Unternehmen, die sich nicht ständig neu erfinden, gehen unter – so lautet die allgemeine Meinung in Managementkreisen. Doch Organisationen müssen sich nicht ständig neu erfinden, sondern sich ständig neu anpassen, um zukunftsfähig zu werden.

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Durch Evolution zum Erfolg

„Es ist nicht die stärkste Spezies, die überlebt, auch nicht die intelligenteste, sondern eher diejenige, die am ehesten bereit ist, sich zu verändern“, so Charles Darwin. Das gilt nicht nur im Tierreich, sondern auch für Organisationen. Aus meiner 25-jährigen Beratungspraxis weiß ich, dass eine evolutionäre Unternehmensentwicklung oft nachhaltiger zum Erfolg führt. Evolutionäre Unternehmensentwicklung heißt für mich Zukunftsfähigkeit durch Anpassung.

Sie unterscheidet sich von revolutionärer Entwicklung dadurch, dass Unternehmen Bewährtes beibehalten und auf seine Zukunftsfähigkeit hin überprüfen. Es geht dabei um Anpassungsprozesse, die nicht einfach nur disruptiv und revolutionär das Bestehende und Bewährte verwerfen, sondern stattdessen auf dem Vorhandenen aufbauen. Die Kunst liegt darin, das Fundament nicht umzustoßen, sondern als Grundlage für die nachhaltige Weiterentwicklung zu nutzten. Der Kulturwandel steht insofern auf den Schultern der bisherigen Stärken.

„Evolution statt Revolution“ ist möglich durch das permanente Nachdenken über sich selbst, durch die Reflektion dessen, was bisher geschehen ist, mit dem Ziel, durch notwendige Anpassungen sicherzustellen, dass Zukunft gewonnen werden kann. Dabei ist die Entwicklung der Unternehmenskultur ein stetiger Prozess. Neben einem eindeutig kommunizierten Leitbild sind Führungsgrundsätze und Werte die Basis für Wachstum und Erfolg eines evolutionären Unternehmens.

Der gewisse Unterschied: Personality

In der Regel besteht die Führungsriege in einem evolutionären Unternehmen mit Persönlichkeit aus fokussierten Führungspersönlichkeiten mit hoher Werteorientierung. Während meiner Begleitung von komplexen Veränderungsprozessen, die mit einem Kulturwandel einhergehen, habe ich festgestellt, dass evolutionäre Unternehmen einen eindeutigen Wettbewerbsvorteil haben, der sich vor allem in Krisenzeiten auszahlt. So ist es in einem evolutionären Unternehmen mit Persönlichkeit Führungskräften nicht nur gestattet, sondern es wird auch von ihnen gefordert, dass diese bei ihren Entscheidungen neben ökonomischen Erwägungen auch ethische Werte berücksichtigen. Das Mindset solcher Entscheider zeichnet sich also dadurch aus, dass sie neben ökonomischen Erfolgen auch langfristige Werte schaffen wollen und können und dabei ethische Prinzipien berücksichtigen.

Sie sind sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst, nehmen diese aktiv wahr und haben eine klare Haltung. Dabei geht es ihnen um mehr, als nur darum, Gewinne zu erwirtschaften und sich an Quartalszahlen zu orientieren. Wichtig ist, dass solche Verantwortungsträger die Kompetenz zum strategischen Weitblick entwickeln und fähig sind, verschiedene Sichtweisen einzunehmen, zu reflektieren und daraus entsprechende Handlungen folgen zu lassen. Zu ihren Handlungsmaximen zählen Verstehbarkeit, Gestaltbarkeit und Sinnhaftigkeit. Es geht ihnen nicht um die Veränderung um ihrer selbst willen. Entscheidend ist vielmehr der Versuch, sich kontinuierlich durch kluge und weitsichtige Anpassungsprozesse zu verbessern und so zukunftsfähig zu bleiben oder zu werden.

