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Offenlegung & Urheberrechte: Bildmaterial erstellt im Rahmen einer kostenlosen Kooperation mit Shutterstock. Text ursprünglich aus: „SPIN IT! Denken und überzeugen wie ein Spin-Doktor“ (2015), erschienen bei FAZ Verlag, Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags.
Von Mathias Ulmann (Mehr) • Zuletzt aktualisiert am 25.01.2024 • Zuerst veröffentlicht am 01.07.2015 • Bisher 8789 Leser, 2681 Social-Media-Shares Likes & Reviews (5/5) • Kommentare lesen & schreiben
Kein anderer Begriff hat so einen schönen und warmen Platz in der Wirtschaftsliteratur gefunden wie „Change Management“. Das Management an sich ist inzwischen fast zum Change Management reduziert worden.
Der Manager führt nicht mehr, der Manager soll die Veränderungen begleiten und als „Change Agent“ fungieren und handeln. Es geht heutzutage in den Chefetagen fast nur um Veränderungsprozesse und wie die Führungskräfte diese vorantreiben können.
Die Manager verbringen also ihre gesamte Zeit damit, ihre Organisation und Belegschaft dafür optimal vorzubereiten: Automatisierung der Produktion, Eroberung neuer Märkte, Digitalisierung des Vertriebs und natürlich: „Change Mindset Workshop”.
Wie wir täglich sehen, wird die Welt von morgen eine radikal andere sein. Doch wie sie wirklich aussieht, kann man nur vermuten. Die Geheimdienste der USA haben diese Frage vertieft und das schwierige Kunststück versucht, in die Zukunft zu schauen, in das Jahr 2030, um genauer zu sein.
Alle vier Jahre erstellt der National Intelligence Council (NIC) seinen „Global Trends“-Bericht auf der Grundlage verschiedener Variablen. Die sogenannten Megatrends sind nicht wirklich unbekannt: die rasant steigende Weltbevölkerung, die Ressourcen-Knappheit, der politische Machtverlust der westlichen Welt, der Zuwachs der globalen Mittelschicht verbunden mit dem Empowerment der Einzelpersonen.
Der Strategiebericht kombiniert diese Megatrends mit sogenannten „Game-Changers“, also bahnbrechende, disruptive Trends, sowie mit technischen Fortschritten wie etwa „Schnittstellen zwischen dem menschlichen Gehirn und leistungsstarken Computern“, und macht daraus politische Analysen.
Die Geheimdienstler haben in ihrem Bericht verschiedene mögliche Drehbücher entwickelt, welche die Konsequenzen der Änderung des globalen Kräftespiels in Erwägung ziehen. Im Jahr 2030 wird China größte Wirtschaftsmacht sein. Endlich – würde man fast hinzufügen wollen, da dieses Thema schon seit Jahren auf den Titelseiten steht.
China kann Amerika aber nicht entthronen, so die NIC weiter, da die USA im globalen Kräftemessen weiter mitmischen und sogar Sieger bleiben, und zwar als „Primus inter pares“, als Erster unter Gleichen also.
Auch gehen sie davon aus, dass andere regionale Schwergewichte wie Brasilien, Mexiko, Südafrika, die Türkei und sogar Kolumbien zunehmend wirtschaftliche und irgendwann dann politische Bedeutung erlangen werden. Und zwar auf Kosten eines alternden Europas, welches einen immer härteren Kampf führen müssen wird, um seinen Lebensstandard zu halten.
Werden wir also in einer multipolaren Welt leben? Nicht wirklich! Die Welt von morgen wird “ a-polar“ sein, sprich: ohne klar dominierende Macht. Ist das gut?
Die richtige Frage lautet vielmehr: Kann eine sieben-Milliarden-köpfige Menschheit mit der Anarchie umgehen? Wird die Menschheit endlich verstehen, dass viele wichtige globale Themen eine globale und integrierte Politik brauchen? Das kann man nicht garantieren, aber wir werden sehen.
Eines ist sicher: Unsere vernetze Welt wird voll von Überraschungen sein. Der Auftragsgeber des Spin-Doktors mag aber keine Überraschungen, deshalb muss dieser die Konsequenzen der gesellschaft lichen, wirtschaftlichen und politischen Veränderungen einordnen, die gerade passieren, während er den Auswirkungen der Veränderungen vorgreift, die gerade auftreten.
Parallel dazu muss der Spin-Doktor die kleinen Signale schnell aufspüren und deuten, welche die kommenden Veränderungen ankündigen. Es ist, gelinde gesagt, etwas stressig: Der Spin-Doktor steht fast nie in der Gegenwart, sein Geist ist immer beschäftigt mit dem, was passiert ist und was passieren könnte.
Und trotzdem muss er den Überblick behalten und Klarheit schaffen, Tempo aus der Sache rausnehmen und das hilflose Hinterherlaufen vermeiden. Es ist tatsächlich nicht einfach, weil die Ereignisse zahlreicher und, schlimmer noch, immer schneller aufeinander folgen. Aber „do not shoot the messenger!“, man sollte niemals den Boten für die schlechte Nachricht verantwortlich machen.
Die neue Medienlandschaft und besonders die Live-TV-Berichterstattung von Nachrichtensendern wie CNN, France24, NTV und so weiter tragen gewiss ihre Verantwortung, spielen eine zentrale Rolle in dieser gesamten Beschleunigung. Aber diese Beschleunigung ist wie die Verkleinerung des Raumes das direkte Produkt der Globalisierung.
