Als Barak Obama im Wahlkampf war, hat er auf seiner Seite einen Imagefilm veröffentlicht, der mit “The road we’ve traveled” betitelt ist. Tom Hanks spricht. Obama kaum. Denn es geht darum, Menschen zu berühren.

Die Botschaft: Kraftvoll und Energisch

Denn der Gewinner der Präsidentschaftswahl wird nicht, wer mehr Argumente hat. Der Gewinner wird, wer mehr Menschen berührt. Emotionen machen Präsidenten, wie Emotionen auch in anderen Situationen ausschlaggebend sind. Schafft es der Film, die richtigen Emotionen zu erzeugen?

Die Dramaturgie des Filmes ist klassisch. Mit der Frage “What do we remember?” wird der Zuschauer in eine Jubel-Szene aus dem 2008er Wahlkampf transportiert. Doch gleich danach wird Obama nach dem Sieg mit der harten Realität konfrontiert.

Emotionen erzeugen

So auch im Film. Die Börse, die Banken, die Immobilien! Gezeigt werden Filmausschnitte, Fotos, Statements von Zeitzeugen und Bilder von Obama. Der wird abwechselnd in zwei Posen gezeigt: nachdenklich und kraftvoll. Die Botschaft: Obama handelt wohl überlegt und dann energisch!

Exakt nach dem ersten Viertel des Films folgt der erste Plot Point (Wendepunkt). Das ist klassisch für Spielfilme. In diesem Fall wird eine Grafik gezeigt, in der die Beschäftigungszahlen in den letzten Monaten der Bush-Ära drastisch nach unten gehen. Die Farbe der Balken ist Rot, wie die der Republicans.

Die Heldenreise: Obama, der Einzelkämpfer

Nun beginnt das für eine spannende Dramaturgie wichtige und übliche Auf und Ab des Helden. Nachdem Obama Massnahmen zur Beschäftigung (beispielsweise Brückenbau) erfolgreich gestartet hat, folgt die nächste Krise: Die Autobauer bitten um Geld. Dramatisch gehen in einer Fabrikhalle die Lichter aus. Die Lage ist ernst. Sogar Ex-Präsident Bill Clinton kommt zu Wort.

Weil alle anderen nichts tun oder nichts tun wollen, ist es Obama, der heldenhafte Einzelkämpfer, der die Autoindustrie rettet. Dazu ein Redeausschnitt und ein Bild vom jungen Obama zwischen seinen Großeltern, die ihm beigebracht haben, wie wichtig es ist, einen Job zu haben. Obama rettet die Automobilindustrie. Doch schon steht das nächste Problem an: das Gesundheitssystem.

Wendepunkt in der Mitte des Films

Seit Nixon ein Thema – und wieder kommt Clinton zu Wort. Mit einer Grafik werden die explodierenden Kosten gezeigt, gleichwohl hat diese Grafik nicht die Bedeutung der Beschäftigungs-Grafik. Interessant ist, dass sie – wie in der klassischen Dramaturgie – exakt am Mittelpunkt des Films gezeigt wird.

Dazu wird ein Foto Obamas Mutter gezeigt, die an Brustkrebs starb und die mit einem besser finanziertem Gesundheitssystem länger hätte leben können. Erstmals kommt Obama selbst kurz zu Wort. Und auch seine Frau Michelle.

Der zweite Plot Point

Danach geht es um Außenpolitik: Irak Soldaten konnten nach Hause gebracht werden. Ebenso wird Bin Ladens Tod auf der Haben-Seite aufgelistet. Obama bezieht Stellung zu seinen Gefühlen in dieser Situation und Bill Clinton kommentiert unterstützend. Und wie als Beweis für die Richtigkeit der Tötung wird ein Bild von Obama am Ground Zero-Denkmal gezeigt.

Und wieder wie zufällig, aber für erfahrene Präsentations-Augen ganz klar erkennbar: nach Dreiviertel des Filmes der zweite Plot Point. In den letzten vier Minuten geht es um die direkten Vorteile für die Bürger und damit Wähler. Jetzt wird aufgezählt, was der einzelne von Obamas Leistungen hat.

Am Ende: Obamas Leistung statt Krisen

Es geht nach oben. Keine Krisen mehr. Lösungen. Die Bilder dazu: Erst betroffene Menschen, dann große Persönlichkeiten wie der Dalai Lama, Präsidenten etc. und dann Obama zujubelnde Menschen.

