Macht Networking, neudeutsch Netzwerken, überhaupt Sinn oder ist es doch eher sinnlose Zeitverschwendung? Was passiert, wenn Menschen nur um des Verkaufen Willens miteinander reden? Und was denken sich Leute, wenn sie Komplimente machen, die keine sind? Eine Glosse.

Ganz zwanglos

Es war bei einem zwanglosen Empfang nach einem zwanglosen Vortrag über Marketingstrategien. Sabine stand zwanglos in ihrem blauen Hosenanzug in der Gegend und knautschte auf ihrem Brötchen herum.

Paul stellte sich zwanglos dazu und lobte ihren Vortrag, worauf Sabine Morgenluft witterte und Paul von ihrer supertollen Unternehmensberatung erzählte und ob er nicht ein Konzept zur Verdoppelung seines Umsatzes brauche.

Nur mit halbem Ohr

Paul heuchelte daraufhin mittelmäßig glaubwürdig Interesse und erzählte Sabine von seiner neu gegründeten PR-Agentur und wie stark ihre Unternehmensberatung von einem schlüssigen PR-Konzept profitieren könne. Was Sabine dazu veranlasste, wieder verstärkt auf ihrem Brötchen herumzuknautschen. Tage später rief Paul noch bei Sabine an, die ihm unvorsichtigerweise ihre Visitenkarte gegeben hatte, um nicht gänzlich unhöflich zu erscheinen.

Die Rede ist vom sogenannten Networking, auch Netzwerken genannt. In den 80er Jahren erklärte der Stilistik-Papst Wolf Schneider noch, dass das Wort Netzwerk im Deutschen zu vermeiden sei. Während das Englische net nur Konkretes wie Spinnennetze und Baseball-Netze meine und man für Abstrakta auf network ausweichen müsse, könne der deutsch Sprechende auch Netz sagen, wenn er etwa das soziale Netz meine.

Und die Maschen biegen sich doch

Geholfen haben Schneiders Begriffsklärungen wenig. Auch die Deutschen netzwerken inzwischen, dass sich die Maschen biegen: Ich netzwerke, Du netzwerkst, er/sie/es netzwerkt oder auch ich werke netz. Auffällig ist das Emsige, Bemühte und Angestrengte. Man spinnt sein Netz nicht einfach, weil es Spaß macht, sondern das Netz ist zugleich Arbeit, Schufterei, Blut, Schweiß und Tränen.

Womit wir wieder bei Paul und Sabine wären. Sie schwitzen, sie bemühen sich, sie zappeln und wissen nicht genau, ob sie nun die Spinne sind, die das Netz knüpft oder das gefangene Insekt. Natürlich hat Sabine den Vortrag nicht gerne gehalten, denn nichts interessiert sie, unter uns gesagt, weniger als Marketing-Strategien und nichts hasst sie mehr als blaue Hosenanzüge. Natürlich hat auch Paul den Vortrag nicht gerne gehört, weil er alles über Marketingstrategien schon mal irgendwie gehört hat und ihm die Melodie der Vermarkter so gleichförmig vorkommt wie die der Songs bei der Endausscheidung zum Eurovision-Song-Contest.

Komplimente, die keine sind

Hinzu kommt, dass er gerade Sabines Vortrag besonders fad fand, aber das alles nützt nichts, auf fade Vorträge müssen halt fade Komplimente folgen, um sich zu verkaufen. Jeder Mensch ist ein Produkt, und jedes Gespräch ist ein Akquiseversuch und jeder Tag ist ein Markttag.

Sicher sind Beziehungen etwas Wunderbares und sicher ist es gut, Leute zu kennen, die das eine oder andere gut können, was man selber nicht kann, damit sie es einem für Geld oder als Gefallen machen. Alles gut und schön. Aber in der Welt der Netzwerker gibt es Visitenkartenpartys: Da werden Kontakte geknüpft, egal mit wem, egal warum. Die Netzwerker haben nichts zu bieten, nichts zu sagen, nichts zu denken. Diffus geistert der Gedanke durch ihren Kopf, dass Vitamin B wichtig sei, haha, und dass man ja nicht wisse, wozu man den Kontakt nochmal brauchen könne.

Und was kommt dabei heraus?

Fragt sich: Hat Sabine a) Paul eine unternehmensberaterische Strategie verkaufen können, hat b) Paul Sabine von seinem PR-Konzept überzeugen können, und haben Paul und Sabine c) wenigstens miteinander geschlafen? A) und B) sind unwahrscheinlich, weil nämlich Paul gar kein Geld hat, um eine Unternehmensberatung zu bezahlen und Sabine kein Geld hat für ein PR-Konzept. C) ist schon wahrscheinlicher, weil es in der Welt der Netzwerker nichts anderes gibt als Netzwerker und weil es schließlich auch beim ähem Zwischenmenschlichen nur um Marketing geht, um Angebot und Nachfrage, und wenn es wenig Angebot gibt, man kennt das.

Nach ein paar Wochen haben sich Paul und Sabine in einem trendigen Fitness-Studio wieder getroffen, in das alle gehen, die auch Vorträge über Marketing halten und hören. Sabine und Paul haben sich sehr gewundert über den Zufall, sich wieder zu treffen, und einander gefragt, wie es denn so geht und überhaupt. Sabine fand, dass Paul in Shorts ganz brauchbar aussieht und wie die Geschichte weiterging, sei der allgemeinen Seifenopern-Phantasie überlassen. Eins allerdings muss noch gesagt werden: Paul und Sabine haben an jenem Abend weder von Marketing noch von PR geredet.