Wie viele Überstunden leisten Beschäftigte in Deutschland? Wie viele Stunden sind das im gesamten Karriereverlauf? Was können Zeiterfassungs-Systeme daran ändern? Antworten liefert der „Arbeitszeitmonitor“.

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EuGH drängt auf Arbeitzszeiterfassung

Das EuGH-Urteil vom 14.05.2019 in der Rechtssache C 55/18 verpflichtet Unternehmen dazu, die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu protokollieren. Das bedeutet, dass alle Unternehmen ein Arbeitszeiterfassungsystem installieren müssten. Nun liegt es an der deutschen Rechtsprechung, wie mit dem Urteil des EuGH verfahren wird.

Hierzulande sind Arbeitgeber bislang verpflichtet, die über die übliche Arbeitszeit von acht Stunden pro Tag hinausgehenden Überstunden zu erfassen. Die Reaktionen sind wie so oft sehr unterschiedlich: Während Gewerkschaften das Urteil begrüßen, hagelt es Kritik seitens der Arbeitgeberverbände. Ob eine solche Regelung Überstunden reduziert, ist allerdings zu bezweifeln.

Über die Studie „Arbeitszeitmonitor“

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In unserem „Arbeitszeitmonitor“ haben wir 215.403 Angaben von Beschäftigten hinsichtlich ihrer Überstunden genauer unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: Ein Drittel der Fachkräfte in Deutschland arbeitet im Laufe des gesamten Berufslebens mehr als ein Jahr umsonst. Noch dramatischer klingt das Resultat für Führungskräfte, denn sie leisten zu 74 Prozent insgesamt 15.390 Überstunden ohne Ausgleich. Das sind wiederum volle 21 Monate.

Doch so extrem diese Zahlen auch klingen mögen, 46 Prozent der Beschäftigten machen laut eigenen Angaben gar keine Überstunden. Wir haben es also mit sehr unterschiedlichen WorkLife-Balances zu tun. Doch gehen wir einen Schritt zurück und blicken uns die Daten genauer an. Rund 40 Prozent der von uns untersuchten Angaben stammen von Frauen und 60 Prozent von Männern. Die meisten Angaben beziehen sich auf Fachkräfte (92,6 Prozent). Nur 7,4 Prozent sind von Führungskräften.

Überstunden nach Geschlecht: Männer arbeiten ein wenig länger

Beim Blick auf das Geschlecht stellen wir fest, dass weibliche Angestellte mit 2,2 Überstunden pro Woche im Schnitt weniger arbeiten als ihre männlichen Kollegen, die auf 3,7 Überstunden wöchentlich kommen. Ein Grund hierfür ist die Branchenverteilung. So finden wir in Branchen, in denen weniger Überstunden vorherrschen, mehr Frauen als bei von Überstunden stark betroffenen Sektoren.

Beispielsweise zählen wir in sozialen Einrichtungen mehr Arbeitnehmerinnen als Arbeitnehmer. Hier liegt die durchschnittliche Überstundenanzahl bei 2,24 Stunden pro Woche. Im Gegenzug dazu haben wir im Logistik- und Transportwesen mehr Männer, bei durchschnittlich 4,23 Überstunden wöchentlich. Doch die Branche ist nur einer der Gründe für den Geschlechterunterschied. Auch die Verteilung von Frauen und Männern in Führungspositionen ist ungleich. Wir finden in Positionen mit hohem Überstundenaufkommen meist mehr Männer als Frauen.

Unternehmensberater machen die meisten Überstunden

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Bleiben wir kurz bei Branchen: Die meisten Überstunden in diesem Vergleich leisten Unternehmensberaterinnen- und -berater. Sie kommen laut unserer Auswertung auf 5,18 Überstunden.

Ein Viertel der in diesem Bereich tätigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bekommen einen Ausgleich. Das in der Regel hohe Gehalt in der Unternehmensberatung soll die zusätzliche Belastung kompensieren.

Kaum regionale Unterschiede

Interessant ist das Ergebnis für den Vergleich nach Bundesländern: Hier herrscht kaum ein Unterschied. Das heißt, dass bundesweit fast überall gleich viel gearbeitet wird. Zumindest, was die Anzahl an Überstunden angeht. Wir sehen einen leicht höheren Wert in Stadtstaaten wie Hamburg oder Berlin.