Change Management: Auf das richtige Tempo kommt es an

Aber Vorsicht: Eine zu disruptive Veränderung kann genauso nachteilige Folgen haben wie eine zu langsame oder ganz ausbleibende. Erfolgen Veränderungen zu abrupt, zu revolutionär, zu verordnet, sind sie für die Mitarbeiter oft nicht nachvollziehbar und diese fragen sich zu Recht, wohin die Reise nun eigentlich gehen soll. Doch was passiert, wenn sich die Mannschaft über die Tragweite der Veränderungen und ihrer Konsequenzen nicht bewusst ist? Wenn Worten keine Taten folgen? Wenn Unternehmen nur Zuckerguss über längst überholte und marode Strukturen gießen, um sich selbst im alten Stil zu feiern? Dann entsteht sowohl bei Mitarbeitern als auch bei Führungskräften Frustration, Fassungslosigkeit oder eine Art von Zynismus, die bei Menschen tiefe Wunden hinterlässt.

Um die Entwicklung zum evolutionären Unternehmen jedoch überhaupt erstmal erfolgreich in Gang zu setzen, erfordert es neben einem Bewusstsein für ständige Veränderungen ebenso eine Wachheit für evolutionäre Prinzipien und für Stolpersteine, die auf dem Weg liegen.

Erfolgsprinzipien für die evolutionäre Entwicklung

Eine Maxime des unternehmerischen Handelns in evolutionären Unternehmen ist es, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Dazu gehören Mitarbeiter, Partner, Kunden und auch Lieferanten. Das oberste Unternehmensziel: Kundenzufriedenheit – klar definiert und messbar. Entscheidend ist auch, dass sich Unternehmenslenker darüber bewusst werden, dass Gestaltbarkeit, Verstehbarkeit und Sinnhaftigkeit die drei Grundprinzipien für Potenzialentfaltung sind. Weiterhin ist es oftmals besser Mitarbeiter und Führungskräfte zu ermuntern, ihre Stärken auszubauen, statt sie auf Seminare zu schicken, in denen sie versuchen, ihre Schwächen auszumerzen.

Es haben sich wesentliche Prinzipien herauskristallisiert, die ein Unternehmen zu einem zukunftsfähigen Unternehmen machen und deren Berücksichtigung eine evolutionäre Entwicklung vorantreiben. Dazu gehört das Prinzip des lebenslangen Lernens. Dieses betrifft stets den ganzen Menschen, es geht nicht allein um die Fachkompetenz, sondern auch um die methodischen, sozialen, emotionalen und kommunikativen Fähigkeiten eines Menschen. Lebenslange Persönlichkeitsentfaltung und -entwicklung sind wichtige Pfeiler auf dem Weg zum evolutionären Unternehmen, in dem alle Bereiche, Abteilungen und Teams unablässig weiterlernen wollen und können.

In kleinen Schritten zur evolutionären Veränderungen

Ein weiteres Prinzip, mit dem die evolutionäre Entwicklung gelingt, ist das des Ausprobierens. Für diesen Grundsatz ist eine intelligente Fehlerkultur oder besser Lernkultur Voraussetzung. Wichtig ist, dass ein Fehler oder ein Scheitern nicht ein resignatives Aufgeben nach sich zieht, sondern als Motivation genommen wird, es aufs Neue zu versuchen. On top gibt es das Prinzip des Fragens. Gemeint ist hier nicht nur die Kompetenz, aktiv zuzuhören, konstruktiv Feedback zu geben und klassische Fragetechniken zu beherrschen, sondern sich mit evolutionären Fragen voranzutasten, den Status quo immer wieder zu hinterfragen, wohlwissend, dass der nächste Entwicklungsschritt gegangen werden muss.

Denn wer sich evolutionär weiterentwickeln will, hört nicht damit auf Fragen zu stellen. Menschen und Unternehmen, die aufgehört haben, Fragen zu stellen, sind „tot“. Neben dem Prinzip des Fragens, ist der Leitsatz der evolutionären „Babysteps“ hilfreich. Die Devise dahinter: in kleinen Schritten zur großen Veränderung. Das garantiert, auch tatsächlich zu starten und konzentriert bei der Sache bleiben zu können. Die Kunst dabei besteht darin, einfach den ersten beziehungsweise den nächsten Schritt zu tun.

