Unternehmen wollen ihre Mitarbeiter kontrollieren, indem sie den gläsernen Bewerber schaffen. Dem ist auf der Jagd nach dem besten Job das gar nicht bewusst.

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Offene Gesellschaft in Unternehmen?

Auf der re:publica erzählte mir einst ein junger Mann, er sei gerade entlassen worden. Grund: Er habe sich zwei Tage Zeit genommen, um gegen den Kastortransport in Gorleben zu demonstrieren. Zwar sei das nicht die offizielle Begründung für die Entlassung gewesen, aber ihm sei klar gemacht worden, dass er mit seiner politischen Haltung nicht zu dem Unternehmen passe.

An anderer Stelle erzählte mir ein Headhunter, dass es natürlich immer Kunden gäbe, die bestimmte Bewerbergruppen ganz ausschließen wollen – zum Beispiel Frauen oder Ausländer. Und das er seine Aufgabe darin sähe, diese Wünsche des Kunden zu erfüllen und die Bewerber entsprechend vorzuselektieren. Verständlicherweise wollen beide nicht namentlich genannt werden. Die Beispiele zeigen zweierlei: Diskriminierung bei der Jobsuche findet auch ohne Internet und Social Media statt. Und: So ganz angekommen in der toleranten und offenen Gesellschaft, die sich viele Social-Media-Enthusiasten wünschen, sind wir noch nicht.

Was interessiert Arbeitgeber wirklich?

Im November 2010 fragte der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM) 1.504 Geschäftsführer und Personalchefs, wie sie sich im Internet über zukünftige Mitarbeiter informieren. Ergebnis: 49 Prozent der befragten Unternehmen informieren sich im Internet über ihre Bewerber. 45 Prozent aller Unternehmen verwenden dazu Google, Bing oder speziellen Personensuchmaschinen. 21 Prozent recherchiert in sozialen Online-Netzwerken, die einen beruflichen Schwerpunkt haben, zum Beispiel Xing oder LinkedIn. 17 Prozent aller Unternehmen suchen auch in sozialen Netzwerken wie Facebook oder StudiVZ, die eher privaten Charakter haben.

Zwar wird immer mal wieder der Beschäftigtendatenschutz diskutiert, laut dem ein Google-Check des Bewerbers grundsätzlich nur möglich ist, wenn der Arbeitgeber den Bewerber darauf hingewiesen hat und der das Erheben von Daten in öffentlichen Netzwerken ohnehin stark einschränkt. Bisher gilt aber u.a. § 28 des Bundesdatenschutzgesetzes, nachdem alle personenbezogene Daten, die allgemein zugänglich sind,  gespeichert und verwendet werden dürfen. Das betrifft auch diejenigen Informationen, die Bewerber offen über sich in Sozialen Netzwerken verbreiten. Müssen also Bewerber fürchten, dass ihr Leben systematisch durchleuchtet wird? In den USA gibt es dafür schon Dienstleister, die überprüfen Bewerber auf deren Social-Media-Vergangenheit in den letzten sieben Jahre schickt dem Auftraggeber nach Abschluss der Recherche ein ausführliches Dossier. Das Leben der Bewerber auf dem Präsentierteller?

Personaler winken ab

Fragt man Deutsche Personaler, wie die Praxis aussieht, winken die ab: Mehrere Hundert Bewerbungen erhält jeder Recruiter im Schnitt auf eine Stellenausschreibung. Da bleibt kaum Zeit, alle eingeschickten Bewerbungsunterlagen zu sichten, zu studieren und Informationen abzuwägen – geschweige denn, noch weiteres Material anzuhäufen. Gegoogelt werden, wenn überhaupt, die letzten fünf, die in die engere Auswahl kommen. So weiß Joachim Dircks, Geschäftsführer des Hamburger Online-Personal-Marketing-Unternehmens Cyquest, aus der Erfahrung:

“Auch wenn es Ausnahmen gibt, Kandidaten-Screening ist kein Personaler-Volkssport. Wie mir gegenüber viele Recruiter – und wir sprechen ja mit ein paar… – immer wieder sehr deutlich versichert haben, hat man hierfür auch erstens überhaupt keine Zeit und zweitens wird zudem – neben ethischen Bedenken – schlichtweg der Nutzen nicht gesehen. Oder wie sagte einer: ‘Warum sollte mich das Partyfoto eines Bewerbers bei Facebook abschrecken, wir haben während des Studiums doch auch kräftig gefeiert. Da hatte nur nicht jeder ein iPhone in der Tasche…’”.

