Unternehmen zeigen Verantwortung in der Flüchtlingskrise: Vergangene Woche haben einige Konzerne die Initiative “Wir zusammen” gestartet, um Flüchtlinge durch Arbeitsangebote besser zu integrieren. Auf Best of HR – Berufebilder.de® berichtet ein Mittelständler, warum er Flüchtlinge ausbilden will.

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Helfen aus Dankbarkeit

Die Heimat durch Krieg oder Verfolgung zu verlieren ist ein traumatisches Erlebnis. Meine Eltern ist es so ergangen, als sie Mitte der 50er Jahre aus Thüringen aus dem Unrechtsstaat DDR in den Westen flohen. Meine Eltern, meine Brüder und ich haben in Stuttgart eine neue Heimat gefunden.

Das werden wir nie vergessen. Dafür sind wir auch heute noch dankbar. Außerdem weiß ich genau, wie es sich anfühlt, fremd zu sein: als Unternehmer verbringe ich den größten Teil meiner Zeit eben nicht zuhause, sondern auf Geschäftsreisen irgendwo auf der Welt, ich bin also den größten Teil meines Lebens Ausländer.

Chancen bieten

Schon wenige Jahre später konnten meine Eltern mit und der Erfindung der ersten industriell gefertigten Anschluss- und Steuerleitung ÖLFLEX® den Grundstein für unser erfolgreiches Unternehmen legen. In der früheren DDR hätten wir diese Chance nie gehabt.

In den vergangenen Jahrzehnten erlebten wir in Deutschland immer wieder Flüchtlingswellen. Als der Krieg im ehemaligen Jugoslawien vielen Menschen die Heimat raubte, haben wir auch schon vielen Flüchtlingen geholfen und ihnen eine Arbeit bei Lapp und damit eine neue Zukunft gegeben, und auch viele so genannte Russlanddeutsche haben mit Lapp einen Anfang geschafft.

Verantwortung zeigen und Perspektiven bieten

Auch jetzt, wo jeden Monat viele tausend Flüchtlinge zu uns kommen, wollen wir aus Überzeugung soziale Verantwortung übernehmen und helfen. Wir wollen den Flüchtlingen bei uns eine Zukunftsperspektive bieten.

Es ist uns sicher allen bewusst, dass die Integration von Flüchtlingen aus Syrien und Afrika aus kulturellen Gründen schwieriger sein wird. Umso wichtiger ist es jetzt, die Flüchtlinge mit unseren europäischen Werten vertraut zu machen. Das Erlernen der deutschen Sprache und die Möglichkeit, zu arbeiten sind der Schlüssel zur Integration.

Hochmotivierte Flüchtlinge

Unser Unternehmen hat bereits im vergangenen Jahr einem jungen Flüchtling aus Eritrea nach einer zusätzlichen Einstiegsqualifizierung einen Ausbildungsplatz zum Maschinen- und Anlagenbauer gegeben. Mit großer Freude verfolge ich, wie engagiert der junge Mann die deutsche Sprache lernt und wie schnell er die Aufgaben in der Produktion erfolgreich umsetzt.

Er ist hoch motiviert und sieht seine Zukunft hier bei uns in Deutschland. Vergangenes Jahr spielte er auch schon bei unserem Internationalen Fußball- und Volleyballturnier in der Mannschaft der Kabelwerker mit. Ich finde das klasse.

Motivation aus guter Erfahrung

Diese positive Erfahrung hat uns ermutigt, nun neun weiteren anerkannten Flüchtlingen die Chance auf eine Ausbildung zum Maschinen- und Anlagenführer bei Lapp zu ermöglichen. Ich bin zutiefst davon überzeug, dass Flüchtlinge im Kreise von Kollegen nicht nur unsere Sprache, sondern auch unsere Kultur viel schneller und besser kennenlernen können.

Wenn wir wollen, dass Flüchtlinge sich gut in unsere Gesellschaft eingliedern, dann müssen auch die Unternehmen Verantwortung übernehmen und den Flüchtlingen die Möglichkeit geben, eine Ausbildung zu machen und zu arbeiten, denn Arbeit ist der Schlüssel zur Integration.

Unternehmerisches Denken im Fokus

Abgesehen davon haben wir natürlich auch ein unternehmerisches Interesse: auch wir spüren den Fachkräftemangel, und wir konkurrieren in Stuttgart mit vielen großen und sehr angesehenen Unternehmen um den Nachwuchs.

Und wir konnten schon in der Vergangenheit feststellen, dass Menschen, denen wir eine Chance gegeben haben – ob Flüchtlinge oder sozial benachteiligte Jugendliche – besonders motiviert waren.

Kein Unterschied bei der Bezahlung

Wenn man nicht ganz kurzfristig denkt, dann sind diese jungen Leute auch unternehmerisch ein absoluter Gewinn – und das hat nichts mit Lohndumping zu tun.

Egal, wo unsere Auszubildenden herkommen, wir machen bei der Bezahlung keinen Unterschied.

Wie werden die Flüchtlinge ausgewählt?

Die Auswahl der qualifizierten Flüchtlinge erfolgt in den kommenden Wochen in Zusammenarbeit mit den Servicestellen der Bundesagentur für Arbeit und den Deutschschulen. Deutschlehrer können Vorschläge machen, wer zunächst für ein einwöchiges Praktikum im Ausbildungszentrum der Lapp Gruppe geeignet wäre.

Die Bewerber müssen dort theoretische und praktische Testaufgaben machen, geplant sind aber auch Spiele um die Teamfähigkeit zu testen, ein PC-Training oder die Montage von Baugruppen. Anschließend werden wir entschieden, welche drei Flüchtlinge in diesem Jahr die sechsmonatige IHK-Einstiegsqualifikation machen können.

Qualifizierung von Flüchtlingen

Bei der Einstiegsqualifikation sollen die Teilnehmer zusätzlich für die Ausbildung zum Maschinen- und Anlagenführer qualifiziert werden. So wird es Schulungen im Ausbildungszentrum von Lapp und in der Produktion geben. Zu den Pflichtstoffen gehören aber auch beispielsweise der Besuch der Berufsschule mit Förderunterricht in Deutsch, Gemeinschaftskunde, und Wirtschafts- und Sozialkunde sowie e-learning und Teamtraining.

Drei Monate vor dem Ende der IHK-Einstiegsqualifikation wird entschieden, ob die Teilnehmer ab September die normale Ausbildung beginnen können. 2017 und 2018 haben jeweils drei weitere Flüchtlinge die Chance, bei Lapp einen Ausbildungsplatz zu bekommen.

Wie wir Flüchtlinge sonst unterstützen

Wir sind uns bewusst, dass die Flüchtlinge insbesondere bei Alltagsproblemen noch mehr Unterstützung benötigen als andere Auszubildende, die in Deutschland, oder Mitteleuropa, aufgewachsen sind. Wir haben im Lapp Kabelwerk einen sehr engagierten Ausbildungsleiter, der diese zusätzlichen Hilfestellungen mit großer Leidenschaft übernimmt. So wird Lapp auf jeden Fall ein VVS-Ticket finanzieren und, wenn nötig, auch bei der Wohnungssuche oder bei Behördengängen helfen.

Ich hoffe sehr, dass es bald gelingt, die Bürgerkriegsregion zu befrieden und dass auch die anderen Fluchtursachen in den Herkunftsländern bekämpft werden können. Ein Teil der Flüchtlinge wird aber sicher bei uns bleiben wollen. Wenn sie gut integriert sind, sind sie auch für uns eine Bereicherung.