Homeoffice und digitale, virtuelle Arbeitsweisen sind in aller Munde, doch längst nicht für jede Organisation möglich und machbar. Eine Frage der Unternehmenskultur!

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Ein Trend, der um sich greift

Homeoffice – ein Trend, der um sich greift. Erst waren es nur große Unternehmen wie Coca Cola oder Microsoft, heute werben immer mehr Unternehmen, die im Zuge des Employer Brandings hipp und cool erscheinen wollen damit, ihren Mitarbeitern die freie Wahl bei Arbeitsort und Zeit zu lassen. Klingt gut – allerdings muss das Homeoffice auch in die Unternehmenskultur passen und das Management muss darauf ausgerichtet sein. Sonst geht der Schuss mit der großen Freiheit schnell nach hinten los – auch für die Mitarbeiter.

Zunächst ein paar Fakten: Eine Studie der Unternehmensberatung RW3 CultureWizard unter 30.000 Angestellten zeigt, dass digitales Arbeiten über Standorte und Ländergrenzen hinweg bereits zum Alltag gehört. 87% des Managements und 50% der Mitarbeiter multinationaler Konzerne verrichten ihre Arbeit zumindest teilweise virtuell. 75 Prozent der Befragten gaben an, dass es schwierig ist, Vertrauen in virtuellen Teams zu entwickeln. 79 Prozent beklagten zu wenig Zeit für den Beziehungsaufbau und 71 Prozent zu wenig Anteilnahme.

Bei 33 Prozent lebte die Hälfte der Teammitglieder nicht im eigenen Land, so dass unterschiedliche Zeitzonen die Kommunikation erschweren. Und 70 Prozent stören sich an kulturellen Unterschieden im Konfliktmanagement, zumal 41 Prozent ihre virtuellen Kollegen nie persönlich getroffen haben. Eine von von CHRIS an der Universität Bamberg zusammen mit der Stellenbörse Monster herausgegebene Studie zeigt zudem: Von 7.040 Teilnehmenden haben 43,8 Prozent der Befragten im Homeoffice weniger soziale Kontakte zu Kollegen und laufen dadurch Gefahr, von der informellen Kommunikation abgeschnitten zu werden. Und 24,3 Prozent befürchten gar verringerte Karrierechancen.

Die psychologischen Erfahrungen des Homeoffice

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Nach vielen Jahren im Homeoffice weiß ich selbst aus eigener Erfahrung, welche psychologischen Herausforderungen das Homeoffice an Mitarbeiter stellen kann: Der fehlende soziale Kontakt kann zu Vereinsamung führen. Fehlendes Feedback gerade bei den kleinen Dingen kann unsicher machen. Nicht umsonst erfreuen sich unter Freiberuflern Coworking-Spaces großer Beliebtheit, die genau das Bürogefühl simulieren und Möglichkeiten zum regelmäßigen Austausch und Networking geben.

Außerdem muss man sich im Homeoffice stärker selbst disziplinieren, um sich nicht von Familie, Nachbarn, dem Haushalt oder dem schönen Wetter ablenken zu lassen. Umgekehrt muss man sich aber auch manchmal regelrecht zu Pausen, Sport und gesunder Ernährung zwingen – Dinge, die man im Büro vielleicht automatisch mitmachen würde. Wer frei entscheiden kann, wann und wie viel er arbeitet, arbeitet in der Regel mehr und oft bis zur Selbstausbeutung.

Homeoffice aus Sicht von Unternehmen

Vor einiger Zeit habe ich Rahmen einer Veranstaltung Nadine Ziese, Personaldirektorin bei Coca-Cola Deutschland, interviewt. Ziese wurde 2012 im Alter von 31 Jahren in diese Position befördert und hat erheblich dazu beigetragen, dass das Unternehmen seinen Mitarbeitern freistellt, wo sie arbeiten wollen.

