Wie viel Selbstvermarktung ist heute notwendig, um erfolgreich zu sein – das Fragen sich viele Menschen, denen allzu penetrante Werbung unangebracht erscheint. Doch wie findet man das richtige Maß?

Selbstvermarktung & Selbstdarstellung: Der schöne Schein im Business

Mehr Schein als Sein?

Keine Frage: In unserer Gesellschaft regiert die Perfektion. Man braucht nur den Fernseher einzuschalten oder Zeitschriften aufzuschlagen, schon springen uns scheinbar perfekt aussehende, gesunde und vor allem stets unsagbar gut gelaunte, glückliche Menschen entgegen. Es gibt Unmengen von Ratgeberliteratur, die Ihnen zeigen will, wie Sie genauso werden, wie Sie vollkommen zufrieden und glücklich leben können, den perfekten Traumjob finden oder völlig nebenwirkungsfrei Karriere machen und dabei auch noch mit links reich werden können.

Doch das Problem, mehr zu scheinen als zu sein, betrifft nicht nur unsere persönlichen Befindlichkeiten. In unserem Berufsalltag ist Perfektion allgegenwärtig. Arbeitnehmer sollen perfekt in das Unternehmen passen und ihre Arbeit möglichst fehlerlos erledigen. Es zählen vor allem Stärke und Kompetenz, die durch vorgebliche Fehlerlosigkeit und den perfekten Auftritt suggeriert werden. Jeder spielt seine Rolle so gut wie möglich. Der schöne Schein zählt oft mehr als die tatsächlichen Inhalte. Dass wahre Kompetenz darin besteht, auch Fehler und Nicht-Wissen zuzugeben zu können, um daraus zu lernen, wird dabei gern übersehen.

Perfektion erreichen?

Natürlich wollen wir den perfekten “Vorbildern” nacheifern, denn die zur Schau getragene Perfektion schüchtert uns auch ein. Daher legen wir die Messlatte für uns selbst immer höher, strengen uns an und geben unser Letztes. Um vermeintliche Perfektion zu erreichen, nehmen wir häufig große Nachteile in Kauf – selbst wenn wir eigentlich wissen müssten, dass die Ideale in der Realität kaum zu erreichen sind.

Dass gerade im Job extrem hohe Erwartungen an uns gestellt werden und dass wir stets angestrengt bemüht sind, diese auch zu erfüllen, hängt vor allem mit dem hohen Stellenwert zusammen, den Arbeit in unserer Gesellschaft hat. Wer einmal darüber nachdenkt, dem wird auffallen, dass es in Deutschland Witze über alle möglichen Dinge gibt – jedoch nicht über Arbeitslose. Denn über den Jobverlust Witze zu machen, wäre geradezu pietätlos. Nach Umfragen empfinden viele Menschen den Verlust des Arbeitsplatzes als fast so großen Schicksalsschlag wie den Tod eines nahen Verwandten.

Job, das Mittel der Selbstdarstellung

Viele Menschen definieren ihre persönliche Identität und ihre gesellschaftliche Zugehörigkeit über den Job und fühlen sich daher geradezu verpflichtet, erfolgreich zu sein. Kein Wunder, dass wir stets versuchen, ihn perfekt zu machen!

Die Bedeutung der Arbeit in unserer Gesellschaft lässt sich nicht nur damit erklären, dass sie finanziell notwendig ist. Heutzutage bietet die Arbeit mehr als “nur” das monatliche Auskommen: Sie ist die Eintrittskarte in die Gesellschaft. Der ordentliche Beruf und das damit verbundene Einkommen heben das Selbstwertgefühl und schaffen Anerkennung, der reguläre Broterwerb steht für Ansehen und Beständigkeit, die lückenlose Laufbahn markiert den Erfolg. Der Arbeitsplatz gilt als Ort der Selbstverwirklichung. Wer nicht in dieses Denkmuster passt, fällt aus dem Rahmen. “Und was machst du?” – diese Frage ist gewissermaßen symptomatisch. Bei neuen Geschäftskontakten gilt das, aber auch ins Privatleben dringt der Job unweigerlich immer weiter ein. Keine neue Bekanntschaft, keine Party ohne diese obligatorische Frage. Am Job wird man gemessen und gewogen. Ein anerkennendes Nicken, wenn der Job interessant ist oder viel Geld einbringt, abschätzige Blicke gibt es hingegen für schlecht bezahlte, langweilige Tätigkeiten.