Logischerweise befinden sich in Ballungsgebieten die meisten und auch große Unternehmen. Die Wahrscheinlichkeit, dass in diesen Regionen Überstunden geleistet werden, ist einfach höher. Doch grundsätzlich hat ein Bundesland keinen Einfluss auf die Anzahl der Überstunden. Der Unterschied entsteht durch wirtschaftsstrukturelle Faktoren.

Höhere Einkommen führen zu mehr Überstunden

Ein weiteres, vielleicht nicht ganz so überraschendes Ergebnis: In höheren Einkommensklassen steigt die Überstundenanzahl. Während Fachkräfte mit einem Jahresgehalt von bis zu 20.000 Euro 1,9 Überstunden pro Woche verrichten, arbeiten solche mit über 120.000 Euro durchschnittlich 6,8 Stunden zusätzlich. Führungskräfte mit über 120.000 Euro im Jahr kommen auf über 10 Stunden wöchentlich.

Natürlich hat damit auch das Alter eine Auswirkung auf die Überstunden: Berufseinsteiger mit unter 20 Jahren leisten im Schnitt 1,7 Überstunden pro Woche. Beschäftigte im Alter zwischen 30 und 39 Jahren kommen auf 3,1 Überstunden. Nach dem 60. Lebensjahr bleiben Arbeitnehmer wöchentlich rund 3,7 Stunden länger im Büro. Ein Grund dafür ist der höhere Anteil an Führungskräften, je älter die Beschäftigten sind.

Arbeitszeitstudie – Ergebnisse in der Zusammenfassung

Unsere Studie zeigt vor allem zwei Aspekte ganz deutlich:

  1. Viele Überstunden auf Führungsebene: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland arbeiten viel und vor allem die Führungsebene ist von Überstunden stark betroffen. Allerdings wissen wir auch aus unseren langjährigen Beobachtungen, dass seit 2009 immer weniger Überstunden anfallen. 2009, nach der Lehman-Brothers-Pleite lief die Wirtschaft schlecht und die Verunsicherung war entsprechend groß. Damals belief sich die durchschnittliche Überstundenzahl auf 6,6 pro Woche. Seither ist mit dem 10-jährigen Boom die Überstundenanzahl auf mittlerweile 3,1 h/Woche gesunken. In der Führungsebene sinken die Überstunden dabei aber langsamer als bei den Fachkräften. Sollten Überstunden künftig flächendeckend erfasst werden, könnte sich die Zahl an zusätzlich geleisteten Stunden kurzzeitig wieder erhöhen.
  2. Zeiterfassung bedeutet höhere Kosten: Aus unternehmerischer Sicht bedeutet eine Zeiterfassung nicht nur höheren bürokratischen Aufwand, sondern vor allem auch höhere Kosten. Dies trifft vor allem sich in der Aufbauphase befindenden Startup-Unternehmen. Wir haben insbesondere bei unter 30-jährigen Führungskräften sehr viele Überstunden feststellen können. Bis zum 30. Lebensjahr haben sie bereits über 1.300 Überstunden auf ihrem Konto gesammelt. Dieses Engagement hilft jungen Unternehmen bei gleichbleibenden Personalkosten zu wachsen. Würde eine Arbeitszeiterfassung wirken, hätte es wachstumshemmende Folgen für solche Unternehmen. Doch auch hier gilt es, die Arbeitskraft mit Augenmaß einzusetzen.

Fazit: Neue Arbeitsmodelle dürfen nicht unter Arbeitszeiterfassung leiden

Sollte die deutsche Rechtsprechung dem EuGH-Urteil nachkommen, wenn auch nur in abgeschwächter Form, müssen wir Arbeitszeiterfassung neu denken und diese mit modernen Arbeitsmodellen in Einklang bringen. Home-Office und Remote-Arbeiten dürfen nicht darunter leiden.

Sie gehören zu unserer heutigen Gesellschaft dazu, die das Familienleben fördert und gleichzeitig flexibel im Job sein will. Die Arbeitswelt 4.0 benötigt damit ein gleichermaßen flexibles und modernes Zeiterfassungsmodell. Und natürlich ist Arbeit nicht nur Pflicht, sondern auch notwendig für ein erfülltes Leben. Man sollte dies nicht übermäßig beschränken oder sanktionieren.


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