Zuvor hatten die Mitarbeiter sechs Tage im Jahr zur Verfügung, an denen sie im Homeoffice arbeiten konnten. Seit diesem Jahr können sie von der Möglichkeit Gebrauch machen, so oft sie wollen. “Wir bieten keine Telearbeitsplätze, sondern flexible Arbeitsmöglichkeiten”, sagt Ziese. In Gesprächen mit Mitarbeitern hat sie festgestellt, dass die Meinungen zum Thema Homeoffice durchaus geteilt sind: “Die einen finden die Flexibilität, die Vereinbarkeit mit der Familie toll, den anderen fehlt der Flurfunk.”

Die Mitarbeiter haben die freie Wahl

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Der Personaldirektorin ist es wichtig, dass die Mitarbeiter die freie Wahl haben und nicht zusätzlich kontrolliert werden: “Wer selbstbestimmt arbeitet, ist produktiver und motivierter. Wir wollen unsere Mitarbeiter an den Resultaten messen und nicht mehr daran, wie viele Stunden sie gearbeitet haben. Denn nur so können wir eine Kultur von Selbstbestimmung und Flexibilität prägen.”

Dazu gehört aber auch, dass die Mitarbeiter selbst die Verantwortung übernehmen: “Das Homeoffice ist kein Allheilmittel. Man muss sich dabei auch mit den Bedürfnissen seiner Kollegen auseinandersetzen. Jeder muss schauen, wann seine Präsenz erforderlich ist, aber sich gleichzeitig auch genug Pausen und Freizeit einräumen.” Ziese weiß, dass das ein schwieriger und langwieriger Lernprozess ist. Sie selbst zählt ihre Arbeitsstunden übrigens auch nicht: “Mir ist wichtig, dass ich am Ende der Woche meine Aufgaben erledigt habe, aber auch dass ich Sonntag abends sagen kann, dass ich eine erfüllte Zeit mit der Familie verbracht habe.”

Eigenverantwortung mit Beigeschmack

Für mich hat es allerdings immer einen schalen Beigeschmack, wenn Manager Eigenverantwortung bei ihren Mitarbeitern voraussetzen und diesen scheinbar freie Wahl bei Arbeitszeit und Arbeitsort lassen. Hört man nämlich genauer hin fallen Sätze wie: “Natürlich muss jeder selbst wissen, wie oft er fehlen kann, wenn Führungsaufgaben oder Teamentscheidungen anstehen”, die Mitarbeiter auch schnell unter Druck setzen. Tatsächlich bin ich der Ansicht, dass das Management sehr viel zum gelingen des Home-Office-Experiments beitragen kann.

Dabei wurde genau dieser Aspekt in vielen Diskussionen bislang kaum berücksichtigt: Die Frage, welche Vorteile und Erfahrungswerte Unternehmen mit Home-Office-Regelungen gemacht haben, und ob die Mitarbeiter dadurch tatsächlich produktiver arbeiten. Und ob sich das am Ende auch in Zahlen und Gewinnen niederschlägt – einmal ganz unabhängig von der Frage, dass Unternehmen nämlich durch das Homeoffice reine Bürofläche einsparen könnten.

Die nackten Zahlen

Nun hat man bei Coca-Cola vermutlich gute Gründe für solche Maßnahmen – zum Beispiel den, dass zukünftige Mitarbeiter jüngerer Generationen Wert auf flexible Arbeitszeiten legen und das Unternehmen für diese High Potentials attraktiv bleiben möchte. Was mir bei allem Engagement jedoch fehlt, sind belegbare Fakten und Zahlen, die eine Aussage darüber zuließen, ob und wie sich flexible Arbeitszeiten tatsächlich auf die Produktivität der Mitarbeiter und damit auf den Unternehmensgewinn auszahlen. Vermutlich lässt sich das in der kurzen Zeit noch nicht sagen – und darüber hinaus: Wie wollte man das in Relation setzen?

Allerdings sei an dieser Stelle auf die bereits 2005 erschienene Analyse der Prognos AG verwiesen: Sie errechnet aus den Controlling-Zahlen von Unternehmen eine Investitionsrendite familienfreundlicher Personalmaßnahmen von 25 Prozent. Die Einsparpotenziale der beteiligten mittelgroßen Unternehmen beliefen sich auf jeweils mehrere 100.000 €.

