In Ägypten hat gerade die letzte Etappe der Parlamentswahlen begonnen, bei denen ein Sieg der Islamisten vorauszusehen ist. Die könnten unter anderem Bikinis und Alkohol verbieten – mit negativen Folgen für den Tourismus, den wichtigsten Wirtschaftszweig des Landes. Doch wie gehen Tourismus-Vermarkter mit politisch instabilen Situationen um? Ein Problem, das übrigens längst nicht nur Ägypten hat – und das die Frage aufwirft, ob ein Rundum-Sorgenfrei-Urlaub überhaup noch zeitgemäß ist.

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Gizeh, 20.12. 2011, in der Wüste

Unten die Lichter  der Metropolregion Kairo, oben die Cheopspyramide malerisch angestrahlt. Ein Ort wie aus der Tourismus-Werbung, doch drinnen im eigens aufgebauten Festzelt geht es um ernste Fragen: Der ägyptische Tourismusminister Mounir Fakhry Abdel Nour und Amr El Ezabi, Chef der ägyptischen Tourismusbehörde gaben eine Pressekonferenz.

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Tourismus – der wichtigste Wirtschaftsfaktor Ägyptens

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Thema: Die Tourismus-Wirtschaft in Ägypten. Mit auf dem Podium auch Vertreter der Deutschen Wirtschaft: Jürgen Büchy, Präsident des Deutschen Reiseverbandes (DRV) und  Dr. Christian Göke, Chef der Messe Berlin, wo Ägypten 2012 Partnerland der Internationalen Tourismus-Börse (ITB) sein wird. Der Vertrag dafür wurde hier in Gizeh unterschrieben.

Der Tourismus ist der wichtigste Wirtschaftsfaktor in Ägypten: Einer von sechs Ägyptern arbeitet in der Branche, 14,2 Millionen Gäste aus aler Welt besuchten Ägypten zuletzt im Jahr 2010, 1,33 Millionen davon waren Deutsche. Doch die Revolution vor einem Jahr hat dem Tourismus herbe Einbußen beschert.

Ein Statistik, die mir vom Generalkonsulat der Arabischen Republik Ägypten zur Verfügung gestellt wurde, zeigt: Je nach Monat sind die Übernachtungen für Ägypten zwischen 33 und 45 Prozent zurückgegangen. Kein Wunder also, dass man sich fragt, wie man diese wichtigen Einnahmen wieder zurückholt.

Offener umgang mit einer schwierigen Situation

Die Aussagen auf der Pressekonferenz waren, angesichts der schwierigen Situation, überraschend offen. Aber alles andere wäre aufgrund der jüngsten Ereignisse aber auch unglaubwürdig gewesen. Der ägyptische Tourismusminister hofft auf die Vernunft der voraussichtlichen Wahlsieger:

“Moslembrüder und Salafisten können nicht ohne Tourismus”, sagte er auf der Pressekonferenz (im Video oben). Etwas ausführlicher war der stellvertretende ägyptische Tourismus-Minister Hisham Zaazou zwei Tage zuvor auf einer Konferenz in El Gouna am Roten Meer geworden, der Details über Gespräche mit den Islamisten offenbarte:

“Ägypten ist mehr als der Tahrirplatz”

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Doch mehr als der drohende Wahlsieg der Islamisten machen den Tourismus-Verantwortlichen die aktuellen Ereignisse vom Tahrirplatz Sorgen, die immer wieder die Nachrichtenlage über Ägypten bestimmen. Die sind nicht gerade dazu angetan, Besuchern Lust auf einen sorgenfreien Urlaub im Land zu machen. Die nun besiegelte Partnerschaft mit der ITB wurde bereits in Vor-Revolutions-Zeiten vereinbart und könnte sich nun als Glücksfall für das Land erweisen.

Da habe Ägypten wohl einen Schutzengel gehabt, sagt der Minister und spielt damit auf die mediale Aufmerksamkeit an, die Ägypten als Reiseland damit zu teil werden könnte. Denn, so der einhellige O-Ton, sei Ägypten weit mehr als der Tahrirplatz, die Lage im Land deutlich ruhiger als die Ereignisse von dort glauben machen wollen, wie  Tourismusminister Nour nochmals deutlich bekräftigte:

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Dazu ein Update vom 10.01.2012: In der Provinz Süd-Sinai wurden kurzzeitig Touristen festgesetzt. Aufgebrachte Ägypter protestierten damit gegen Wahlmanipulation. Nachdem ein Verwaltungsgericht entschieden hatte, dass die Wahlen widerhohlt würden, kamen die Touristen wieder frei. Offenbar lief alles glimpflich ab.