Arbeit als Paradoxon

Für einige ist Arbeit nicht mehr nur eine Pflicht oder ein Mittel, um Geld zu verdienen und einen gesellschaftlichen Status zu erreichen. Nein, Arbeit soll zudem noch der Selbstverwirklichung dienen und Spaß machen. Dieses Credo vertreten viele Kleinunternehmer, die nach dieser Devise den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt haben. Paradox ist allerdings, dass sie dem finanziellen Druck, unter dem sie sich nun wiederfinden, mit verbissenem Perfektionismus begegnen und sich damit genau den Spaß an ihrer Arbeit ruinieren. Gleichzeitig nimmt die Situation auf dem Arbeitsmarkt anderen den Mut zu genau dieser Art der Selbstverwirklichung, weil sie perfektionistisch damit beschäftigt sind, ihren Arbeitsplatz zu sichern.

Dass diese Verbindung von Identitätsbildung und Erwerbsarbeit, die heute völlig normal erscheint, keinesfalls naturgegeben, sondern eine ziemlich neue Erscheinung ist, zeigt ein Blick in die Geschichte. Die griechisch-römische Antike setzt die Muße mit Freiheit und gesellschaftlicher Teilhabe gleich, während Arbeit allenfalls aus existenzieller Notwendigkeit verrichtet wurde. Ihr haftete daher das Stigma von Zwanghaftigkeit und Unfreiheit an und vor allem harte körperliche Arbeit war Aufgabe der Sklaven. Wen wundert es da, dass die Bedeutung des Wortes Arbeit in fast allen westeuropäischen Sprachen negativ ist und im Ursprung mit Pein, Qual, Mühe oder Leid gleichgesetzt wird. In der jüdischen und vor allem frühchristlichen Tradition wurde Arbeit differenzierter gesehen. Sie galt als gottgewollte Pflicht zur Selbstversorgung und der Unterstützung anderer. Mehr aber auch nicht – Arbeit war kein Wert an sich, mit dem sich die Menschen identifizierten, vielmehr sollten sich die Menschen auf ihre religiösen Pflichten und das Gemeinwohl besinnen. Dazu war in Anlehnung an die Schöpfungsgeschichte ein Ruhetag vorgesehen und nicht umsonst stellte Benedikt von Nursia in seinem Grundsatz “Ora et labora” das Gebet noch vor die Arbeit. Etwas anderes als Ruhetage einzuplanen, blieb den Menschen des Mittelalters wohl auch gar nicht übrig, denn der Lebensrhythmus in der von Landwirtschaft geprägten vorindustriellen Zeit wurde ganz vom Klima bestimmt.

Paradigmenwechsel

Seit dem Spätmittelalter strömten immer mehr mittellose Menschen vom Land in die Städte, die durch den Handel extrem an Bedeutung gewonnen hatten. Die Städte mussten, wollten sie unter dem Zustrom nicht wirtschaftlich zusammenbrechen, die Massen zur Arbeit zwingen und brauchten eine neue Ideologie. Martin Luther machte aus der bislang wertneutralen Arbeit eine von Gott auferlegte heilige Pflicht, einen Beruf, und erklärte den Müßiggang zur Sünde.

Aber auch Luther lehnte, ganz den mittelalterlichen Traditionen verhaftet, Arbeit zum eigenen Nutzen und zur persönlichen Bereicherung ab. Erst für die Puritaner wurde es im 17. und 18. Jahrhundert zu einer heiligen Pflicht, ihrer Berufung zu folgen und zu leben, um zu arbeiten und materieller Erfolg durch harte Arbeit galt als Gnadenbeweis Gottes. Auch wenn es bei den asketischen Puritanern verpönt war, den Wohlstand öffentlich zur Schau zu stellen, konnten sie mit dieser Einstellung nun ohne schlechtes Gewissen reich werden. Damit war dem Kapitalismus der Weg bereitet.

Sage mir, was Du arbeitest und ich sage dir, wer Du bist

Wirklich neu bewertet wurde Arbeit mit der bürgerlichen Revolution: Statt sich, wie bislang der Adel, durch seine Geburt zu legitimieren, gab Leistungsbereitschaft jedem die Chance, durch Arbeit und Leistung sein Leben zu verbessern. Vor allem das aufstrebende Bürgertum machte sich daran, dies so perfektionistisch wie möglich umzusetzen und dabei stets den Anschein von Geschäftigkeit und Effizienz zu wahren.

