Unter Chefs finden wir introvertierte und extravertierte Persönlichkeiten. Für Zweitere können sich besondere Herausforderungen ergeben, wenn sie introvertierte Mitarbeiter führen müssen. 10 Tipps für einen Perspektivwechsel.

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Wie Chefs ruhigere Mitarbeiter richtig führen

Unter Chefs finden wir introvertierte und extravertierte Persönlichkeiten. Beides ist per se weder gut noch schlecht. Wer wo besser hinpasst, entscheidet der Job. Beide haben unterschiedliche Herausforderungen in ihrer Führungsarbeit. Für Chefs mit mehr extravertierten Persönlichkeitsanteilen können sich besondere Herausforderungen ergeben, wenn sie introvertierte Mitarbeiter führen müssen. Denn hier bedarf es Verständnis und einen Perspektivenwechsel.

„Wir leben in einem Wertesystem, das vom „Ideal der Extraversion“ geprägt ist […], dem allgegenwärtigen Glauben, der Idealmensch sei gesellig, ein Alphatier und fühle sich im Rampenlicht wohl.“ Die Autorin Susan H. Cains hat früh erkannt, dass die Bedeutung von introvertierten Menschen häufig unterschätzt wird. Schon in ihrem Buch „Still. Die Bedeutung von Introvertierten in einer lauten Welt“ (2011) plädiert sie für die Neuentdeckung des introvertierten Menschentypus. Denn seine Stärken gehen häufig unter in einer vom Ideal der Extraversion geprägten Umwelt.

Introvertierte – Verständnis und Perspektivwechsel

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Die Fragen, die sich Führungskräfte heute stellen müssen, lauten daher: Wie binde ich zurückhaltende Mitarbeiter stärker ins Team ein? Wie komme ich in einen guten Kontakt und Austausch mit ihnen? Wie kann ich einen guten Rahmen schaffen, damit ruhigere Kollegen ihre spezifischen Stärken gut einbringen können? Für die richtigen Antworten müssen Chefs sich klarmachen, wie der introvertierte Menschentypus überhaupt tickt.

Typischerweise Folgendes: Vorsicht und Bedachtsamkeit im Kontakt, Freude an ruhigen, allein zu bearbeitenden Aufgaben, Aufgeschlossenheit für den fachlichen Austausch, genaue inhaltliche Auseinandersetzung und eine ruhige, freundliche Höflichkeit. Im Umgang mit Gefühlen bevorzugen introvertierte Personen einen moderaten Stil. Das gilt sowohl beim Offenbaren der eigenen Emotionen, aber auch für die Gefühlsäußerungen von anderen. Zu Introversion neigende Menschen zeigen starke Emotionen erst spät und häufig nur bei hohem Druck von außen.

Was zeichnet das Verhalten introvertierter Menschen aus?

An schlechten Tagen verstärken sich die sonst guten Fähigkeiten ins Negative. Das Umfeld erlebt die introvertierte Person dann als kühl und distanziert. Sie wirkt misstrauisch, verschlossener und unentschlossener als sonst. Sie meidet aktiv den Kontakt und zieht sich zurück. Das hat dann unterschiedliche Auswirkungen im Arbeitsalltag.

Oft wird behauptet, dass introvertierte Menschen Veränderungen ablehnend gegenüberstehen. Das stimmt so nicht. Sie prüfen vielleicht nur kritischer und sorgfältiger die darin liegenden Chancen und Risiken. Oder sie handeln einfach, ohne viele Worte dazu zu verlieren. Andere bekommen es deswegen vielleicht gar nicht mit.

