Heute ein Novum, denn wir stellen dieses Mal in einer Sammelrezension vier Bücher zum Thema Social Media vor. Es geht um die unterschiedlichsten Aspekte der beruflichen Nutzung der Sozialen Medien. Und alle Bücher haben eine Gemeinsamkeit: sie sind sehr lesenswert.

Social Media hat übernatürliche Fähigkeiten?

Wer sich nicht seit ein paar Jahren im Keller versteckt, kommt um Social Media nicht herum. Selbst wer keine Lust auf die neue digitale Welt hat, muss sie wenigstens beschimpfen. Aber besser natürlich, man ist ganz vorne mit dabei. Ein gefundenes Fressen für Berater und Spezialisten aller Art, die den sozialen Medien übernatürliche Kräfte attestieren.

Mehr Wissen, mehr Kunden, mehr Umsatz. Und nie mehr einsam! Aber was stimmt nun wirklich? Ein paar gute Landkarten für dieses unübersichtliche Terrain gibt es im altmodischsten aller Medien – im Buch. Vier lesenswerte Exemplare dieser Gattung sind hier kurz vorgestellt.

Social Media für Selbstständige und Unternehmer

Das Werbe- und Marketingbudget von kleinen Unternehmen und Selbstständigen ist in der Regel dafür ausgelegt, bei der freiwilligen Feuerwehr oder dem Sportverein zum 125sten Jubiläum eine Anzeige in der Festschrift zu schalten (sonst redet der Vorstand kein Wort mehr mit einem). Umso verlockender die neuen Möglichkeiten im Netz.

Aber wo anfangen? Bei XING netzwerken, auf Facebook posten oder auf Youtube ein Video vom Friseursalon einstellen? Wer sich mitdiesen Fragen plagt, ist mit Claudia Hilkers „Social Media für Unternehmer“ bestens bedient. Die Expertin stellt alle gängigen Webseiten vor und zeigt, mit welchem Aufwand welche Ergebnisse erzielt werden können.

Social Media für Halbprofis

Wer schon die eine oder andere Erfahrung mit den sozialen Medien gemacht hat, schon ein Blog betreibt und auch seine Profile auf Facebook, Twitter, Google und Xingpflegt, findet in „Social Media in der Praxis“ gute Anregungen. Der in der US-Szene recht bekannte Blogger Chris Brogan nimmt den Ameisenhaufen Social Media von allen möglichen Seiten unter die Lupe. Liefert gute Tipps zum Anlegen eines Blogs, sagt wie Anmeldebuttons über Erfolg und Misserfolg entscheiden und zeigt, wie man ein gewinnbringendes XING-Profil anlegt.

Das Buch ist eine Compilation der besten Beiträge des Blogs von Chris Brogan. Wer will, findet also alles auch kostenlos im Netz – allerdings auf Englisch. Wer zu faul ist zum Suchen und Übersetzen, greife zu diesem gut aufbereiteten Buch. Convenience Read!

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Social Media für den Vertrieb

In eine ganz andere Richtung marschiert mit Andreas Buhr, einer der im Moment tonangebenden Vertriebs-Experten. In „Vertrieb geht heute anders“ ruft Buhr den Kunden 3.0 aus und bläut seinen Kollegen ein, sich endlich in die digitale Welt zu stürzen. Grund: Wo die Kunden sind, muss auch der Vertrieb sein.

Und weil die neuen Kunden immer besser informiert sind, muss sich auch der Vertrieb immer besser informieren – über die Kunden zum Beispiel. Und das geht nirgends besser, als im Netz. Buhr sprengt die klassischen Grenzen zwischen Vertrieb, Presse und Marketing, fordert, alle Kanäle gewinnbringend zu nutzen. Und schafft damit die Runderneuerung des Vertriebs.

Social Media für Skeptiker

Mit der politisch gesellschaftlichen Dimension der sozialen Medien setzt sich die Bloggerin, Journalistin und erfolgreiche Web 2.0-Praktikerin Simone Janson auseinander. Anders als der Buchtitel nahelegt – „Nackt im Netz. Wenn Social Media gefährlich wird“ – holt die Autorin nicht zum Schlag gegen das Web aus.

Sie plädiert stattdessen für einen unaufgeregten, selbstbestimmten Umgang mit den Möglichkeiten, die insbesondere die sozialen Medien bieten. Sie stellt sich dabei ganz klar gegen die Zivilisationspessimisten vom Schlage Schirrmachers und arbeitet statt mit dem Holzhammer mit der Pinzette: Sie verteufelt nicht Facebook, sondern zeigt, wie man den Überblick behält.

Pinzette statt Holzhammer

Sie lästert nicht über Twitter, sondern sieht, dass Kurznachrichtendienste auch für Unternehmen sinnvoll genutzt werden können. Kein Wunder also, dass Ihre Empfehlung zum Umgang mit den Internetdaten „mitschwimmen statt kontrollieren“ heißt. Eine sehr gute Anleitung für den gelassenen Umgang mit dem Web 2.0.

