Vorgestern gab es eine exklusive Keynote via Skype mit Wikileaks-Gründer Julian Assange auf der Medienwoche in Berlin. Im Anschluss stellte sich Assange live den Fragen von Journalistin Melinda Crane. Von diesem Skype-Interview wurden, außer in dem obigen Video, keine Videoaufnahmen veröffentlicht.

Hintergrund

Es gab für beides ein Film- und Aufnahmeverbot, doch N24 hat die Rechte und die Keynote zusammen mit einem eigenen Interview veröffentlicht. Von dem Skype-Interview mit Melinda Crane existiert daher nur eine Tonaufnahme in sehr schlechter Qualität, die auf netzpolitik.org veröffentlich wurde.

Daneben gibt existiert der oben eingespielte, fast dreiminütige Video-Schnipsel, der Best of HR – Berufebilder.de® anonym zugespielt wurde. Ich habe mir alle Aufnahmen angesehen: Wie wirkt der seit 272 Tagen in Großbritannien unter Hausarrest gestellte Australier?

Unsicherer Blickkontakt, Sprache wie ein Roboter

In der Keynote, die per Skype-Übertragung eingespielt wurde, ist der Blickkontakt in die Kamera zunächst unsicher. Assange blinzelt, hat den Kopf gesenkt und blickt so leicht von unten nach oben. Dies kann ein Zeichen dafür sein, dass er entweder unsicher ist, oder etwas zu verbergen hat.

Assange spricht fast wie ein Roboter. Er hat scheinbar einen trockenen Mund und schluckt deshalb ab und zu. Natürlich kann dies ein Stück weit auch daran liegen, dass er zu einer Kamera spricht, nicht zu einem Menschen. Während der Keynote zeigt Assange auch keinerlei Gestik.

Seine Sprache ist etwas stockend, überlegend, und er blickt immer wieder kurz nach unten. Ich erkenne dabei nicht, ob dort Unterlagen liegen, ich denke jedoch eher, dass er dabei in sich geht.

Was denkt Assange?

Augenbewegungsmuster zeigen uns, welche Form der Gedankenprozesse der Redner hat. Der Blick nach rechts unten (aus unserer Sicht) zeigt dabei normalerweise das Wahrnehmen der eigenen Gefühle im Kontext zu den Worten an.

Gegen Ende der Keynote blickt er dann häufig nach rechts. Entweder steht dort nun ein Kontrollmonitor, oder es ist ein weiteres Zeichen von Unsicherheit. Wäre es ein Monitor, erstaunt mich allerdings, dass er dies erst in der zweiten Hälfte tut.

Erscheinungsbild

Sein visuelles Erscheinungsbild – Anzug, weißes Hemd, Haare – ist gepflegter als in früheren Aufnahmen. Der Sohn von Wanderzirkus-Betreibern versucht mit allen Mitteln den seriösen Geschäftsmann zu geben. Auch der Grundton seines Verhaltens ist freundlich.

Ich erinnere mich an ein Interview auf einer TED-Konferenz, bei der er im ersten Satz bereits den Interviewer barsch korrigiert hat, sich und Wikileaks als erfolgreich wegen des Versagens anderer titulierte und während dem Sprechen sein Jackett auszog und sein Handy klingelte. Er war dort extrem arrogant und dominant.

Kritische Fragen machen ihn nicht nervös

Außerdem habe ich mir den dreiminütigen Schnipsel aus dem Skype-Interview mit Melinda Crane angesehen. Seine unruhige Körpersprache (Blick etc.) entspricht dem der Keynote. Lediglich einige Gesten kommen dazu, ähnlich dem Interview mit N24, und er spricht wieder etwas flüssiger.

Ich könnte nicht behaupten, dass ihn die kritischen Fragen noch nervöser machen als bei der Keynote. Vermutlich ist es eher die Anonymität der Technik, die ihn unruhig macht.

Im direkten Gespräch ruhig und sachlich

Im Vergleich zum Interview mit N24, in dem er einem Journalisten gegenüber sitzt, wirkt Assange in der Skype-Übertragung überlegend und unsicher. Dies mache ich besonders am nervösen Blick und der abgehackten Sprechweise fest.

Im Interview mit dem Journalisten wirkt er dagegen sehr ruhig und sachlich. Er hält guten Blickkontakt mit dem Interviewer, setzt weitgehend sehr gute, lebendige und unterstützende Gestik ein. Er spricht betont, nicht zu schnell und sehr verständlich. Keine Spur mehr von abgehackt.

Seriöses Auftreten

Er begründet sachlich, begründet Wikilieaks Vorgehen als notwendige Reaktionen auf Medien, insbesondere den Guradian. Dass hier geheime Dokumente veröffentlicht werden, die zum einen nicht veröffentlicht werden dürfen und zum anderen Schaden anrichten können, stellt er nicht zur Debatte. Viel mehr sieht er sich als demokratischer Aufklärer und Unterstützer von Aktivisten und deren Organisationen.

Wer ihn zum ersten Mal in diesem Video sieht und sich über Hintergründe nicht informiert hat, bekommt den Eindruck, hier ist ein seriöser Journalist am Werk. Er sei der Held, kein Krimineller. Vorwürfe, er habe das Leben anderer leichtfertig aufs Spiel gesetzt, wehrt er ab. Und durch sein seriöses Auftreten, wirkt dies glaubhaft.

Bewusst ein positives Image erzeugen?

Er greift die Medien an (“werden durch die Mächtigen der Welt beeinflusst”), sieht für seine “heldenhafte Arbeit” die Medien gleichzeitig als wichtige Multiplikatoren. Julian Assange ist bewusst, dass er von vielen gehasst und seine Aktionen missbilligt werden. Deshalb versucht er mit seriösem, betont ruhigen und sachlichem Auftreten ein positives Image zu erzeugen.

Während seiner Keynote wirkt er jedoch unsicher, sei es nun, weil ihm die Technik der Video-Übertragung widerstrebt, oder weil er schlicht Lampenfiber hat. Oder ist er doch nicht ganz sicher, stets das Richtige zu tun?