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Von Benjamin Schulz (Mehr) • Zuletzt aktualisiert am 11.06.2024 • Zuerst veröffentlicht am 25.06.2019 • Bisher 5240 Leser, 1708 Social-Media-Shares Likes & Reviews (5/5) • Kommentare lesen & schreiben
Mehr und mehr setzt sich im Recruiting durch, dass Bewerber und Unternehmen hinsichtlich Eignung, Persönlichkeit und Werten genau zusammen passen sollen – Cultural Fit eben. Aber wie lässt sich dieser erreichen?
Das Papier passt genau in den Drucker. Die Bratwurst rutscht beim Grillen nicht durchs Rost: Vieles von dem, was in unserem Alltag reibungslos verläuft, verdanken wir Standards. Und bei Standards macht uns Deutschen niemand etwas vor.
Den Respekt, den deutsche Produkte weltweit genießen, verdanken wir solchen Normen und ihrer peniblen Umsetzung im Produktionsprozess.
Doch der Erfolg macht uns blind dafür, was Standards leisten können – und was nicht. Während sie sich problemlos auf Produkte und Dienstleistungen übertragen lassen, gestaltet sich das Ganze bei Menschen eher schwierig. Es gibt keine Menschen von der Stange – wir sind nun mal komplexe Wesen.
In Bewerbungsverfahren wird in der Regel vor allem die fachliche Kompetenz der Kandidaten abgefragt. Doch erst wenn Chefs und Personalverantwortliche die Lebensmotive der Bewerber entschlüsseln, gelingt es, Positionen passgenau zu besetzen.
Werden Menschen dennoch in Schablonen gepresst, wie das etwa bei Assessment-Centern häufig geschieht, bleibt der Erfolg oft aus. Erst wenn die individuellen Lebensmotive des Menschen zum Job passen, ist ein langfristig erfolgreiches Match gefunden.
Die Lebensmotive geben Aufschluss darüber, was dem Einzelnen wichtig ist, warum er wie handelt und wonach er strebt. Sie sind sehr wahrscheinlich angeboren und nicht veränderbar. Deshalb ist es wichtig, sie bei der Einstellung, Entwicklung und Beurteilung von Mitarbeitern zu berücksichtigen.
Dazu müssen die inneren Antreiber der Kandidaten erst einmal entschlüsselt werden, zum Beispiel mithilfe des Reiss Motivation Profile (RMP), einem Diagnoseinstrument der Motivationspsychologie, entwickelt von dem amerikanischen Psychologieprofessor Steven Reiss.
Das RMP konzentriert sich nicht auf das Verhalten oder die Talente eines Kandidaten, sondern auf das, was ihn motiviert. Die Analyse beruht auf insgesamt 16 Motiven, wie dem Streben nach Macht, Beziehungen oder Anerkennung, die zwar alle Menschen grundsätzlich aufweisen, jedoch in unterschiedlicher Intensität.
So können sich Menschen mit einem starken Machtmotiv beispielsweise gut durchsetzen. Sie sind mitunter etwas autoritärer in ihrem Auftritt, leistungsorientiert und verantwortungsbewusst und passen gut in eine Führungsposition.
Menschen mit einem geringen Machtbedürfnis möchten dagegen lieber weniger Verantwortung übernehmen und erteilen seltener Ratschläge oder Anweisungen. Sie sind im Team besser aufgehoben als auf dem Chefsessel.
In der Kompatibilität der Lebensmotive eines Bewerbers mit dem jeweiligen Jobprofil liegt die Challenge für das deutsche Personalwesen. Doch obwohl die inneren Antreiber der Kandidaten eine so entscheidende Rolle spielen, lassen die meisten Personalauswahlverfahren sie aktuell noch außer Acht.
Von der schriftlichen Bewerbung bis zum aufwendigen Assessment-Center – in der Regel konzentrieren sich die Einstellungsverfahren insbesondere großer Unternehmen schwerpunktmäßig auf die fachlichen Fähigkeiten. Diagnoseinstrumente fragen zwar hinsichtlich der Persönlichkeit die emotionale Stabilität, Kontaktfähigkeit oder Leistungsbereitschaft ab, letztendlich beurteilen sie aber immer noch Kompetenzen, wenn auch sozialer Art.
