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Offenlegung & Urheberrechte: Bildrechte bei 360b. Außerdem Bildmaterial erstellt im Rahmen einer kostenlosen Kooperation mit Shutterstock. Text ursprünglich aus: “Gescheiterte Titanen: Welche neuen Manager unsere Welt braucht” (2015), erschienen bei FAZ Verlag, Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags.
Von Carsten Knop (Mehr) • Zuletzt aktualisiert am 28.08.2022 • Zuerst veröffentlicht am 12.06.2015 • Bisher 6215 Leser, 1520 Social-Media-Shares Likes & Reviews (5/5) • Kommentare lesen & schreiben
Kämpfe, Leiden und Erfolge des Unternehmens spiegeln sich häufig in der Person und dem Verhalten des Vorstandsvorsitzenden. Seltener ist er ein Held, häufiger ein Buhmann – So wie im Fall Josef Ackermann.
Josef Ackermann wird von Wegbegleitern als eitel beschrieben. Diese Eitelkeit erklärt vielleicht auch teilweise, warum sein Abschied von der Deutschen Bank so holprig verlief. Denn Ackermann konnte sich ein Leben ohne Chef-Sein schlicht nicht vorstellen.
Als Josef Ackermann zur Deutschen Bank kam, rühmte man ihn intern als den besten Banker auf diesem Planeten. Fast 20 Jahre später versinnbildlichte sein Rücktritt
als Vorsitzender des Verwaltungsrats der Zurich Insurance das Ende
einer Karriere.
Wie manch anderer selbstbewusster und viele Jahre
höchst erfolgreicher Manager hat es Ackermann nicht verstanden,
rechtzeitig aufzuhören. Dabei hatte gerade er jede Möglichkeit dazu,
sich mit anhaltenden “standing ovations” zu verabschieden.
Er hatte viele Fehlentwicklungen früher als andere erkannt und “späte Reue”
gezeigt, wie es sein früherer Kommunikationschef Stefan Baron in seinem
Buch über Ackermann beschreibt. Sein Abgang aber gereichte
dem Schweizer nicht zur Ehre.
Josef Ackermann, der Mann, der in seiner Amtszeit zum Synonym des
deutschen Großbankers wurde, hatte stets für mannigfaltige Schlagzeilen
und öffentliche Debatten gesorgt. Manchmal kam er dabei gut
weg, sehr viel häufiger schlecht.
In der breiten Öffentlichkeit war sein Ruf viele Jahre lang dennoch gar nicht so übel, was auch Barons Verdienst gewesen ist. Dabei ist “Joe”, wie er verkürzend genannt wird,
der Mann mit dem unsäglichen “Victory”-Zeichen im Mannesmann-
Prozess.
Er ist auch derjenige, der von der Deutschen Bank in einem
menschlich abgründigen Machtkampf gar nicht mehr lassen wollte,
der Manager der Finanzkrise, der am Ende bei der Kanzlerin nicht
mehr so wohlgelitten war wie zu ihrem Anfang.
Und er war der Aufsichtsrat von Siemens, der sich dort heftig mit seinem alten Freund,
dem Siemens-Aufsichtsratsvorsitzenden Gerhard Cromme, gestritten
hat. Immer gab es für das Verhalten von Ackermann gute Gründe.
Manchmal hatte er einfach nur Pech. Aber am Ende war alles eine
Frage des Timings.
Dem mit einer Finnin verheirateten Weltbanker, der sich immer so
gefühlt hat, als befinde er sich mit allen Mächtigen dieser Welt auf
Augenhöhe, kann man zahlreiche Rollen zuschreiben – denn er war auf vielen Bühnen tätig.
Mit seinem Rücktritt vom Verwaltungsratsvorsitz
der Zurich Insurance fiel der Vorhang. Ackermanns wichtigste
Bühne war aber die Deutsche Bank, und dort zog sich sein Abschied
über quälend lange Jahre hin. Zunächst hatte Ackermann seinen
Rücktritt schon auf der Hauptversammlung 2009 dem damaligen
Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Börsig nahegelegt.
