Das einzige, das Marie an der Ehe reizen würde, ist das weiße Hochzeitskleid. Auch sonst scheint sie von konventioneller Sicherheit nicht viel zu halten.Anke Ernst ist auf ihrer Berufs- und Selbstfindungs-weltreise mittlerweile in Neuseeland. Sie spricht mit der Französin Marie über Ehe, Sicherheit, die Vielfalt an unterschiedlichen Berufsmöglichkeiten und die Orientierungslosigkeit der Generation Praktikum.

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Einfach mal studiert

Ich treffe Marie in einem Backpackerhostel in Picton (Neuseeland), in dem sie gerade für ein paar Tage Pause vom WWOOFing („willing workers on organic farms“, macht. Die 25jährige Französin wundert sich, dass ich sie frage, ob sie mir von ihrem Leben erzählen will. Aus ihrer Sicht hat sie nichts Interessantes zu berichten, willigt aber trotzdem ein. Wir setzen uns in den Garten des Hostels unter einen Sonnenschirm und sie beginnt, eher gleichgültig von ihrem Werdegang zu berichten.

Weil das Fach ihr in der Schule Spaß gemacht hat und sie keine Alternative wusste, studierte Marie nach dem sozialwissenschaftlichen Abitur Geographie. Die ersten beiden Jahre gefielen ihr gut, im dritten Jahr wurde sie faul. Das vierte Jahr interessierte sie nicht mehr. Mangels Lehrkräften waren die Vorlesungen generell gehalten und sie konnte sich nicht wie geplant auf „Umwelt“ spezialisieren. Deshalb hörte sie nach zwei Monaten auf, in die Uni zu gehen.

Das war der Anfang eines seltsamen Jahres, das nicht besonders bereichernd war, wie sie sagt. Sie suchte ab und zu im Internet nach Berufsmöglichkeiten, arbeitete gelegentlich auf dem Hof des Vaters und ritt dessen Pferde. Sonst machte sie nicht viel.

Zufällig den Traumberuf entdeckt

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Durch Zufall entdeckte sie den Beruf des Topografen. Sie beschloss, diesen während eines Praktikums auszuprobieren und durfte so drei Wochen lang zuschauen, wie für Privatleute Gelände ausgemessen wurde. Daraufhin schrieb sie sich für eine zweijährige Ausbildung für Abiturienten (BTS: brevet de technicien supérieur) ein, in der sie abwechselnd zwei Wochen Schule hatte und zwei Wochen arbeiten ging.

Nach dem Abschluss suchte sie mehr oder weniger motiviert nach Arbeit, aber der langgehegte Wunsch, allein eine weite Reise machen, setzte sich durch. Dank WWOOFing kann sie die Reise mit ihrer Naturverbundenheit kombinieren: Für Kost und Logis arbeitet sie in Neuseeland auf Bauernhöfen oder bei Privatpersonen, die sich an biologische Richtlinien halten.

Priorität „Ich“

Etwas zurückhaltender erzählt Marie von ihrer Kindheit und der Scheidung ihrer Eltern. Die Jahre nach der Trennung schweißten die damals zwölfjährige Marie eng an ihre drei Jahre ältere Schwester. Gemeinsam standen sie die räumliche Trennung vom Vater und den ungewollten Schulwechsel durch. Maries Miene sieht sehr entschlossen aus als sie erzählt, dass die viele Scheidungsfälle kennt und deshalb auch nicht vorhat, zu heiraten. An Kinder hat sie noch nicht gedacht, aber sie ist nicht grundsätzlich dagegen. Ich frage sie, was im Moment in ihrem Leben Priorität hat. Die Antwort ist kurz und eindeutig: „Ich.“

Seit Dezember 2009 WWOOFt sie ganz auf sich gestellt in Neuseeland. Ihre Arbeit auf den Höfen der Kiwis ist unterschiedlich: Ziegen melken, Käse machen, Reitausflüge leiten. Die Reise tut ihrem Ego gut. Sie ist stolz darauf, dass sie sich trotz Schüchternheit und geringer Englischkenntnisse ganz allein durch das Land geschlagen hat. Und das Reisefieber hat sie gepackt. Wenn sie wieder zurück kommt, will sie zwei Jahre als Topografin arbeiten und Geld sparen, um dann noch einmal länger zu reisen, diesmal durch Südamerika.