Möglich wurden diese Veränderungen aber erst durch die grundlegenden wirtschaftlichen Umwälzungen jener Zeit: die Industrialisierung. Der rasante Bevölkerungsanstieg führte zu einer verstärkten Nachfrage an Gütern, die bedient werden wollte. Neben dem technischen Fortschritt wurde dazu die optimale Ausnutzung der menschlichen Arbeitskraft durch Zentralisierung der Arbeit in Fabriken und die systematische Aufteilung routinemäßiger Arbeitsabläufe, die Arbeitsteilung, notwendig. Die dafür erforderliche strenge Organisation und die Abhängigkeit von starren Arbeitszeiten wurden erst ermöglicht durch die Erfindung der Uhr und des elektrischen Lichtes, was erlaubte, auch ohne Tageslicht zu arbeiten. Überhaupt diente Arbeit immer auch als Druckmittel gegenüber denjenigen, die sie zur Existenzsicherung brauchten und war damit das Disziplinierungsinstrument der Privilegierten gegenüber den Arbeitern. Das war genauso im Kommunismus, wo das Proletariat in “Produktionsschlachten” geschickt wurde und “Helden der Arbeit” verehren musste. Der Kapitalismus heute hingegen lockt mit Konsum und verspricht dem Menschen die materielle Erfüllung seiner Bedürfnisse, für die er allerdings arbeiten muss.

Die perfekte Manipulation

Leistungsbereitschaft dient also sowohl als Druckmittel, um Existenz und Ansehen zu sichern, also auch zur Manipulation, weil suggeriert wird, dass mehr Leistung über die Erfüllung der eigenen Bedürfnisse auch mehr Glück bedeutet.

Unternehmen wollen ihre Mitarbeiter also zur Leistung antreiben. Unternehmen erwarten auch Perfektion. Doch warum eigentlich? Die Antwort ist simpel: Was Perfektion verspricht, wirkt attraktiver und verkauft sich besser – und zwar in allen Bereichen. Wer “fehlerfrei” ist, wirkt kompetenter, als jemand der zugibt, etwas nicht zu wissen. Und wer verspricht, ein Problem schnell und ohne große Nebenwirkungen zu lösen, bekommt Beifall. Das ist in Unternehmen nicht anders als in der Politik. Simple Wahrheiten und Klischees passen eben besser in bereits vorhandene Denkmuster und was eingängiger ist, wird vom Gehirn schneller verarbeitet; das wissen auch die Unternehmen, die ihren Kunden etwas verkaufen wollen und machen sich diesen Mechanismus zunutze.

Der perfekte Mitarbeiter

Wie sehr es in Firmen darum geht, vor allem den Anschein von Unfehlbarkeit und Produktivität zu wahren, entlarvt Bestsellerautorin Corinne Maier in “Die Entdeckung der Faulheit”: Die Sprache in Unternehmen strotzt häufig nur so vor hohlen Floskeln, nebulösen Abkürzungen und nichtssagenden Fremdwörtern, die ihr eine pseudowissenschaftliche Aura verleihen. Einfache Dinge werden möglichst kompliziert ausgedrückt, um auch banalste Dinge bedeutend erscheinen zu lasen. Der aufgesetzte Business-Jargon dient vor allem dazu, um jeden Preis zu beeindrucken, während hinter der Fassade häufig ein innovationsfeindliches Klima herrscht, in dem häufig nur diejenigen überleben, die sich unauffällig verhalten. Genau das ist auch der Rat, den Maier ihren Lesern mitgibt: sich dem schönen Schein so gut wie möglich anzupassen, um zumindest nach außen als perfekter Mitarbeiter zu agieren.

Auch wenn Maiers Betrachtungsweise sicherlich überspitzt und zynisch ist: Perfektionisten haben häufig genau mit dieser Anpassung Probleme. Denn sie neigen dazu, mit ihren hohen Ansprüchen anderen einen Spiegel vorzuhalten und machen sich deshalb schnell unbeliebt. Außerdem stechen strebsame Menschen schon wegen ihres Ehrgeizes aus der Menge heraus. Weil sie häufig extrem wahrheitsliebend sind, legen idealistische Perfektionisten, statt sich gut zu verkaufen, gern den Finger auf brennende Wunden, auch wenn es manchmal viel bequemer wäre, das Spiel um den schönen Schein einfach mitzuspielen. Auch wenn dieses Verhalten unter moralischen Gesichtspunkten sogar löblich sein mag: Sie helfen damit weder sich, noch befördern sie ihre Karriere, denn typisch perfektionistische Charakterzüge sind alles andere als Karriere fördernd.

