiv zu sein, denn sie gibt das Tagesgeschehen ja nur wieder!“

Irre Phantasie völliger Objektivität

Dabei würde, so van Rossums Kritik, die Tagesschau den einfachsten Kriterien der Journalistenschule nicht Stand halten.Und sie sei alles andere als objektiv: „Die vermeintliche Objektivität ist nur ein Schutzschild, damit sie keinerlei Angriffspunkte bietet. In Wirklichkeit ist die Tagesschau ist maximal angepasst.“

Auch die Gründe für die Anpassung hatte van Rossum schnell ausgemacht: Die Zwangserstarrung, in der sich der etablierte Apparat ARD befindet – und mit ihm seine Akteure: „Die Tagesschau kommt mit 12 Staatsschauspielern für das ganze Jahr aus, klappern Termine ab und berichten von Pressekonferenzen, statt sich einfach mal die Welt anzuschauen“.

Hofschauspieler in Zwangserstarrung

Den einzelnen Akteuren, mit denen von Rossum für Recherchen nach eigenen Angaben durchaus versucht habe, über das Thema zu reden, sei diese Erstarrung allerdings gar nicht klar: „Mit Anne wille kann man glaub ich nicht richtig reden. Denn wenn man mit Journalisten über ihre Arbeit redet, sagen die ihnen Sachen aus dem Lehrbuch und denken wirklich, sie tun genau das!“

Für dieses Fehlen an Kritkfähigkeit machte von Rossum die Strukturen verantwortlich: „Der Appart schluckt alles. Und wenn man erstmal Bestandteil des Medienapparates ist, fällt es schwer, Kritik zu üben.“

S21 – überraschend aktuell

Die eigentlich beste Veranstaltung des Tages war für mich eine Podiumsdiskussion über die Vorfälle in Stuttgart (s21). Auch wenn irgendwie keine richtige Diskussion aufkam, weil alle Podiums-Teilnehmer einer Meinung waren, fühlte ich mich doch sehr gut über die Hintergründe der Stuttgart21-Diskussion informiert.

Ebenfalls gut fand ich, dass in die schon länger geplante Diskussion auch die Ereignisse zwei Tage zuvor Eingang fanden und die Bedeutung der Internet-Kommunikation dabei betont wurde. Inhaltlich empfehle ich allen interessierten daher, sich den Live-Stream der Veranstaltung anzuschauen.


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