Digitale Plattform-Geschäftsmodelle wie Uber stehen häufig in der Kritik auszubeuten. Die EU will nun die Arbeitsbedingungen der oft scheinselbständige Arbeitnehmer verbessern.

Scheinselbständigkeit & Plattform-Arbeitnehmer: EU will Kriterien prüfen

Plattform-Arbeiter im Fokus der EU-Kommission – EU will Beschäftigtenstatus klären

Die digitale Plattformwirtschaft nahm in den letzten Jahren ein rasantes Wachstum an. Dabei vermitteln Plattformen Kleinaufträge typischerweise an Soloselbständige. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist der Fahrdienstleister „Uber“. Diese digitalen Arbeitsplattformen schaffen Chancen für Unternehmen und bieten Verbrauchern einen komfortablen Zugang zu Dienstleistungen.

Aber auch die Plattformarbeiter profitieren von der spontanen und kurzfristigen Verfügbarkeit von Aufträgen. Die Europäische Union (EU) hat sich nun vorgenommen, die Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit zu verbessern. Auch das Bundesarbeitsgericht (BAG Urteil vom 01.12.2020 – 9 AZR 102/20) hat sich in der Vergangenheit bereits mit dem Arbeitnehmerstatus eines derartigen „Crowdworkers“ beschäftigt und entschieden, dass die Auftragnehmer der Plattformen in bestimmten Fällen wie Arbeitnehmer zu behandeln sind.

Die Vorschläge der EU-Kommission

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Am 9. Dezember 2021 schlug die EU-Kommission eine Reihe von Maßnahmen zur „Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Menschen, die über digitale Arbeitsplattformen arbeiten“ vor. Unter diesen Maßnahmen findet sich auch ein Entwurfsvorschlag für eine EU-Richtlinie. Dieser Richtlinienvorschlag sieht ein Verfahren zur schnellen Klärung des Beschäftigtenstatus von Plattform-Arbeitern vor.

Hierzu wird eine Liste an Kontrollkriterien vorgeschlagen, mit deren Hilfe bestimmt werden soll, ob eine digitale Arbeitsplattform die Kontrolle über eine Person ausübt und ob diese Person daher als Arbeitnehmer zu beurteilen ist. Es wird jedoch anders als im deutschen System nicht unmittelbar das einzelne Arbeitsverhältnis beurteilt, sondern der Arbeitgeberstatus der Plattform.

Relevante arbeitsrechtliche Aspekte

Wenn die Kriterien des Richtlinienvorschlags auch ähnliche Kriterien zur Beurteilung des Arbeitnehmerstatus vorsieht wie das deutsche Arbeits- und Sozialrecht, sind diese doch deutlich enger gefasst und werden schneller zu einer Vermutung des Arbeitgeberstatus der Plattform führen. Als Kriterien zur Bestimmung des Grads der Kontrolle sieht der Richtlinienvorschlag unter anderem die Festlegungen über die Höhe der Vergütung, die Überwachung der Ausführung der Arbeit durch die Plattform auf elektronischem Wege sowie Einschränkungen zur freien Bestimmung der Anwesenheitszeiten oder Aufgabenannahme vor.

Auch die Festlegung bestimmter verbindlicher Regeln in Bezug auf das Erscheinungsbild und in Bezug auf die Arbeitsleistung sind von dem Kriterienkatalog erfasst. Gerade das nach dem deutschen Sozialversicherungsrecht so relevante Abgrenzungskriterium des unternehmerischen Risikos findet sich im Richtlinienvorschlag jedoch nicht.

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Bei Vorliegen von mindestens zwei dieser Kriterien wird dann der Arbeitgeberstatus der Plattform vermutet. Diese Vermutung kann dann durch die Plattform durch entsprechende Nachweise widerlegt werden. Gegenüber dem deutschen Regelungsgefüge stellt dies eine Beweislastumkehr dar, die einen erheblichen arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Mehraufwand für Plattformbetreiber erwarten lässt.

Die infolge der Kriterien der EU-Richtlinie als „Arbeitnehmer“ eingestuften Personen wären damit sämtliche Arbeitnehmerrechte zu gewähren. Dies betrifft insbesondere den Anspruch auf den Mindestlohn, Teilnahme an Tarifverhandlungen, geregelte Arbeitszeiten, bezahlten Urlaub und verbesserten Zugang zum Schutz vor Arbeitsunfällen. Aber auch sozialrechtliche Ansprüche mit Blick auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit, Krankheit und Altersrente resultieren aus der Einstufung als Arbeitnehmer.

