Viele Menschen haben große Angst vor Einsamkeit. Dabei liegen die Ursachen für soziale Schwierigkeiten und Ängste oft tiefer. Es ist wichtig, diese rechtzeitig zu erkennen.

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Vor allem Teenies haben Angst

Die Angst vor Einsamkeit nimmt in unserer Gesellschaft  mehr und mehr zu. Das belegen zahlreiche Studien. So zeigt eine Befragung, dass sich jeder fünfte Deutsche am meisten dafür fürchtet, ohne Freunde und Familie einsam zu sein. Besonders ausgeprägt ist diese Angst offenbar bei Deutschlands Teenagern. Bei der aktuellen Umfrage nannte mehr als jeder dritte Jugendliche zwischen 14 und 19 Jahren (34,4 %) den möglichen Verlust von Freunden und Familie als größte Angst.

So war es auch bei Sarah Peters, die darüber in ihrem Buch „Das Außen bleibt draußen: Wie ich aus Angst jahrelang die Wohnung nicht verlassen habe – und Hypnose mich heilte“, erschienen 2019 bei MVG, schreibt:

Plötzlich Scheidungskind

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Dann kam dieser eine Tag, ich war zwölf. Es war ein Samstagmorgen, wir alle saßen am Frühstückstisch. Die Stimmung war seltsam gedrückt, Mama, Papa, keiner redete, jeder aß still vor sich hin. Nach dem Frühstück wurde mein damals achtjähriger Bruder aufs Zimmer geschickt, und ich zermarterte mir den Kopf, was denn los sein könnte. Hatte ich etwas angestellt? Warum guckten die so ernst? Mit klopfendem Herzen sah ich meine Eltern an. Mein Vater erklärte mir sachlich, ich hätte ja sicher bemerkt, dass sich in letzter Zeit  etwas geändert hätte. Nein, hatte ich nicht. Ich saß da, war völlig ahnungslos und wusste beim besten Willen nicht, worauf er hinauswollte. Er meinte, er und meine Mutter seien bereits seit einiger Zeit nur noch freundschaftlich verbunden, würden nicht mehr wie Mann und Frau zusammenleben und wollen sich nun trennen. Mein erster Gedanke: Ach so! Und deswegen muss ich jetzt hier sitzen? In mir regten sich keinerlei Gefühle, schließlich kannte ich kein gemeinschaftliches Familienleben, was sollte sich also groß ändern? Die nächste Frage, die mir durch den Kopf schoss: Wie verhält man sich denn in so einer Situation? Müsste ich jetzt nicht weinen? Fix und fertig sein, so wie ich es von den vielen Scheidungskindern in meiner Klasse kannte? Scheidungskind sein, wie geht das überhaupt? Meine Eltern erzählten mir dann, dass sich für meinen Bruder und mich erst einmal nichts ändern würde, außer dass mein Vater zunächst in den Keller ziehen würde. Also, eigentlich alles wie gehabt, wir würden weiter miteinander aneinander vorbeileben und nach außen die perfekte Familie geben. Meine einzige Sorge war: Was mach ich, wenn Papa irgendwann auszieht? Dann bin ich mit der Mama allein.

