In Italien zu leben, zu arbeiten oder zumindest zu studieren ist der Traum vieler Menschen. Doch wie ist das italienische Hochschulsystem überhaupt aufgebaut?

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Das italienische Schulsystem

Artikel 34 der Italienischen Verfassung von 1948 regelt, dass Schulbildung für mindestens acht Jahre lang verpflichtend und kostenlos sein muss. Im Februar 2000 wurde das Rahmengesetz Nr. 30 Legge-quadro in materia di riordino dei cicli dell’istruzione zur Neuordnung der Schullaufbahn verabschiedet. Mit ihm wurde die Schulpflicht um zwei Jahre (vom Beginn des sechsten bis zum Ende des 15. Lebensjahres) verlängert, darüber hinaus verfügt es, dass Schüler noch mindestens bis zum 18. Lebensjahr zusätzliche berufsbegleitende Bildungsangebote – im Rahmen der Formazione professionale – wahrnehmen müssen. Dieses Recht auf Berufsbildung ist durch Artikel 35 der italienischen Verfassung festgeschrieben. Mit der Durchführung sind die Regionen betraut, über die Inhalte lässt sich jedoch wenig allgemeingültiges sagen: Nur wenige Regionen haben verbindliche Standardrichtlinien für die Bildungsmaßnahmen verfügt, so dass Stundenpläne und Unterrichtsstoff meist von den Bildungsträgern, den Istituti di formazione professionale, die von den Regionen akkreditiert wurden, festgelegt werden. Es kommt daher vor, dass das selbe Bildungsziel mit unterschiedlichen Inhalten und verschiedener Dauer verwirklicht wird.

Diese relativ große Autonomie für die Regionen ist im italienischen Bildungssystem neu, da dieses wie der Staat auch eher zentralistisch geprägt ist. Seit 2000/2001 überträgt das Ministerium für Bildung, Universität und Forschung (Ministero dell’Istruzione, del’Università e della Ricerca – MIUR) allerdings umfangreiche Kompetenzen an seine lokalen und regionalen Repräsentanten: Diese Uffici scolasti regionali haben nun weitreichende Rechte in der Verwaltung, Organisation oder bei pädagogischen Belangen. So können die Schulen entweder als Halbtags- oder Ganztagsschulen organisiert sein. Die Anzahl der Unterrichtsstunden liegt je nach Schulart zwischen 30 und 36, die auf fünf oder sechs Tage in der Woche verteilt sein können, allerdings muss ein bestimmtes Quantum erreicht werden (z.B. je nach Alter zwischen 800 und 933 während des primo ciclo, zukünftig mehr). Auch die Länge der Unterrichtsstunden ist unterschiedlich. In einem Schuljahr, das (je mach Region variabel) von September bis Mitte Juni dauert, müssen mindestens 200 Unterrichtstage liegen.

Während die Lehrpläne, bzw. Fachziele vom Ministerium vorgegeben werden, können die Schulen den Stundenplan, die Bücher, pädagogischen Methoden und auch die Leistungsprüfungen (abgesehen von den staatlichen Prüfungen, siehe dazu unten) selbst festlegen. Diese Prüfungen werden normalerweise alle drei oder vier Monate durchgeführt, wer das Klassenziel nicht erreicht, kann das Schuljahr wiederholen.

Leider klaffen vor allem in der italienischen Schulbildung Theorie und Praxis weit auseinander: Ein Beispiel hierfür mag die Qualität des Fremdsprachenunterrichts sein, die erheblich von der Kompetenz des Lehrers abhängt. Gerade Grundschullehrer sind Generalisten, die entweder Sprachen, Mathematik oder Sozialwissenschaften übernehmen. Sie benötigen einen Universitätsabschluss (diploma di laurea) um unterrichten zu dürfen. Lehrer an einer Sekundarstufe müssen darüber hinaus eine zweijährige Scoula di specialisazzione besuchen und sind dann auf ein bestimmtes Fach spezialisiert.

