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Künstliche Intelligenz ist auf dem Vormarsch, doch oft fehlen Fachkräfte, um die Entwicklung voranzutreiben. Worauf sollten Unternehmen beim IT-Recruiting achten und was macht echte KI-Spezialisten aus? Interview mit Marc-David Rompf von der Personalberatung dla.

Marc-David Rompf ist Mitgründer und Principal der Personalberatung dla Digital Leaders Advisory. Er ist spezialisiert auf die Besetzung von Top-Managementfunktionen in Business & Professional Services Unternehmen. Bei dla verantwortet er die Bereiche Assessment und Succession. Als Experte für Leadership Development beschäftigt sich Marc mit der Frage, was Menschen in Führungspositionen zu Höchstleistungen bringt und welche Verhaltensparameter erfolgsrelevant sind. Damit unterstützt er komplexe Mandate, die einen interdisziplinären Ansatz aus Search, Organisationsberatung und individuellem Coaching erfordern. Vor der Gründung von dla in 2017 arbeitete Marc bei den renommierten Executive Search Beratungen LAB & Company und Mercuri Urval. Er ist Psychologe (M.Sc.), mit Grundausbildung in der systemischen Beratung sowie zertifizierter Business Coach. Marc ist verheiratet und hat einen Sohn.

Herr Rompf, fast 13 Milliarden Euro budgetiert z.B. China zur KI-Förderung – nur für die Stadt Tianjin. Kann Deutschland angesichts solcher Summen bei der Entwicklung von KI-Innovationen überhaupt noch wettbewerbsfähig bleiben?

Ja, da bin ich sehr zuversichtlich. Diese Diskussion kreist bei uns derzeit viel zu sehr um den monetären Faktor. Die Zahlen aus China sind natürlich eindrucksvoll, aber allein mit großzügig gestreuten Summen schafft ja niemand Innovationskraft, schon gar nicht in einem abgeschlossenen System. Dazu benötigt man Vor- und Freidenker: den Nachwuchs aus dem eigenen Bildungssystem und eben auch KI-Talente aus aller Welt, um das Wissen zirkulieren zu lassen.

Für ein gutes Abschneiden des KI-Standorts Deutschlands im internationalen Vergleich ist es daher gar nicht so entscheidend, ob man drei oder vier Milliarden in Grundlagenforschung oder andere Facetten des Themas investiert. Sondern ob es heute gelingt, KI-Spezialisten davon zu überzeugen, dass ein langfristiges berufliches Engagement in Stuttgart, Berlin oder München genauso interessant ist wie eine Position in Seattle, San Francisco oder Tel Aviv.

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Gerade die KI-Platzhirsche im US-Markt wie Facebook, Amazon, OpenAI oder die TOP-Liga der US-Universitäten bieten nun aber neben teils astronomischen Jahresgehältern auch eine erstklassige Karrierestation. Wie kann man da als Zalando oder RWE mithalten?

Das muss man gar nicht – bei den kolportierten Gehältern geht es sehr oft um die Speerspitze, die „Besten der Besten“. Manager dieser Liga benötigen außerdem Teams und Organisationsstrukturen, die sich bereits auf Google/Amazon-Niveau befinden oder zumindest nah dran sind, um KI-Entwicklungen in neue Dimensionen pushen zu können.

In den meisten Fällen geht es aber darum, erst einmal ein Fundament von KI-Knowhow und Technologien zu schaffen. Dafür sind andere Mitarbeiter notwendig: zum Beispiel Softwareentwickler für AI & Machine Learning, Spezialisten für visuelle Bildverarbeitung in der Industrie oder für Social Media Marketing im Handel. Also häufig Data Scientists oder Analysten, die aus einer bestimmten Datenbasis einen Mehrwert für das Unternehmen erzeugen.

Nach großen KI-Innovationen klingt das nicht …

Naja, es geht ja auch darum, die Kompetenzen innerhalb der Organisation neu aufzubauen und so zu vernetzen, das KI-Innovationen entstehen. Zumal, was ist überhaupt – technologisch – state-of-art in der KI? Welchen Impact hat KI in Zukunft auf Arbeitskulturen? Wer definiert die rechtliche Dimension, etwa anhand einer „KI-Governance“? Dazu gibt es keinen Masterplan, das entwickelt sich im Fluss.