Sogar das neue Bewerbungsverfahren „Robot Recruiting“, das mithilfe von Künstlicher Intelligenz Texte und Gespräche anhand von Algorithmen überprüft, um Rückschlüsse auf das Verhalten oder die Eigenschaften eines Bewerbers zu ziehen, vernachlässigt die Lebensmotive der Kandidaten.
Im Gegensatz zum Vorstellungsgespräch, bei dem Personalverantwortliche sich einen ersten Eindruck von der Persönlichkeit der Kandidaten verschaffen, fällt diese bei vollautomatisieren KI-Verfahren unter den Tisch. Es bleibt fraglich, ob sich die Kosten, die in die Entwicklung solcher Verfahren investiert werden, verglichen mit den dünnen Ergebnissen, die sie liefern, wirklich rentieren.
Insbesondere der Rekrutierung von Führungskräften können standardisierte Verfahren bei der Personalauswahl kaum gerecht werden. Um ein Unternehmen zu führen, braucht es Menschen, die nicht auf Linie getrimmt sind; authentische Charakterköpfe, die ihre eigenen Visionen und Werte vorleben, die das Unternehmen zukunftsfähig machen und nicht davor zurückschrecken, ihre Meinung zu vertreten und Verantwortung zu übernehmen.
Arbeitskraft ist eben austauschbar, Persönlichkeit nicht, das wusste schon Marx. Die Persönlichkeit macht den Unterschied! Warum sollten zwei Menschen mit gleichen Fähigkeiten und gleichem Erfahrungsstand sonst in derselben Situation verschieden, manchmal geradezu gegenteilig, handeln? Umso essentieller ist es, Bewerber in ihrer Persönlichkeit richtig zu erfassen.
Hat ein neuer Mitarbeiter seinen Arbeitsvertrag unterschrieben und sich inzwischen erfolgreich eingearbeitet, geht es weiter mit der standardisierten Personalbeurteilung. Denn nicht nur bei der Rekrutierung, sondern auch beim Personalcontrolling setzen einige Personalabteilungen nach wie vor gerne auf Standards. Schließlich untermauern diese die getroffenen Entscheidungen wissenschaftlich und sorgen dadurch für mehr Objektivität.
Aber was messen solche Kennzahlen im Rahmen der Personalbeurteilung eigentlich? Tatsächlich geht es bei solchen Zahlen um Mengendaten (Anzahl der Mitarbeiter), Ereignisdaten (wie Fehlzeiten), Leistungsdaten (z.B. Umsatz pro Mitarbeiter), Kostendaten (etwa Betriebsrente) und Ähnliches.
Die eigentliche Persönlichkeit verschwindet leicht hinter solchen Kennzahlen. Statt im Personalgespräch über Gehälter und deren Staffelung zu reden, wäre es hilfreicher, die Motivation der Mitarbeiter in den Vordergrund des Gesprächs zu stellen. Das Gehalt ist oft nur die halbe Miete. Lässt man nämlich die schöpferische Kraft des Einzelnen im Laufe des Berufslebens ungenutzt, verkümmern seine Talente und das schafft Frust. Was danach folgt, ist „Dienst nach Vorschrift“.
Wer aber das tut, wofür er leidenschaftlich brennt, findet nicht nur Erfüllung, sondern kommt auch lieber zur Arbeit, ist weniger burnoutgefährdet und arbeitet effektiver. Qualität entsteht eben durch echte Motivation. Und dafür benötigt der Mensch nur eines: die für ihn passende Situation.
Während die Unternehmensführung der Kopf des Unternehmens ist, bildet die Personalabteilung das Herz. Im Idealfall werden hier nicht nur Talente geboren, sondern auch entdeckt.
Wenn es Recruitern gelingt, die Mitarbeiter entsprechend ihrer Lebensmotive einzustellen, und der Personalentwicklung, den Einzelnen entsprechend seiner Antreiber zu fördern, dann entsteht Erfolg – für den Einzelnen und das gesamte Unternehmen.
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Benjamin Schulz ist Identitäts- und Marketing-Experte. Der Geschäftsführer von Ben Schulz & Consultants ist Sparringspartner und Troubleshooter für strategische Fragen für einflussreiche Persönlichkeiten und Companies. Er begleitet seit vielen Jahren Firmen, Institute und Persönlichkeiten zu den Themen Strategie, Positionierung, Identität und Marketing. Alle Texte von Benjamin Schulz.
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