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Von Jörg Romstötter (Mehr) • Zuletzt aktualisiert am 27.03.2023 • Zuerst veröffentlicht am 13.05.2021 • Bisher 5368 Leser, 2626 Social-Media-Shares Likes & Reviews (5/5) • Kommentare lesen & schreiben
Boreout bezeichnet das Phänomen, aus Langeweile, plakativ gesagt, auszubrennen. Das passiert häufiger als viele glauben. Was lässt sich dagegen tun?
Seiner Berufstätigkeit überdrüssig zu werden ist weder normal noch unnormal, sondern eine individuelle Präferenz. Unsere Leistungsmotive ändern sich über die Jahre. Fatal, wenn Führungskräfte oberflächliche Routine mit persönlichem Zugang verwechseln.
Die Mittvierzigerin ist seit etlichen Jahren in einem sehr dynamischen Unternehmen, das sie geholfen hat mit aufzubauen. Ihr Aufgabenbereich hatte sich über die Zeit stark verändert. Auch, weil sie dies selbst so forcierte. Das Unternehmen ist nun im Begriff einen zukunftsweisenden Entwicklungsschritt vorzunehmen. Die Abteilungsleiterin ist in diesen Prozess aktiv eingebunden.
Als sie vom geplanten Entwicklungsschritt erfuhr, überfiel sie eine bleierne Müdigkeit. Sie schleppte sich nur noch ins Büro, genauso wie nach hause. Ihre Aufgaben zu erfüllen gelang ihr immer weniger. Sie ließ Dinge liegen und machte häufiger Fehler. Jegliche Freude war ihr abhanden gekommen; auch an Dingen, die sie liebte.
Sie meinte, mehr Ruhe in ihr Leben einkehren lassen zu müssen und nahm Urlaub, um einmal gründlich zu überdenken, wie sie dies anstellen könnte. Doch sobald sie an ihre Arbeit dachte, überkam sie diese unendliche Müdigkeit. Zurück in der Firma wurde sie gegenüber Kollegen und Vorgesetzte immer gereizter und durchaus fahrlässig provokant: „Mich kann eh keiner kündigen.”
Eine substanzlose Äußerung, denn auf ihren Verbleib wurde gezählt. Jegliche Neuerungen im Unternehmen torpedierte sie nun. Zu ihrem Nachteil hoch emotional und mit wenig Substanz. Die Situation begann sich für sie zu drehen. Die Unterstützung von Team und Führung ließ rapide nach.
Sie ließ sich wegen „Burnout” krankschreiben. Die Geschäftsleitung verlor ihr Vertrauen in die Abteilungsleiterin. Es wurden zwei sehr faire Szenarien ausgearbeitet, welche der Abteilungsleiterin vorgestellt wurden. Sie solle sich entscheiden.
Sie wählte die Vertragsauflösung mit sehr attraktiven Konditionen. Wie ausgewechselt erschien sie freudig und freundlich an ihrem Arbeitsplatz und wickelte die Übergabe proaktiv und einwandfrei ab. Die Zeit des Ausscheidens verlief beidseitig auf ganzer Linie mit Respekt und letztlich besten Wünschen für die Zukunft.
Hatte die Frau tatsächlich ein Burnout? Wohl eher nicht. Denn bei einem Burnout besteht die Unfähigkeit zur Leistung unabhängig von der Aufgabe. Die Frau führte aber alle Aufgaben zur Übergabe ihrer Arbeit an das verbleibende Team mit Elan aus. Sie blickte optimistisch und mit Ideen in die Zukunft.
Sie war dem Tun in ihrem Unternehmen überdrüssig: seit etlichen Jahren die gleichen Kollegen, das gleiche Büro, der gleiche Schreibtisch.
Die immer gleichen Produkte und Dienstleistungen, die gleichen Kunden und Lieferanten, die immer gleichen Marotten der Vorgesetzten und ihre Unzulänglichkeiten, die immer das Gleiche unmöglich machten, usw.
Sie erlebte eine psychische Sättigung, da ihr Umfeld gleich blieb, egal wie sehr sie ihren Aufgabenbereich auch veränderte. Sie wusste, wie ihre Zukunft im Unternehmen aussehen würde: trotz Veränderungen am laufenden Band würde Wesentliches gleich bleiben. Und diese Aussicht ließ sie die Bereitstellung von Energie unbewusst radikal zurückfahren. Sie erlebte immer wieder und letztlich plötzlich eine bleierne Müdigkeit.