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Die TOP-Marken der Automobilindustrie sind hier schon auf dem richtigen Weg, gerade in Deutschland. Fast alle haben inzwischen Betalabs, also Innovationszentren, in denen auch KI-Anwendungen getestet werden, auch im internationalen Austausch. Besonders spannend ist, dass sich dort momentan immer häufiger die Position des ‚KI Gurus‘ als wesentlich für den Erfolg von KI-Initiativen herauskristallisiert.

Was hat es damit auf sich?

Es handelt sich um einen KI-Generalisten, sehr vereinfacht gesagt. Der oder die eben nicht nur eine smarte Software programmieren, sondern das Thema auch Marktseitig steuern kann. Also seinen Kunden vermittelt, was realistisch ist und was nicht: Was lässt sich wie schnell umsetzen? Hat das Unternehmen dafür die Use Cases und Leistungsfähigkeit?

Auf dem Bewerbermarkt gibt es momentan viele Kandidaten aus großen Technologieberatungen mit Presales-Background zu OT Software und Business Intelligence, die jetzt auf KI „umsatteln“. Das sind meiner Meinung nach aber eben nicht die Experten für die Guru-Rolle. Sondern diejenigen, die sich an renommierten Lehrstühlen in diesem Kosmos bewegt haben und dann einen relevanten Weg in fachlich tiefe Themen gefunden haben. Diese Profile findet man sehr oft in Deutschland – das ist ein Standortvorteil, der noch viel zu selten wahrgenommen wird.

Von welcher Größenordnung sprechen wir da?

Für eine Position bei einem global aufgestelltem, europäischem Technologieunternehmen stellten wir eine Auswahl geeigneter Kandidaten mit unterschiedlichen Erfahrungs-Leveln zusammen, vom Vice President (VP) bis hin zu Personen mit wenigen Jahren Berufserfahrung, die stattdessen aber den erwähnten Research-Hintergrund hatten.

Das waren ca. 150 Personen, davon konnten wir rund ein Drittel streichen, aufgrund ihrer zu kommerziellen Rolle. Ein weiteres Drittel fiel raus, weil es andere Ausprägungen hatte, etwa als Data Scientist oder aus der IT Beratung.

Bleiben 50 …

Richtig, 50 relevante Profile – aber jetzt kommt ein interessanter Punkt: die waren alle unterschiedlich. Da kam zum Beispiel jemand aus der Automobilindustrie, der ein Applied AI Research Center aufgebaut hatte, in dem es um das schnelle Testen und Realisieren von KI-Lösungen ging.

Eine KI-Expertin hatte bei einer Versicherung für die Konzernmarke die KI-Roadmap und Strategie mit definiert. So jemand kann das Thema auch in verschiedene Branchen transferieren – und diese Kandidatin war dann schließlich auch die eine aus 150, die unser Kunde einstellte.

Konkret bei diesem Beispiel – was macht diese Expertin zu einem „KI-Guru“?

Zum Beispiel, dass sie über Studienabschlüsse in Informatik und Sprachwissenschaften verfügt. Das ist eine sehr gute Kombination, wenn es im Job – wie in diesem Fall – unter anderem um die Einführung von Sprachassistenten geht. Und man dann Querdenken muss, also etwa Lösungen dafür finden soll, wie Belege und Rechnungen in der Kundenkommunikation per Sprachassistent eingebunden und mit anderen komplexen Technologien wie der Blockchain kombiniert werden könnten.

Das Besondere im Falle der KI-Expertin ist aber, dass sie eine Leidenschaft für Themen der digitalen Transformation und Machine Learning entwickelte und schließlich in eine Rolle kam, in der sie eine Schnittstelle zwischen den Technologen und den Business-Entscheidern im Unternehmen bilden musste. Das ist spannend. Denn sie versteht die Technologie und kann sie in die Organisation transportieren – und hat immer den Business-Aspekt dahinter im Blick. Was braucht der Markt, was braucht die Organisation und was will der Kunde sehen?

Dass ist eine starke Kombination. Denn es gibt viele, die in der Dimension des technologischen Knowhows hochqualifiziert sind – die sich zugleich aber damit schwertun, in der schnelldrehenden Geschäftswelt mitzuhalten.