Schockstarre und Panik in Krisensituationen vermeiden

Es gibt Fallstricke, die verlässlich dazu führen, dass der evolutionäre Prozess scheitert. Nicht jedes Unternehmen schafft es, sich zu einer evolutionären Organisation zu entwickeln. Schließlich liegen zahlreiche Hindernisse, Blockaden, Fehler- und Störquellen und auch Stolpersteine auf dem Weg. Die Gründe für eine Niederlage sind ebenso vielfältig und individuell wie die Unternehmen selbst. Durch meine Begleitung von Organisationen in Veränderungs- und Transformationsprozessen weiß ich jedoch, dass sich bestimmte Fehler auffällig oft häufen. Wer diese Quellen des möglichen Scheiterns kennt, kann rechtzeitig Vorsorge treffen, um nachher nicht zu den aussterbenden Unternehmen zu gehören.

Generell ist eine Schockstarre oder Panik, wie wir sie häufig in Krisensituationen erleben, keinesfalls zielführend. Eine der größten Gefahren für das Scheitern ist die Angst vor dem Scheitern selbst. Wie das Kaninchen vor der Schlange fallen Unternehmen in die Schockstarre, weil sich die Verantwortlichen zu intensiv mit den Szenarien des Scheiterns beschäftigen. Menschen wollen grundsätzlich erst dann handeln und den nächsten Schritt zum evolutionären Unternehmen wagen, wenn eine Planung mit hundertprozentiger Erfolgswahrscheinlichkeit vorliegt. Das ist ein Widerspruch in sich, denn eine hundertprozentige Erfolgssicherheit gibt es nicht.

Resilienz – Strategien für den Umgang mit unerwarteten Entwicklungen entwerfen

Besser ist es, Strategien für den Umgang mit unerwarteten Entwicklungen zu entwerfen und auch das „eigentlich“ Unmögliche zu bedenken und einzuplanen. Zumindest soweit wir dazu in der Lage sind. Es kann natürlich auch immer ganz anders kommen als geplant. Letztendlich ist es aber wichtig, dass Verantwortungsträger und Entscheider lernen, damit umzugehen, dass sie nichts wissen – zumindest nie hundertprozentig. Das Entwickeln von Ambiguitätstoleranz erleichtert den Umgang mit schwierigen Situationen. Gemeint ist damit, Vieldeutigkeit und Unsicherheit zur Kenntnis zu nehmen und auszuhalten. Mit einer ausgeprägten Ambiguitätstoleranz gelingt es, Irritationen in produktiver Weise zu bewältigen.

Eine weitere Hürde ist das Festhalten an traditionellen Erfolgsrezepten. Bewährtes aufrechtzuerhalten, ist in evolutionären Unternehmen, die Anpassungsprozesse anstreben, ein positiver Wert. Es ist jedoch wenig zielführend, wenn sich niemand traut, Dinge zu hinterfragen, eine „heilige Kuh zu schlachten“ oder „alte Zöpfe“ abzuschneiden. Manchmal ist es wichtig, sich von bisherigen Grundsätzen und Gewohnheiten zu trennen, die zwar in der Vergangenheit zum Erfolg geführt, sich jedoch mittlerweile überlebt haben.

Mitarbeiter – die Säulen der evolutionären Unternehmenskultur

Welche Kriterien helfen Führungskräften nun aber dabei, solche Mitarbeiter auszusuchen, die die evolutionäre Unternehmenskultur unterstützen und mittragen? Da zählt ganz eindeutig die Persönlichkeit eines Menschen, seine Talente, Ambitionen und seine Leidenschaft für die Aufgabe und das Unternehmen. Für mich ist es immer wichtig, zu spüren, ob jemand für eine Sache brennt oder nur irgendeinen Job haben will.

Denn persönliche Eigenschaften sind letztendlich wichtiger als das Zertifikat einer renommierten Hochschule. Und auch Unternehmen, die sich auf ihre Persönlichkeit sowie ihre Stärken besinnen und gleichzeitig offen für Neues bleiben, können zuversichtlich in die Zukunft blicken, davon bin ich überzeugt.