Der Berufseinstieg für Geistewissenschaftler gestaltet sich traditionell als schwierigen. Doch gerade die Digitalisierung bietet auch neue Chancen. Und kann ein Doktortitel die Jobsuche erleichtern oder wirkt er gar erschwerend?

Whats your story

Alles eine Sache der Perspektive

Kinder beantworten die von ihrem Umfeld oft gestellte Frage, “Was willst Du denn einmal werden, wenn Du groß bist?”, zumeist mit naiven Wunschvorstellungen wie Lokomotivführer und Pirat, was natürlich wenig Zukunftsaussichten hat. Als Student der Geisteswissenschaften begegnet einem diese Frage dann erneut, wenn auch in leicht abgeänderter Form. Keine Party auf der nicht ein verdutzter Maschinenbaustudent, der laut eigener Aussage gar nicht weiß, dass man sowas überhaupt studieren kann, fragt: “Und was machst Du damit, wenn Du mal fertig bist?”

Als Betroffener versucht man dieser Frage auszuweichen, denn man kann sie oft selbst nicht beantworten, nicht ohne den ironischen Hinweis, dass ja notfalls Taxi fahren oder reich heiraten Alternativen wären, sollte sich an dieser Situation bis zum Ende des Studiums nichts geändert haben. Es scheinen nicht wenige zu sein, die nach ihrem Abschluss nochmal ernsthaft die Perspektiven der modernen Piraterie abwägen und das Klischee des Taxifahrers mit Universitätsabschluss, oder gar Promotion, ist besonders unter Geisteswissenschaftlern weit verbreitet.

Eine Wissenschaft für sich

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Trotzdem entscheidet sich ein Fünftel aller Studierenden für ein geisteswissenschaftliches Fach oder vielleicht gerade deswegen? Um das zu ergründen, habe ich mich ein wenig umgesehen und bin über Fabian Kuhn gestolpert. Fabian studiert(e) Geschichte und Kulturwissenschaften an der Universität Karlsruhe und anschließend an der HU in Berlin.

Er schreibt derzeit an seiner Dissertation und stellte sich eben diese Frage, die sich anscheinend ein Großteil der Studierenden stellt: Wie geht’s nach dem Studium weiter? Explizit hat mir Fabian erklärt, wohin genau es für geisteswissenschaftliche Studenten im Anschluss geht.

Die Gefahr, im Studium hängenzubleiben

Ein geisteswissenschaftliches Studium hat normalerweise eine Regelstudienzeit von 10 Semestern. Es gibt kaum jemanden, der vom Arbeitsaufwand erdrückt wird und es bleibt genug Zeit für studentische Aktivitäten. Auslandsaufenthalte, Praktika und Partys, die man so nie wieder erleben wird, gestalten das Studentendasein erträglich. Wenn man die richtige Balance und Einstellung an den Tag legt, können aus dem Studium die schönsten Jahre des Lebens werden.

Die Gefahr, hängenzubleiben, ist deshalb nicht zu unterschätzen und Semesterzahlen von über 20 sind keine Ausnahmefälle. Viele richten sich in ihrem gemütlichen Universitätsbiotop ein, auf der Suche nach einer Zukunftsperspektive und sich selbst. Ernst wird es erst hinterher. Plötzlich hält man seinen Master, das Diplom oder Examen in der Hand und vor einem öffnet sich ein großes schwarzes Loch.

Abstrakter als andere Berufsbilder

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Geisteswissenschaftliche Berufsbilder sind viel abstrakter als die anderer Disziplinen. Wer Medizin, Marketing oder Maschinenbau studiert, hat per definitionem ein konkretes Berufsfeld vor Augen und dementsprechend stringent sind auch die Studiengänge konzipiert. Der Prozentsatz von Germanistik-, Geschichts-, und Philosophiestudenten, die während ihres Studiums keine genauen Vorstellungen von ihrer beruflichen Zukunft haben, ist sicherlich hoch.

Das schwammige Berufsbild birgt allerdings Übel und Chance zugleich. Ein geisteswissenschaftliches Studium vermittelt ein größeres Allgemeinwissen als etwa ein wirtschafts- oder naturwissenschaftliches Studium und persönliche Neigungen und Interessen werden in größerem Maße gefördert und befriedigt. In den persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten liegen deshalb eindeutig die Motive für die Studienwahl. Gehaltsvorstellungen, Karrierechancen und damit die Sehnsucht nach beruflicher und finanzieller Sicherheit treten im Vergleich dazu in den Hintergrund.