Weniger Perfektionismus, mehr Selbstdarstellung

Denn auch wenn es tendenziell richtig ist, so wenig Fehler wie möglich zu machen und auch wenn Chefs hohe Leistungsbereitschaft tendenziell schätzen – in der Regel übertragen sie die guten Positionen vor allem jenen Mitarbeitern, die ihnen positiv auffallen. Untersuchungen zeigen, dass es bei Karrieresprüngen überhaupt nur zu zehn Prozent auf die Leistung ankommt. 30 Prozent hängen vom Image ab. Und ganze 60 Prozent macht es aus, wie man im Unternehmen wahrgenommen wird.

Es kommt also darauf an, wie man im Unternehmen wahrgenommen wird. Doch wie wichtig Selbstdarstellung ist, erkennen Perfektionisten häufig erst, wenn Kollegen auf der Karriereleiter an ihnen vorbeiziehen und sie selbst beruflich ins Hintertreffen geraten; denn während andere kein Blatt vor den Mund nehmen, wenn es darum geht, ihre guten Leistungen in Szene zu setzen, schweigen viele Perfektionisten brav, weil ihnen diese Form der Selbstdarstellung unangebracht erscheint. Stattdessen arbeiten sie stets am Leistungslimit und hoffen, dass die anderen von selbst ihren Einsatz und ihr Talent bemerken. Insgeheim aber träumen sie im Stillen davon, etwas wirklich Großes zu vollbringen, das alle anderen überrascht und in den Schatten stellt. Doch es passiert selten, dass der erhöhte Einsatz auch wahrgenommen wird, denn die Leistung gilt für die meisten Chefs als Selbstverständlichkeit. Zudem sind die meisten Vorgesetzten viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als die Arbeit ihrer perfektionistischen Mitarbeiter, die sie für selbstverständlich halten, zu würdigen.

Selbstbewusstsein statt Prahlerei

Perfektionisten müssen nicht zum Prallhans werden, damit ihre Arbeit endlich gewürdigt wird. Show und Angeberei sind ihnen fremd. Aber es ist hilfreich, von sich selbst überzeugt zu sein, statt sich ständig selbst zu kritisieren. Denn dann lassen sich gute Leistungen auch nach außen besser verkaufen und man kann in schwierigen Situationen auch gelassen reagieren.

Niemand erreicht nur dadurch, dass er mit seinen Leistungen prahlt und gleichzeitig noch Kritik an den Kollegen oder Vorgesetzten übt, dass er positiv wahrgenommen wird. Vielmehr geht es darum, sich unentbehrlich zu machen – denn kein Unternehmen entlässt Mitarbeiter, die zuverlässig stets zur Stelle sind, wenn Not am Mann ist. Damit sind nicht etwa diejenigen gemeint, die ständig Überstunden machen. Sondern geht es darum, das Unternehmen und den Chef bei seinen Zielen zu unterstützen, indem man sich in seine Lage versetzt und dessen Wünsche bereits vorausahnt. Es geht darum, über die Abläufe im Unternehmen stets informiert zu sein, um bei Bedarf richtig agieren zu können. Und es geht darum, die eigenen Kompetenzen dahingehend zu erweitern, dass sie für das Unternehmen nützlich sind. Denn wer so handelt, macht seinem Chef das Leben leichter und kann dadurch den Status eines unersetzbaren Problemlösers erreichen.

Eine optimistische Grundhaltung ist wichtig

Um als Problemlöser zu agieren, ist es wichtig, Dinge optimistisch zu betrachten und sich selbst etwas zuzutrauen. Denn nur dann schafft man es, gelassen und flexibel auf plötzlich auftretende Herausforderungen zu reagieren und zum unverzichtbaren Problemlöser zu avancieren.