Leben in der Patchworkfamilie

Mein Vater zog wieder ein, mit neuer Lebensgefährtin. Ein dunkles Kapitel in meinem Leben begann. Es war ein fliegender Wechsel: meine Mutter mit ihren Kartons und ihrem Kram raus, mein Vater mit seinem Kram, neuer Lebensgefährtin und deren dreijährigem Sohn rein. Ein Gewusel war das! Da stand sie, die neue Frau in unserem Haus. Die neue Frau an der Seite meines Vaters. Sie war acht Jahre jünger als mein Vater, immer perfekt gestylt und durch und durch modern. Mit ihren blonden Haaren und ihrer offenen, flippigen Art war sie so ganz anders als meine Mutter. Anfangs kamen wir wunderbar miteinander klar. Ich mochte sie. Sie war fürsorglich und nett. Allerdings hatte ich sie bis dahin nur alle zwei Wochen am Wochenende gesehen, wenn ich meinen Vater besucht hatte. Jetzt stand sie da! In unserem Haus. Im Austausch für meine Mutter. »Wir sind jetzt eine Patchworkfamilie«, hieß es. Aufgeweckt, quirlig, voller Power rannte sie durchs Haus. Verteilte die Zimmer neu. Ein Tornado, der durch mein Zuhause fegte. Sie wollte die alten Möbel entsorgen, sie waren ihr zu dunkel, zu unmodern. Auch eine andere Küche sollte her, alles musste sie umgestalten, um uns – der Patchworkfamilie – ein neues Nest zu bauen. Mein Vater war völlig verzaubert von seiner neuen Frau. Er war  euphorisch, dass das Modell Familie nun wieder bei uns Einzug gehalten hatte. Er war so glücklich, Ersatz für meine Mutter gefunden zu haben. So standen wir da – mit all unseren Wunden. Mein Vater, der verlassene Ehemann, der sich Jahre für die Familie dumm und dämlich geschuftet hatte, mit seinem Bild von einer Familie und einem Konzept, das gescheitert war. Der nun seine ganze Hoffnung in das Patchworkmodell legte. Seine neue Frau, die von jetzt auf gleich nicht mehr alleinerziehende Mutter in einer kleinen Wohnung war, sondern einen neuen Mann, zwei neue Kinder und ein großes Haus hatte. Und mein Bruder und ich, die frischgebackenen Trennungskinder. Hinzu kam: Ich befand mich mitten in der Pubertät. Halleluja! Wir hatten alle unsere eigenen emotionalen Verletzungen. Es konnte nur so richtig schiefgehen. Und das ging es.

Wichtig: Balance zwischen Job und Privatem

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Die Umfrage zeigt auch, wie wichtig für die Menschen die Balance zwischen Job und Privatleben ist, will man nicht komplett vereinsamen. Vielleicht liegt darin auch der überragende Grund für den Erfolg von sozialen Medien und mobiler Technologien. Genau diese Ängste machen es aber wichtig, soziale Kontakte mehr in den Berufsalltag zu integrieren.

Problematisch ist es auch, dass viele Menschen private Kontakte auch während der Arbeitszeit pflegen und Chefs das nicht gerne sehen. Eine andere, oft praktizierte Alternative: Kollegen werden zur sozialen Gruppe, mit der man auch seine Freizeit verbringt. Bei Jobverlust wird es dann schwierig, weil man so auf einen schlag den gesamten Freundeskreis verliert.

Wenn selbstgewählte Einsamkeit zum Poblem wird

Ein Problem in unserer Gesellschaft ist jedoch, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, dass der Berufsalltag immer weniger Zeit lässt, seine privaten sozialen Kontakte auch zu pflegen: Jobbedingte Umzüge, Überstunden und Jobangst machen es schwierig, soziale Kontakte stetig zu pflegen. Daraus entsteht bald ein Teufelskreis, aus dem man immer schlechter selbst wieder herauskommt.

So war es auch bei Sarah Peters: Sie erkrankte während ihres Studiums an einer Angststörung und zog sich daraufhin immer weiter in sich selbst zurück. So konnte sie vier Jahre lang ihre Wohnung nicht verlassen, die selbgewählte Einsamkeit wurde zu einem Problem. Am Ende fand sie dank einer Hypnosetherapie zurück ins Leben. Heute hilft und inspiriert sie als Hypnosetherapeutin anderen Betroffenen, arbeitet außerdem als zertifizierte Hypnosetherapeutin und Heilpraktikerin für Psychotherapie mit eigener Praxis. Die Gründe für diese Probleme sieht sie in ihren eigenen Jugenderfahrungen, wie sie in ihrem Buch schreibt:

Wenn das Abspalten von Emotionen Ängste verursacht

Mein Vater versuchte immer verzweifelter und verbissener, unsere »Patchworkblase« zu retten. Verlor sich in einem Tunnel. Der Umzug in ein neues Haus, in eine neue Stadt sollte ein Neuanfang werden. Wenn wir erstmal in einem anderen Haus leben, ganz ohne Erinnerungen an meine Mutter, dann wird alles gut. Ist doch ganz klar. Es brachte natürlich nichts. Im Gegenteil, es wurde nur noch schlimmer. Auch weil er merkte, dass seine Vorhaben nicht die entsprechende Wirkung brachten. In unserem neuen Haus wurden wir Kinder dann im Souterrain untergebracht, und die Durchgangstür nach oben wurde von der Frau meines Vaters abgeschlossen, sobald sie mit ihrem Sohn außer Haus war. Mein Essen für den jeweiligen Tag stellte sie mir dann auf die Treppe, die in den Keller führte. Familiensinn geht anders. Während mein Vater mit der Frau, ihrem Sohn und meinem Bruder am Vatertag Ausflüge machte, sollte ich als Strafe den Balkon schrubben. Ich stand auf dem Balkon, sah sie noch alle ins Auto steigen – und verstand die Welt nicht mehr, war enttäuscht. Mein Bruder war erst elf Jahre alt und sah bei mir, wohin rebellisches und widerständiges Verhalten führte. Er hatte seine eigenen Schwierigkeiten in der Konstellation und fand für sich Strategien, um damit umzugehen. Er passte sich an. Wir – die noch nie ein geschwisterliches Verhältnis hatten – entfernten uns noch weiter voneinander. Der emotionale Missbrauch hinterließ tiefe Wunden. Wem kann ich noch trauen, wenn ich nicht einmal mehr meinem eigenen Vater vertrauen kann? Das Gefühl, nicht richtig, nicht liebenswert zu sein, war ständig präsent. Abgelehnt vom eigenen Vater. In der Dusche abgespritzt wie ein Tier. Wertlosigkeit. Ich begann verstärkt, Gefühle abzuspalten, um den ganzen Scheiß auszuhalten und nicht daran zu zerbrechen. In dieser Zeit verlor ich das Vertrauen in andere Menschen immer mehr. Ich hatte nur noch mich, nur daran konnte ich mich festhalten. Irgendwann erklärte die Frau an der Seite meines Vaters, dass sie so nicht weiterleben kann, dass die jetzige Situation zu belastend für sie sei. »Entweder geht sie oder ich.« Dreimal dürft ihr raten, wer gehen durfte. Mein Vater fand auch bald die perfekte Lösung für mich: ein Internat irgendwo im Nirgendwo, in einem idyllischen Kurort im Harz. Frei nach dem Motto: »Aus den Augen, aus dem Sinn.« Schön weit weg, ganze 400 Kilometer. Wie ich mich fühlte, gegen meinen Willen in einen kleinen Kurort aussortiert zu werden, fern von meinem Umfeld, von Freunden, muss ich sicher nicht beschreiben. Nun hatte mein Vater sich endgültig entschieden – für die Neue, die nun in unserem Haus das Sagen hatte.

Soziale Kontakte trotz Beruf – wie geht das?

Wer seine Ängste, Isolation und Einsamkeit rechtzeitig als Problem identifiziert, kann wie Sarah Peters auch aktiv etwas dagegen unternehmen. Soziale Netzwerke und das Internet können, allen Kritikpunkten zum Trotz, eine gute Möglichkeit bieten, auch über längere Distanzen und bei Zeitmangel seine Kontakte zu pflegen.

Wer dies aus eigener Kraft nicht schafft, sollte sich rechtzeitig professionelle Hilfe hohlen und so gegen die Vereinsamung vorgehen. Damit es nicht mit jenen Gedanken endet die Sarah Peters in ihrem Buch auch beschreibt und die sie dann zum Glück nicht in die Tat umgesetzt hat:

Game over. In meinem Kopf nichts, außer hin und wieder ein Gedanke: Du hast es an die Wand gefahren, Sarah. Vermasselt. Ich wusste weder vor noch zurück. Und das erste Mal in meinem Leben kam mir der Gedanke: Du beendest es jetzt. Jetzt und hier. Was soll das noch werden? Sonst war ich immer jemand gewesen, der eine Lösung findet, auch im Schlechten das Gute sieht. Nun war ich an einem Punkt in meinem Leben angekommen, an dem ich keine Lösung mehr finden wollte. Jede Lösung hätte Kraft und Energie gekostet. Die wollte ich nicht mehr aufbringen. Lebensmüde, das war ich. Mir das Leben zu nehmen, erschien mir am einfachsten. Einfach. Ja, es sollte einfach mal einfach sein! Rational, ohne jegliche Emotion, wägte ich ab. Wie soll ich es machen? Am einfachsten und schmerzlosesten erschien mir die Möglichkeit, Tabletten zu nehmen. Aber welche – und wie viele? Wenn, dann richtig und mit Plan, Sarah! Nicht, dass du am Ende noch in der Klapse landest, sollte es nicht klappen. Ich war zu erschöpft, zu leer, um selbst diesen Plan zu durchdenken. Musst du nachher noch mal alles in Ruhe überlegen. Hat ja Zeit, rennt dir ja nicht weg. Und so lag ich dort. Ohne Gedanken, ohne Gefühle. Einer der ruhigsten Momente, die ich in meinem Leben je hatte.


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