Wir laden Sie zu einem spektakulären Experiment ein. Bitte tun Sie das aber nur, wenn Sie wirklich die pure Realität ertragen können und stark – ganz stark sind: Wenn Sie morgen mit der Bahn oder im Bus zur Arbeit fahren – heben Sie Ihren Blick von Ihrem Smartphone und schauen Sie mal die anderen Menschen um Sie herum an. Ja! Da sind Menschen. Und achten Sie einmal darauf, ob diese wirklich glücklich aussehen. Machen Sie das Experiment an einem Montag – und Sie werden kaum lächelnde Menschen sehen. “Die Rückkehr der Montags-Zombies” könnte hier eine geeignete Überschrift sein. Sie meine ich natürlich nicht – aber alle anderen im Bus…

Karriere-Kollaps

Dienst ist Dienst…

Ist ja auch normal. Schließlich fahren diese Leute zur Arbeit – und Arbeit ist halt – Arbeit. Schließlich haben wir schon von Kind auf gelernt: “Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps”. Diese alte Volksweisheit will aussagen, dass man beide Seiten – Beruf und Freizeit – klar zu trennen hat.

Das war früher vielleicht eher möglich, ist heute für die meisten aber eine reine Utopie. Man ist oft abends bis zum Einschlafen erreichbar und am Morgen gilt der erste Blick nicht der smarten Person auf der anderen Bettseite, sondern dem smarten Phone auf dem Nachttisch. Zudem haben wir alle nur ein Gehirn und nehmen dieses von der Arbeit mit nach Hause – und somit auch die Sorgen und Pendenzen der Arbeit.

Endlich etwas “Sinnvolles” tun

In meiner Rolle als Coach treffe ich auf viele Menschen um die 40, die zu mir kommen und sagen, dass sie im Beruf eigentlich viel erreicht haben – aber nun etwas “Sinnvolles” tun wollen. Ich frage dann oft, warum man arbeite. Die Meisten antworten entrüstet oder verunsichert, weil man ja schließlich Geld verdienen müsse… Klar. Müssen wir alle.

Aber das Geld ist eigentlich erst die Folge davon. Warum lernen wir nirgends, dass das, was man jeden Tag acht bis zwölf Stunden tut, auch Spaß machen könnte? Ja, ich weiß. Diese Aussage ist “gefährlich”, weil jetzt viele sofort sagen würden, dass das nicht so leicht ist und das Leben schließlich kein Ponyhof sei – sondern eher eine arbeitsintensive Schweinefarm.

Schon lange abgefunden

Und trotzdem frage ich Sie: Wenn Sie völlig frei wählen könnten: Was würden Sie jeden Tag gerne arbeiten? Viele, sehr viele Menschen haben darauf keine Antwort parat. Aber nicht weil die Frage unmöglich zu beantworten ist, sondern eher weil man noch nie sehr lange über diese wichtige Frage (wahrscheinlich eine der wichtigsten Fragen überhaupt) nachgedacht hat.

Wir haben uns nie Zeit dafür genommen. Haben uns abgefunden, mit dem Zustand, wie er halt ist. Dabei zwingt uns meist niemand unter Waffengewalt jeden Tag genau diese Arbeit zu machen – wahrscheinlich würden wir uns dann sogar eher wehren.

Warum arbeiten Sie?

Was es braucht, um auf dieses wichtige Geheimnis zu stoßen? Zeit, ein Block Papier, einen Stift und einen Tee (Wein geht alternativ auch). Weitere Fragen für diese Session wären noch:

Ich weiß, dies klingt sehr banal. Und vielleicht weil es so banal klingt, nehmen sich die wenigsten Menschen Zeit dafür…

Dienst nach Vorschrift

Wir lernen in unserer Erziehung, dass wir etwas tun müssen, um etwas zu bekommen. Geld, Ruhm, Anerkennung. Das ist nicht schlecht – weil das alles schöne Dinge sind. Aber wir hinterfragen selten, aus welchem Grund wir tun, was wir tun. Und genau das wirkt sich über die Jahre aus.

Wir gehen immer weniger gern arbeiten, setzen uns immer weniger ein – resignieren und enden beim DNV (Dienst nach Vorschrift). Viele bleiben dabei – aber auch immer mehr Leute machen sich auf die Suche… nach dem Sinn – und definieren ihre Karriere für sich völlig neu. Mit neuen Prioritäten. Sinnbasiert.

Beliebte Leitbilder

Gehen wir zurück in die Unternehmen. Da hängen oft schön gerahmte Leitbilder in den Gängen – vornehmlich im Eingangsbereich, da es dort die meisten Kunden auch wirklich wahrnehmen. Und oft, sehr oft liest man absolut austauschbare Sätze wie: “Die Mitarbeiter stehen bei uns im Mittelpunkt”, “Wir sind kundenorientiert” oder “wir sind innovativ und traditionsbewusst und stehen für Qualität”. Schön.

Frage ich jeweils 10 Mitarbeiter, welche Werte in “ihrem” Leitbild stehen, erkennt man leider sehr oft, dass es eher Leidbilder sind – weil die Mitarbeiter keinen blassen Dunst haben, was auf diesem gerahmten Hochglanzpapier steht. In den wenigsten Leitbildern steht geschrieben, was der Sinn des Unternehmens ist. Auch hier meine ich nicht, Geld zu verdienen – das ist, wie schon gesagt, nur die Folge davon. Wenn man den Sinn kommunizieren kann – an Mitarbeiter und Kunden, ist das der Idealfall. Ein “Idealfall”, der in naher Zukunft zum “Normalfall” werden muss.