Einer meiner Leser, selbst  Ingenieur mit gut bezahltem Job, hat kürzlich den Verein Deutscher Ingenieure (VDI) um eine Stellungnahme zum Thema Fachkräftemangel gebeten. Seiner Meinung nach Vertritt der VDI zunehmend nur noch die Arbeitgeberinteressen und nicht mehr die Interessen der Ingenieure. Daher will er nun aus dem Verein austreten und auch andere zum Austritt bewegen. Polemische Zuspitzung oder berechtigter Vorwurf? Und nimmt der VDI den drohenden Mitgliederschwund überhaupt ernst?

vdi

Ingenieure fühlen sich schlecht vertreten

Mein Leser (aus Datenschutzgründen möchte ich seinen Namen nicht nennen), ist wütend, weil  VDI zunehmend eher die Arbeitgeber vertete als die (meist angestellten) Ingenieure. Daher fordert er einen Kurswechsel des VDI und will nach 14 Mitglieds-Jahren aus dem VDI austreten. Zur Begründung schreibt er:

Insbesondere stößt mir und meinen Ingenieurskollegen die Haltung des VDI zum angeblichen Fachkräftemangel immer mehr auf. Spätestens seit der DIW-Studie von November 2010 wird immer deutlicher, dass es sich hier wohl eher um eine großangelegte Meinungsmache der Arbeitgeber handelt, letztendlich mit dem Ziel, durch Zuwanderung ein ÜBERANGEBOT an Fachkräften zu erreichen um so Ingenieursgehälter auf breiter Front drücken zu können. Arbeitslose Fachkräfte, die vielleicht nicht 1000%ig dem Arbeitgeberwunsch entsprechen, fallen dann den Sozialkassen und damit der Gesellschaft zu Last […] Sobald der VDI hier seine Haltung korrigiert, werde ich wieder beitreten, bis dahin werde ich alle Ingenieure aus meinem persönlichen Umfeld sensibilisieren und Ihnen ebenfalls einen VDI-Austritt nahelegen.

Der VDI bleibt beim Fachkräftemangel

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Marco Dadomo, Pressesprecher des VDI, hat letzte Woche umgehend geantwortet und zu den Vorwürfen Punkt für Punkt Stellung bezogen. In einer eMail vom 04.01.2012 schreibt er:

Die Gehälter der Ingenieure sind im vergangenen Jahr durchschnittlich um über 4 Prozent gestiegen (eine Untersuchung der VDI nachrichten). Wissenschaftlich fundierte Zahlen und Initiativen der Bundesregierung zu negieren erhöht m. E. nicht unbedingt eine realitätsbezogene Betrachtungsweise. Worauf basiert denn Ihre Betrachtungsperspektive? Auf Einzelgespräche mit Betroffenen oder auf fundierten, repräsentativen Zahlen? Der VDE Sprecher bzw. die Aussage, auf die Sie sich beziehen, ist vom seinem eignen Chef korrigiert worden, weil er sich nur auf die Elektroingenieure bezogen hat und nicht auf den Gesamtarbeitsmarkt. Jedes Wirtschaftsinstitut ob IW oder DIW wird von externen unterstützt. Deswegen deren Neutralität anzuzweifeln ist absolut unangemessen und hat keine Grundlage. Die VDI nachrichten sind nicht die Hauspostille des VDI, sondern eine unabhängige Zeitung die frei ist in der Wahl Ihrer Berichterstattung. Wir sehen darüber hinaus keine Veranlassung solche Stellungnahmen einzuholen und gegenüberzustellen. Von Querulanten und Exoten habe ich nicht gesprochen sondern von einem sehr kleinen Prozentsatz bedauerlicherweise Betroffener, die in der heutigen Medienlandschaft in allen Bereichen Gehör finden, weil es sich gut liest. Der Spruch „only bad news are good news“ ist hier leider auch nicht ganz falsch.

Das Thema differenzierter betrachten

Was ich persönlich an dieser Antwort interessant fand, ist die Aussage, dass sich das DIW mehrfach selbst zu dem Thema widersprochen habe. Davon ist mir nichts bekannt und auch bei einer öffentlichen Diskussion mit Herrn Dr. Brenke zum Thema habe ich von Widersprüchen nichts gemerkt.