Da Ackermann mit Berufung auf das deutsche Aktiengesetz es aber nicht als seine
Aufgabe angesehen hatte, einen Nachfolger aufzubauen, war auf die
Schnelle kein eindeutiger Favorit vorhanden. Daraufhin prüfte Börsig
seinen eigenen Wechsel von der Aufsichtsrats- an die Vorstandsspitze,
was nur wenige zufriedenstellte.
Dass Ackermann nach Bitten des Aufsichtsrats schließlich seinen Vertrag dann doch um drei Jahre verlängerte, verhinderte nicht das Zerwürfnis zwischen Börsig und ihm.
Und dieses belastete Verhältnis sollte dem Ruf der Bank (und letztlich
auch dem von Ackermann) in den Folgejahren noch nachhaltig schaden.
Kurz nach dem Hickhack um die Vertragsverlängerung Ackermanns
kam es zur sogenannten Spitzelaffäre, in der es um die Ausforschung
eines kritischen Aktionärs ging. Der Verdacht, dass Börsig diese Ausforschungen
in Gang gesetzt hatte, wurde durch die Ermittlungen der
Staatsanwaltschaft und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
Bafin nicht bestätigt. Trotzdem blieben tiefe Kratzer am Image
der Deutschen Bank und auch mancher interner Zwist.
Der Ruf des Instituts hat danach durch weitere Skandale und Affären gelitten. Die
meisten der damit verbundenen Rechtsrisiken sind zwar dem früher
von Anshu Jain geleiteten Investmentbanking zuzuordnen. Aber als
damaliger Vorstandsvorsitzender trägt Ackermann auch eine Verantwortung.
Zumal er noch auf der Hauptversammlung 2006 – ganz im
Sinne von Otto Scharmer – gesagt hatte: “Kein Geschäftsabschluss der
welt ist es wert, den guten Ruf der Deutschen Bank aufs Spiel zu setzen.”
In der Wahrheit der täglichen Bankgeschäfte indes sah sie Welt,
wie man inzwischen weiß, ganz anders aus.
Das Verhältnis von Josef Ackermann zu seinen beiden Nachfolgern Anshu Jain und Jürgen Fitschen ist bis heute angespannt. Ackermann wollte statt ihrer ohnehin lieber den damaligen Bundesbankpräsidenten Axel Weber als seinen Nachfolger durchsetzen.
Doch Weber zog den Verwaltungsratsvorsitz der Schweizer UBS vor.
Als die Entscheidung für die Doppelspitze aus Jain und Fitschen dann
getroffen war, blieb die Deutsche Bank ohne ihn selbst für Ackermann
aber noch immer unvorstellbar.
Er hätte auch den Aufsichtsratsvorsitz übernommen, was jedoch aus Gründen guter Unternehmensführung verpönt ist, weil dann der Vorgänger nicht nur seine Nachfolger kontrolliert, sondern auch sein Vermächtnis.
Ein Viertel der Aktionäre hätte dem direkten Wechsel von der Vorstands- an die Aufsichtsratsspitze zustimmen müssen. Dieses Votum indes wurde immer unwahrscheinlicher, so dass Ackermann darauf verzichtete.
Die Entscheidung teilte die Bank am 14. November 2011 mit. Am selben Tag wurden die
staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen und Durchsuchungen im Zusammenhang
mit einer Aussage Ackermanns in dem Prozess bekannt,
den damals der inzwischen verstorbene ehemalige Medienunternehmer
Leo Kirch gegen die Deutsche Bank führte. Schlechter hätte das Timing
für die Bekanntgabe des Abschieds von Ackermann also wahrlich
nicht ausfallen können.
So sollte es weitergehen. Hoch ging es in den Wochen vor Ackermanns
späterem Ausscheiden bei der Zurich Insurance auch im Aufsichtsrat
des deutschen Vorzeigekonzerns Siemens her.
Dort war die Ablösung des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Peter Löscher stark umstritten. Die Dissonanzen im alten Vorstand um Löscher führten zudem
zu Konflikten und Intrigen im Aufsichtsgremium.
