“Gleiches Geld für gleiche Arbeit – geschlechtsunabhängig”: So lässt sich das Ziel des Entgeldtransparenzgesetztes (EntgTranspG) zusammenfassen. Dieses Gesetz soll vor allem Frauen dabei unterstützen, ihren Anspruch auf gleiches Entgelt bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit besser durchzusetzen. So der Wille des Gesetzgebers – aber wie steht es mit der gelebten Realität?

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Der Status Quo

Das statistische Bundesamt stellte kürzlich eine Lohnlücke zwischen Frauen und Männern von ca. 22 Prozent fest. Andere Erhebungen betrachten zudem Faktoren wie häufige Teilzeitarbeit, Pausen durch Schwangerschaft und Familienarbeit sowie die Tatsache, dass Frauen seltener in Führungspositionen und wesentlich häufiger in schlechter bezahlten Berufen arbeiten als Männer.

Rechnet man diese Effekte aus der Statistik heraus, verbleibt immer noch eine Lohndiskrepanz von ca. sieben Prozent für vergleichbare Arbeit und Qualifikation – das ist schlimm genug und muss schnellstmöglich korrigiert werden.

Wie zielführend ist das Gesetz?

Knapp ein Jahr nach Beschluss, ist das Gesetz nach wie vor viel diskutiert und kommentiert und tatsächlich bleibt es fraglich wie zielführend das EntgTranspG im Hinblick auf tatsächliche Lohngerechtigkeit wirklich ist.

Bewusstseinschärfung als erster Schritt

Den einzigen reellen Wert sehe ich persönlich in der Bewusstmachung für Lohngerechtigkeit, die durch die neu festgelegte Transparenzpflicht im EntgTranspG eingefordert wird. So werden Unternehmen gezwungen, sich wirklich mit dem Thema zu beschäftigen. Sie müssen endlich eigene Strukturen hinterfragen, Benachteiligungspotenziale erkennen und Diskrepanzen identifizieren. Unternehmen müssen sich also für interne Nachfragen wappnen und diese auch begründet beantworten können.

Dennoch: Wirkliche Diskriminierung nachzuweisen bleibt schwierig – es gibt keine absolute Vergleichbarkeit. Bei Teilzeitbeschäftigten beispielsweise treffen gewisse Stufensteigerungen wie häufiges Reisen oder Stellenanforderungen wie wechselnde Einsatzorte nicht zu. Diese Vergleichsfaktoren sind aber nötig, um eine allgemeine Gleichwertigkeit in der Bezahlung herzustellen. Nur so kann geklärt werden, in welchen Fällen ein bestimmtes Gehalt ungerechtfertigt geringer ist und ob ein Geschlechtertrend vorliegt.

Unternehmen können sich Unterschiede nicht mehr leisten

Kein Unternehmen, gleich ob Mittelständler, Beratung oder Großkonzern, kann es sich heute mehr leisten, beim Gehalt nachweislich starke Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu machen. Dafür ist der aktuelle Arbeitsmarkt viel zu stark von den Arbeitnehmern und Kandidaten getriebenen. Und diese fordern die gesetzlich zugesicherte Lohntransparenz auch zunehmend ein. Diese Transparenz nützt aber auch den Arbeitgebern: Sie schafft Vertrauen und zeigt, dass sich Unternehmen an Anforderungen und Qualifikationen orientieren und nicht am Geschlecht.

Aus meiner Sicht ist Transparenz aber auch ein Spiegel der Unternehmenskultur – und kein Selbstzweck. Wird Offenheit gelebt oder nur in die Firmenwerte geschrieben? Ein faires, kompetitives Gehalt, ob für Mann oder Frau, gehört genauso dazu, wie WorkLifeBalance-Modelle. Diese sind bereits seit Jahren fester Bestandteil einer jeden Mitarbeiterzufriedenheitsbefragung, wie sie etwa das Great Place to Work-Institut durchführt.

Transparenz ist kein Selbstzweck

Zudem sind alternative Familienstrukturen längst keine Ausnahme mehr. Männer nehmen nicht nur Elternzeit, sondern Familien entscheiden sich immer öfter bewusst dafür, abwechselnd im Beruf zu stehen und den Familienalltag wechselweise zu meistern – oder eben komplett gleichverteilt in Teil- oder Vollzeit zu arbeiten. Diese veränderten Rollenmodelle machen Gehaltsgleichheit und -transparenz nicht mehr zu einem reinen “Frauen-Thema”.

Trotz all dieser Veränderungen warte ich noch immer auf die Bewerberin, die mutig fragt: “Frau Martensmeier, was verdienen denn im Schnitt die Männer in dieser Position?” Trauen sich die Bewerber(innen) nicht oder ist diese Frage in Zeiten der Gleichstellung bereits verpönt bzw. total überholt? Mein Appell gilt insbesondere den Frauen: Lasst euch nicht nachsagen, ihr hättet einfach schlecht verhandelt. Informiert euch, lest marktvergleichende Studien, holt Vergleichsdaten aus euren Netzwerken ein und erarbeitet euch die Pole-Position. Diese Informationen zu haben, gibt firmenübergreifende Einblicke in Gehälterstrukturen und Mut offensiv zu verhandeln.

Ein erster Schritt zur Bewusstseinsschärfung, aber noch ein langer Weg zur wirklichen Lohngerechtigkeit

Trotz dieser Verbesserungen stellt sich die Frage, ob das Entgelttransparenzgesetz das richtige Mittel dafür ist, Lohngerechtigkeit zwischen Männern und Frauen herzustellen. Denn durch die Einführung hat sich im ersten Moment nicht viel geändert. Ein neues Gesetz alleine führt nicht zu einem grundsätzlichen Umdenken bei den Unternehmen oder zu anderen Lebenswirklichkeiten für die Menschen.

Es gilt vielmehr eine gesamtgesellschaftliche Diskussion anzuregen, um Lohngerechtigkeit herzustellen. Kurz: Das EntgTranspG ist einer erster, aber bei weitem nicht der letzte notwendige Schritt auf dem Weg zur Lohngleichheit.