MEINUNG! Zeitarbeiterin Sigrid Lang: "Zeitarbeitsfirmen müssen Ihre Mitarbeiter wertschätzen & nicht behandeln wie ein Stück Fleisch"

Sigrid Lang erzählt im Interview warum sie Zeitarbeit macht, wie man unseriöse Zeitarbeitsfirmen erkennt, dass Tarifvertrag nicht gleich Tarifvertrag ist und warum persönliche Wertschätzung so wichtig ist.

Sigrid Lang ist seit August 2009 Assistentin der Projektleitung bei der Neukranz Personalservice GmbH. Sie organisiert dort alle internen Geschäftsprozesse für den Kunden im Projektbüro einer Großbaustelle. Für die gelernte Bürokauffrau war von Anfang an klar: Zeitarbeit ist besser als Arbeitslosigkeit. Im Interview erzählt sie, warum sie Zeitarbeit macht, wie man bei Zeitarbeitsfirmen die Spreu vom Weizen trennt und warum ihr persönliche Wertschätzung besonders wichtig ist.

Frau Lang, Warum arbeiten Sie bei einer Zeitarbeitsfirma?

Ich arbeite bei einer Zeitarbeitsfirma, da ich kein Interesse an Arbeitslosengeld I hatte; mein vorheriges Arbeitsverhältnis, eine Festanstellung mit Befristung, habe ich aus persönlichen Gründen vorzeitig beendet.

Was bringt Menschen überhaupt dazu, Zeitarbeit zu machen?

Ich weiß nicht, was andere Menschen dazu bringt, ich weiß nur was mich dazu gebracht hat. Ich hatte die ganze “Karriere” bis zu Hartz IV durch, dann habe ich eine Anstellung bei der DIS AG in Frankfurt gefunden, die mich zum einen wieder motiviert: Ich hatte wieder Spaß an der Arbeit und bekam den Eindruck, dass ich etwas “wert” bin. Daher würde ich auch, wenn ich arbeitssuchend werden sollte, jederzeit wieder Zeitarbeit machen.

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Außerdem erhalte ich da immer noch mehr Gehalt als beim Arbeitslosengeld. Weiterhin kann ich meine Flexibilität steigern – ja jeder ist heute Flexibel, ein Unwort im Berufsleben – neue Unternehmen kennen lernen, auch für mich selbst testen, ob ich, so die Möglichkeit besteht, bei meinem Entleiher fest angestellt arbeiten möchte. In Vorstellungsgesprächen sind ja alle Firmen immer super toll, was in den meisten Fällen auch stimmt, aber als “Temp” kann ich mir ein gutes Bild des Unternehmens machen. Als Bewerber merkt man das im Vorstellungsgespräch nicht unbedingt. Ich lerne durch verschiedene Einsätze auch viel Neues und kann mein berufliches Know-How weiter entwickeln.

Zeitarbeit hat ja keinen guten Ruf, sprich unsichere Beschäftigungsverhältnisse, wenig Geld – wie sind Ihre Erfahrungen?

An dem Ruf sind auch die Medien mit schuld, und es gibt unter den Personaldienstleistern leider auch einige schwarze Schafe. Aber meine bisherigen Erfahrungen mit Zeitarbeit sind überwiegend positiv. Pauschalisieren kann und mag ich das allerdings nicht. Das kann sogar von Niederlassung zu Niederlassung bei größeren Zeitarbeitsfirmen differieren. Und was das Geld betrifft, ich arbeite im Rhein-Main-Gebiet, da sind die Gehälter durchaus höher und ich habe auch keinen Tariflohn. Ich hatte natürlich eine Schmerzgrenze, hätte ich dieses Gehalt nicht bekommen, wäre ich dann doch bei Arbeitslosengeld I gelandet.

Werden Zeitarbeiter in Unternehmen schlechter behandelt oder bezahlt als normale Angestellte?

Also schlechter behandelt wurde ich noch nie, diese Erfahrung habe ich nicht machen können; sollte mir das je passieren, werde ich das mit meinem dortigen Vorgesetzten besprechen und sollte das nichts bewirken, wende ich mich an mein Zeitarbeitsunternehmen. Bisher wurde ich aber immer wertgeschätzt. Und was die Entlohnung betrifft, ja ich erhalte weniger Gehalt für die womöglich gleiche Arbeit, aber das wusste ich im Vorfeld und habe deswegen kein Problem damit.

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Ist Ihrer Erfahrung nach Zeitarbeit eine akzeptable Alternative zum normalen Job?

Für mich persönlich ist Zeitarbeit eine akzeptable Alternative, das liegt aber auch sicher mit daran, dass ich Projektarbeit bevorzuge. Daher kann ich mich und konnte das auch schon vor meinem Einstieg in die Zeitarbeit rasch auf veränderte Gegebenheiten einstellen. Aber auch für Menschen mit starkem Bedürfnis nach Permanenz kann Zeitarbeit eine gute Alternative sein, da es auch viele langfristige Projekte gibt und nicht jeder Einsatz Tage-/Wochen-Monatsweise ist.