Aber warum sollten wir überrascht sein? Es ist irgendwie ganz normal in Anbetracht der Tatsache, dass die Wirtschaft nichts anderes als eine „schöpferische Zerstörung“ darstellt, wie der bekannte österreichische Ökonom Joseph Schumpeter sagte. Fakt bleibt, dass Veränderung nie einfach ist. Viele Manager schwanken zwischen Aktionismus und Attentismus, zwischen Ermutigung und Erschöpfung.
Der permanente Wandel ist für den Spin-Doktor sozusagen Normalität, da seine Welt hauptsächlich aus Ereignissen besteht. Alles nur Ereignisse! Es passiert immer etwas: Ein Flugzeug ist über dem Indischen Ozean verschwunden, neue ungünstige Umfragewerte werden veröffentlicht, eine Autobombe ist explodiert und gefährdet die schon extrem zerbrechlichen Friedensverhandlungen, ein Finanzierungsskandal droht die ganze Partei in den Schmutz zu ziehen usw.
Politiker und ihre Spin-Doktoren sind täglich mit Beratungen über solcherlei Ereignisse beschäftigt. Die Welt ist für sie nur eine Kette von Ereignissen, kleine wie große, die den politischen Alltag bestimmen. Der Spin-Doktor hat Heraklit gelesen und weiß, dass nichts beständiger ist als der Wandel und dass das Einzige, was bleibt, die Veränderung ist.
Die Kunst des Spin-Doctorings besteht darin, diesen Ereignisse, wenn möglich, vorzugreifen, meistens aber leider nur darauf zu reagieren, und das Wichtigste: sie zu akzeptieren. Ereignisse selbst kann man nicht verhindern und kontrollieren. Man kann aber die Art und Weise kontrollieren, wie wir diesen begegnen, sie interpretieren und dann nutzen.
Die Politikwissenschaftler sprechen gerne von „Agenda Setting“, wie wir schon erklärt haben, also von der Schwerpunktsetzung bestimmter Themen. Einige Kommentatoren reden mehr und mehr von „Agenda Surfing“, weil die meisten Ereignisse unplanbar sind und einfach vorkommen.
Die Kernfrage lautet: Wie kann man mit diesen Ereignissen umgehen? Denn sie sind nicht zu umgehen. Ihr Wettbewerber besitzt ein neues Produkt, welches ihre ganze Branche auf den Kopf stellen wird? Was können Sie dafür? Was können Sie dagegen unternehmen? Sie können bestimmen, wie Sie darauf reagieren. Es besteht bestimmt auch eine Chance, dieses Produkt zu kopieren.
Oder eine andere Zielgruppe anzusprechen oder ihren Forschungsetat endlich beim Vorstand zu forcieren. Alles ist Veränderung. Alles nur Ereignisse. Ihre optimale Reaktion auch. Darauf surfen, damit Sie nicht sinken. Damit umgehen, damit Sie nicht untergehen. Leichter gesagt als getan, oder? Ich stimme Ihnen zu. Und zwar aus einem einfachen Grund: Es gibt immer mehr Ereignisse, immer mehr Veränderungen. Unsere Welt verändert sich in einem bemerkenswerten Tempo.
Im März 1989 schrieb der Brite Tim Berners-Lee, ein arbeiter am europäischen Kernforschungszentrum CERN, eine Mit Abhandlung namens „Informations-Management – Ein Vorschlag“. Es ging darum, ein Konzept zur Funktionsweise eines einheitlichen Internets zu präsentieren. Berners-Lee entwickelte damit „http“ (Hypertext Transfer Protocol), das Protokoll, das weltweit dem einfachen Austausch von Informationen dient. Das war vor ungefähr 25 Jahren. Im Jahr 2003 gab es noch kein Facebook.
Im Jahr 2007 war „Twitter“ nur ein Wort, um das Zwitschern eines kleinen Vögelchens zu beschreiben. Im Jahr 2015 wurde Google 15 Jahre alt – ein Teenager, der sich manchmal auch so benimmt. Und vor 2010 war ein Tablet zum Servieren da – meistens aus Silber –, aber definitiv kein PC.
Die Zeiten ändern sich, es liegt in ihrer Natur. Genauso wie in der Natur der Menschen. Die „Generation Y“ oder „Millennials“ werden in Kürze 75 Prozent der Belegschaft ausmachen. Diese neue Spezies wird sehr knapp und sehr anspruchsvoll sein. Es wird also dringend Zeit für die HR-Abteilungen, sich umzustellen.
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Mathias Ulmann ist Kommunikationsberater und war parlementarischer Referent im französischen Senat.Mathias Ulmann studierte in seinem Geburtsort Paris Politik und Kommunikationswissenschaften am Institut d’études politiques. Er war acht Jahre lang parlamentarischer Referent im französischen Senat und in der Assemblée Nationale, wo er „Spin“ definierte, Reden schrieb und Schnittstellen mit Journalisten und Mitgliedernetzwerken betreute. Nachdem er zwischen 2006 und 2011 mehrere leitende Kreativ- und Strategiepositionen in internationalen Netzwerkagenturen besetzte, berät er seit 2012 Unternehmen in Kommunikationsfragen. Parallel dazu arbeitet er als Berater mit dem Schwerpunkt „Digital“ und als Redenschreiber für führende Politiker. Alle Texte von Mathias Ulmann.
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