An der Universität  Erfurt wurde “Der Einfluss sozialer Netzwerkseiten auf den Bewerbungs- und Rekrutierungsprozess” untersucht. Befragt wurden Bewerber und Personaler. Ergebnis: Zwar gleichen Personaler bei einer Auswahl an Bewerbern vorliegende Informationen mit denen aus dem Internet ab, um festzustellen, ob Bewerber die Wahrheit sagen oder nicht und suchen nach zusätzlichen (personenbezogenen) Informationen mittels sozialer Netzwerkseiten, um “Fehlbesetzungen” zu vermeiden. Allerdings wissen die Personalverantwortlichen auch, dass sie den Daten aus dem Netz nicht uneingeschränkt vertrauen dürfen: Zum einen können diese unvollständig oder veraltet sein.

Bewerber wissen, wie Selbstdarstellung geht

Zum anderen wissen natürlich viele Bewerber, dass und wie sie sich in Sozialen Netzwerken präsentieren müssen. Das wiederum kann das Bild verfälscen – und das wissen auch die Unternehmen. Eingedenk dieser Nachteile wird die Informationssuche im Internet von vielen als (zu) zeitaufwändig angesehen, wobei der Nutzen unklar ist. Der Suchumfang der Personalverantwortlichen richtet sich nach dem beigemessenen “Wert” der Information oder aber nach der zu befriedigenden Neugier.

Ob und wie Bewerber gegoogelt werden, hängt aber letztlich auch vom eigenen Surfverhalten der Personaler aber. So wird XING ausschließlich als Businessnetzwerk wahrgenommen während studiVZ besitzt kaum Relevanz für berufliche Belange besitzt. Facebook hingegen macht eine interessante Entwicklung durch und stellt gewissermaßen einen Mittelweg dar, der jedoch zur Nutzung als privates Netzwerk tendiert. Und: Einige Personaler haben sogar Schuldgefühle, weil sie die Privatsphäre der Bewerber nicht verletzen wollen. Die hingegen äußerten häufig sogar Verständnis dafür.

Personaler beim Nacktschwimmen

Verkehrte Welt? Oder einfach nur die differenzierte Sichtweise auf ein Thema, das auch immer wieder hoffnungslos polemisch diskutiert wird? Ich habe für meine Recherchen mit verschiedenen Personalern über dieses Thema gesprochen und der Eindruck, dass man die Sache von Fall zu Fall abwägen und differenziert sehen muss, erhärtet sich. Robindro Ullah von der DB Service etwa plädiert für einen Persepektivwechsel – denn Googlen geht ja schließlich in beide Richtungen: “Ich google doch auch die Personaler, mit denen ich sprechen werde. Würde ich den Arbeitgeber ablehnen, wenn ich Nacktschwimmszenen des Personalers finde? Und ist das überhaupt die Fragestellung?”

Heiko Schomberg ist HR Business Partner bei der Unternehmensberatung Detecon International GmbH mit Sitz in Bonn – eine Branche, also in der seriöses Auftreten Pflicht ist und man eher konservative Ansichten vermuten möchte. Schomberg sagte mir im Gespräch: “Es hängt immer vom konkreten Fall ab. Ein ‘Sauffoto’ bei Facebook wiegt für mich weniger schwer als Fehler oder Auffälligkeiten in Business-Profilen bei Linked-in oder Xing. Aber selbst da kommt es auf die Art der Stelle an: Ich habe auch schon esoterische Interessen im Xing-Profil ignoriert, als es um eine Kern-IT-Position ohne Kundenkontakt nach aussen ging.”