Eine gutes Zeitarbeitsfirma geht auf die Bedürfnisse und Wünsche ihrer Mitarbeiter durchaus mit ein, das ist jedenfalls meine Erfahrung. Anderseits stellen deutsche Unternehmen lieber einen neuen Mitarbeiter ein, der schon im Job ist, als einen potenziellen Mitarbeiter, der vielleicht schon seit Jahren ohne Job ist. Daher bleibe ich bei meiner Meinung:; Lieber Zeitarbeit als Arbeitslosengeld. Eine Chance ist es in meinen Augen auf jeden Fall.

Sollten Menschen, die Zeitarbeit machen wollen oder müssen spezielle Voraussetzungen mitbringen?

Nach meiner Einschätzung sollte man sich bewusst sein, dass man durchaus flexibel auf den Arbeitsmarkt reagieren muss. Je nach Position sollte man auch entsprechend extrovertiert sein, wenn mein Unternehmen mich z.B. als Empfangskraft einsetzt, darf ich nicht schüchtern sein. Aber letztlich braucht man keine anderen Fähigkeiten als normale Arbeitnehmer.

Wir groß schätzen Sie aus Ihrer Erfahrung die Chancen ein, aus der Zeitarbeit in eine feste Stelle übernommen zu werden?

Das differiert: Ich denke, dass die Chance durchaus gegeben ist, je nach Unternehmen, je nach Einsatz und vor allem je nach eigenem Engagement. Ich hatte bisher nur wenige Einsätze, in denen mir schon im Vorfeld eine Anstellungsmöglichkeit offeriert wurde.

Außerdem bin ich persönlich skeptisch und glaube an eine Anstellung erst, wenn die Tinte auf dem Arbeitsvertrag trocken ist. Was ich auch immer wieder erlebe: Unternehmen möchten gerne den einen oder anderen Zeitarbeitsmitarbeiter einstellen, können aber nicht aus unternehmerischen Gründen (Einstellungsstopp, Zusagen vom Betriebsrat, etc.). Daher glaube ich schon, dass es Chancen gibt, aber an Zahlen kann und will ich da nichts festmachen.

Worauf sollten Menschen, die Zeitarbeit machen wollen oder müssen, bei der Auswahl der Zeitarbeitsfirma achten?

Es gibt da bestimmte Faktoren, an denen man Seriosität festmachen kann – etwa ob sich das Zeitarbeitsunternehmen nach dem Tarifvertrag richtet. Das sollte auch möglichst der DGB-oder den BZA-Tarifvertrag sein, der Tarifvertrag der christlichen Gewerkschaft ist nach eigener Erfahrung ein wunderbarer Arbeitgebervertrag. Auch unternehmensinterne Tarifverträge sind nicht zwangsläufig das gelbe vom Ei. Unternehmen die ohne Tarifvertrag arbeiten, sind nicht zwangsläufig, aber oft weniger seriös. Dann sollte man vielleicht fragen, wie es mit Weiterbildungsmöglichkeiten aussieht: Die DIS AG in Frankfurt hat mir z. B. einen Englischkursus bezahlt, damit ich da wieder auf einen guten Stand komme.

Ein gutes Unternehmen ist nämlich nicht nur daran interessiert, dass der Mitarbeiter Geld reinbringt, sondern auch motiviert ist. Und wenn ich als Zeitarbeitsunternehmen einen motivierten Mitarbeiter habe, dann geht dieser auch gerne arbeiten. Weiterhin macht für mich ein gutes Zeitarbeitsunternehmen aus, dass ich bei Problemen auch mit den Leuten da reden kann. Auch wenn ich meine Vorgesetzten von der Zeitarbeit nicht täglich sehe, muss ich für mich wissen, dass ich ein geschätzter Mitarbeiter bin, der ernst genommen wird.

Aber letztlich ist das für mich für jedes Arbeitsverhältnis wichtig. Ich muss mich ernst genommen fühlen, und nicht wie ein Stück Fleisch in der Theke, auch diese Erfahrung hatte ich schon mal gemacht, wenn auch nur kurz. Da wurde man dann auch mal bei Problemen, weil man ja noch in der Probezeit war, direkt entlassen, weil man halt kein “Geld mehr eingebracht hatte”. Sowas gibt es immer wieder mal, aber meiner Erfahrung nach war das eher selten. Fazit: Wenn ich mich nicht ernst genommen fühle – wobei das subjektiv ist – ist das Unternehmen vermutlich nicht das richtige.

Welche Tipps haben Sie für Menschen, die Zeitarbeit machen wollen oder müssen?

Ein wichtiger Tipp wäre, mit weniger negativen Gedanken auf Zeitarbeit zugehen. Offen zu sein für Neues. er Arbeitsmarkt entwickelt sich permanent weiter, das sollte gleichermaßen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gelten. Auch mal über den Tellerrand schauen, gradlinige Lebensläufe wird es immer weniger geben. Trauen Sie sich, mal etwas auszuprobieren. Und wenn es nicht gleich klappt, einfach immer wieder nachhaken, weil Zeitarbeit ja nicht nur einen Bewerber haben. Hier geht es darum, dass man als Bewerber im Gedächtnis bleibt.


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