Missverständnisse im täglichen Miteinander sind leicht möglich

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Die meisten introvertierten Menschen bevorzugen es, in kleinen Teams oder auch alleine zu arbeiten. So erleben sie ihre eigene Arbeitsweise als produktiver und weniger kräftezehrend. Sind sie im Alltag mit vielen (extravertierten) Menschen im Kontakt, persönlich oder auch über ein Medium, erleben sie das öfter als anstrengend. Auch bei vielen Schnittstellen im Tagesgeschäft kann einem introvertierten Menschen schnell alles als zu viel erscheinen. Nicht selten führt das auch im eigenen Team zu Missverständnissen. So kann es sein, dass bei einem Kollegen, der gerne und produktiv im Team arbeitet, der Eindruck entsteht, dass das eher introvertierte Gegenüber desinteressiert ist. Dass das so nicht stimmt, zeigt folgendes Beispiel:

Ein Team diskutiert über das alljährliche Weihnachtsdinner. Die Frage steht im Raum, ob stattdessen nicht lieber im Januar eine Kick-off-Veranstaltung passender wäre. Die extravertierten Mitarbeiter dominieren die Diskussion. Am Ende setzen sich die lauteren Vertreter mit der Kick-off-Veranstaltung durch. Die ruhigeren Teamkollegen hatten sich zurückhaltend am Gespräch beteiligt, jedoch keine Präferenz deutlich gemacht.

Unzufriedenheit auf beiden Seiten

Das Ergebnis: Am Tag der Kick-off-Veranstaltung erscheinen die zurückhaltenden Kollegen nur teilweise. Der Grund: Sie fühlten sich bei der Entscheidung überrollt. Die Abwesenheit sorgte wiederum für Enttäuschung beim Rest des Teams, das sich für die Verschiebung starkgemacht hatte. Unverständnis breitet sich aus: „Warum halten die sich nicht an unsere Vereinbarung? Die haben einfach kein Interesse am Team.“

Um weitere Irritationen im Team zu vermeiden, sollte diese Situation gut und zügig aufgeklärt werden. Hier ist die Führungskraft gefragt, für gegenseitiges Verständnis zu sorgen. Es gilt, fair beide Perspektiven mit ihrer Bedeutung für das Team zu erläutern. Dabei ist es wichtig, die eigenen Präferenzen zu reflektieren, um das Verhalten der introvertierten und der extravertierten Kollegen wertfrei diskutieren zu können.

Gut gemeint, wenig Wirkung

Gleiches gilt bei der Leistungseinschätzung. Nicht selten werden ruhigere Menschen unterschätzt, weil sie weniger sprechen, ihre Leistungen und Erfolge weniger präsentieren, ruhiger agieren und dadurch nicht so dynamisch wirken. Führungskräfte, die spontan, kontaktfreudig und lösungsorientiert sind, schildern immer wieder die eigene Ungeduld im Umgang mit diesen Mitarbeitern. Teilweise ertappen sie sich dabei, um sie „herum zu arbeiten“. Sie delegieren weniger Aufgaben an diese Kollegen, weil es für sie scheinbar schneller und unkomplizierter geht, wenn sie es selbst machen. Manchmal kommt dazu die Befürchtung, den Mitarbeiter zu überlasten – doch unter Umständen weiß die Führungskraft gar nicht, wie belastbar der Kollege wirklich ist.

Was von der Führungskraft gut gemeint ist, entfaltet häufiger nicht bei allen Mitarbeitern die gewünschte Wirkung. Zu oft schließen Chefs zu sehr von sich auf das Gegenüber. Beispiel: Themen werden bewusst im Team besprochen und das Ganze als Brainstorming gestaltet. Alle sollen die gleiche Chance zum Mitmachen haben. Introvertierten gelingt es jedoch nur selten, sich in diesen Settings einzubringen. Entweder sind sie zu zurückhaltend, scheuen die Wortmeldung oder sind der Meinung, dass von anderen schon genug gesagt wurde. Damit nehmen sie keinen Einfluss auf das Ergebnis, obwohl sie könnten. Grund dafür ist jedoch nicht Schüchternheit, sondern eine klare Abwägung, dass weitere Wortmeldungen keinen Mehrwert bedeuten.