Unternehmen geben sich gerne offen und tolerant

Die finnische Konsu Accountor Group berät Unternehmen, die in Rußland und der Ukraine Geschäfte machen wollen. Auch Konsu hat eher einen konservativen Anstrich, auf Social-Media-Kanälen wie Twitter oder Facebook ist der Finanzmanagement-Outsourcing-Dienstleister bislang nicht aktiv. Der Leiter der Stuttgarter Niederlassung, Konstantin Graf zu Dohna, erzählt:

“Unsere Aktivitäten in Internet-Netzwerken laufen über Xing. Grundsätzlich ist für mich jede Person in privat und beruflich zu trennen, das heißt, was jemand in seiner Freizeit macht, geht mich erstmal nichts an. Dennoch würden extremistische Aussagen oder Bilder, Beiträge und Kommentare, die einen zweifelhaften Charakter vermuten lassen, schon in die Gesamtbewertung der Bewerber eingehen. Wenn jemand ein Partybild veröffentlicht, ist das völlig ok, wer allerdings lauthals verkündet, alle Russen seien korrupt, der hat bei uns ein Problem. Allerdings stöbern wir nicht durch das Internet, um solche Dinge zu finden oder auszuschließen.”

Es mag natürlich sein, sich einige Unternehmen und Personaler offener und toleranter geben, als sie es in Wirklichkeit sind. Der Schuß kann allerdings in Zeiten von Arbeitgeber-Bewertungsplattformen, Twitter und Facebook schnell nach hinten losgehen, denn auch die Äußerungen ihrer eigenen Mitarbeiter können Unternehmen heute immer schlechter Kontrollieren. Daher werden wirtschaftlich am Ende die die Nase vorne haben, die nicht nur Liberal und offen tun – sondern das auch wirklich leben, wie Tobias Kärcher von der Atenta Personalberatung schreibt: “Der Arbeitgeber der Zukunft wird lernen, dass seine Angestellten ein Privatleben haben, und dass dieses auch online stattfindet. Viele Unternehmen haben das bereits verstanden und sie sind es, die denen, die bei jedem Partyfoto verschreckt “HUCH!” oder “AHA!” rufen, die Fachkräfte wegschnappen.”

Wer gut ist, googelt zurück!

Robindro Ullah und die Erfurter Studie haben es bereits angedeutet: Auch Bewerber googlen heute vor Bewerbung und Vorstellungsgespräch die Personaler. Und die wissen das auch! Tipps, wie man an hilfreiche Informationen kommt.

Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser?

Unternehmen, die Geschäftskunden von Vodafone sind, dürften eher nicht zu der Gruppe Weltoffene, tolerante Unternehmen gehören. Denn das Telekommunikationsunternehmen wirbt auf seiner Website damit, dass Unternehmen die eigenen Mitarbeiter kontrollieren und überwachen können. Nötig ist dazu nur die richtige Mobilfungausrüstung, so dass die Handy-Ortung über GPS oder Mobilfunk gemacht werden kann: “Steuern Sie Ihre mobilen Mitarbeiter oder Fahrzeugflotte mit der Ortungsplattform Vodafone Locate im Vodafone-Netz. Fragen wie “Wo ist meine Fahrzeugsendung?” oder “Wann trifft der Monteur beim Kunden ein?” gehören jetzt der Vergangenheit an. Mit der Ortungsplattform Vodafone Locate sehen Sie auf einen Blick, wo sich Ihre Mitarbeiter oder Fahrzeuge gerade aufhalten oder beim Kundentermin eintreffen.”

Für manchen Chef mag es verführerisch klingen, rund um die Uhr überwachen zu können, wo sich seine Mitarbeiter gerade aufhalten. Endlich kann keiner mehr während der Arbeitszeit rumbummeln, zwischendurch noch einkaufen gehen oder die Füße hochlegen. Doch abgesehen davon, dass die Cloud-basierte Infrastruktur für diese Rundum-Sorglos-Überwachung datenschutzrechtlich bedenklich ist, weil sie zwar praktischerweise keine Investionen in eigene IT-Infrastruktur erforderlich, aber eben auch komplett über Vodafone läuft: Für das Image des Unternehmens können solche Kontrollversuche, die bekannt werden, verheerend sein. 2009 musste die Deutsche Bahn beispielsweise einräumen, dass sie in den Jahren 2002 und 2003 rund 173.000 seiner 240.000 Mitarbeiter ohne deren Wissen überprüft hatte. Wohl aus solchen Skandalen und den ständigen Diskussionen um das erheben von Bewerber-Daten hat der Konzern im November 2010 die Konsequenzen gezogen: In Zukunft sollen bei einer Bewerbung nur noch diejenigen Daten verwendet werden, die der Jobsuchende mitschickt. Die Deutsche Bahn hat sich das Googlen nach Bewerbern also freiwillig selbst verboten. Und wenn Mitarbeiter künftig unter Koruptionsverdacht stehen, hat der Betriebsrecht ein Vetorecht gegen konzerninterne Schnüffeleien.

