Heute ist wieder Equal Pay Day, das ist der Aktionstag, an dem weltweit auf die Gehalts-Schere zwischen dem Verdienst von Männern und Frauen aufmerksam gemacht wird. Einfach nur über die Gehaltsunterschiede zu jammern, greift aber zu kurz.

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Die nackten Tatsachen

Zunächst muss man sich mal die reinen Fakten, die nackten Tatsachen sozusagen anschauen: Laut Angaben des Sozio-oekonomische Panels (SOEP) hat der Gehaltsunterschied zwischen Frauen und Männern etwas abgenommen, liegt aber nach wie vor auf hohem Niveau.

2013 erhielten in Vollzeit angestellte Frauen in Führungspositionen der Privatwirtschaft mit 22 Prozent rund ein Fünftel weniger Bruttogehalt als Männer mit solchen Tätigkeiten. Im Jahr 2012 lag die geschlechtsspezifische Verdienstlücke, der sogenannte Gender Pay Gap, bei 24 Prozent, im Jahr 2002 bei 26 Prozent.

Woher kommen die Daten?

Das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) ist eine repräsentative Wiederholungsbefragung, die bereits seit 30 Jahren läuft. Im Auftrag des DIW Berlin werden zurzeit jedes Jahr in Deutschland etwa 25.000 Befragte in fast 15.000 Haushalten von TNS Infratest Sozialforschung befragt.

Der untersuchte Personenkreis umfasst Personen zwischen 18 und 64 Jahren, die angaben, als Angestellte in der Privatwirtschaft in Funktionen mit umfassenden Führungsaufgaben (zum Beispiel Direktorin-nen/Direktoren, Geschäftsführerinnen/Geschäftsführer oder
auch Vorstände größerer Betriebe und Verbände), sonstigen Leitungsfunktionen oder
hochqualifizierten Tätigkeiten (zum Beispiel Abteilungsleiterinnen/Abteilungsleiter,
wissenschaftliche Angestellte, Ingenieurinnen/Ingenieure tätig zu sein.

Die Argumente

Auf ZEIT ONLINE erzählen heute Leserinnen, wie sie den Gender Pay Gap erleben – und berichten dabei von noch viel krasseren Gehaltsunterschieden. Die ZEIT macht dabei eine etwas andere Berechnung auf:
Nun beziehen sich die Zahlen des Statistikamtes auf die Bruttostundenlöhne aller in Vollzeit arbeitenden Männer und aller Frauen. Die 22 Prozent stellen die unbereinigte Lohnlücke dar. Die Zahl berücksichtigt nicht, dass Männer und Frauen teils unterschiedliche Berufe wählen, in denen das Lohnniveau verschieden ist. Sie berücksichtigt auch nicht, dass Frauen in den gut bezahlten Führungspositionen fehlen. Und sie berücksichtigt auch keine längeren Auszeiten.
Auf diese Weise kommt die ZEIT auf eine bereinigte Lohnlücke von 7 bis 8 Prozent.

Die Gegenargumente

Dem widerspricht das Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. Nach dessen Angaben lag der Verdienstunterschied zwischen allen in Vollzeit erwerbstätigen Frauen und Männern insgesamt bei den Bruttostundenlöhnen nach Angaben des Statistischen Bundesamts im Jahr 2013 bei 17 Prozent.

Während Männer in Führungspositionen (einschließlich Fachkräfte in hochqualifizierten Tätigkeiten) den Berechnungen zufolge im Jahr 2013 durchschnittlich rund 5.100 Euro verdienten, waren es bei Frauen durchschnittlich 4.000 Euro.

Teilzeit und Frauentypische Berufe sind nicht schuld

Diese Differenz von mehr als einem Fünftel lässt sich kaum durch kürzere Arbeitszeiten von Frauen erklären: Vollzeitbeschäftigte Frauen in Führungspositionen arbeiteten mit durchschnittlich 45,4 Stunden nur rund anderthalb Stunden oder drei Prozent weniger als vollzeitbeschäftigte Männer.

Auch die Geschlechtstypik der ausgeübten Berufe, also die Frage, ob es sich
eher um Frauen-, Misch- oder Männerberufe handelt, ist nicht die Ursache für den
Gender Pay Gap bei Führungskräften. Vielmehr spielt die Berufserfahrung für das
Einkommen von Führungskräften eine zentrale Rolle.

Mehr Transparenz Bitte!

Denn noch immer unterbrechen vor allem Frauen ihre Karriere, um Familien- und Hausarbeit zu machen und sind  viel öfter als Männer oder sind in Teilzeit beschäftigt. Dies gehe einher mit der Zuschreibung geringerer Kompetenz– und Leistungserwartungen und münde oft in sogenannter statistischer Diskriminierung von Frauen am Arbeitsmarkt und bei der Besetzung von Top-Positionen, sagt z.B. Elke Holst, DIW-Forschungsdirektorin für Gender Studies. Und sie spricht sich für mehr Transparenz aus:
“Oft sind der übliche Verdienst, Boni oder andere Prämien insbesondere
für hohe Positionen nicht bekannt, so dass betroffene Frauen kaum wissen, dass sie hinsichtlich des Verdienstes unter ihrem Potenzial bleiben.”

Zustände wie in Norwegen?

Ins gleiche Horn stößt übrigens auch die Job- und Karrierecommunity Glassdor, die den Vorstoß von Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig für mehr Gehaltstransparenz in Unternehmen ausdrücklich begrüßt. Glassdoor bietet Arbeitnehmern bereits die Möglichkeit, sich über Gehälter zu informieren und diese anonym zu teilen. Product Managerin Sonja Perry erklärt dazu:
“Für viele deutsche Arbeitnehmer ist Gehaltstransparenz ein wichtiges Thema: Eine aktuelle Glassdoor-Studie unter deutschen Arbeitnehmern hat gezeigt: 6 von 10 Befragten finden, dass Unternehmen zu mehr Transparenz hinsichtlich der Gehälter verpflichtet werden sollten. Mehr als die Hälfte der Befürworter geht davon aus, dass dies helfen könnte, die Gehaltsschere zwischen Männern und Frauen zu schließen. Jeder Zweite denkt, dass größere Transparenz das Vertrauen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern stärken würde.”
Haben wir also bald Zustände wie in Norwegen, wo jeder weiß was der andere verdient? Und ist das wünschenswert?