Die rasante Entwicklung rund um das Internet gibt professionellen Skeptikern (Feuilletonisten) genauso wie professionellen Euphorikern (PR- und Werbeprofis) reichlich Futter. Umso wichtiger, sich einen nüchternen Blick auf die Dinge zu bewahren. Entschleunigung ist angesagt. Und was entschleunigt besser als ein gut geschriebenes Buch?

Shitstorm zu Werbezwecken

Diese Buch mussten wir am Ende einfach auch noch besprechen, und zwar etwas ausführlicher: Die rotzfreche Abrechnung eines Medienhetzers, das den Glauben an die „Weisheit der Vielen“, an die „Schwarmintelligenz“ doch ziemlich erschüttert. Es ist die Selbstbezichtigung eines Mannes, der rein zu Werbezwecken Shitstorms entfachte, der die Social Media-Kanäle funktionalisierte und der sich vor allem einen Dreck um die Wahrheit scherte.

Das Ganze noch saugut und spannend geschrieben. Alle, die sich ihr Wissen hauptsächlich aus Blogs und irgendwelchen Feeds saugen, sei zur Abwechslung mal ein Buch, dieses Buch, empfohlen. Wenn Schmutzkampagnen Gold wert sind, inszeniert man sie am besten selbst.

Beruf: Medien Belügen

Eine Warnung vorweg: Wenn Sie Internet-Blogs mögen, vielleicht jeden Morgen darin stöbern, um sich zu informieren und zu unterhalten, sollten Sie das Buch besser nicht lesen. Denn dieser Spaß wird Ihnen vergehen. Auch der an Boulevard-Blättern. Die über Twitter und Facebook geteilten Nachrichten werden Sie anders wahrnehmen, kritisch hinterfragen und garantiert nicht mehr sorglos „liken“.

Denn das, was Ryan Holiday in seinem Enthüllungsbuch „Operation Shitstorm“ über Meinungsmache und Manipulation scheinbar seriöser Medien berichtet, lässt niemanden kalt. Und Holiday muss es wissen. Denn er war der Schlimmste von allen. Holiday beginnt seine schonungslose Beichte mit einem nüchternen Statement: „Mein Job ist es, die Medien zu belügen, damit diese wiederum Sie belügen.“

Die Grenzen von Ethik und Recht überschritten

Als eigenwilliger PR-Manager für Unternehmen und Bestsellerautoren überschreitet er mehrfach die Grenzen des Rechts und die der Ethik sowieso, um seine aggressiven Botschaften zu vervielfältigen.

Er besticht Blogger, streut Gerüchte, entfacht „einen Feuersturm der Empörung“, um die Sogwirkung seiner „Nachrichten“ zu verstärken. Mit Erfolg! Seine Meldungen zieren die Aufmacher der Blogs und Portale, werden zum Gesprächsstoff amerikanischer Großstädte.

Er weiß, wie Blogger gefüttert werden wollen

Holiday ist ein Meister der Manipulation, der die leise Spielart der Beeinflussung ebenso beherrscht wie die Brachialmethoden. Weil er weiß, wie Medien funktionieren und wie Blogger gefüttert werden wollen. Seine Tricks verrät er detailliert in dem Buch.

Von neun wesentlichen Taktiken spricht er, die vermutlich nicht nur amerikanische Blogger in die Knie gezwungen haben, sondern auch hierzulande noch immer Nachrichtenblüten produzieren. Indem man aufgebauschte Halbwahrheiten streut, mit rhetorischen Fragen arbeitet, maßgeschneiderte Headlines und Artikel liefert, die einfach zu gut in das eigene redaktionelle Umfeld passen, zu viele Klicks und Kommentare bringen, als dass die Empfänger ihre Quelle kritisch hinterfragen möchten.

Wie einer einer Übertreibung ein Mediensturm wird

Holiday: „Ich trickse die Blogger aus, und die tricksen ihre Leser aus.“ Aus einer kleinen Übertreibung wird so in Windeseile ein Mediensturm, der auf falschen und gelogenen Informationen basiert. Auch in den Tageszeitungen natürlich, denn „80 Prozent aller Journalisten verwenden bei der Recherche ihrer Storys Blogs als Quelle.“

Ungemein spannend und schonungslos ehrlich räumt das Buch mit der Vorstellung unabhängiger Medienberichterstattung auf. Zur Ehrenrettung des Autors sei gesagt, dass er längst die Fronten gewechselt hat. Gut für ihn, damit er nachts wieder beruhigt einschlafen kann. Gut für Sie, denn sonst wäre dieses spannende Protokoll einer ethisch verrotteten Medienlandschaft nie erschienen.


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