Kontrollwut von Unternehmen: Schnüffeln am Arbeitsplatz

Die Kontrollwut vieler Unternehmen zeigt sich gerade auch in der Verwendung von Sozialen Netzwerken am Arbeitsplatz. Denn abgesehen von der Arbeitszeitverschwendung könnten könnten Mitarbeiter dort schließlich unbedacht Geheimnisse ausplaudern oder Rechtsverstöße begehen, für die das Unternehmen dann haftbar wäre. Dass solche Ängste nicht ganz unbegründet sind zeigte ein Zitat des bekannten Investigativ-Journalisten Hans Leyendecker auf einem Medienkongress der TAZ im April 2011: “Es ist gängige Praxis, dass Journalisten bei Facebook nach Leuten suchen, die sich unzufrieden über Ihr Unternehmen geäußert haben, um Informationen über das Unternehmen bekommen.” Leyendecker, Redakteur bei der Süddeutschen Zeitung, machte damit klar, dass es keinesfalls utopisch ist, dass wichtige Informationen durch soziale Netzwerke ungehindert nach draußen dringen und dort von Medien schnell aufgegriffen werden. Und natürlich kann das einem Unternehmen ernsthaft schaden.

Die Maßnahmen, die dagegen ergriffen werden, sind aber oft falsch: Vielerorts werden Mitarbeiter per Firewall daran gehindert, Social-Media-Dienste wie Twitter oder Facebook überhaupt zu benutzen. Solche Regelungen können aber mit Blackberry und Iphone leicht umgangen werden können – es sei denn, man führt auch noch Taschenkontrollen durch.  Zudem können sich Mitarbeiter ja auch noch nach Feierabend über ihre Arbeitgeber auskotzen. Arbeitgeber-Bewertungsplattformen wie kununu.com/ laden sogar dazu ein, das Anonym zu tun. Und zuguterletzt schneiden sich Unternehmen so natürlich auch selbst vom Informationsfluss im Internet ab. Es muss also bessere Lösungen geben.

Social-Media-Guidelines: Machtverlust in Raten

Bisher funktionier Kommunikation in vielen Unternehmen so: Für jede Mitteilung, die nach draußen gegeben wird, muss der Segen von oben eingeholt werden. Das bedeutet, je nach Größe des Unternehmens oftmals lange Freigabeketten, in denen die Meldung von Pontius zu Pilatus gereicht wird. Wenn die News brandaktuell ist, sind solche Verzögerungen besonders ärgerlich – für das Unternehmen, aber auch für die Medien. Und manchmal werden Meldungen aus persönlichen Befindlichkeiten sogar regelrecht verschleppt. Gerade bei Großunternehmen sehen sich PR-Abteilungen oft immer noch eher in der Rolle der Kommunikationsverhinderer denn als Kommunikator. Und auf diese Zustände trifft nun Social Media. Die PR-Abteilungen sind sauer, weil sie um ihre Pfründe fürchten. Und die Chefs haben Angst, Kontrolle und damit Macht zu verlieren. Und nun? Die Lösung besteht in vielen Unternehmen darin, Social Media in kleinen Dosen zuzulassen. Machtverlust in Raten sozusagen. So haben zahlreiche Unternehmen so genannte Social Media Guidlines erstellt. Das sind klar abgegrenzte Regelungen, was bei Twitter und Facebook eingestellt werden darf – und was nicht. Damit können die Mitarbeiter dann eigenverantwortlich agieren, ohne jedes Mal nachfragen zu müssen. Wie aber funktioniert das in den Unternehmen konkret?