Ohne dass sie es mit ihrem bewussten Denken veranlasst hatte oder begreifen konnte, hatte sie sich selbst ihrem Tun entzogen. Sie verstand über Jahre nicht, wie sehr sie sich nach einer Veränderung sehnte. Als sie vor eine Entscheidung gestellt wurde und sie sich entschied, gab sie sich unbewusst wieder Energie frei, um das alte Arbeitsverhältnis entsprechend ihrer Werte sauber abzuschließen und sich mit Mut Neuem zu stellen. Wie von Zauberhand war sie plötzlich wieder „gesund”.
Die Frau hatte immer wieder Zeiten in welchen sie sich sehr müde und kraftlos fühlte. Dann machte sie meist Wellnessurlaube, um sich zu belohnen und motivierte sich für die nächste Etappe bis zu ihrem nächsten Urlaub. Bereits da hätte sie genauer nachforschen können, was genau sie so müde macht. Waren es die Arbeitsinhalte, manche Kollegen, die Vorgesetzten, Kunden oder einfach nur der immer gleiche Tages- und Wochenablauf mit Arbeitswegen, Erledigungen, Familie, Hobbys usw.?
Vielleicht hätte die Frau gar nicht kündigen müssen, sondern sich einfach nur einen anderen Aufgabenbereich geben lassen können. Sie hätte mit ihrem Chef aufeinander aufbauende Entwicklungsgespräche führen können. In welchen sie gemeinsam ausloten hätten können, welche anderen Aufgaben im Unternehmen vielleicht gerade von der Abteilungsleiterin zukünftig optimal erfüllbar sind.
Er hätte qualifiziertere Gespräche mit seiner bewährten Kraft führen können. Gerade bei langjähriger Zusammenarbeit verwechseln wir leicht oberflächliche Routine mit persönlichem Zugang. Vieles wird nicht angesprochen, weil wir meinen, es erübrige sich ohnehin, schließlich kenne man sich ja seit Jahren gut.
Da ergeht es uns wie bei der sinnspezifischen Sättigung, wobei wir z.B. einer Speise durch häufigen Genuss überdrüssig geworden sind. Auch hier bekommen wir plötzlich wieder Lust auf die Speise, wenn sie etwa durch Gewürze, eine andere Zubereitungsart oder die Kombination mit anderen Zutaten verändert wird. Der Chef hätte entweder einen tieferen persönlichen Bezug herstellen können, um zu erfahren, was seine Abteilungsleiterin motiviert.
Denn auch Motivationen und die dafür notwendigen Motive ändern sich über die Jahre. Oder er hätte sie provokanter testen und Fragen können, wo ihre Motivation optimale Wirkkanäle in seinem Unternehmen finden könnte. Er hätte ihr Aufstiegs-, Weiterbildungs- oder Versetzungsangebote machen können, bzw. sie verbindlich danach fragen, ob sie sich dafür interessiere.
Wie lange wir Freude und Befriedigung an einer Tätigkeit empfinden, liegt auch an unserer persönlichen inneren Struktur. Als Maßstab für sich zu nehmen, was „man tut” oder vermeintlich andere von einem erwarten, ist selten passend.
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Jörg Romstötter ist Diplom-Ingenieur und macht die Wirkung der Natur für Beruf und Leben nutzbar.Der Ingenieur, Betriebsökonom und zertifizierte Coach gründete und führte für eine große Agrarorganisation ein Unternehmen mit über 300 Mitarbeitern. In ungezählten Tagen draußen und auf über 50 Reisen in den großen Naturräumen der Erde erschloss er sich den umfassenden Nutzen der Natur. Unter anderem gelang ihm dabei die Erstüberschreitung des Hohen-Atlas-Gebirges in Marokko der Länge nach im Alleingang. Heute hält er als Autor Vorträge, coacht und unternimmt mit seinen Kunden Reisen in besondere Naturräume wie Wüste, Tundra und Taiga, die ihnen helfen, zu sich selbst zu finden. Alle Texte von Jörg Romstötter.
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