Um die Qualität der Lehre und des gesamten Bildungssystems zu verbessern, wurden in den letzten Jahren eine Reihe von Reformen durchgeführt und sind zur Zeit noch im Gang. Dass dabei einige Bereiche gleich zweimal reformiert wurden, mag vor allem mit der politischen Situation zusammenhängen: So wurde mit dem oben erwähnten Rahmengesetz von 2000 statt des Primo Ciclo eine siebenjährige Einheitsschule geschaffen. Dieses Modell wurde jedoch durch das Reformgesetz Nr. 53 aus dem Jahr 2003 durch wieder rückgängig gemacht. Diese Reform beinhaltet weitere Veränderungen, die allerdings nur schrittweise durch Dekrete vorangetrieben werden. Immerhin wurde das erste Dekret, dass die Grundschulen betrifft, im Januar 2004 erlassen.

Die Italienische Schullaufbahn

Ein italienischer Schüler durchläuft in seiner Schullaufbahn verschiedene Stationen. Diese gliedern sich wie folgt:

Scuola d’ infanzia

Die Vorschulerziehung dauert etwa drei Jahre und endet etwa mit dem sechsten Lebensjahr. Ihr Besuch ist zwar freiwillig, aber dennoch Teil eines flächendeckenden Konzeptes schulischer Bildung, die mit den Reformen der letzten Jahren vorangetrieben werden soll.

Primo Ciclo

Mit sechs Jahren beginnt für die meisten Kinder die Schulpflicht. Der erste, die allgemeinen Grundlagen vermittelnde Schulzyklus (vergleichbar etwa mit einer deutschen Grund- und Haupt- oder Gesamtschule) ist in zwei Bereiche unterteilt. Abgesehen von den allgemeinen Ausgaben für Mensen oder Bücher fallen für die Eltern keine Gebühren an.

Secondo Ciclo

Die obere Sekundarstufe wird Scoula secondaria superiore genannt. Die Gebühren, die mit dem Beginn dieses Schulabschnittes zu entrichten sind, können durch staatliche Unterstützung ausgeglichen werden.

Die obere Sekundarstufe schließt mit dem Diploma di superamento dell’esame di stato conclusivo dei corsi di studio di istruzione secondaria superiore ab, das seit 1998/99 das Diploma di maturita ersetzt. Zu diesem staatlichen Examen werden nur Schüler mit ausreichendem Notendurchschnitt zugelassen. Es besteht aus zwei schriftlichen Prüfung, deren Inhalt durch das Ministerium vorgegeben wird und einer dritten, deren Inhalt die Schule bestimmt, sowie einer mündlichen Prüfung. Das Examen wird, je nach Schulart, nach 4-5 Jahren abgelegt und ist Grundvoraussetzung für den Besuch der Universität.

Eine Besonderheit des italienischen Schulsystem ist, dass die Schüler zwischen 14 und 19 Jahren zwischen verschiedenen Schultypen wählen können, die auf bestimmte Fachbereiche spezialisiert sind. Währen der ersten beiden Jahre ist ein Wechsel noch möglich. Laut dem Reform-Gesetzt Nr. 53 aus dem Jahr 2003 solle es zukünftig acht Schultypen (liceo) geben: künstlerisch, klassisch, humanwissenschaftlich, linguistisch, wirtschaftlich, naturwissenschaftlich, technisch und musisch. Allerdings muss das entsprechende Dekret noch abgewartet werden.

Geschichte des Hochschulwesens

Als die Städte vor allem Norditaliens dank Gewerbe, Handel und Landwirtschaft im 11. und 12. Jahrhunderts ihre Macht vergrößerten, benötigten für ihre Verwaltung und Politik bald Menschen, die lesen und schreiben konnten, sich mit fremden Ländern und Sprachen sowie mit Recht und Diplomatie auskannten. In den folgenden Jahrhunderten entstanden daher zahlreiche Universitäten, deren Organisation stark an die Gilden und Zünfte angelehnt war – zwanzig bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts. Die Universität Bologna von 1088 gilt als die älteste Europas. 1224 schuf der Kaiser Friedrich II. in Neapel die erste “Staatsuniversität”. Durch den Niedergang der italienischen Städte seit der Renaissance verloren auch die Universitäten an Ansehen, die Akademien der Fürsten und Kleriker wurden Träger des geistigen Lebens.

Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts organisierte das Königreich Piemont, der Motor des Risorgimento (Wiedergeburt Italiens als Einheit) den neuen Staat mit der Hauptstadt Rom (seit 1870) nach französisch-zentralistischem Vorbild und benötigte für seine Verwaltung qualifiziertes Personal. Bildungsminister Casati, der 1859 auch eine gebührenfrei Grundschule initiierte, folgte den Ideen Humboldts: Universitäten (Neugründungen in Venedig, Mailand und Turin) sollten nicht mehr nur dem beruflichen Zweck sondern vor allem der Erhöhung der Geisteskultur dienen.

Mit dem Faschismus und der Riforma Gentile wurden die Universitäten ab 1923 zum Instrument der faschistischen Ideologie, Zulassungsbeschränkungen schon in den höheren Schulen sorgten für einen Rückgang der Studienbewerber.

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Freiheit von Forschung und Lehre wieder hergestellt, die alten Strukturen blieben jedoch erhalten. In den sechziger und siebziger Jahren wurde durch den zunehmenden Wohlstand Bildung immer wichtiger. Im Zuge der Regionalentwicklung wurde bei den zahlreichen Universitätsneugründungen endlich auch der nicht nur hochschulpolitisch lange Zeit vernachlässigte Süden berücksichtigt. Bald war Italien von einem dichten Netzt an Hochschulen überzogen, das es den meisten Studenten gestattet, in der Nähe ihres Heimatortes zu studieren.

1999 wurde Hochschulwesen mit dem Gesetz Nr. 509 zur Regelung der Autonomie der Hochschulen in der Akademischen Lehre (Regolamento in materia di autonomia didattica degli atenei) grundlegend reformiert. Den Anstoß zu diesen Veränderungen gaben die Treffen der europäischen Bildungsminister 1998 und 1999 in Paris und Bologna und der damit ins Rollen gebrachte Bologna-Prozess.

Aufbau des Hochschulsystems

Auch das italienische Hochschulsystem gliedert sich in verschiedene Einrichtungen:

Universitäten

Das italienische Hochschulsystem mit seinen Universitäten und kleineren Istituti universitari. war bis in die jüngste Zeit vergleichsweise wenig differenziert; andere Hochschuleinrichtungen, etwa Fachhochschulen, wie sie aus Deutschland bekannt sind, gab es nicht.

Mit der Reform von 1999 hat sich einiges geändert: Das MIUR stellt den staatlichen Haushalt für Universitäten und Forschung auf (die Mittel werden leistungsbezogen vergeben) und koordiniert die Teilnahme an internationalen Forschungsprogrammen. Trotz der zunehmenden Autonomie der Universitäten ist der staatliche Einfluss immer noch deutlich über die in anderen Staaten übliche Fach- und Rechtsaufsicht hinaus zu spüren. Das MIUR wird vom Consiglio Universitario Nazionale (CUN – Nationaler Universitätsrat) beraten. Der CUN gibt Stellungnahmen zur Universitätsplanung, Verwendung der Haushaltsmittel, Einrichtung von Studiengängen, Erstellung von Studienordnungen und Rekrutierung des wissenschaftlichen Personals. Die Conferenza Permanente dei Rettori delle Università Italiane (CRUI – Hochschulrektorenkonferenz) hatte bei den Entscheidungen bislang kaum Gewicht und entwickelt sich erst allmählich zu einem Partner der Regierung was die Universitätsbelange, die internationale Vertretung der Universitäten und die Analyse des Universitätswesens angeht.

Dem MIUR unterstehen folgende Bildungseinrichtungen:

Nichtuniversitäre höhere Bildungseinrichtungen

Neben den Universitäten gibt es eine Reihe von staatlichen und privaten Institutionen, die nicht in die Zuständigkeit der staatlichen Universitätsverwaltung fallen, aber dennoch eine berufliche Ausbildung auf Hochschulniveau vermitteln.