Was hingegen jedoch sehr deutlich klar wurde, dass dieses komplexe Thema häufig viel zu undifferenziert betrachtet wird – und dass es notwendig ist, von Fall zu Fall genauer hinzuschauen. Möglicherweise erklären sich so die angeblichen Widersprüche des DIW? Ich würde mich diesbezüglich über weitere Informationen freuen.

Vorschlag: Mitglieder sollen über die Glaubwürdigkeit der Argumente abstimmen

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Etwas genauer hingeschaut hat jedenfalls meiner Leser. Er kennt sehr wohl den unterschied zwischen der derzeitigen Situation und einem zukünftigen, potenziellen Fachkräftemangel. Und zu dem hat er einen ganz konkreten, interessanten Vorschlag an den VDI: Der soll seine Mitglieder über die Glaubwürdigkeit der Argumente abstimmen lassen:

Ich bestreite nicht, dass *in Zukunft* mal ein Fachkräftemangel entstehen könnte, gegen den man *dann* u.U. auch was tun muss. Aber *hier und heute* haben wir keinen Fachkräftemangel – sonst müssten Löhne und Gehälter steigen. Tun sie aber gerade in Deutschland seit Jahren nicht oder nur minimal (inflationsbereinigt). Da helfen auch die von Ihnen angeführten angeblich wissenschaftlich fundierten Zahlen nicht weiter. Sie sagen Sie vertreten die Interessen der Mitglieder (meist angestellte Ingenieure), und beauftragen gleichzeitig das IW (finanziert von Wirtschaftsverbänden und Unternehmen) Statistiken zum Fachkräftemangel zu erstellen? Welche Ergebnisse erwarten Sie da? Die angesprochenen Zahlen werden zunehmend in der seriösen deutschen Presselandschaft angezweifelt (und nicht nur von einigen Querulanten und Exoten). Sogar der VDE hält den Alarmismus vom Fachkräftemangel für (Zitat) „völlig übertrieben“. Daher möchte ich Ihnen folgendes vorschlagen: In einer der nächsten VDI-Nachrichten geben Sie beiden Seiten nochmal die Gelegenheit, kurz und knapp zum angeblichen *heutigen* Fachkräftemangel Stellung zu nehmen, z.B. Hr. Hundt/Sinn/Henkel/Hüther  versus  Karl Brenke / Joachim Möller/ Heinz-Josef Bontrup / Michael Schanz / Simone Janson. Und dann befragen Sie online auf Ihrer Website Ihre Mitglieder, welcher Position die Leser eher zustimmen. Wenn mehr als 70% der Leser die Position des IW/VDI für zutreffend halten, bestätigt das sicherlich den VDI in seinem bisherigen Kurs und sie wären des Rückhalts Ihrer zahlenden Mitglieder versichert. Ich denke das wäre auch für den VDI eine Chance, sich auf der Höhe der Zeit zu präsentieren, zumal das Internet basisdemokratische Entwicklungen immer stärker einfordert (wie viele Beispiele der jüngeren Vergangenheit gezeigt haben). Auch wenn wir in der Sache nicht ganz übereinstimmen, so weiss ich es doch zu schätzen, dass Sie mein Schreiben Ernst genommen haben und ich eine schnelle Antwort erhalten habe. Danke dafür.

Nur Einzelfälle?

Ich bin mal gespannt, wie die Diskussion weitergeht. Den Vorschlag, die Argumente öffentlich zu diskutieren, finde ich jedenfalls ganz hervorragend. Das ist bei dem breiten Unmut unter Ingenieuren längst überfällig.

Denn auch wenn der VDI, wie hier in der Antwort, gerne von Einzelfällen und Betroffenheitsjournalismus spricht: Tatsache ist, dass ein immer größer werdender Teil seiner Mitglieder unzufrieden mit der Politik des Vereins ist. Daher wirkt das leider ein wenig arrogant und von oben herab.

Wer ernst genommen werden will, muss seine Mitglieder ernst nehmen

Und mal ganz unabhängig davon, welche Zahlen denn nun stimmen, täte der VDI gut daran, wenn er weiterhin als Interessensvertretung von Ingenieuren ernst genommen werden möchte, das Unbehagen seiner Mitglieder ernst zu nehmen und sich damit auseinanderzusetzen, statt abzuwiegeln.

Sonst könnten auf Einzelauftritte schnell Massenaustritte folgen.
Ich erinnere da nur an die schöne Seite, mit der o2-Kunden geben genau gegen diese Einzelfall-Politik erfolgreich zu Felde zogen.


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