Betrachten wir nun aber wieder die Eigenschaften mancher Perfektionisten: Wirkt ängstliches Vermeidungsverhalten selbstbewusst und kompetent? Kann sich ein Perfektionist, der sich grüblerisch in Details verliert, auf wesentliche Probleme im Unternehmen konzentrieren? Ist jemand, der nur zögerlich Entscheidungen fällen kann, in der Lage, in schwierigen Situationen richtig zu agieren? Erleichtert ein Mitarbeiter oder Kollege, der seinem Chefs oder seinen Büronachbarn und Kollegen ständig den Spiegel ihrer eigenen Fehler vorhält, anderen Menschen das Leben und macht er sich dadurch beliebt? Bleibt jemand, der sich zu allen Anforderungen von außen auch noch permanent selbst unter Druck setzt, gelassen? Ist es einem Perfektionisten, der geradezu rigide an bestimmten Denk- und Verhaltensweisen festhält, möglich, flexibel auf Herausforderungen zu reagieren? Und erweitert jemand seine Kompetenzen, dem es vor allem darum geht, Fehler zu vermeiden, statt daraus zu lernen? Die Antwort auf diese Fragen können Sie sich eigentlich schon selbst geben: Sie lautet: Nein. Denn andere Eigentschaften sind weitaus erfolgversprechender.

Kommunikative Defizite

Neben der positiven Selbstdarstellung ist vor allem der richtige Umgang mit anderen Menschen für den beruflichen Erfolg ein weitaus wichtiger Aspekt als die reine Leistungsbereitschaft. Hingegen ist die fehlende personelle Vernetzung am Arbeitsplatz mit das größte Beschäftigungsrisiko. Denn nur wer über gute Kontakte verfügt, erhält regelmäßig wichtige Hintergrundinformationen, die es ihm ermöglichen, neue Herausforderungen zu bewältigen. Wer zum Beispiel im Vorfeld weiß, dass im Unternehmen Umstrukturierungen geplant sind, kann durch eine optimale Vernetzung sogar eine drohende Kündigung abwenden, indem er seine Kontakte nutzt, um einen neuen Job in einer anderen Abteilung zu erhalten.

Um das zu erreichen, ist es wichtig, die Sympathien anderer für sich zu mobilisieren. Das bedeutet zunächst, stets höflich zu sein und ein Mindestmaß an gutem Benehmen an den Tag zu legen, etwa bei Begrüßungen oder beim Small-Talk auf dem Flur. Außerdem ist es wichtig, auf andere zuzugehen und sich mit den Wünschen und Bedürfnissen von Kollegen und Vorgesetzen zu beschäftigen.

Wie schmiedet man Allianzen?

Doch das ist nicht für alle Perfektionisten so einfach, wie es sich anhört. Denn für manche ist der Umgang mit anderen Menschen problematisch. Gerade introvertierte Perfektionisten nehmen andere Menschen häufig als potenziell aggressive Bedrohung wahr. Denn wer versucht, alles richtig zu machen und sich mit hohen Ansprüchen selbst unter Druck setzt, ist naturgemäß wesentlich anfälliger für Kritik, Anforderungen und Stress als gelassenere Naturen. Außerdem beinhaltet der Kontakt mit anderen Menschen auch immer ein unberechenbares Moment, das sich nicht steuern lässt. Was wird der andere sagen? Wie wird er reagieren? Gerade für Perfektionisten, die Situationen gern unter Kontrolle haben, sind solche Kommunikationssituationen mitunter ein echtes Risiko, dem sie lieber aus dem Weg gehen.

Und auch wenn Schüchternheit auf andere Menschen sympathisch wirkt: Die Menschenscheu einiger introvertierter Perfektionisten ist im Berufsalltag eher hinderlich. Wer nämlich andere Menschen meidet, verhält sich auch entsprechend abweisend, statt seine Kommunikationsfähigkeit zu verbessern; dadurch gehen wertvolle Sympathien und die für das berufliche Vorankommen so wichtigen Netzwerke und Allianzen verloren. Ganz zu schweigen davon, dass die verminderte Kommunikationsbereitschaft sich negativ auf die Selbstdarstellung auswirkt. Das gilt vor allem dann, wenn sich die Schüchternheit zu einer regelrechten sozialen Phobie ausweitet; in diesem Fall können nämlich auch einfache Gespräche, etwa der Plausch in der Kantine oder auf dem Flur, zum echten Problem werden.

Konkurrent oder Partner?

Auch extrovertierte Perfektionisten erschweren sich den Umgang mit anderen und behindern dadurch ihre eigene Karriere unnötig. Sicherlich ist ein gesundes Konkurrenzdenken eine wichtige Motivation, um beruflich voranzukommen, denn das menschliche Streben, andere zu übertreffen, ist für Psychologen eine der wichtigsten Antriebskräfte im Leben. Genau aus diesem Grund sind viele Perfektionisten aber sehr schlecht zu gebrauchen, wenn es darum geht, mit anderen Kollegen im Team zusammenzuarbeiten.

