Sich selbst organisierende Mitarbeitereinheiten sind das favorisierte Zukunftsmodell, weil sie den rasch aufkommenden und zunehmend unvorhersehbaren Anforderungen der Zukunft besser gewachsen sind als das Kommandieren-Kontrollieren alten Stils.

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Im Kern ändert Selbstorganisation die Machtverteilung

Für Unternehmen, die neue Formen der Zusammenarbeit eingeführt haben, kursieren unterschiedliche Begrifflichkeiten, zum Beispiel diese: agile Organisationen, kollegial geführte Unternehmen, demokratische Unternehmen, dezentrale Organisationen, Netzwerkorganisationen, selbstorganisierte Unternehmen. Zwar gibt es dabei einige Unterschiede, doch im Kern ändert sich bei allen die Machtverteilung.

Statt Entscheidungen, wie in Linienorganisationen üblich, „nach oben“ zu verlagern, werden diese nun autonom dort gefällt, wo sie anfallen. Die parallele Einführung agiler Arbeitsmethoden sorgt für eine hohe Flexibilisierung und beschleunigte Arbeitsweisen. Die Führung gibt dabei nur noch die grobe Marschrichtung vor. Und sie schafft einen Rahmen, der Selbstorganisation möglich macht.

Eigenmotivation als zentraler Treiber

Eigenmotivation – und nicht Fremdbestimmung – ist dabei der zentrale Treiber. Hierzu definieren die Mitarbeiter ihre Ziele sowie die dazu notwendigen Mittel und Wege gemeinsam und übernehmen Verantwortung für die erbrachten Ergebnisse.

Nicht Vorgaben von Oben, sondern kollegial miteinander erstellte Vereinbarungen über die Art und Weise der Zusammenarbeit bestimmen das Vorgehen. Dies geschieht in einer Wertewelt aus Vertrauen, Heiterkeit, Transparenz, Verlässlichkeit und Commitment. Auch Disziplin und Konsequenz gehören dazu.

Wesentliche Elemente selbstorganisierter Unternehmen

In selbstorganisierten Unternehmen werden Projektmärkte eingerichtet, damit sich jeder aus eigenem Antrieb dort einbringen kann, wo seine Talente den meisten Nutzen stiften. Hierdurch erlebt man Selbstwirksamkeit und erlangt Bedeutung. Sehr schnell kommt es zu einer fachlichen, menschlichen und motivatorischen Stärkung des Einzelnen.

Wie von Fesseln befreit wird eine enorme Energie freigesetzt. Weitere willkommene Nebeneffekte: Das Verständnis für Gesamtzusammenhänge im Unternehmen wächst, das unternehmerische Denken wird angeregt, der Wissenshorizont und die Expertise werden erweitert.

Verbesserungen im Team entscheiden und umsetzen

Verbesserungsideen, die den eigenen Bereich betreffen, werden im Team besprochen, entschieden und umgesetzt, es braucht also keinen Segen von oben. Interdisziplinäre Ideen gehen nicht an den Chef, sondern direkt an das jeweilige Team – oder in eine zentrale Ideenbank, die allen zugänglich ist. Wie in einem Regal werden dort Ideen zur Ansicht, zum Ausprobieren und zum Weiterentwickeln angeboten.

Führungskräfte können darauf vertrauen: In sich selbst organisierenden Einheiten entstehen Strukturen und Vorgehensweisen, die dem Unternehmenszweck dienen und außergewöhnliche Ergebnisse hervorbringen werden.

Hierzu braucht es ein Umfeld, das Vorschriften abbaut, auf Fehler smart reagiert, Vertrauen zulässt und Freiräume schafft. Leitplanken statt Handschellen, Empfehlungen statt Statuten und Mut zum Versuch sind die Devisen. All das macht eine Firma beweglich und anpassungsschnell.

Auch Selbstorganisation braucht Rahmenbedingungen

Ja, Selbstorganisation gibt es auch in klassischen Unternehmen, allerdings nur auf den Hinterbühnen. Solche Selbstorganisation entsteht autogen, also aus sich heraus, um all das vernünftig abzuwickeln, was eine offizielle Organisation durch Vorschriften erschwert oder gar unmöglich macht. Die ausdrücklich gewollte Selbstorganisation holt dies aus der Schattenkultur auf die Vorderbühne und lässt es offiziell zu.

