Schöne, neue Arbeitswelt: Virtualisierung, Flexibilisierung, Projektarbeit und Matrixorganisation sind die Kennzeichen moderner Unternehmen. Kein passendes Revier mehr für männliche Selbstdarsteller und Platzhirsche, die von klassischen Hierarchien profitieren, könnte man meinen. Oder doch?

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Warum Frauen sich mit Rangordnungen beschäftigen sollten

Warum sich mit so altmodisch wirkenden Themen wie Rangordnungen und der möglichen eigenen Positionierung darin beschäftigen? Ganz einfach: Es nicht zu tun, könnte sich für Frauen als karrieretechnischer Irrtum erweisen.

Die Soziologin Anja Bultemeier hat gemeinsam mit Forschungskollegen das Thema “Strukturen und Spielregeln in modernen Unternehmen und was sie für Frauenkarrieren bedeuten (können)” untersucht.

Abkehr von der klassischen Kaminkarriere

Es findet demnach eine Abkehr von der klassischen “Kaminkarriere” statt. Neben die Managementkarriere tritt die Projektkarriere und weniger ausgeprägt die Fachkarriere.

Bultemeier konstatiert, dass Frauen in modernen Unternehmen inzwischen horizontal in alle Bereiche vorgedrungen sind und dass sie nun mit Männern vertikal um Positionen konkurrieren. Historisch ist das ein Novum.

Neue Vorzeichen, alte Verhaltensmuster

Ob es allerdings einen Paradigmenwechsel bei den für eine Karriere notwendigen Eigenschaften gibt, ist mehr als fraglich. Die Forschungsergebnisse zeigen eher, dass sich nur die Vorzeichen geändert haben, das zielführende Verhalten aber gleich geblieben ist.

So kommt Bultemeier zum Schluss, dass es in der Arbeitspraxis moderner Unternehmen nicht die weichen Faktoren sind, die karriererelevant sind. Es gehe vielmehr darum, in einem Kontext, der nicht frei von Interessendivergenzen und Konflikten ist, seinen Platz klar einzufordern

“Unternehmen sind keine herrschaftsfreien Räume”

Anja Bultemeier kommt daraufhin zu dem spannenden Schluss: Unternehmen sind keine Herrschaftsfreien Räume. Ach? Im Einzelnen sagt Sie:

“Unternehmen sind keine herrschaftsfreien Räume; um sich in ihnen öffentlich zu positionieren, bedarf es auch ‘harter’ Faktoren wie Zielstrebigkeit, Mut und Durchsetzungsfähigkeit. Ein zentrales Ergebnis unserer Empirie ist nun, dass Frauen es vermeiden, sich öffentlich zu positionieren und in kommunikative Aushandlungsprozesse einzutreten – insbesondere dann, wenn die Kultur in den Unternehmen konkurenziell geprägt ist.”

Studie zu Karriereanforderungen in der Wissensökonomie

Viele wissenschaftliche Studien warnen: Ihre Karrierestrategien führen Frauen nicht an die Spitze der Unternehmen, sondern in eine Falle. Einige dieser Untersuchungen möchte ich hier näher beleuchten. Eine Studie von Soziologen der Technischen Universität Berlin untersuchte die Karriereanforderungen in der neu strukturierten Arbeitswelt der Wissensökonomie für Frauen und Männer.

Eine von mehreren Widersprüchlichkeiten, die Professorin Christiane Funken und ihr Team aufdeckten, zeigt sich in der Projektarbeit, die zur Bewährungsprobe für den Aufstieg in der Wissensökonomie geworden ist.

Kooperation oder Karriere

In den Projekten wird in interdisziplinären Teams gearbeitet, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter rund um den Globus verteilt und deren soziale wie kulturelle Prägungen höchst unterschiedlich sind.

Um ein Problem für das Unternehmen schnell und effizient zu lösen, ist Kooperationsfähigkeit gefragt. Die Fähigkeit, kooperieren zu können, kollidiert allerdings mit der Anforderung, im Team sichtbar zu werden, um sich für einen Karriereaufstieg zu empfehlen.

Fast alle Projektleiter sind Männer

Hervorstechen könne nur derjenige, der sich von anderen absetze, erklärt Funken: “Frauen setzen stark auf Kooperation, Männer dagegen ganz selbstverständlich und primär auf Konkurrenz” – und erklimmen die oberste Sprosse der Karriereleiter.

Obwohl mindestens genauso viele Frauen wie Männer in Projekten arbeiten, seien fast alle Projektleiter Männer.

Studie der Uni Hamburg: Frauen müssen Stärker an ihre Karriere glauben

Seit 1986 erforscht Sonja Bischoff, Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der Universität Hamburg, das mittlere Management in Deutschland.

An der fünften Studie “Wer führt in (die) Zukunft?” beteiligten sich 2008 knapp 370 männliche und weibliche Führungskräfte. Auch Bischoff ist davon überzeugt, dass Managerinnen stärker an ihre Karriere glauben und gezielter an ihr arbeiten müssen.

Wollen Frauen gar nicht führen?

Ein knappes Drittel der Frauen zieht den Gedanken an eine Führungsposition gar nicht in Erwägung, gegenüber knapp einem Fünftel der Männer.

Mit höherer hierarchischer Ebene wächst zunehmend der Anteil aufstiegsorientierter Männer. Es scheint also weiterhin zu gelten, dass Männer und Frauen sich an unterschiedlichen Hierarchiesystemen orientieren.