Auch dieser Bereich der Formazione superiore integrata wurde 1999 grundlegend reformiert (Artikel 69, Gesetz Nr. 144 und Gesetz Nr. 508), so dass diese Institutionen in einem bestimmten gesetzlichen Rahmen weitgehend autonom agieren können. Die Einrichtungen lassen sich wie folgt systematisieren:

Institutionen für künstlerische oder musische Bildung:

Dazu gehören z.B. die Accademia Nazionale di Arte Drammatica für Schauspiel und Theaterregie oder die Accademia Nazionale di Danza für Tanz, Choreografie und Tanzlehrer in Rom.

Der Zugang zu den Musikkonservatorien ist bereits während der regulären Schulzeit möglich, erfordert aber das bestehen einer Aufnahmeprüfung. Die Ausbildungsgänge in allen Zweigen der Musik dauern teilweise bis zu zehn Jahren. Mit guten Vorkenntnissen ist die Einstufung in einen höheren Ausbildungsabschnitt möglich. Qualitativ herausragen ist etwa das Conservatorio Santa Cecilia in Rom.

Die Accademie di belle arti (Kunstakademien) und die Istituti Superiori per le Industrie Artistiche (ISIA) sind zwar neuerdings den Hochschulen gleichgestellt, bieten aber kein laurea-Examen, sondern eigene Abschlüsse. An beiden Einrichtungen erfolgt die Zulassung über die Vorlage einer Bewerbungsmappe mit Zeichnungen und Skizzen oder eine Aufnahmeprüfung. In einer schriftlichen Prüfung werden zudem Allgemeinwissen und Kenntnisse aus dem Bereich der Kunst/Kunstgeschichte geprüft.

An den Kunstakademien kann man sich in den traditionellen Studiengängen Malerei, Bildhauerei, Raumgestaltung und Bühnenbild, neuerdings aber auch in Fotografie, Graphikdesign, Multimedia/Medienkunst, Restaurierung oder Kunstpädagogik für einen entsprechenden Beruf qualifizieren. Das Studium dauert vier Jahre. Es gibt auch zahlreiche private, aber staatlich anerkannte Kunstakademien, deren Studiengebühren aber deutlich über denen der staatlichen Akademien liegen.

Die Zulassung erfolgt über die Vorlage einer Bewerbungsmappe mit zahlreichen Zeichnungen und Skizzen oder eine Aufnahmeprüfung. In einer schriftlichen Prüfung werden zudem Allgemeinwissen und Kenntnisse aus dem Bereich der Kunst/Kunstgeschichte geprüft.

Am ISIA werden hingegen Fächer wie Industrie- oder Keramikdesign angeboten.

Ausbildungseinrichtungen im Bereich Design

Die Design-Ausbildung übernehmen traditionell Design-Schulen und Akkademien außerhalb der Universitäten, die häufig durch Indutstrieunternehmen finanziert werden; nur wenige sind in staatlicher Hand. Mittlerweile kann man aber auch an einigen Universitäten Design studieren.

Accademie militari

Insgesamt gibt es sechs Militärakademien. Die hier erworbenen Abschlüsse sind bei Verlassen nicht automatisch den übrigen Universitätsabschlüssen gleichgestellt, je nach Studiengang gibt es dabei unterschiedliche Regelungen.

Scuole Superiori per la mediazione linguistica

Die staatlich anerkannten Schulen sind den Hochschulen gleichgestellt. Übersetzer, Dolmetscher und andere Sprachexperten können sich allerdings auch direkt an den Universitäten ausbilden lassen, z.B. in Trieste und Forlì.

Theologische Hochschulen und Fakultäten

Die theologischen Fakultäten sind nicht in die staatlichen Universitäten integriert. Grund dafür sind die schwierigen Beziehungen von Staat und Kirche, die erst 1929 in den Lateranverträgen und im Konkordat von 1986 geregelt wurden. Die Ausbildung von Pristern und Laien-Theologen übernehmen daher vom Staat unabhängige kirchliche Einrichtungen wie die Pontificia Università Gregoriana der Jesuiten in Rom. Mittlerweile gibt es auch Übereinkünfte, die die staatliche Anerkennung der kirchlichen Abschlüsse – bislang ein Problem – regelt.

