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Von Regina Mühlich (Mehr) • Zuletzt aktualisiert am 04.10.2023 • Zuerst veröffentlicht am 22.04.2015 • Bisher 4385 Leser, 1201 Social-Media-Shares Likes & Reviews (5/5) • Kommentare lesen & schreiben
Smart Factory erobert den industriellen Bereich. Die „kluge Fabrik“ ist Ergebnis und Anspruch der vierten industriellen Revolution, die unter dem Begriff Industrie 4.0 seinen Ausdruck findet. Doch Risiken gibt es auch.
Durch das Internet getrieben, wachsen reale und virtuelle Welt immer weiter zu einem Internet der Dinge zusammen.“ (Bundesministerium für Bildung und Forschung)
Bei allen Chancen der Industrie 4-0 dürfen die Gefahren nicht außer Acht gelassen werden: Der Datenschutz muss an die neuen Herausforderungen angepasst werden.
Nach der Mechanisierung der Dampf- und Wasserkraft, der Massenfertigung durch Fließband und elektrische Energie und der Digitalisierung durch den Einsatz von Elektronik und IT, stellt Industrie 4.0 den nächsten Meilenstein in der sich wandelnden Industrie dar.
2011 erstmals als Hightech-Strategie der Bundesregierung an die Öffentlichkeit getragen, läuft die Zukunftsvision seit Herbst 2013 als Plattform „Industrie 4.0“ im Gemeinschaftsprojekt der deutschen Wirtschaftsverbände BITKOM, VDMA und ZVEI weiter.
Durch die Verschmelzung von Informations- und Automatisierungstechnologien ergeben sich für Unternehmen und Industrie enorme Chancen. Dank der Informationstechnologien können neue Servicefunktionen angeboten, Produktionsprozesse einfacher optimiert sowie durch drahtlose Fernwartung Störungen schneller behoben werden. Optimales Ergebnis: Die globale Wettbewerbsfähigkeit steigt.
Die Vernetzung des kompletten Wertschöpfungsprozesses eines Unternehmens ist der zentrale Aspekt einer Smart Factory. Für jeden Zugriff, für jede Information zwischen Maschine und Maschine, Maschine und Mensch werden Daten generiert, zur Verfügung gestellt, durch Kabel und Funk-Technologie übertragen und gespeichert. Grundvoraussetzung und notwendige Begleiterscheinung: Daten ohne Ende, Schlagwort Big Data.
Neben Komfort und Effizienz birgt Industrie 4.0 auch Gefahren. Begleiterscheinungen der Vernetzung der Anlagen werden oft unterschätzt. Als Kehrseite der Smart Factory vermehren sich digitale Einfallstore für Datenklau, Industriespionage und Cyberkriminalität. Der Datenschutz muss an die neuen Herausforderungen angepasst und Sicherheitslücken rigoros geschlossen werden.
Mit Smart Factory steigt nicht nur der Umfang der anfallenden Daten, sondern ebenso deren Aussagekraft. Ganze Unternehmensnetzwerke bilden sich zu neuen Wertschöpfungsketten aus, weil Produktions- und Anlagenprozesse nicht weiter durch einzelne Betriebe realisiert werden. Die Verarbeitung großer Datenmengen sowie die daraus resultierenden, neuen Rechtsbeziehungen bringen Unternehmen nicht selten an vertragliche Grenzen, wie sie unter anderem bei der Risikoabschätzung zum Einsatz kommen. Deshalb sollte der Schutz von Unternehmensdaten besonders in den Fokus gestellt werden.
Als logische Konsequenz sind neue Vertragsmodelle notwendig, um die Kontrollierbarkeit und die Hoheit über die Daten dauerhaft zu gewährleisten. Dabei dürfen natürlich weder Flexibilität noch Wettbewerbsfähigkeit eingeschränkt werden.
Der notwendige Austausch sensibler Daten birgt die Gefahr, dass sich unbefugte Dritte Zugriff verschaffen oder jene vereinbarungswidrig verarbeitet werden. Das ist der Fall, sobald die erhobenen Daten für den Produktionsprozess verwendet, später jedoch zweckändernd weitergenutzt werden.
Datenschutzrechtliche Anforderungen ergeben sich vor allem auch für kundenorientierte Produkte, wie man sie in den Bereichen Smart Home und Smart Car findet. Je komplexer die verbauten Systeme, desto höher die Wahrscheinlichkeit der zweckentfremdenden Nutzung einzelner Bereiche. In diesen Bereichen gilt es verstärkt, die Selbstbestimmung und Verantwortung der Betroffenen, ergo der Verbraucher, zu berücksichtigen.
Gewollt oder ungewollt – Datenschutz wird vielfach ausgehebelt. Die technischen und organisatorischen Maßnahmen des Datenschutzes werden in der Praxis oft nicht mehr realisierbar und nicht mehr prozessual darstellbar sein.