Kurz vor dem Schlusssatz der Höhepunkt. Auch das ist klassisch. Die Beschäftigungsgrafik vom ersten Wendepunkt wird nun mit blauen Balken (die Farbe der Democrats) weiter geführt. Dabei geht sie kontinuierlich nach oben und beweist so ein letztes Mal, was Obama geleistet hat.

Sogar die Autoindustrie stellt nach nicht einmal zwei Jahren wieder ein und investiert rundum. Hier sprechen Nachrichten-Bilder. Ein wahrer Höhepunkt! Während Obama nun von Arbeitern, Kindern und Wählern bejubelt wird, folgt ein starker Schlusssatz und danach das Logo von Obama und Biden, seinem Vize.

Auch die Worte überzeugen – und erzeugen Emotionen

Bei der Wortwahl fällt deutlich auf, was die zentrale Aussage des Films ist. Obama trifft Entscheidungen. Und zwar die richtigen. Vor allem dann, wenn andere nicht wissen, was zu tun. Oder womöglich das falsche tun würden. Obama dagegen trifft richtige Entscheidungen, das gibt das Gefühl von Sicherheit.

Schon im ersten Teil geht es darum: “Not since the days of Franklin Roosevelt has so much fallen on the shoulders of one president.” Mit dieser bedeutsam betonten Aussage wird das Thema dramatisiert. Dabei wird Obama in schwarzweissen Bilder gezeigt, nachdenklich und staatsmännisch. Die Musik ist entsprechend tragend.

Alles dreht sich um Entscheidungen!

Es wird nicht nur von Entscheidungen gesprochen, sondern vor allem auch davon, dass am Anfang die erste Entscheidung war, welche Entscheidung zuerst getroffen werden muss, womit man überhaupt starten musste. Durch dieses Spiel, unterstrichen von Statements von Zeitzeugen, wird das Wort “Decisions” sehr häufig genannt.

Der Schlusssatz dreht sich folgerichtig auch um Entscheidungen. Um Entscheidungen die nicht für den Wahlkampf gemacht wurden. Entscheidungen, die auch in Zukunft getroffen werden müssen. Von Barack Obama:

“Time and time again we would see rewards from top decisions he had made. Not for quick political game, but for long term and enduring change. So when we remember this moment, and consider this president, then and now, but remember how far we’ve come, and look forward to the work still to be done.”

Fazit: Emotionaler Film mit Längen

Es ist faszinierend zu analysieren, wie die Erkenntnisse und Methoden des Altmeisters der Spannung, Alfred Hitchcock, die ich in meinem gleichnamigen Präsentations-Buch beschrieben habe, nicht nur für Präsentationen, sondern auch bei dieser Art von politischen Imagefilmen eingesetzt werden können und wirken.

Die im Spannungsbogen sorgfältig eingeplanten Emotionen kommen im Video deutlich rüber. Allerdings ist der Film trotz aller Dramaturgie und Emotion sehr langsam. Das unterstreicht zwar die Nachdenklichkeit und nimmt ihm das vordergründig werbliche des Wahlkampfs.

Gelungener Film mit Längen

Doch birgt es ganz deutlich die Gefahr, dass ein großer Teil der Menschen vorzeitig abschaltet. Zumal der Film nicht zuletzt im Internet geschaut werden soll. Dann nutzt die ganze Hollywood-Qualität nichts mehr.

Endfazit aus der Sicht eines Präsentationsexperten: Vom Aufbau her und aufgrund der perfekt durchdachten Dramaturgie sehr gelungen, könnte aber an manchen Stellen noch straffer und knapper sein, um wirklich alle Zuseher bis zum Ende des Films bei der Stange zu halten.

Ein Film, der Obamas Strategie aufzeigt

Es wird nicht der einzige Film bleiben. Da die Republicaner ihren Kandidaten noch nicht endgültig nominiert haben, wird auch nicht ein Wort gegen einen Gegner gesagt. So wird es sicher noch weitere Filme geben, die Obama und Romney unterstützen oder zu demontieren versuchen.

Der Film “The road we’ve traveled” ist deshalb so bedeutend, weil er den Wahlkampf Obamas eröffnet und seine Strategie aufzeigt. Nach “Yes we can!” ist Obama nun der Mann der Entscheidungen.