Ackermann lavierte herum: Als Stellvertreter des Aufsichtsratsvorsitzenden Gerhard Crommes hatte er selbst angeblich Ambitionen, den geschwächten Chef
abzulösen. Dementiert wurde natürlich alles – sowohl das Ziel als
solches als auch alles andere. In jedem Fall hatte Ackermann seinen
Ruf danach ebenfalls bei Siemens ruiniert.
Gegen Ende seiner Zeit bei der Deutschen Bank räumte Ackermann
offen ein, das “Mikromanagement” habe ihn zuletzt nicht mehr
gereizt. Stattdessen reiste er unablässig um die Welt; seine Gesprächspartner
waren nicht nur Kunden der Bank, sondern vor allem auch
Politiker.
Ackermann machte auch keinerlei Hehl aus seiner Freude
über diese internationale Prominenz. Klar ist: Ackermann hat, nicht
als erstes Alphatier in der Wirtschaft, den richtigen Zeitpunkt zum
Aufhören verpasst. Dabei hatte er schon 2007 angekündigt, in ein paar
Jahren aufhören zu wollen, ausdrücklich ohne in den Aufsichtsrat der Bank zu wechseln. Er wolle Erfahrungen weitergeben, begründete er
das damals: “An der Uni oder vielleicht auch im gesellschaftlichen
Bereich.”
In seiner Jugend hatte der Schweizer wissenschaftliche Neigungen
besessen; Interesse an diesen Themen war auch in reifen Jahren
noch vorhanden. Diesem Plan blieb er lange treu. Im Januar 2009
sagte Ackermann zu später Stunde kurz vor dem Ende des damaligen
weltwirtschaftsforums in Davos, seine Ruhestandsplanung stehe fest.
Er habe viele Pläne; die ersten Abschiedsgeschenke trudelten schon
ein. So berichtete er von einem Präsent des deutschen Sprinters Armin
Hary, das ihn bewegt habe. Dazu muss man wissen, dass Ackermann
in seinen jungen Jahren selbst ein begeisterter Leichtathlet
war und die Karriere des rund elf Jahre älteren Hary gewiss genau verfolgt hat.
Hary jedenfalls hatte ihm ein Buch über sich mit einer vielsagenden
Widmung hinterlassen: “Von Sprinter zu Sprinter”.
Ackermann und seine Zuhörer wussten damals zwar, dass Hary in seinem
Sportlerleben zu häufig zu früh losgelaufen war. Aber sie wussten
noch nicht, dass Ackermann in den Monaten danach den perfekten
Zeitpunkt dafür verpassen würde, durchs Ziel zu laufen.
Er ließ so auch die Gelegenheit verstreichen, sich mit dem Eindruck zu verabschieden,
die Deutsche Bank glänzend durch die Finanzkrise geführt
zu haben. Seine Nachspielzeit ist Ackermann nicht gut bekommen –
weder in Deutschland noch in der Schweiz.
Dort hatte Ackermann seinen Hut als Verwaltungsratschef der Zurich Insurance Group nehmen müssen, nachdem der ehemalige Finanzchef Pierre Wauthier Selbstmord
begangen hatte. In einem Abschiedsbrief hatte Wauthier Ackermann
vorgeworfen, er habe ihn unter Druck gesetzt.
Allerdings haben spätere Untersuchungen ergeben, dass kein “ungebührlicher Druck”
auf Wauthier ausgeübt wurde. Ackermann hatte den Vorwurf ohnehin
stets bestritten Wenn er nun negative Texte über sich liest, denkt
er vielleicht manchmal an Armin Hary, den einst schnellsten Mann
der Welt und Olympiasieger von Rom:
Hary erlebte schon damals, was auch Athleten heute unter der Überschrift Generalverdacht trifft. Ihm schlugen Zweifel, Misstrauen und Ablehnung entgegen. Eigennutz
und Arroganz warf man Hary vor. Dennoch ist Hary der letzte Deutsche
und letzte Europäer, der den 100-Meter-weltrekord gehalten hat.
