Können Sie Chef? Die sinnvollste Antwort lautet: „Hängt davon ab.“ Von Erwartungen, insbesondere seitens der Mitarbeiter. Von Bereitschaften, insbesondere der Führenden. Von Rollendefinitionen, die Ansprüche, Erwartungen, Rechte und Pflichten auflisten.

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Chefrolle im Wandel

Rollendefinitionen unterliegen historischen Veränderungen. Versehen mit einem tradierten Kern (Konventionen) fließen in sie Zeitgeist-Phänomene ein. Das hält sie beweglich.

Sie spiegeln Werte und Normen wider und geben Auskunft über das, was für nötig und wichtig sowie für wünschenswert und nicht wünschenswert gehalten wird.

Führungsrollen als Gemeinschaftsarbeit

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Auch Führungsrollen sind eine solche Art von Gemeinschaftsarbeit. An der aktuellen Bewegung in der Rollen- und Funktionsbestimmung wirken vor allem mit:

Fachleute unterschiedlicher Herkunft (z.B. Psychologen, Pädagogen, Organisations- und Arbeitssoziologen), Unternehmensmitglieder, die durch ihre soziokulturelle Prägung, ihre Präferenzen, Abneigungen und Forderungen Rollendefinitionen mehr oder weniger verändern, und drittens Auffassungen zu den Bedingungen der Möglichkeit einer erfolgreichen Unternehmensführung.

Gibt es den idealen Chef?

Die zitierte Frage mit der schauderhaften Grammatik stammt aus einem Beitrag in der Wirtschaftswoche und kann eigentlich nur mit einem „Hängt davon ab“ beantwortet werden. In der Regel wird allerdings so getan, als sei die Antwort ein für allemal klar. Dahinter steckt die Annahme, dass es einen „idealen“ Chef gibt.

Das bedeutet: Unabhängig von Kontextfaktoren wie etwa personale und soziale Faktoren, Qualitäten der Mitarbeitenden und des Auftrags, soll gelten: Der Chef, der bestimmte Regeln befolgt, ist ein guter Chef, für jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter. Das ist natürlich naiv.

10 Gebote für den idealen Chef?

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In zehn „Regeln“ dekliniert der Autor des besagten Beitrags, Redakteur Daniel Rettig, was „gute“, gar „brillante“ Manager können (sollen). Die Regeln zeigen die historische Dimension der Rollendefinition sowie den Zeitgeistfaktor anhand angenommener Erwartungen auf der Mitarbeiterseite.

Außerdem geben die Regelformulierungen ein hübsches Beispiel dafür, wo Psychologie im Hintergrund wirkt, wie sie versteckt und wie stark psychologische Erkenntnisse simplifiziert werden können.

Suggestive Wirkung beim Leser

Der suggestiven Wirkung, die zu einem bejahenden Nicken beim Leser führen soll, entzieht sich der flüchtige Leser selten. Seien Sie durch das plumpe „Du“ bei den Imperativen nicht abgeschreckt – psychologisch soll es helfen, sich angesprochen zu fühlen.

Das sind also die Dinge, die ein guter Chef idealerweise können soll. Da das durchaus kritisch zu sehen ist, habe ich mir diese 10 Gebote für Chefs nun nachfolgend etwas genauer und kritischer angesehen.

Chefs werden noch gebraucht

Ganz klar ist: Trotz Web 2.0 werden Chefs noch gebraucht. Vernetzungsoptionen und vermeintlich mündige Mitarbeitende betonen in der Praxis die Notwendigkeit von Linienfunktionen (Führungsposten) und Führungshandeln.

Dies wird selbst unter dem Label des „postheroischen Managements“ bislang eher rhetorisch-provokativ infrage gestellt. Die leitenden Ziele in der Mitarbeiterführung heißen Mündigkeit und Selbstständigkeit, Eigenverantwortung und Selbststeuerung.

Neue Rollenbilder für Chefs?

In diesem Umkreis kursieren seit einigen Jahren Begriffe wie Leader, Moderator, Prozessbegleiter, Mentor, Coach und Change Manager. Neuerdings kommt die Rolle des schwerpunktmäßig psychologisierenden Helfers hinzu.