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In der Ferne die Heimat entdeckt

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Trotzdem will sie auf lange Sicht in Frankreich wohnen. Dann kann sie nicht nur wieder die französische Küche, das Brot und den Käse genießen. Von der Distanz aus wird ihr bewusst, wie wichtig Familie und enge Freunde sind. Marie freut sich besonders auf ihre Schwester, die vor kurzem Mutter geworden ist. Auch auf die Freunde aus der Schule, auf die sie vor der Scheidung gegangen ist.

Nach der Reise durch Südamerika wird es ihr nicht mehr darauf ankommen, möglichst viel Geld zu verdienen. Sie wünscht sich auf lange Sicht eher einen Beruf, in dem sie in der freien Natur arbeiten kann und Kontakt mit Tieren hat. Darin kann sie sich entfalten.

Ein guter Rat?

„Welchen Rat gibst Du unserer Generation?“, frage ich meine Interviewpartnerin, die 25jährige Marie aus Frankreich bei meinem Interview.

Marie zögert. „Ich weiß nicht, ob das verantwortungsbewusst ist.“ Ich sage ihr, dass es darum gar nicht geht. „Dann: Genießt das Leben!“

Berufswahl – den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen!

Maries Hilflosigkeit gegenüber der Flut an Berufsmöglichkeiten ist kein Einzelfall. Viele junge Menschen sehen vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr, u.a. auch, weil es für sie schwierig ist, die unterschiedlichen Möglichkeiten angemessen zu beurteilen. Eine Entscheidung zu treffen bedeutet gleichzeitig, vieles andere auszuschließen, was weitere Ratlosigkeit verursacht. Vielleicht sind wir nicht umsonst die Generation Praktikum.

Nach dem Studium kann es außerdem sein, dass man Zeit braucht, dem Gelernten einen Stellenwert im eigenen Leben zu geben. Dies gilt vor allem dann, wenn keine Karriereplanung vorliegt und nicht an erster Stelle steht, möglichst viel Geld zu verdienen. Die alternative Priorität muss man erst mal herausfinden.

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Reisen hilft beim Sondieren der Möglichkeiten

Reisen kann helfen, eine gesunde Distanz zum Leben zu Hause aufzubauen und Prioritäten individuell zu setzen. Dazu muss man sich selbst Fragen beantworten wie: Was hat mich am Studium besonders fasziniert? Was möchte ich weiterführen, was erkenne ich als nebensächlich oder uninteressant?

Am besten geht das wohl, wenn man sich eine zeitlang nur auf sich selbst konzentriert in einer Umgebung, die einem nicht vertraut ist. Marie jedenfalls hat in Neuseeland entdeckt, was ihr wichtig ist – auf beruflicher und zwischenmenschlicher Ebene.

Alternative zur Ehe

Übrigens: In Frankreich gibt es eine Alternative zur Heirat – pacser (Pacte Civil de Solidarité). Menschen in einer hetero- oder homosexuellen Partnerschaft, aber auch enge Freunde oder Bekannte können diesen „Zivilen Pakt“ eingehen. Sie genießen dann dieselben steuerlichen Vorteile wie Verheiratete.

Außerdem wird bei einer Versetzung des einen Partners der Wohnort des anderen berücksichtigt. Eine „Scheidung“ ist zwar nicht umkompliziert, aber dennoch schneller vollzogen als die von regulär Verheirateten. Ich glaube, dass durch diese Möglichkeit die Institution Ehe an Bedeutung verliert.


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