Steht ein Mensch nicht am Ende seiner Karriere, sondern steigt neu in die Rolle des Vorstandsvorsitzenden ein, hat er meist keine Zeit mehr, langsam in seine neue Aufgabe hineinzuwachsen. Ein guter Kommunikationschef kann manches drehen, aber der Vorstandsvorsitzende, die Strategie und die Kommunikation eines Unternehmens müssen in
jeder Hinsicht zusammenpassen – auch dauerhaft.
Die Frage, wie sich ein Vorstandsvorsitzender und sein Umfeld auf diese Herausforderung
am besten einstellen können, versucht zum Beispiel das Buch “Der
CEO-Navigator” zu beantworten. Der Autor Jan Hiesserich, Mitarbeiter der in Deutschland recht erfolgreichen strategischen Kommunikationsberatung Hering Schuppener, versucht darin, möglichst klare Handlungsanweisungen zu geben, die wie so häufig bei Ratgeberbüchern zunächst nach gesundem Menschenverstand klingen – in der
Praxis aber alles andere als trivial sind.
Denn wie vielen Vorstandsvorsitzenden ist schon in letzter Konsequenz klar, dass sie sich auch in der Funktion eines Kommunikators definieren müssen und diese Rolle mit
der Strategie ihres Unternehmens abzugleichen haben?
Die Alternativen sind frühes Scheitern oder höherer Unternehmenserfolg
und damit verbunden eine bessere Gesamtkapital- und Aktienrendite.
Letzteres gelingt aber nur, wenn die Strategie zum Vorstandsvorsitzenden
passt und dieser die Strategie auch schlüssig gegenüber
allen Stakeholdern kommunizieren kann.
Wenn sich der Vorstandschef aber zum Beispiel in der Rolle eines Weltbankers oder auch eines technikverliebten Ingenieurs gefällt, tatsächlich jedoch ein Sanierer
gefordert ist, wird die Situation sowohl für das Unternehmen als auch
für den Chef misslich.
Ein Vorstandsvorsitzender muss in der heutigen Zeit gewiss mehr als je zuvor vor allem die
gesellschaftspolitischen Konsequenzen des Handelns des von ihm zu
führenden Unternehmens im Auge behalten, und zwar unabhängig
davon, ob er als Retter, Innovator oder Bewahrer geholt worden
ist.
Hinzu kommt, dass auch der Kapitalmarkt enorme Ansprüche
an den Vorstandsvorsitzenden und seine Kommunikation entwickelt.
Die öffentliche Wahrnehmung des Betreffenden hat unmittelbaren
Einfluss auf die Bewertung des Unternehmens: Investitionsentscheidungen
werden massiv durch das Bild beeinflusst, das Investoren von
dem jeweiligen Vorstandschef haben. Sein Profil in den Medien ist von
entscheidender Bedeutung. Es muss ihm gelingen, durch zielgruppengerechte
Kommunikation Widerstände abzubauen, Handlungsspielräume
zu eröffnen, die Stakeholder in ihren Interessen wahr und ernst
zu nehmen.
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Carsten Knop ist Wirtschaftsredakteur bei der Frankfurter Allgmeinen Zeitung.Knop studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität Münster und absolvierte 1993 ein Volontariat bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. An die journalistische Ausbildung schloss sich 1995 die erste Redakteursstelle an: Für die “Börsen-Zeitung” ging er nach Düsseldorf kehrte 1996 in das Düsseldorfer Büro der F.A.Z. zurück. Nach drei Jahren Berichterstattung über die Unternehmen an Rhein und Ruhr ging er im Mai 1999 als Wirtschaftskorrespondent nach New York, im April 2001 folgte der Umzug nach San Francisco, um das Geschehen im “Silicon Valley” zu beobachten. 2003 kehrte er in die Frankfurter Zentrale zurück und war ist dort seit Anfang 2007 u.a. verantwortlicher Redakteur für die Unternehmensberichterstattung, seit Ende 2014 zudem für die Wirtschaftsberichterstattung. Knop ist verheiratet und hat zwei Kinder. Alle Texte von Carsten Knop.
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