Zehn Tipps, um Introvertierte richtig abzuholen

Wie begegnen Sie also introvertierten Teammitglieder am besten? Hier zehn Tipps, um diesen Mitarbeitern auch als extravertierte Führungskraft ein gutes Umfeld zu schaffen.

  1. Schaffen Sie in Gruppensituationen Raum, damit introvertierte Mitarbeiter gehört werden. Das bedeutet: Warten, nicht ungeduldig werden, aber auch Meinung einfordern. Lassen Sie das Argument „alles schon gesagt“ nicht gelten. Stellen Sie sicher, dass Extravertierte nicht ins Wort fallen und kürzen Sie Vielredner ab.
  2. Lassen Sie neben teambezogenen Methoden wie Diskussionsrunden auch Arbeit in Zweier-Gruppen und Einzelarbeit zu. Sammeln Sie Vorschläge auf schriftlichem Weg. Das gewährleistet, dass auch Introvertierte sich einbringen.
  3. Bieten Sie nach Teamsituationen die Chance zum Rückzug, um die Leistungsfähigkeit Ihres Mitarbeiters wieder voll herzustellen: „Wir sprechen später weiter. In einer Stunde in meinem Büro?“
  4. Förderung und Entwicklung: Übertragen Sie inhaltlich anspruchsvolle Aufgaben. Stellen Sie technisch gute Arbeitsmittel zur Verfügung. Bieten Sie Möglichkeiten zur fachlichen Weiterentwicklung. Unterstützen Sie das Verständnis für andere Persönlichkeitstypen.
  5. Wenn Sie den Eindruck haben, Ihr zurückhaltendes Teammitglied hat Stress mit der Teamarbeit: Fragen Sie nach seiner Einschätzung. Diskutieren Sie, warum Sie den Austausch/die Arbeit im Team für sinnvoll und nützlich halten. Erfragen Sie alternative Vorgehensweise zur Erarbeitung des anstehenden Themas. Sprechen Sie offen über Vor- und Nachteile. Prüfen Sie offen, welche Vorschläge des introvertierten Mitarbeiters gut sind und genutzt werden können.
  6. Wenn Sie keinen Arbeitsplatz in einem Einzel-, Zweier- oder Vierer-Büro anbieten können, ist ein Platz am Rand einer Gruppe, zum Beispiel im Großraumbüro, eine gute Alternative.
  7. Denken Sie daran, dass Introvertierte ungern im Mittelpunkt stehen. Geben Sie Feedback unter vier Augen – Positives wie Negatives. Vermitteln Sie Rückmeldungen in korrekter Sprache und mit weiteren Hintergrundinformationen. Ermutigen Sie Mitarbeiter, eine eigene Einschätzung zu formulieren.
  8. Bei Veränderungen werden introvertierte Menschen ihre Meinung und Haltung nicht laut diskutieren. Sprechen Sie sie aktiv an, fragen Sie nach und gehen Sie dann in einen konstruktiven inhaltlichen Austausch mit dem Mitarbeiter. Gehen Sie in der Kommunikation  in zwei Schritten vor: Informieren Sie im ersten Gespräch über das Vorhaben. Besprechen Sie Maßnahmen oder Entscheidungen dann in einem Folgegespräch.
  9. Wenn Sie die Stärken der Extravertierten und der Introvertierten im Team besser nutzen wollen, ermöglichen Sie ein gegenseitiges tiefes Kennenlernen, etwa in einem Workshop, in dem Unterschiede, Gemeinsamkeiten und Wünsche an die Zusammenarbeit erarbeitet werden. Das fördert gegenseitiges Verständnis und Akzeptanz.
  10. Wundern Sie sich nicht, wenn Ihre Introvertierten weniger über ihre Erfolge berichten. Selbstmarketing halten sie häufig für überflüssig. Machen Sie ihnen den Nutzen klar und vermitteln Sie Ihr Interesse aus der Vorgesetztenrolle. Sie brauchen diese Informationen schließlich für die Leistungseinschätzung und um die Erfolge an anderer Stelle zu platzieren.


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