Beim Chemiekonzern Bayer dürfen sich Mitarbeiter in Sozialen Medien nur privat, aber nicht im Namen des Unternehmens äußern, wie Lothar Oppenhäuser, Leiter des Ressorts Electronic Media in der Unternehmenskommunikation erklärt: “Jeder Mitarbeiter kennt die Richtlinien im Umgang mit Web 2.0 und weiß, dass die dienstliche Nutzung des Internets und die Sicherheit der IT-Systeme an erster Stelle stehen. Wir vertrauen unseren Mitarbeitern, dass sie verantwortungsvoll mit dem privaten Internetgebrauch umgehen. Dass niemand offiziell im Auftrag oder Namen von Bayer twittern oder “facebooken” darf, der dazu nicht befugt ist, ist genau so selbstverständlich, wie der Schutz von Unternehmens-Know-how. Die meisten Mitarbeiter äußern daher stets ihre private Meinung. Den Zugang zu sozialen Netzwerken zu beschränken erscheint uns nicht sinnvoll, denn nur wer sich im Social Web auskennt, ist in der Lage, hier weitere Kommunikationspotenziale für Bayer zu erschließen und sich mit anderen darüber auszutauschen.”

Auf Kritik rechtzeitig reagieren

Auch der Autohersteller Daimler will auf das Potenzial, das Social Media für Marketing und PR bietet, nicht verzichten, wie Blog-Manager Uwe Knaus erklärt:

“Social Media Engagement kann helfen, Trends frühzeitig zu erkennen, auf Kritik zu reagieren oder eigene Themen anzustoßen… Es ist daher in unserem Interesse, ihr Social-Media-Engagement zu fördern. Allerdings stellen wir auch immer wieder fest, dass es im Umgang mit diesen neuen Kommunikationsformen noch einige Unsicherheiten gibt. Um die Mitarbeiter über die Möglichkeiten und Risiken zu informieren, haben wir Hinweise in Form eines Social Media Leitfadens zusammengestellt – bewusst kein neues Regelwerk. Denn Mitarbeiter benötigen keine zusätzlichen Regeln für Twitter oder Facebook. Man muss ihnen nicht sagen, was sie twittern dürfen und was nicht. Das wissen sie in der Regel ganz gut. Bevor ein Mitarbeiter eine externe eMail schreibt, oder in großer Runde am Stammtisch aus dem Nähkästchen plaudert, überlegt er sich ganz genau, was er wem erzählt. Twitter oder Facebook sind lediglich neue, große Stammtische, die unübersichtlich sind und an denen eben nicht nur Freunde sitzen. Dahingehend klären wir auf. Geltende Rechtsvorschriften, Arbeitsvertrag, sowie bestehende interne Richtlinien setzen darüber hinaus weiterhin verbindliche Grenzen.”

Die Beispiele zeigen deutlich: Für viele Unternehmen ist Social Media eine Gratwanderung zwischen der Angst vor zu viel Offenheit und dem Wunsch, ein positives Image zu pflegen. Und sie tasten sich Schritt für Schritt heran. Denn damit Social Media in deutschen Unternehmen wirklich funktioniert, müssten diese sich die Firmen erst einmal trauen, das neue Medium wirklich auszuprobieren und auch Fehler zuzulassen, aus denen sie lernen könnten. Sie müssten Vertrauen in ihre Mitarbeiter, deren Eigeninitiative und Kreativität entwickeln. Und sie müssten sich dem Web, ihren Kunden sowie potenziellen Mitarbeitern wirklich öffnen und transparent werden. Unternehmen müssten also ein Stück Kontrolle und Macht abgeben. Gewinnen könnten dadurch viel, wie die Beispiele zeigen: Ein besseres Image, neue Kunden, die besten Mitarbeiter. Sie müssten sich nur trauen, loszuslassen. Weniger Kontrolle, mehr Vertrauen!

Social Media für den beruflichen Vorteil nutzen

Was bringt Social Media eigentlich wirklich? Wenn es nach Johannes Lenz geht, bringt Social Media wirklich viel. Der studierte Politikwissenschaftler hat dem Web 2.0 seinen Traumjob zu verdanken. Einer, der extra für ihn geschaffen wurde. Bei einer Werbeagentur in Düsseldorf ist er – nun raten Sie mal – für den Social Media Bereich zuständig. Sein Erfolgsgeheimnis: Bloggen, Twittern und Networking aus Leidenschaft. Eine Idee, die er versucht, mit Begeisterung weiterzutragen. Ein Netzwerk an interessierten Gesprächspartnern, das im Laufe der Zeit langsam aber stetig gewachsen ist. Und über das schließlich sein neuer Arbeitgeber auf ihn aufmerksam wurde. Über seine Strategie, die keine ist, sagt er selbst:

“Jobsuche via Social Web heißt für mich, sich entsprechend seiner Fähigkeiten und Interessen aufzustellen. Das heißt ausgewählte Social Profiles anzulegen, die regelmäßig aktualisiert werden, den Austausch und Dialog mit anderen Usern zu suchen und dabei den Humor nicht zu verlieren. Und klar, man muss auch etwas wagen, die Offenheit besitzen, auf andere zuzugehen und nicht nur zu nehmen, sondern auch zu geben. Schließlich sollte man sich jeden Tag durch die eigene Neugierde versuchen weiterzuentwickeln.”