Sonstige berufsvorbereitende Einrichtungen

Etwa im Bereich Restaurierung, so die Scuola di Restauro del Mosaico in Ravenna, die Scuola dell´ Opificio delle Pietre Dure in Florenz, das Istituto Centrale per il Restauro und die Fondazione per la Conservazione e il Restauro die Beni Librari in Rom. Außerdem gibt es die Filmhochschule Scuola Nazionale di Cinema oder das Istituto di polizia.

Höhere Berufsbildung

Die Formazione tecnica superiore soll jungen Menschen einen besseren Zugang zum Arbeitsleben ermöglichen und bereits berufstätige Weiterbilden. An dieser Ausbildung beteiligen sich verschiedene Bildungseinrichtungen: Schulen, Universitäten, Institutionen der beruflichen Bildung und zukünftige Arbeitgeber. Im Gegensatz zu vielen anderen höheren Bildungsangeboten ist diese Form kostenlos. Die Kurse dauern zwischen 1200 und 1400 Unterrichtsstunden mit praktischen und theoretischen Elementen. Planung und Organisation werden auf regionaler Ebene durchgeführt.

Das Europäische Hochschulinstitut

1976 wurde in Fiesole bei Florenz von den EU-Mitgliedsstaaten das Europäische Hochschulinstitut gegründet – keine italienische Einrichtung also. Es hat als Lehr- und Forschungsinstitut für Postgraduierte die Aufgabe, zur Entwicklung des kulturellen und wissenschaftlichen Erbes Europas beizutragen.

Es bietet ein umfassendes Doktoratsprogramm für bis zu 450 junge Wissenschaftler in Sozial-Rechts-, Wirtschafts- und Geschichtswissenschaften sowie ein Masterprogramm für Europäisches und Internationales Recht. Die Studenten erhalten dabei Stipendien ihres Heimatlandes. Daneben dient es als Forschungszentrum für fortgeschrittene Studien in den Sozial- und Geisteswissenschaften mit 50 Professoren und 30 Forschungsstipendiaten des Institutes und als Tagungsstätte für europäische Führungskräfte aus Fach- und Wirtschaftskreisen, die hier gemeinsam europäische Probleme diskutieren.

Studienjahr

Das Anno accademico beginnt meist im Oktober/November und endet im Mai. Zu Weihnachten und Ostern gibt es eine Unterbrechung von je zwei bis drei Wochen. Die meisten Institute sind im Juli und August etwa sechs Wochen geschlossen. Prüfungen werden meist im Juni/Juli und September/Oktober abgehalten, an Fakultäten, die das akademische Jahr in zwei Semester gliedern (vor allem mathematisch-naturwissenschaftlichen und medizinischen Fakultäten), auch im Januar/Februar.

Lehrveranstaltungen und Leistungsnachweise

Die übliche Form der Lehrveranstaltungen in vielen Fächern sind Vorlesungen, eine Beteiligung der Studenten durch Fragen oder Diskussionen oder gar Veranstaltungen im Seminarstil trifft man nur selten an. Stattdessen hält der Professore den Vortrag, die Studenten hören zu und schreiben mit – oder auch nicht; das ist auch gar nicht nötig, denn um die für jede Vorlesung notwendige 15-60minütige mündliche Prüfung (Esame di profitto) abzulegen, muss man vor allem die vorgegebenen Bücher mehr oder minder auswendig lernen. Andere Leistungsnachweise gibt es kaum. Anwesenheitspflicht besteht bedingt: Wer nicht regelmäßig zu den Veranstaltungen kommen kann, lernt einfach einige Bücher mehr auswendig und macht die Prüfung praktisch als Externer. Wichtig ist aber, sich frühestmöglich auf einer öffentlich zugänglichen Liste für das Examen einzutragen: Die Prüfungen finden meist nicht zu festgesetzten Uhrzeiten sondern nach der Reihenfolge der Liste statt und können, bei entsprechendem Andrang, auch mal auf den nächsten Tag verschoben werden. Um zu bestehen, müssen mindestens 18 von 30 Punkten erreicht werden. Die Prüfungen können beliebig oft wiederholt werden.