Deutsche Wirtschaft ist optimistisch

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Und auch die Deutsche Wirtschaft demonstriert Optimismus: Die Germania Airline fliegt seit 20.11.2011 einmal wöchentlich vom  ehemaligen Militär-Flughafen Magdeburg-Cochstedt nach Hurghada. Ihr Marketing-Leiter Ralph Ullmann sagte bei der Pressekonfernz in El Gouna: “Ägypten macht gerade eine interessante Phase durch. Das finden wir spannend und wollen zu dem Projekt stehen. Wir kennen aber das wirtschaftliche Risiko und hoffen, dass wir uns nach den Wahlen etwas entspannen können.”

“Wir arrangieren uns mit den Verhältnissen”

Und DRV-Chef Büchy (im Vido links neben dem Tourismus-Minister) sagte bei der Pressekonferenz in Gizeh: “Wir können die TV-Bilder vom Tahrirplatz nicht ignorieren. Sie stehen im Widerspruch zum Wunsch deutscher Touristen, dass die schönsten Wochen des Jahres nicht negativ beeinflusst werden sollen.” Insgesamt hofft Büchy auf einen friedlichen Übergang in Ägypten und gibt sich, was den Ausgang der Wahlen angeht, gelassen: “Der Deutsche Tourismus geht in die ganze Welt, auch z.B. in Länder wie Nordkorea. Die politischen Situationen mögen sich ändern, aber wir passen uns an. Es wird immer Kooperationen und Beziehungen geben, wir arrangieren uns mit den bestehenden Verhältnissen und werden und auch in Ägypten arrangieren, wenn es nötig sein sollte.”

Das eigene Bild reflektieren

Eine Situation voller Gegensätze, die zum Nachdenken einlädt – über die Sichtweisen von Politik und Wirtschaft, aber auch über unser eigenes Verständnis von Medienkonsum, Reisen und Demokratie.

So kann man die Haltung der Wirtschaft, sich mit den Verhältnissen arrangieren zu wollen, in anbetracht der Bilder durchaus als zynisch betrachten. Oder meinen, dass Ägypten zunächst einmal selbst für stabile demokratische Verhältnisse sorgen soll.

“Tourismus ist wichtig für die Demokratie”

Gleichzeitig ist aber der Tourismus als wichtigste Wirtschaftskraft auch entscheidend für das gelingen des demokratischen Prozesses – darauf hat schon vor Monaten der ägyptische Tourismus-Minister Nour, übrigens selbst Christ, im Interview mit ZEIT ONLINE hingewiesen.

Dort sagte er: “Anfangs waren es ja vor allem wirtschaftliche Gründe, die viele Menschen auf die Straße getrieben haben.” Und tatsächlich kann konnte man bislang am Roten Meer, hunderte von Kilometern vom Tahrirplatz entfernt, auch schön, ruhig und entspannt Urlaub machen und das wird auch gemacht. Dennoch ist der Tahrirplatz, zumindest in unserer Journalisten-Gruppe, irgendwie stets präsent.

Die Auseinandersetzung mit dem Zielland muss schon viel früher beginnen

Das bringt mich dazu, über unseren Medienkonsum zu reflektieren. In vielen Ländern, in die man so reist, ist die politische Situation alles andere als optimal, da ist Ägypten keine Ausnahme. Das wird in der Regel gerne ignoriert. Dass in Ägypten vor kurzem ein prominenter Blogger und Aktivist freigelassen wurde, erregte z.B. vergleichsweise wenig Aufsehen. Wenn dann aber Bilder von Toten ins Wohnzimmer schwappen, ist plötzlich die allgemeine Panik groß. Die Bilder einfach abgstellen, wie so mancher sich das wohl wünscht, geht nicht – die Ereignisse geschehen ja weiterhin.

Nein, die Auseinandersetzung mit dem Thema muss weit vorher anfangen. Und auch der Wunsch nach einem sorgenfreien Urlaub ist verständlich, nicht zuletzt ihm hat es der Deutsche Tourismus zu verdanken, wieder im Aufwind zu sein. Aber ist das noch zeitgemäß in einer Zeit, in der es in vielen beliebten Urlaubsländern politisch eher unruhig zugeht? Oder ist nicht doch auch eine weiterreichende Auseinandersetzung mit den Menschen im Zielland sinnvoll?

Die Zukunft des Tourismus?

Tatsächlich haben Zukunftsforscher schon einen neuen Typ von Tourist ausgemacht: Einer, dem es nicht um “einfach mal weg” geht, sondern der Reisen als individuelles Erlebnis ansieht, als abenteuerliche Erschließung der Welt, als Erfüllung des Wunsches nach Veränderung und Aufbruch. Nun mag man agumentieren, das Revulutions-Sight-Seeing vielleicht etwas zu viel Abenteuer ist.

In Israel hingegen macht der Aktivist Aziz Abu Sarah bereits vor, wie so etwas funktionieren könnte: Mit seiner Agentur Mejdi bietet er “dual narrative tours” an, die von israelischen und palistinänsischen Führern gemeinsam bestritten werden und Touristen z.B. in ein palistinänsisches Flüchtlingscamp führen. Wer weiß, vielleicht sieht so der Tourismus der Zukunft aus?


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