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Von Dr. Eva Voß (Mehr) • Zuletzt aktualisiert am 26.03.2024 • Zuerst veröffentlicht am 21.06.2019 • Bisher 7395 Leser, 1851 Social-Media-Shares Likes & Reviews (5/5) • Kommentare lesen & schreiben
Innovationen können nur entstehen, wenn Menschen in Unternehmen unterschiedlich denken und handeln, aber dennoch in einem Team zusammen arbeiten. Genau dafür gibt es Diversity Management. Wie sieht das in Deutschland aus?
Stellen Sie sich mal vor, sie kommen auf eine Party. Sie wollen sich mit jemandem unterhalten, sprechen einen jungen Mann an, der neben Ihnen steht. Er heißt Thomas. Und er fängt an, von seiner Modelleisenbahn zu erzählen. Sie interessieren sich nicht für Modelleisenbahnen, hören aber höflich zu.
Nach ein paar Minuten wird es freilich öde, weil Thomas keine Anstalten macht, vielleicht auch mal zu fragen, was Sie denn so machen und was Sie interessiert. Mit den Worten „Ich geh mir noch ein Bier holen“ stehlen Sie sich davon. Am Kühlschrank treffen Sie einen anderen jungen Mann. Lustiger weise heißt er auch Thomas. Und als Sie Ihn fragen, womit er am liebsten seine Zeit verbringt, fängt er an, von Modelleisenbahnen zu reden. Gruselig, nicht wahr?
Was sich im Privatleben noch halbwegs praktisch vermeiden lässt, kann für Unternehmen zum Problem werden: Eine Menge Menschen, die alle in die gleiche Richtung denken. Im ersten Moment könnte man meinen, das sei eine prima Sache. Alle haben gemeinsame Themen und Ansichten, verstehen sich, reden miteinander.
Das Problem dabei: Ein Unternehmen ist kein abgeschlossenes System, sondern bewegt sich in Märkten. Es muss sensibel sein für die Veränderungen in seinem Umfeld, in der Gesellschaft, für die technologischen Entwicklungen.
Genau das ist der Grund, warum Unternehmen das Konzept von Diversity Management umsetzen. Allerdings, und das ist eines der Ergebnisse, einer aktuellen Studie, die wir von Ernst und Young gemeinsam mit der Unternehmensinitiative „Charta der Vielfalt“ gemacht haben: Zwei Drittel der Unternehmen in Deutschland haben in Sachen Diversity Management noch gar nichts unternommen!
Schauen wir uns an, was das restliche Drittel macht. Generell geht es Unternehmen um die Flexibilisierung der Arbeitswelt. Und mit 29 Prozent am häufigsten steht dabei die Arbeitszeitflexibilisierung im Vordergrund. Der Hintergrund ist klar. Man denkt vor allem daran, familienfreundlicher zu werden und eine größere Work–Life–Balance zu ermöglichen. Und im Vertrauen sagen einem viele Personalverantwortliche auch, dass sie gerne mehr Frauen im Unternehmen hätten. Ein guter Anfang, aber nicht genug.
Denn eigentlich geht es beim Diversity Management ja nicht nur um Frauen. Es gibt weitere Gruppen, die bei Einstellungen oder Beförderungen bislang häufig durchs Raster fallen, wie zum Beispiele Ältere oder Menschen mit Behinderung. Und es gibt Gruppen, die im Arbeitsumfeld aufgrund ihrer Lebensweise oder Lebensmodelle auf Vorurteile stoßen. Denken Sie an Menschen, die eine andere sexuelle Identität oder Orientierung haben. Versetzen Sie sich nur mal in die Lage eines schwulen Managers, der zu einem hochkarätigen Event eingeladen wird, und in der Einladungskarte die Aufforderung findet: „Gerne dürfen Sie Ihre Ehefrau mitbringen“. Volltreffer – was mache ich denn jetzt?
An dieser Stelle vielleicht ein kleiner Ausflug zu meinem Lieblingsthema „Unconscious Bias“. Dabei geht es um unbewusste Vorurteile, die wir alle haben. Zum Beispiel, dass Männern, die sich für Modelleisenbahnen interessieren, spießig und einfallslos sind. Jeder kann bei sich selbst mit ein wenig Nachdenken diverse Beispiele finden. Manche dieser Vorurteile gewinnen wir aus den Medien, andere, weil wir einmal etwas mit einem Menschen erlebt haben und andere Menschen aufgrund irgendwelcher Merkmale automatisch in die selbe Schublade stecken. Das wird es immer geben.
Aber in Unternehmen geht es um die tagtägliche Zusammenarbeit im Team. Und es geht auch um Entscheidungen mit wirtschaftlichen Folgen. Und genau dort können wir Vorurteile nicht gebrauchen, weil sie unser Verhalten und unsere Entscheidungen beeinträchtigen. Schließlich wissen wir alle, dass Unternehmen Geld verdienen müssen und deshalb Entscheidungen treffen müssen, die ihnen nutzen.
Die Entscheidung für Diversity Management selbst ist auch so eine. In unserer Studie haben 67 Prozent der Unternehmen bestätigt, dass Heterogenität konkrete Vorteile für das Unternehmen bringt. Dabei also auch ein größerer Teil der Unternehmen, die bislang noch nichts unternommen haben. 76 Prozent denken sehr praktisch und sagen, sie wollen Personalressourcen besser nutzen. Zugleich sagen 75 Prozent, sie wollen die Offenheit und Lernfähigkeit ihrer Organisation sicherstellen. Und auch die Attraktivität als Arbeitgeber spielt für 71 Prozent eine Rolle genauso die Zufriedenheit der eigenen Mitarbeiter.
Es gibt also eine Menge praktische Gründe für Diversity Management. Der wichtigste ist aber von strategischer Natur und hat mit einer Erkenntnis zu tun, die Unternehmen wie meines mit internen Zahlen belegen können: Gemischt zusammengesetzte Teams sind einfach erfolgreicher. Kaum eine Aufgabe in der modernen Arbeitswelt kann ein einzelner Mitarbeiter noch alleine lösen. Die Herausforderungen sind komplex, man braucht unterschiedliches Wissen, unterschiedliche Kenntnisse und Erfahrungen.
Business ist Teamsport. Das Ergebnis, und auch der Job werden erst durch die anderen gut, die mitspielen. Und so geht es beim Diversity Management eigentlich darum, eine völlig neue Sicht auf Zusammenarbeit zu schaffen. Mit Wertschätzung für jeden und jeden Einzelnen. Und mit der Reflektion und Selbsterkenntnis, dass man selbst nicht alles wissen kann und nur in der offenen Kommunikation mit Anderen etwas dazulernen kann.
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Dr. Eva Voß ist Managerin Diversity and Inclusiveness bei Ernst & Young. Alle Texte von Dr. Eva Voß.
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