Studiengänge und Abschlüsse

Mit der Reform von 1999/2000 erhielten die Universitäten größere Autonomie auch bei der Planung neuer Studiengänge, der Modernisierung der Studienpläne oder Einrichtung spezieller Schwerpunkte im Rahmen gesetzlicher Vorgaben. Diese sehen ein in zwei Abschnitten gestuftes Studium nach anglo-amerikanischem Vorbild mit 42 Classi di laurea und, darauf aufbauend, 104 Classi di laurea specialistica vor. Innerhalb dieser Classi (Kategorien) können die Universitäten selbst spezielle Studiengänge (Corsi di laurea, bzw. Corsi di laurea specialistica) einrichten.

Die Corsi di laurea

führen in drei Jahren zu einem ersten akademischen, berufsqualifizierenden Abschluss. Das Spektrum der 42 Classi (Kategorien) umfasst sehr unterschiedliche und vielfältige Studienangebote aus den Geistes-, Sozial-, Wirtschafts-, Ingenieurs- oder Naturwissenschaften, wie den Studiengang “Communicazione di Massa” in der Classe “Scienze della Communicazione” oder den Corso “Biotechnologie Mediche” in der Classe “Biotecnologie”

Die Corsi di laurea specialistica

führt in weiteren zwei Studienjahren zu einer Spezialisierung und wissenschaftlichen Vertiefung der bisherigen Studieninhalte. Bei 104 Kategorien sind die Wahlmöglichkeiten für Universitäten und Studenten noch wesentlich größer: Während z.B. beim Laurea-Studium nur die Kategorie “Scienze Geografiche” angeboten wird, stehen hier Spezialgebiete wie “Architettura del Paesaggio”, “Geografia”, “Scienze Geofisiche”, oder “Scienze Geologiche” zur Verfügung.

Voraussetzung für die Zulassung ist ein komplett abgeschlossenes Laurea-Studium (oder ein vergleichbarer ausländischer Abschluss) in einem verwandten Studiengang. Angehende Juristen oder Lehrer müssen insgesamt ein fünfjähriges Studium, also laurea + laurea specialistica, absolvieren. Studiengänge wie Humanmedizin (mit einer Studienzeit von sechs Jahren) wurden von der Reform nicht berührt und bleiben komplett erhalten.

In beiden Studienabschnitten schließt man das Studium, wenn man die im Studienplan vorgeschriebene Zahl an Esami di profitto bestanden hat, mit der Tesi, einer selbständigen, wissenschaftlichen und schriftlichen Arbeit, die man vor einer Prüfungskommission diskutieren muss, ab. Die Gesamtnote errechnet sich aus dem Schnitt Esami und Tesi, es müssen dabei mindestens 66 Punkte erreicht werden, die höchste Note ist 110 e lode.

Für jeden Corso werden konkrete Lernziele und Qualifikationen, die die Studenten bei Abschluss des Studiums haben sollen, definiert. Dadurch sollen berufs- und praxisrelevante Fertigkeiten und Kenntnisse stärker gefördert, gleichzeitig aber auch die nationale und internationale Vergleichbarkeit der Abschlüsse ermöglicht werden.

Das früher neben der Laurea bestehende Diploma (Abschluss für Kurzzeitstudiengänge) wurde abgeschafft. Viele Universitäten arbeiten zur Zeit noch an der Ausgestaltung der Corsi – ein Blick in die Internet-Datenbanken, die ständig aktualisiert werden, lohnt also immer.

Master-Programme

Die einjährigen Proramme gibt es auf zwei Ebenen: nach der Laurea oder der Laurea specialistica. Die Master-Kurse sind häufig mit überdurchschnittlichen Studiengebühren verbunden, bieten dafür aber häufig eine stärkere internationale Ausrichtung.

Dottorato di ricerca

Es entspricht im wesentlichen der Promotion an den Universitäten in Deutschland. Das Dottorato dauert mindestens drei Jahre. Anerkennung findet es v.a. bei einem geplanten Berufseinstieg in Wissenschaft und Forschung.

Corsi di specializzazione

Hier werden mehrjährigen Kurse für die Weiterbildung zu Fachärzten (vier Jahre), aber auch in den Bereichen Architektur, Wirtschaft, Ingenieurswesen, den Naturwissenschaften, Politologie, Archäologie und Denkmalpflege werden mehrjährige Weiterbildungsprogramme angeboten.