Das stellt die Persönlichkeit und ihre Entwicklung ins Zentrum. Führungspersonen müssen sich deshalb zusätzlichen Rollenfacetten öffnen. Aber diese Rollenbilder sollten keinesfalls unkritisch übernommen werden, sondern genauer betrachtet werden. Daher will ich folgenden die 10 Gebote für Chefs mal etwas aufdröseln – worum geht es genau?

Die 10 Gebote für Chefs aufgedröselt

  1. „Du sollst Vorbild sein!“ Dazu gehören laut Artikel „Authentizität“ und Selbstreflexion. Vorbildhafte und authentische Manager seien sich „ihrer eigenen Stärken und Schwächen bewusst“, stünden „positiven wie negativen Informationen offen gegenüber“, handelten „gemäß ihrer Werte und Vorstellungen“ und seien „ehrlich im Umgang mit anderen“.
  2. „Du sollst Mitarbeiter mitreden lassen!“ Dieser Appell zur Mitsprache richtet sich an das „Gefühl“ von Mitarbeitenden, „dass ihre Meinung bei wichtigen Beschlüssen zählt – vor allem dann, wenn diese unmittelbare Auswirkungen auf ihren Arbeitsalltag haben.“
  3. „Du sollst Freiheiten gewähren!“ Hier geht es um die „Souveränität“ von „Chefs“, Mitarbeitenden Optionen zu eröffnen, Persönlichkeit und „Kreativität“ in einem Klima des „Vertrauens“ „entfalten“ zu können.
  4. „Du sollst Mitarbeitern Ziele setzen!“ Ziele gelten als Bedingung für die Möglichkeit für Sinnhaftigkeit, Erfolgserlebnisse, planvolles Agieren, Orientierung sowie Hilfe, „die täglichen Prioritäten besser zu ordnen und produktiver zu werden“. Dazu sollten „Ziele sowohl individuell als auch kollektiv“ gesetzt werden, „um das Engagement und den Teamgeist zu steigern“.
  5. „Du sollst ein Coach sein!“ Denn „Feedback spielt eine entscheidende Rolle, damit Mitarbeiter produktiv bleiben“. Kurz gesagt: „Menschen strengen sich mehr an, wenn sie mit rascher Rückmeldung rechnen.“
  6. „Du sollst Leistung wertschätzen!“ Dieser Aufruf zielt auf öffentliche Anerkennung wie etwa Auszeichnungen. Damit sie anspornt, müssten Vergabe und Auswahlkriterien für alle Mitglieder des Unternehmens „transparent und begründbar“ sein.
  7. „Du sollst Fehler zulassen!“ Fehler als Chance – zum Lernen, zu Engagement, zu Experimentierfreude, zu Kompetenzwachstum und zu einer offenen, konstruktiven Fehlerkultur. Fehler dürfen gemacht werden – nur nicht derselbe zwei Mal.
  8. „Du sollst konsequent sein!“ In Rede steht hier ein durchgängiges, personenunabhängiges, ein zuverlässiges und daher erwartbares Repertoire an Reaktionen des Managers, insbesondere beim Loben und Zurechtweisen. (Kein Nasenfaktor!)
  9. „Du sollst zuhören!“ Das Zuhören soll nach dem Modus des „aktiven Zuhörens“ verlaufen, zu dem unter anderem gehört, „sein Gegenüber aufmerksam zu beobachten, ausreden zu lassen und offene W-Fragen (Wer, Wie, Was, Wann) zu stellen und seinem Gegenüber Verständnis zu signalisieren. Erst dann fühlt sich der Betroffene ernst genommen.“
  10. „Du sollst die Wahrheit ertragen!“ Um mögliche Hybris („aus Selbstbewusstsein wird Selbstüberschätzung und Überheblichkeit“) zu vermeiden, holen sich „gute“ und „brillante“ Manager kritisches Feedback ein und gehen auch dann mit „der Wahrheit“ „souverän“ um, wenn sie „weh tut“.


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