Warum tun sich Unternehmen schwer mit neuen Arbeitszeitmodellen

Daran zeigt sich: Es ist für viele Unternehmen von Vorteil, wenn sie ihren Mitarbeitern Flexibilität und Wahlfreiheit – gerade auch im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie – gestatten. Die Mitarbeiter werden es ihnen mit erhöhter Motivation und Produktivität danken. In vielen Unternehmen herrschen allerdings althergebrachte Strukturen: Der Chef möchte sehen und kontrollieren, dass seine Mitarbeiter auch etwas tun.

Meine Recherchen haben gezeigt, dass gerade Mittelständler sich schwer tun mit neuen Arbeitszeitmodellen: Zwar wird auch hier verstärkt flexibles Arbeiten nachgefragt, etwa wenn Kinder da sind. Die Firmen bieten dann auch familienfreundlichere Arbeitszeiten an, bei denen die Mitarbeiter aber drei Tage in der Woche im Büro sein müssen, man eröffnet lieber einen Betriebskindergarten oder ähnliches. Das zeigt, dass der Weg zur komplett freien Arbeitszeiteinteilung offenbar nur über kleine Schritte erfolgen kann. Eine Frage der Unternehmenskultur die nach dem Motto “Das haben wir immer so gemacht” nur langsam aufbrechen wird.

Vermehrter Organisationsaufwand

Ein anderes Problem ist unbestreitbar der verstärkte Organisationsaufwand: Wie soll man Kollegen X erreichen, wenn der lieber nachts arbeitet oder in einer anderen Zeitzone? Ich erlebe selbst immer wieder, dass Mitarbeiter mal gerne schnell zum Telefon greifen wollen. Hier sind Umdenken und neue technische Tools gefragt: Weg vom dialogischen, den auch die eMail beinhaltet hin zur kollektiven virtuellen Arbeit.

Kollegen können statt über ein Projekt zu sprechen, dieses gleich gemeinsam Dokumente erarbeiten, etwa via Etherpads oder Projektmanagement-Tools wie Slack. Jeder weiß dabei, was der andere beigetragen hat. Und es spart Zeit, weil man nicht auf die Bearbeitung anderer warten muss oder nicht genau weiß, welche Version eines Dokuments jetzt die neueste ist. Auch Chat-Foren, Wikis und digitale Boards helfen allen Team-Mitgliedern dabei, sich immer und überall über den Projekt-Status und die Ergebnisse zu informieren.

Vernetzt mit dem iPad

Bei der amerikanischen Foto-Agentur Shutterstock beispielsweise arbeiten meist kleine Teams über große Entfernungen und in verschiedenen Zeitzonen gemeinsam an Projekten. Zum Einsatz kommen dabei eMail, Skype und Google-Hangout sowie cloudbasierte Collaboration-Tools wie Google Drive. Doch es wird auch die normale Büro-Situation samt Flurfunk simuliert, viele Produktentwickler arbeiten an unterschiedlichen Standorten reden während der Arbeit ständig über iPads miteinander.

Das zeigt, dass die besondere Herausforderung darin besteht, ein Team trotz räumlicher Trennung virtuell zusammenzuschweißen und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu ermöglichen. Eine Aufgabe, mit der sich im Zuge zunehmender globaler Vernetzung immer mehr Unternehmen beschäftigen müssen.

Teams virtuell zusammenhalten

Denn wenn es darum geht, Teams virtuell zusammenzuhalten, muss auch die informelle Kommunikation, der Flurfunk, berücksichtigt werden. Klingt schwierig, weil digitale Kommunikation in der Regel zweckgebunden ist und wenig Raum für zufällige Begegnungen lässt.

Doch auch hier kann Abhilfe geschaffen werden, etwa durch die virtuelle Kaffeebar oder den virtuellen Lunch, regelmäßige virtuelle Treffen und auch persönliche Meetings, bei denen das ganze Team zusammenkommt. Wenn solche neue Arbeitsformen noch nicht in der Unternehmenskultur angekommen sind und man das Homeoffice nur mal so aufpfropft, weil es ja alle so machen, sehe ich tatsächlich schwarz für dieses Experiment.


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