Zugriffs-, Zugangs-, Zutritts-, Eingabe-, Verfügbarkeits-, Datentrennungs-, Auftrags- und Weitergabekontrolle verlieren an Anwendbarkeit und damit an Wirkung. Datenschutz wird untergraben, steigt zum zahnlosen Tiger ab. Führt Industrie 4.0 zum ungewollten Monitoring 4.0?
Der Weg zu Industrie 4.0 wird von vielen Herausforderungen gesäumt. Zentral und über alle Themen hinweg existent ist der sichere Informations- und Datenaustausch. Die gezielte Vernetzung aller relevanten Geschäfts-, Produktions- und Automatisierungsprozesse birgt ohne Zweifel großes Potenzial. Anbieter und Hersteller verschaffen sich durch die intelligente Vernetzung von Systemlandschaften Zugriff zu allen Daten.
Das Prinzip der Datensparsamkeit (§ 3a BDSG), wonach nur relevante und wirklich notwendige Daten verwendet werden, findet allzu oft keine Anwendung mehr. An diesem Punkt ist, mehr als in allen anderen Bereichen der industriellen Gesellschaft, der Datenschutz gefragt.
Zur Einhaltung von IT-, Datenschutz- und Sicherheits-Bestimmungen können Audits und Zertifizierungen beitragen und für die nötige Transparenz sorgen, insbesondere bei der Auftragsdatenverarbeitung.
Der Gesetzgeber ist gefordert, da besonders im internationalen Bereich die vorherrschende Rechtsunsicherheit weiter zunehmen wird. Für eine Lösung müssen rechtliche, technische, organisatorische und politische Elementen zusammen wirken, um dieses Problem zu beseitigen.
Das aktuelle Datenschutzrecht ist technisch und faktisch überholt. Keine Überraschung, war doch das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) als bloßes Provisorium gedacht, um die Vorgaben der Europäischen Union in Brüssel zu erfüllen. Seit dem Jahr 2001 ist eine Novellierung des BDSG von 1995 (ein von Datenschutzexperten erstelltes, ca. 300-seitiges Gutachten) gültig.
Die EU-Datenschutzgrundverordnung bietet ebenfalls keine Lösung. Meilenweit von den Entwicklungen und Möglichkeiten von Industrie 4.0 entfernt, kann sie den Ansprüchen der modernen, digitalen Welt nicht standhalten.
Ein ganz neues Datenschutzrecht, welches sich nicht nur am Stand der Technik orientiert, sollte ausgearbeitet werden. Als zentraler Ausgangspunkt sollte Datenschutz durch Technik und nicht wie bisher gegen Technik bestimmend sein.
Eine baldmögliche Überarbeitung oder Neufassung der beiden gesetzlichen Eckpfeiler des Datenschutzes muss stattfinden, um Industrie 4.0 auf Augenhöhe zu begegnen und Unternehmen im Sinne des Datenschutzes bestmöglich unterstützen zu können.
Damit es nicht zu Missverständnissen kommt: Datenschützer wollen den Prozess Industrie 4.0 keineswegs aufhalten oder gar verhindern. Jedoch sollte der Thematik und den Entwicklungen mit Bedacht entgegengetreten werden. Denn: Unüberlegte, vorschnelle Vorgehensweisen bringen oft schwer korrigierbare Entwicklungen mit sich.
Die Einhaltung unumgänglicher Spielregeln ist Grundvoraussetzung für eine adäquate und nachhaltig wirksame Entwicklung, wobei der derzeitige Stand der Technik als Gradmesser für geeignete Gesetze und Richtlinien zu wenig geeignet ist.
Dem schnelllebigen, digitalen Zeitalter muss mit Flexibilität Rechnung getragen werden. Ein Plus an Flexibilität, Schnelligkeit, Agilität und Kompromissbereitschaft steht einem geforderten Minus an Unbeweglichkeit und Starrheit gegenüber. Nur so kann auch der Datenschutz smart genug sein, um den Herausforderungen der Zukunft rund um Industrie 4.0 nicht zahnlos zu begegnen.
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Regina Mühlich ist zertifizierte Datenschutzbeauftragte, Managementberaterin und Inhaberin von AdOrga Solutions.Regina Mühlich verfügt durch ihre über 25-jährige Berufserfahrung in internationalen Unternehmen (als COO, Projekt-/QM-Leiterin, Konzerndatenschutzbeauftragte) über umfangreiche Kenntnisse verschiedener Unternehmensstrukturen und -abläufe sowie Datenschutz-Management-, Qualitäts- und Informationssysteme (z. B. ISO 9001, 27000). Sie ist Mitglied im Berufsverband der Datenschutzbeauftragten Deutschlands (BvD) e.V. sowie bei der Deutschen Sachverständigengesellschaft (DESAG). Als Dozentin ist Regina Mühlich bei der Hochschule Furtwangen, Universität Freiburg, Handwerkskammer München und Oberbayern sowie TÜV Rheinland Akademie GmbH tätig. Mehr Informationen unter www.adorgasolutions.de Alle Texte von Regina Mühlich.
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