Die Digitalisierung und ihre Chancen

Die nicht eindeutigen Berufszuschreibungen – die wenigsten Arbeitgeber suchen nach einer Germanistin oder einem Philosophen – bergen den Vorteil, universal einsetzbar zu sein. Ein Jurastudent wird normalerweise auch Jurist, das selbe gilt für Biologen, Physiker und Zahnärzte. Als Geisteswissenschaftler sind die Berufsfelder weiter gesteckt. Viele kommen nach dem Studienabschluss im Journalismus unter oder sind in der Öffentlichkeitsarbeit und PR tätig. Verlage, Agenturen, Theater und andere kulturelle Einrichtungen sind oft Arbeitsplatz für Germanisten, Historiker und Politologen. Weit verbreitet ist die Selbständigkeit unter Geisteswissenschaftlern, vor allem im Bereich redaktioneller, Lektorats- und Übersetzungsarbeit.

Mittlerweile öffnen sich für Geisteswissenschaftler aber auch Felder, für die sie ursprünglich nicht vorgesehen waren. Industrie und Wirtschaft greifen inzwischen vermehrt auf Absolventen der Geisteswissenschaften zurück, da die im Studium geschulten Fähigkeiten, was vor allem anspruchsvolles Schreiben und öffentliches Referieren und Präsentieren betrifft, in Disziplinen wie Wirtschaftswissenschaften, Informatik und BWL zu kurz kommen. Gerade im kaufmännischen Sektor, was Werbung und Marketing betrifft, steigt die Zahl von Geisteswissenschaftlern an.

Viele Wege führen zum Erfolg

Letztendlich führen die unterschiedlichen Wege in die Berufstätigkeit dazu, dass sich Geisteswissenschaftlern grundsätzlich gute Zukunftsperspektiven bieten, obwohl sie zugegebenermaßen etwas länger brauchen als Absolventen anderer Disziplinen, um den für sie adäquaten Platz zu finden. Durchschnittlich fällt der Verdienst für Absolventen geisteswissenschaftlicher Fächer zwar niedriger aus, als derer anderer Disziplinen, aber vielleicht ist ja auch nicht für jeden das Geld der Maßstab aller Dinge.

Für all diejenigen, die am Ende ihres Studiums überhaupt keine Vorstellung von der beruflichen Zukunft haben, bietet sich die Möglichkeit, diesen Entscheidungsprozess noch hinauszuzögern in Form einer Promotion. Doch das sollte gut überlegt sein. Was zunächst von einem selbst als eine Art Standstreifen wahrgenommen wird, um mal den Fuß vom Gas zu nehmen, durchzuatmen, den Kofferraum aufzuräumen und die weitere Fahrt zu planen, entwickelt sich alsbald zu einem Tunnel, an dessen Ende nicht der Hauch eines Lichtstrahls zu sehen ist. Die fetten Jahre sind definitiv vorbei.

Warum ein Doktortitel?

Warum sollte man aber überhaupt eine Promotion ins Auge fassen? Vielleicht deshalb: Der Doktortitel beinhaltet nicht nur eine geballte Menge Wissen und Fleiß, er ist durchaus auch einfach ein begehrter Begleiter in der Namensgebung. Und er setzt offensichtlich ein langjähriges Studium voraus.

Doch wenn man nicht gerade eine klare Begriffsdefinition in seinem Studium anstrebt und Zahnarzt oder Physiker wird, was kann man mit all den anderen Doktorentiteln in der heutigen Berufswelt erreichen? Hält der Titel also auch, was er verspricht?

Bringt eine Promotion wirklich weiter?

Der Schnitt einer geisteswissenschaftlichen Promotion liegt je nach Disziplin und Standort zwischen fünf und zehn Jahren. Wer aus rein zeitstrategischen Gründen, in der Hoffnung, dass einem irgendwann ein Apfel vom Baum der Erkenntnis auf den Kopf fliegt, den Weg der Promotion einschlägt, sollte sich dieses Martyrium ersparen. Fünf Jahre Studium haben nichts mit fünf Jahren Arbeit an einer Dissertation gemeinsam.

Auffälligster Unterschied: Man hat weder Zeit noch Geld. Als Student sorgen Eltern oder Bafög für ein relativ sorgenfreies Leben und der persönliche Stress hält sich bei einem Arbeitsaufwand von 20 Semesterwochenstunden in überschaubaren Grenzen. Die Doktorarbeit finanzieren einem die Eltern in der Regel jedoch nur, wenn sie Rockefeller heißen, und daher muss man sich selbst um die Finanzierung kümmern.

Eine Promotion gut überlegen

Während es im naturwissenschaftlichen Bereich eigentlich Usus ist, auf einer Stelle zu promovieren, sind Promotionsstellen in den Geisteswissenschaften äußerst rar gesät. Man kann natürlich versuchen, ein Stipendium zu erhalten, was aber auch nicht einfach ist. Letztendlich bleibt vielen nur die Möglichkeit, arbeiten zu gehen und das kostet jede Menge Zeit, was die Promotionsdauer verlängert und erschwert.

Klar, “Doktor” klingt ganz cool, aber allein aus Prestigegründen sollte man sich das auf keinen Fall antun, denn die Komplexität einer Dissertation wird einen erschlagen, wenn man dieses Vorhaben nicht konsequent angeht.


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