Wie es Euch gefällt

Mashable.com wird pro Tag durchschnittlich etwa 124.000 mal retweetet, allerdings kommen auf einen Tweet gerade mal 0,38 Klicks auf die Seite. Bei Facebook hingegen kommen immerhin auf jeden Like, Share, Kommentar und geteilten Link 3,31 Klicks auf die Seite. Facebook bringt Mashable also konkret 8,7 mal mehr Klicks als Twitter. Das zeigt:   Jedes Soziale Netzwerk unterscheidet sich im Nutzerverhalten ganz erheblich von anderen Netzwerken. Und daher erfüllt auch jedes Netzwerk ganz unterschiedliche Bedürfnisse: Facebook hat einfach mehr Nutzer und ist das deutlich populärere Netzwerk. Die Menschen halten sich hier länger auf und können die Artikel direkt liken und kommentieren und viele Posts bleiben länger im Sichtbereich der Nutzer. Der Grad der Interaktion ist hier also direkter und persönlicher als bei Twitter. Twitter wirkt eher wie ein Durchlauferhitzer, der Informationen zwar schnell hochkocht, aber genau so schnell wieder verbrennt. Ein Tweet geht daher sehr schnell im allgemeinen Rauschen verloren. Twitter wirkt daher eher wie ein Nachrichtenverteiler. Xing hingegen ist etwas für Leute, denen das alles zu unübersichtlich ist.

Prinzipiell ist also für jeden was dabei, man muss sich nur das Richtige ausssuchen. Nämlich das, das zu dem eigenen Zielen und Wünschen passt. Viele Leute glauben aber leider, sie müssten nun Mitglied in diesem oder jenem Netzwerk werden, nur weil es eben gerade angesagt ist, statt sich einfach zu überlegen: Was will ich eigentlich? Vor einiger Zeit fragte mich ein Kollege, ebenfalls freier Journalist, ob ich denn glaube, dass ein freier Journalist unbedingt eine Website braucht. Oder ob nicht einfach eine Xing-Präsens reicht. Ich sehe nun schon diverse Marketingleute empört aufschreien: “Natürlich braucht er eine! Man muss doch im Web präsent sein!” Nun, ich bin nicht dieser Ansicht. Jedenfalls nicht grundsätzlich.

In diesem Fall funktioniert das berufliche Selbstmarketing noch auf sehr traditionellen Wegen: Mein Kollege arbeitet vor allem für einen Radiosender, hat dort sehr gute, langjährige Kontakte und bekommt seine Aufträge über dieses Netzwerk. Natürlich läuft auch bei ihm viel über Empfehlungsmarketing   – aber eben ohne Internet. Zudem sind seine Auftraggeber selbst kaum in Internet aktiv. Noch dazu arbeitet er zu einem sehr speziellen, quasi wissenschaftlichen Thema: Anders als z.B. bei meinem Blog, der gängige Karriere-Themen behandelt und daher ständig unter allen möglichen Suchbegriffen via Google gefunden wird, ist bei meinem Kollegen die Wahrscheinlichkeit, dass ein potenzieller Auftraggeber via Google nach genau seinem Thema sucht, ausgesprochen gering.  Die Frage ist also berechtigt: Reicht nicht auch ein Xing Profil?

Wem nutzt welches Netzwerk?