Nicht allen Mitarbeitern wird der Sprung in die Selbstorganisation auf Anhieb gelingen. In diesem Fall werden besser Trittsteine gelegt, um ein sanftes Hineingleiten in die neue Gestaltungsfreiheit möglich zu machen. Hierzu werden Grenzen als Orientierung benötigt, um ein Gefühl der Sicherheit zu bewirken.

Selbstbestimmung: Freiheit kann zu Verunsicherung führen

Wie das aussehen kann? In einem Fall wurde den Mitarbeitern freigestellt, über die Höhe ihres Weiterbildungsbudgets autonom zu entscheiden. Dieses Angebot wurde aber nur sehr verhalten in Anspruch genommen.

Nachdem es dann Beispielbudgets pro Jahr und Mitarbeiter zusammen mit ein paar wenigen praktischen Regeln gab, wurde der Spielraum tatsächlich selbstbestimmt ausgeschöpft. Die Freiheit, über ein quasi unbeschränktes Budget verfügen zu können, hatte zunächst zu einer Verunsicherung geführt, die man zum Glück beseitigen konnte.

Anstupser, damit es in die richtige Richtung geht

Um in die richtige Richtung zu steuern, lassen sich jenseits von Direktiven auch smarte Anstupser setzen. Dieser Ansatz ist durch den Wirtschaftsnobelpreisträger Richard H. Thaler als Nudging bekannt geworden. Auch dazu ein Beispiel: Es gibt Unternehmen, da kostet das Erstellen und Kontrollieren von Reisekostenabrechnungen praktisch genauso viel wie die Reisen selbst. Wie man das wegkriegt?

  1. Reiserichtlinien zusammenstreichen. Sophia von Rundstedt, Geschäftsführerin des Outplacement-Anbieters von Rundstedt erzählt: Früher waren das bei uns sieben Seiten und kein Mensch hat das verstanden. Übrig geblieben ist eine Seite.
  2. Ein paar wenige Leitlinien formulieren, wie etwa diese: Jeder tätigt ausschließlich sinnvolle Ausgaben.
  3. Kontrolle streichen. Stattdessen die Reisekosten jedes Einzelnen transparent ins Intranet stellen. So kann jeder sehen, wer’s übertreibt.

Das Kollektiv als Korrektiv funktioniert. Ganz prächtig sogar. Transparenz ist der Schlüssel. Anonymität, Geheimnistuerei, Misstrauen und Herrschaftswissen-Gedöns hingegen sorgen für eine vergiftete Unternehmenskultur mit all ihren bösen und teuren Folgen.

Strukturen, damit man selbstorganisiert agieren kann

Die Systemforschung weiß längst: In der Selbstorganisation entsteht aus einer Eigendynamik heraus Ordnung. Zudem manifestiert sich der Wunsch nach einem guten Ergebnis, das ist evolutionär in den Genen der Menschen verankert.

Demnach sind Strukturen zu schaffen, die es möglich machen, dass die Mitarbeiter ohne Kontrolle von Oben vollumfänglich selbst agieren und eigenverantwortlich zum Erfolg kommen können. Solche Strukturen beinhalten auch Verhaltensgrenzen, die wie die Umrandung eines Fußballplatzes den groben Rahmen des Zusammenspiels definieren.

Bonus statt Überstunden-Ausgleich

Dazu ein weiteres Beispiel: Bislang zahlte ein Unternehmen kräftig für Überstunden, um der ständigen Lieferverzögerungen Herr zu werden. Eines Tages entschied es sich folgendermaßen: Die Firma zahlt keine Überstunden mehr. Punkt. Werden verbesserte Liefertreue-Zielvorgaben erreicht, wird stattdessen ein Teambonus ausgezahlt.

Von nun an gingen die Mitarbeiter nicht nur pünktlich heim, was einer Produktivitätssteigerung von 20 Prozent entsprach, die Liefertreue stieg zudem beträchtlich. Wie das? Die Rahmenbedingungen änderten sich. Weitere Vorgaben hat man den Mitarbeitern nicht gemacht. Diese haben sich selbst organisiert, um die gemeinsamen Ziele zu schaffen.