Auswirkungen auf bestehende Geschäftsmodelle

Der Richtlinienvorschlag wird daher weitreichende Auswirkungen auf die derzeitige Plattformökonomie haben, soweit Plattformen ihre Beschäftigten nicht ohnehin bereits als Arbeitnehmer angestellt haben. Von der Richtlinie erfasst sind jedoch nur digitale Plattformen, die die Arbeit von Einzelpersonen organisieren. Sie soll nicht für Online-Plattformen gelten, die lediglich das Angebot oder die Nachfrage nach Dienstleistungen auflisten oder verfügbare Dienstleister in einem bestimmten Bereich anzeigen.

Man wird davon ausgehen müssen, dass sich viele Geschäftsmodelle verändern werden, da diese entweder so ausgestaltet werden müssen, dass sie die Kriterien der Richtlinie gerade nicht erfüllen, oder durch den „Beschäftigtenstatus“ ein zusätzlicher administrativer Aufwand auf die Plattformbetreiber zukommen wird, der in die bisherige Flexibilität und Agilität der Plattformarbeit enorm einschneiden wird.

Unternehmen und Plattform-Arbeiter müssen umdenken

Unternehmen werden geeignete Mechanismen zur schnellen Durchführung dieser administrativen Verfahren entwickeln müssen, um nicht die bestehende Verfügbarkeit der Dienstleistungen zu beeinträchtigen. Darüber hinaus ist aber auch zu erwarten, dass auf Seiten der Plattformarbeiter das Interesse an der Tätigkeit zu einem gewissen Anteil sinkt, da auch diese von der bestehenden Flexibilität profitieren. Mit dem Beschäftigtenstatus erwächst schließlich nicht nur ein Beschäftigungsanspruch, sondern auch eine Leistungspflicht der Arbeitnehmer.

Die von der Kommission vorgeschlagenen klaren Kriterien sollen den Plattformen größere Rechtssicherheit und geringere Prozesskosten bringen und die Geschäftsplanung erleichtern. Es wird sich zeigen, ob es durch die EU-Richtlinie tatsächlich dazu kommen wird.

Juristische Konsequenzen für betroffene Unternehmen

Die Prüfung wird kompliziert werden, da unser nationales Arbeits- und Sozialversicherungsrecht andere Anforderungen an den Beschäftigtenstatus stellt, als es die vorgeschlagenen Prüfkriterien tun. Da die Auftragsvergabe bei der digitalen Plattformarbeit regelmäßig über automatisierte algorithmenbasierte Technologien erfolgt, soll nach dem Richtlinienvorschlag außerdem die Transparenz bei der Nutzung von Algorithmen durch digitale Arbeitsplattformen in Form eines „Algorithmischen Management“ erhöht und eine Überwachung der Arbeitsbedingungen gewährleistet werden.

Diese Rechte sollen sowohl Arbeitnehmern als auch echten Selbständigen gewährt werden. Zur Geltendmachung des Rechts sollen persönliche Ansprechpartner für die Plattformtätigen implementiert werden. Auch die Implementierung dieser Systeme und die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben wird Unternehmen vor juristische Herausforderungen stellen.

Ausblick: Plattform-Geschäftsmodelle im Wandel

Bisher handelt es sich lediglich um einen Richtlinienvorschlag der EU-Kommission. In einem nächsten Schritt wird dieser Vorschlag vom Europäischen Parlament und vom Rat erörtert werden müssen. Sofern der Vorschlag angenommen wird, hätten die Mitgliedstaaten dann zwei Jahre Zeit zur Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht. Bei der Umsetzung haben die Mitgliedstaaten einen gewissen Ermessensspielraum.

Auf nationaler Ebene hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales aber auch bereits vor dem Richtlinienvorschlag der EU-Kommission angekündigt, Maßnahmen zu ergreifen, um Plattformbeschäftigten den Zugang zu arbeits- und sozialrechtlichen Schutzrechten zu ermöglichen. In jedem Fall wird die gewohnte Agilität, Flexibilität und Souveränität, die die Plattformtätigkeit bisher bietet, in Zukunft einen Wandel erfahren.


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