Jetzt könnte man einwenden: Schaden kann eine eigen Website nie. Sicher. Nun ist mein Kollege aber alles andere als Internet-Begeistert. Er nutzt Xing professionell und Facebook eher privat. Eine eigene Website zu pflegen wäre für ihn entweder teuer oder ein sehr großer Zeitaufwand. Denn den Nutzen einer solchen Alibi-Website nach dem Motto: “Schaut mal, ich bin Online” halte ich für vergleichsweise gering. Ich finde, wenn schon Online-Präsenz, dann richtig und das bedeutet mindestens ein eigener Blog mit regelmäßigen Artikeln. Das liegt daran, dass eine Seite in den Suchmaschinen um so weiter vorne aufgelistet wird, je öfter sie aktualisiert wird und je mehr Inhalt sie enthält. Vereinfacht gesagt, in Wirklichkeit ist die Optimierung einer Seite für Suchmaschinen ein weitaus größerer Aufwand. Wenn ich also eine Website bzw. einen Blog will, die Aufträge einbringt, weil die Kunden mich im Netz finden und sich auch gleich direkt von meinen Kompetenzen überzeugen können, dann muss ich auch etwas dafür tun. Für eine reine Alibi-Funktion, einfach um im Netz vertreten zu sein, mag ein Xing Profil manchmal sogar besser sein: Es wirkt nicht so diletantisch wie einfache, mal eben zusammengezimmerte Websites und die Kunden erkennen auf einen Blick Kompetenzen, Werdegang und Referenzen.

Das Beispiel illustriert: Nicht jeder muss im Netz alles machen, nur weil es eben alle so machen. Niemand sollte Facebook oder Twitter nutzen, nur weil es gerade angesagt ist. Viel besser – und zeitsparender – ist: Verschiedene Möglichkeiten ausprobieren, in Ruhe herausfinden, welches Tool die eigenen Wünsche und Bedürfnisse am besten erfüllt – und das dann nutzen. Als die Media Agentur Universal McCann in ihrer letzten Wave-Studie 37.600 Internetnutzer in mehr als 50 Ländern nach ihren Social-Media-Gewohnheiten befragte, wurden auch Auskünfte darüber eingeholt, welche Tools für welche Zwecke gebraucht werden. Die Antwort: Das effektivste Kommunikationstool, um mit Freunden in Kontakt zu bleiben, scheinen neben Instant-Messengers und Chat-Programmen Soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter zu sein: Mit großem Abstand werden sie von 50 Prozent der befragten genau dazu verwendet. Wer Unterhaltung sucht, frequentiert hingegen lieber Videoseiten (40 Prozent) – und zwar noch lieber als Netzwerke wie Facebook (37 Prozent).  Am wichtigsten sind Soziale Netzwerke allerdings für viele, um neue Leute kennenzulernen. Um sich hingegen selbst zu vermarkten oder sich kreativ zu verwirklichen und auszudrücken, nutzen die meisten User am liebsten Blogs (mehr als 30 Prozent), aber auch Soziale Netzwerke (mehr als 40 Prozent).

Jedem das Netzwerk, das ihm am meisten bringt

Social Media besteht eben nicht nur aus Twitter und Facebook. Beide Netzwerke mögen auf den ersten Blick attraktiv wirken, weil sie wie ein geschlossener Raum wahrgenommen werden, in dem sich eben Millionen von Menschen befinden, die man kennenelernen und mit denen man sich unterhalten, austauschen, verhandeln usw. kann. Dass man aber in den unendlichen Weiten des Internets noch ganz andere Möglichkeiten hat, Menschen zu erreichen, daran denken viele nicht. Genau diese unbegrenzte Freiheit ist aber für viele paradoxerweise das Problem: Wenn ich beispielsweise mit einem eigenen Blog in den unendlichen Weiten der Internet-Galaxis unterwegs bin, ohne Verbindung zu irgendwelchen Facebook-Freunden oder Followern – wie will man mich da finden?

Und auch dass man bei Twitter oder Facebook eben nur begrenzte Möglichkeiten hat, sich selbst nach den eigenen Wünsche zu präsentieren, ist für viele kein Hindernis, im Gegenteil: Gerade dass es Vorgaben für das Layout oder auch die Inhalte gibt, macht Twitter und Facebook für viele Menschen attraktiv: Man braucht sich einfach nicht zwischen unendlich vielen Möglichkeiten zu entscheiden, sondern macht eben nur das, was vorgegeben ist. Praktisch und Bequem. Die große Auswahl, die Vielfalt der Möglichkeiten und die Freiheit, das zu tun, was ich möchte – das hingegen scheint vielen Leuten Angst zu machen. Anders ist die Heftigkeit, mit der die Diskussion um das Internet nach wie vor geführt wird, nicht zu erklären. Gerade dann, wenn Themen wie Datenschutze und Sicherheit angesprochen werden.