Denn wer seine Kollegen eher als Konkurrenten denn als Kooperationspartner betrachtet, versucht natürlich auch eher, sich gegen diese durchzusetzen, als gemeinsam mit ihnen auf ein Ziel hinzusteuern. Es erübrigt sich fast zu sagen, dass diese Menschen auch wenig Vertrauen in andere haben, wenn es darum geht, Arbeitsaufgaben an andere zu delegieren. Zu groß sind die Ängste vieler Perfektionisten, andere könnten die Arbeit nicht so gut machen wie sie selbst oder – im Gegenteil – die Aufgabe viel besser erledigen und den Perfektionisten damit ersetzbar machen. Um das im Griff zu haben, machen sie lieber gleich alles selbst.

Perfektionismus kann ansteckend sein

Untersuchungen von Arbeitspsychologen zeigen, dass karriereorientierte, perfektionistische Naturen durch ihr aggressives und feindseliges Verhalten die Stimmung oft derart negativ beeinflussen – zum Beispiel, indem sie Kollegen oder Mitarbeiter mit Hektik und Unsicherheit anstecken –, dass ein produktives Arbeiten am Ende nicht mehr möglich ist.

Die Vergleichs- und Kontrollsucht vieler Perfektionisten sowie die ständige Rechthaberei geht Kollegen und auch Vorgesetzen gehörig auf die Nerven und kostet letztlich wichtige Sympathiepunkte. Die aber entscheiden in vielen Firmen oft eher über das berufliche Vorankommen als Fleiß und Leistung. Wer einen guten Draht zu den richtigen Leuten hat, steigt auf der Karriereleiter schneller nach oben. Dass der Mensch in der Tat so “gepolt” ist, belegen auch die Ergebnisse der neurobiologischen Forschung. Das früher vorherrschende darwinistische Denkmuster vom survival of the fittest hat ausgedient, vielmehr hat die Wissenschaft belegt: denn Dder Mensch ist kann weder geistig noch körperlich dazu geeignet, einen ständigen Konkurrenzkampf jeder gegen jeden durchzuhalten; der Wunsch, ständig besser sein zu wollen als andere, entstammt nicht gesunder Produktivität, sondern entsteht steht aus Angst und führt langristig nur zu übermäßigem Stress. Beides macht nicht nur unproduktiv, sondern sogar krank. Karriere macht man auf diese Weise nicht, sondern wird viel mehr krank.

Wer also in einer funktionierenden Kooperation mit anderen sympathischen Kollegen arbeitet, arbeitet einfach besser. Die Grundvoraussetzungen dafür sind gegenseitige Anerkennung und Sympathie. Eine Studie der Respekt Research Group an der Universität Hamburg zeigt, warum das so ist. Demnach haben Menschen bestimmte Vorstellungen davon, wie sympathische und kompetente Personen sein sollten – nämlich unter anderem vertrauenswürdig, verlässlich und fair. Wer hingegen unfreundlich ist, Kollegen kaum ein Lob ausspricht, andere ständig kontrollieren will oder Entscheidungen vor sich herschiebt und dabei Versprechungen macht, die er nicht halten kann, verspielt die Sympathien von Chefs und Kollegen schneller, als ihm lieb ist.

Freundlich sein, heißt nicht, zu allem Ja und Amen zu sagen

Gerade unsichere Perfektionisten tendieren dazu, Freundlichkeit damit gleichzusetzen, sich alles gefallen zu lassen. So halten sie es zum Beispiel geradezu für unanständig, Kritik mit einer bissigen Bemerkung zu kontern und nehmen diese daher einfach hin, statt zu reagieren. Oder sie wollen es allen recht machen und erledigen alle Arbeiten stets mit einem Höchstmaß an Perfektion.

Es ist aber viel besser, statt sich selbst derartig aufzureiben, sich nicht alles gefallen zu lassen. Ein nett verpacktes, aber bestimmtes Nein bringt einem sogar den Respekt der Kollegen ein. Statt bei Kritik beleidigt zu reagieren, zeigen Sie lieber mit einer klugen und witzigen Entgegnung Kompetenz und Selbstbewusstsein.