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Von Professor Dr Christian-Rainer Weisbach (Mehr) • Zuletzt aktualisiert am 12.07.2023 • Zuerst veröffentlicht am 30.11.2016 • Bisher 5240 Leser, 1190 Social-Media-Shares Likes & Reviews (5/5) • Kommentare lesen & schreiben
Es heißt, wer fragt führt. Doch wer ohne zu fragen sein Gegenüber zum Sprechen bringt, kommt ans Ziel. Weil die meisten Menschen dazu neigen, Fragen so zu beantworten, dass sie mit der Antwort in einem guten Licht stehen, erweisen sich direkte Fragen als wenig zielführend.
Es ist zwar eine weitverbreitete Ansicht, Menschen für umso intelligenter zu halten, je schneller, beharrlicher, vielseitiger und unermüdlicher sie Fragen stellen, wie wenig zielführend das ist, zeigt sich allerdings oft genug-
Wie geht es Ihnen, wenn Sie beispielsweise bei einer Entscheidung zögern und unvermittelt gefragt werden: „Sind Sie unsicher?“ Fällt es Ihnen da leicht zuzugeben, dass Sie unsicher sind. Wer will schon zugeben, dass er unentschlossen ist? Prompt fällt die Antwort eher so aus: „Nein, ganz und gar nicht. Ich denke nur nach.“
Oder wie fällt Ihre Erwiderung aus, wenn Sie direkt auf Ihre Gefühle angesprochen werden? Beispielsweise: „Haben Sie da Sorgen?“, „Sind Sie überlastet?“ oder „Bist Du jetzt sauer?“ Ohne groß nachzudenken, liefern die meisten Menschen eine rationale Erklärung, im Stile von: „Nein, überhaupt nicht, ich habe nur verschiedene Optionen verglichen.“
Das klingt schlüssig und ist doch nichtssagend, weil unerwähnt bleibt worüber nachgedacht wurde, oder welche Optionen da verglichen wurden.
Entgegen langjähriger Tradition, die Fragetechniken immer differenzierter auszuweiten geht diese Methode von einem völlig entgegengesetzten Selbstverständnis aus: Den Gesprächspartner dazu zu bringen, sich unaufgefordert zu erklären, führt in der Regel zu Erkenntnissen, die durch keine noch so geschickte Frage offen ausgesprochen werden.
Weil sich viele Menschen scheuen, Gefühle wie Zweifel, Zögern und Unentschlossenheit, oder Sorgen, Bedenken und Ängste etc. offen anzusprechen, hebt sich der fragefreie Stil wohltuend von den direktiven, einengenden Fragemanövern ab, die mehr Ähnlichkeit mit einem Verhör haben als mit einem wertschätzenden Gespräch.
In der Quintessenz bedeutet dies: Fragen sind nur zielführend, wenn der Befragte bereit und offen ist, darauf einzugehen. Ist diese Bedingung nicht erfüllt, sind Fragen – und seien sie noch so differenziert – stets mit dem Risiko verbunden, Antworten zu provozieren, die sozial erwünscht klingen.
Wenn Sie das konsequent beherzigen, werden Sie vor jeder Ihrer Fragen kurz innehalten, um sich zu überlegen, wie bereitwillig und aufgeschlossen Ihr Gegenüber wohl darauf eingehen wird. Dabei werden Sie entdecken, dass Sie auf drei Viertel Ihrer Fragen verzichten können bzw. müssen, weil die Grundvoraussetzung für einen echten Dialog überhaupt nicht gegeben ist.
Diese Methode fördert nicht nur beim einfachen Informationsaustausch die Gesprächsbereitschaft, sie zeigt ihre besondere Wirkung beim Ansprechen von Gefühlen. Wenn Sie offen ansprechen, was Sie gerade beim Gegenüber bemerken, zeigen Sie Resonanz, d.h. Sie sind empfänglich für dessen Empfindungen.
Aus dem knappen „Sind Sie unsicher?“ wird ein längerer Satz: „Ich habe gerade den Eindruck, dass Sie noch unschlüssig sind. Vielleicht waren meine Erklärungen verwirrend.“ Allerdings entfaltet dieses Vorgehen nur dann seine volle Wirkung, wenn Sie ohne wertenden Unterton, aus einer akzeptierenden Grundhaltung heraus sprechen. Dann hat Ihr Tonfall etwas geradezu Beiläufiges.
Dadurch vermitteln Sie: Es ist das Normalste von der Welt, so zu denken oder sich so zu fühlen, wie Ihrem Gesprächspartner gerade zumute ist. Diese akzeptierende Haltung löst im Gegenüber das Bedürfnis aus, sich zu erklären. Und dafür bedarf es erstaunlicherweise keiner Fragen.
Erst die Selbstverständlichkeit, mit der Sie eine Feststellung treffen, macht sie zu etwas Normalem und Natürlichen. Das trägt zur Entspannung und Entlastung bei, zeigt Ihr Tonfall doch, dass Sie völlig ruhig und entspannt bleiben und an dem, was der Andere sagt, nichts Besonderes oder Ungewöhnliches finden.
Interessanterweise bringt das die meisten Menschen eher zu einer spontanen Fortsetzung, als dass dies durch eine Frage möglich wäre. Denn das Beantworten von Fragen wird ja immer von einem automatischen Kontrollmechanismus begleitet, bei dem sich der Antwortende auch fragt, ob und inwieweit die Antwort geeignet ist, ihn in einem guten Licht da stehen zu lassen bzw. sozial erwünscht zu wirken.
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Prof Dr. Patrick Geus ist Prorektor der IUBH Campus Programme. Er ist außerdem Studiengangsverantwortlicher für Marketing sowohl im Dualen wie auch im Masterprogramm des Fernstudiums der IUBH. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Markenführung und -kommunikation Alle Texte von Professor Dr Christian-Rainer Weisbach.
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