Lehramtsstudiengänge

Diese gibt es in Italien nicht. Akademiker mit einer laurea specialistica und einem schulisch relevanten Studienfach müssen sich über sogenannte concorsi für die staatlichen Lehrämter bewerben. In einem voraussichtlich zweijährigen Referendariat erfolgt dann die Einarbeitung in den Beruf.

Corsi di perfezionamento

Zur Spezialisierung und Qualifizierung für den Berufseinstieg bieten zahlreiche Universitäten diese Corsi di perfezionamento an, die durch die Regionalverwaltung mitfinanziert werden. Die erfolgreiche Teilnahme an den Kursen (sehr unterschiedlicher Dauer) wird mit einem Diploma di perfezionamento bestätigt. Durch die stärker berufsbezogene Ausrichtung der Studiengänge sollen diese corsi zunehmend überflüssig werden.

Studenten und Studiendauer

Zwei Drittel der italienischen Jugendlichen beginnen ein Universitätsstudium, aber nur ein Drittel der Studienanfänger schließt dieses auch erfolgreich ab. Dazu kommt noch, dass Italienische Studenten sehr häufig die vorgegebene Studiendauer überschreiten und damit fuori corso (außerhalb des Studienplans) studieren – im Gegensatz zu einer Minderheit, die in der Regelstudienzeit (in corso) fertig wird.

Studienorientierung

Für beide Probleme sind die Gründe weniger in (zu) hohen Anforderungen zu suchen als in der schlechten Betreuung durch die Professoren und in falschen, schlecht vorbereiteten Studienentscheidungen. Studienberatungsstellen sucht man in Italien oft vergeblich. Seit kurzem sollen sich die licei verstärkt um die Vorbereitung der zukünftigen Studenten kümmern: Schüler, die ein Universitätsstudium aufnehmen wollen, müssen ihre Studienabsichten mitteilen und sich formell vorab einschreiben (preiscrizione). Bei dieser Übung (keine endgültige Festlegung!) werden sie durch Beratung und Information unterstützt und dazu gebracht, sich gründlich mit ihrer Fachwahl auseinander zu setzen. Die Ergebnisse der preiscrizione werden ausgewertet und sollen Schulen und Universitäten ermöglichen, die Schüler bei der Fachwahl besser zu begleiten.

Studentenleben und Studentenvertretung

Es gibt aber noch andere Gründe für die geringe Erfolgsquote: Zunächst identifizieren sich italienische Studenten kaum mit ihrer Hochschule, die sich bei den meisten in der Nähe des Heimatortes befindet – und dort ist meist auch der Lebensmittelpunkt. Häufig wird ein Studium auch begonnen, weil Alternativen – eine Berufsausbildung oder ein Job – fehlen. Auch aus finanziellen Gründen (staatliche Beihilfen, Krankenversicherung usw.) ist es für viele attraktiver, zu studieren, statt arbeitslos zu sein und nur eine geringe staatliche Hilfe zu bekommen.

Von einem Studentenleben, wie es in Deutschland bekannt ist, kann man daher in Italien kaum sprechen. Immerhin gibt es auch hier einige lokale Studentevereinigungen etwa politische oder kulturelle Gruppen und daneben die Vertreter größerer, auch internationaler Studentvereinigungen wie AIESEC. Der Consiglio nazionale degli studenti universitari (CNSU – Nationaler Studentenrat) sowie die Mitarbeit im Consiglio d’amministrazione jeder Universität bieten Studenten immerhin die Möglichkeit zu einer gewissen politischen Mitsprache: Sie können Empfehlungen zum Universitätswesen, zu Studiengängen, Studienberatung und Finanzierung geben. Im CNSU werden zudem die studentischen Vertreter im CUN benannt.

Wer mehr über das italienische Bildungssystem wissen will, findet unter eurydice.org einem Netzwerk der europäischen Union sehr gute Übersichten und Glossare der wichtigsten Begriffe, Titel und Abschlüsse in mehreren Sprachen.