Was macht die Attraktivität als Arbeitgeber für solche außergewöhnlichen Talente aus?

Sie müssen diesen Talenten eine Plattform bieten, auf der sie Bewegungsfreiheit haben. Gerade dann, wenn ein KI-Guru in der Schnittstelle zwischen Technologie und dem Business gut ist, benötigt er einen gewissen Verantwortungsbereich, in dem er das ausspielen kann und darf. Das ist der Treiber.

Das Gehalt ist also nicht der entscheidende Faktor?

Das Gehalt ist natürlich ein Thema. Wenn wir jetzt aber vom internationalen Arbeitsmarkt sprechen, fallen an vielen ‚KI Hot Spots‘ wie San Francisco oder London auch außergewöhnliche Lebenshaltungskosten an. Das kann die Summe des Jahresgehaltes schnell relativieren. Entscheidend ist tatsächlich eher die Perspektive, etwas bewirken zu können.

Ein Beispiel: als KI-Experte oder Expertin zahlt Ihnen ein e-Commerce Unternehmen in Berlin ein Jahresgehalt von vielleicht 90.000 Euro, je nach Background und Spezialgebiet auch mehr. Wenn Sie fachlich, aber auch typologisch sehr gut und zudem schon in der KI-Szene etwas vernetzt sind, erhalten Sie auch Offerten von US-Unternehmen mit dem doppelten Betrag. Inzwischen beobachte ich häufiger, dass in solch einem Fall die Entscheidung für den deutschen Arbeitgeber fällt.

Aufgrund der anderen Handlungsspielräume?

Genau. Wer heute als KI-Spezialist bei der „Gang of Four“* seine Karriere startet, kann sich dort durchaus als kleines Rädchen in einem riesigen Getriebe wiederfinden, in dem seine Ideen und Leistungen nur einen marginalen Anteil ausmachen.

Oder, noch schlimmer: der Zweck des Arbeitsverhältnisses besteht darin, dass einfach kein anderes Unternehmen von seiner KI-Kompetenz und Arbeitskraft profitiert.

Was die Gestaltungsmöglichkeiten besonders limitiert …

…. und damit auch nicht der DNA dieser Unternehmen entspricht: Apple & Co. gewannen früher die besten Leute ja ebenfalls nicht aufgrund exorbitanter Gehälter für sich. Sondern weil sie die Perspektive boten, Teil einer einzigartigen Bewegung zu sein und in einer ganz neuen Arbeitskultur Pionierarbeit zu leisten.

Das ist in der aktuellen Situation ganz ähnlich. Viele KI-Talente wollen den „Impact“ der eigenen Leistung im Unternehmen sehen: sie möchten Verantwortung übernehmen und entscheiden, was „innovativ“ ist und Themen priorisieren. Und diese Themen sollten dann nicht in der Schublade verschwinden, sondern wirklich umgesetzt werden. Mit solchen Gestaltungsspielräumen gewinnen hiesige Unternehmen auch deutsche KI-Experten, die in den vergangenen Jahren im Ausland tätig waren und sich jetzt wieder in Richtung Heimat orientieren. Und die Reaktion der US-Unternehmen zeigt, dass das keine Einzelfälle sind.

Inwiefern?

Zum Beispiel anhand der KI-Zentren und Labs, die an den Digital– und Industrie-Hotspots im Land ausgebaut werden. Amazon hat in Berlin das KI Center, IBM Watson ist bereits in München vertreten und NVIDIA verlegte dorthin einen Standort, an dem man sich auf das Thema AI Infrastruktur konzentriert. Neben der hohen Attraktivität der Metropolen spielt hier sicher auch das Thema Gestaltungsfreiräume eine wichtige Rolle, um gute Leute langfristig zu halten.

Das Format eines KI Think Tanks, der außerhalb der Organisation Freiräume für Innovationen schafft, bieten allerdings auch deutsche Unternehmen längst an – das KI Center von Bosch in Renningen ist ein gutes Beispiel. Geforscht und entwickelt wird in sechs KI-Disziplinen an insgesamt fünf Standorten in USA, Indien und Europa, allein in Renningen mit über 100 KI-Experten. Ein klarer Vorteil für den KI-Standort Deutschland.


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